Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 28.5.2015 15 K
4287/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, war
Eigentümerin von vier in unterschiedlichen Finanzamtsbezirken
liegenden Grundstücken. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
18.1.2002 erwarb eine andere GmbH & Co. KG sämtliche
Kommanditanteile an der Klägerin. Zwischen
Veräußerer- und Erwerberseite bestand keine
Identität. Der Notar zeigte den der Grunderwerbsteuer
unterliegenden Vorgang der Grunderwerbsteuerstelle des
zuständigen Finanzamts nicht an.
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Nach einer Außenprüfung nahm das
Finanzamt an, der Wechsel des vollständigen
Gesellschafterbestandes der Klägerin unterliege nach § 1
Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der für das Jahr 2002
geltenden Fassung (GrEStG) der Grunderwerbsteuer, und stellte mit
Bescheid vom 4.12.2009, der am 7.12.2009 bekannt gegeben wurde,
gegenüber der Klägerin als Steuerschuldnerin gesondert
und einheitlich die Besteuerungsgrundlagen für die
Grunderwerbsteuer fest.
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Mit Bescheid vom 8.3.2011 stellte das
Finanzamt für das in seinem Bezirk liegende Grundstück
den Grundbesitzwert auf den 18.1.2002 für Zwecke der
Grunderwerbsteuer in Höhe von 11.034.000 EUR fest.
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Mit Bescheid vom 21.3.2011 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
gegenüber der Klägerin auf der Grundlage der
Feststellungsbescheide vom 4.12.2009 und vom 8.3.2011 die
Grunderwerbsteuer auf 386.190 EUR fest.
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Auf die Einsprüche gegen den
Feststellungsbescheid vom 8.3.2011 und den
Grunderwerbsteuerbescheid vom 21.3.2011 stellte das Finanzamt den
Grundbesitzwert mit Bescheid vom 19.4.2011 auf 3.527.000 EUR fest
und setzte das FA mit Bescheid vom 12.5.2011 die Grunderwerbsteuer
entsprechend auf 123.445 EUR herab.
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Gegen diese Änderungsbescheide legte
die Klägerin erneut Einspruch ein. Der Grundbesitzwert sei
zwar antragsgemäß niedriger festgestellt worden. Der
Grunderwerbsteuerbescheid sei aber rechtswidrig, da der
Feststellungsbescheid wegen Eintritts der
Feststellungsverjährung nicht mehr habe erlassen werden
dürfen. Die reguläre Festsetzungsfrist für die
Grunderwerbsteuerfestsetzung sei am 31.12.2009 abgelaufen. §
181 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz der Abgabenordnung (AO) sei für
den Feststellungsbescheid nicht einschlägig, da der Ablauf der
Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuerfestsetzung wegen
§ 181 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz AO nicht nach § 171 Abs.
10 AO gehemmt gewesen sei.
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Während das Einspruchsverfahren gegen
den Feststellungsbescheid vom 19.4.2011 zum Ruhen gebracht wurde,
wurde der Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid als
unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage hatte keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im
Wesentlichen aus, dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid stehe
keine Festsetzungsverjährung entgegen. Aufgrund des am
7.12.2009 bekannt gegebenen Feststellungsbescheids nach § 17
GrEStG, der rechtmäßig innerhalb der bis zum 31.12.2009
laufenden Feststellungsfrist ergangen sei, sei die
Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuer nach § 171
Abs. 10 AO erst am 7.12.2011 abgelaufen und der
Grunderwerbsteuerbescheid vom 12.5.2011 daher innerhalb der
Festsetzungsfrist ergangen. Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO habe
daher auch der Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert
vom 19.4.2011 noch erlassen werden dürfen. Das Urteil ist in
EFG 2015, 1418 = SIS 15 17 53 veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin
eine Verletzung des § 181 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs.
10 AO geltend.
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Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 21.3.2011 in
Gestalt des Änderungsbescheids vom 12.5.2011 und die
Einspruchsentscheidung vom 26.10.2011 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom 12.5.2011
rechtmäßig ist.
