Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 7.11.2014 9 K
3297/13 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist an mehreren gewerblichen
Mitunternehmerschaften beteiligt. In Bezug auf die Beteiligung an
einer KG wurde für sie für das Streitjahr 2009 ein
Gewinnanteil von 152.784,24 EUR und ein nach § 34a des
Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigter Teilbetrag von
111.545,18 EUR festgestellt.
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Da der Klägerin aus den Beteiligungen
an weiteren Mitunternehmerschaften Verluste zugewiesen wurden,
wurden im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 2.9.2011
per saldo Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ./. 82.964 EUR, ein
Gesamtbetrag der Einkünfte von 17.090 EUR und ein zu
versteuerndes Einkommen von ./. 46.153 EUR ausgewiesen. Die
Einkommensteuer wurde auf 0 EUR festgesetzt.
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Mit ihrem Einspruch begehrte die
Klägerin, auf die Einkünfte aus der KG die
Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG (28,25 % von
111.545 EUR) anzuwenden. Dies hätte für das Streitjahr
zur Festsetzung einer höheren Einkommensteuer
geführt.
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Zur Begründung führte die
Klägerin aus, § 34a EStG sei gemäß § 32a
Abs. 1 Satz 2 EStG vorrangig vor dem allgemeinen Steuertarif
anzuwenden und damit auch lex specialis im Verhältnis zu der
allgemeinen Einkommensermittlungsvorschrift des § 2 Abs. 5
EStG. Nur dies werde dem Willen des Gesetzgebers gerecht, der die
nicht entnommenen Gewinne bei Personenunternehmen in etwa so wie
thesaurierte Gewinne von Kapitalgesellschaften habe besteuern
wollen.
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Während des Einspruchsverfahrens
erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) am 4.1.2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid, mit
dem weitere Grundlagenbescheide ausgewertet wurden. Die
festgesetzte Einkommensteuer belief sich unverändert auf 0
EUR.
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Das FA wies den Einspruch am 30.8.2013
zurück. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen auf das
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 11.8.2008
(BStBl I 2008, 838 = SIS 08 31 34). Nach Rz 1 dieses Schreibens
seien die Regelungen über den Verlustausgleich vorrangig vor
§ 34a EStG zu beachten. Daher könne durch § 34a EStG
kein Verlustvortrag nach § 10d EStG erzeugt werden.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(EFG 2015, 564 = SIS 15 01 60). Es vertrat die Auffassung, anders
als von § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzt, seien im zu
versteuernden Einkommen der Klägerin für 2009 keine
begünstigten Gewinne „enthalten“, weil das zu
versteuernde Einkommen negativ sei. Aus § 34a Abs. 8 EStG
folge nichts anderes, weil diese Regelung nur den Fall erfasse,
dass bereits eine tarifbegünstigte Besteuerung stattgefunden
habe. Ihre Bedeutung sei daher auf Änderungsveranlagungen
beschränkt.
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Mit ihrer Revision wiederholt und vertieft
die Klägerin ihr Vorbringen aus den vorangegangenen
Verfahrensabschnitten.
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Der Wortlaut des § 34a Abs. 1 EStG sei
nicht eindeutig. Gewinne könnten auch dann im zu versteuernden
Einkommen „enthalten“ sein, wenn sie - bei negativem zu
versteuernden Einkommen - lediglich in den entsprechenden
Rechenvorgang eingegangen seien. Die Begünstigung nach §
34a EStG sei auf jeden einzelnen Betrieb bezogen. Dies wäre
aber nicht möglich, wenn zunächst ein Verlustausgleich
vorgenommen werden müsste.
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Streitig sei indes weniger die Auslegung
des § 34a Abs. 1 EStG