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1. Gehört zum Vermögen einer
Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und
ändert sich innerhalb von fünf Jahren der
Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass
mindestens 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen
auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die
Übereignung eines Grundstücks auf eine neue
Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs.
2a Satz 1 GrEStG).
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2. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung
oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
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a) Nach § 171 Abs. 10 AO endet die
Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein
Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer
Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf
von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.
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b) Für die Grunderwerbsteuer werden nach
§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen in
den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Finanzamt, in
dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft
befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des
Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück oder ein auf
das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im
Bezirk dieses Finanzamts liegenden Grundstücks betroffen wird.
Zu den Besteuerungsgrundlagen gehören die verbindliche
Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen
Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner
in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen
und über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung
berufen sind (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 31.3.2004
II R 54/01, BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658 = SIS 04 22 14, unter
II.1.a, und vom 15.10.2014 II R 14/14, BFHE 248, 228, BStBl II
2015, 405 = SIS 15 00 65, Rz 20). Zu den Besteuerungsgrundlagen
gehört auch die Angabe der betroffenen Grundstücke.
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c) Nach § 17 Abs. 3a GrEStG sind in die
gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG nicht die
Grundbesitzwerte i.S. des § 138 Abs. 2 und 3 des
Bewertungsgesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung
(BewG) aufzunehmen, wenn die Steuer nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu
bemessen ist. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG wird in den
Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die Steuer nach den Werten
i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG bemessen. In diesen
Fällen sind nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG die
Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, da sie für die
Grunderwerbsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung).
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d) Der Feststellungsbescheid nach § 17
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist (bindender) Grundlagenbescheid i.S.
des § 171 Abs. 10 AO für den Bescheid über die
Feststellung des Grundbesitzwerts und den
Grunderwerbsteuerbescheid. Die durch ihn festgestellten
Besteuerungsgrundlagen sind für diese beiden Folgebescheide
von Bedeutung i.S. des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO. Er hemmt nach
§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO den Ablauf
der Feststellungsfrist für den Erlass des Bescheids über
die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts. Durch den
Bescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden u.a. die
Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, die
Steuerschuldner und die Grundstücke, die von dem
Erwerbsvorgang betroffen sind, festgestellt. Erst aufgrund dieses
Bescheids kann die gesonderte Wertfeststellung für die
betroffenen Grundstücke erfolgen, weil vorher nicht feststeht,
dass und für welche Grundstücke Werte festzustellen sind.
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des
Grundbesitzwerts für Grunderwerbsteuerzwecke ist zudem
(bindender) Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO
für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid (vgl.
Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 151 BewG Rz 46;
Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 17 Rz
14).
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3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die
Klage zu Recht abgewiesen. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom
12.5.2011 ist rechtmäßig.
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a) Der Wechsel des vollständigen
Gesellschafterbestandes der Klägerin unterlag wegen des
Übergangs des vorhandenen Grundbesitzes nach § 1 Abs. 2a
GrEStG der Grunderwerbsteuer.
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b) Der bestandskräftige Bescheid
über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach §
17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG vom 4.12.2009 führte dazu, dass
nach § 171 Abs. 10 AO die Feststellungsfrist für den
Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und die
Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid nicht vor
Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids
nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG endeten. Der
Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG
wurde am 7.12.2009 bekannt gegeben. Die Feststellungsfrist für
den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und
die Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid
endeten daher am 7.12.2011 (§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187
Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
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c) Der Bescheid über die Feststellung des
Grundbesitzwerts vom 8.3.2011 und der Grunderwerbsteuerbescheid vom
21.3.2011 ergingen in offener Feststellungsfrist bzw. offener
Festsetzungsfrist. Der in dem Bescheid über die Feststellung
des Grundbesitzwerts festgestellte Wert des Grundstücks war
für den Grunderwerbsteuerbescheid bindend. Unerheblich ist, ob
der Feststellungsbescheid seinerseits die Ablaufhemmung nach §
171 Abs. 10 AO auslöste.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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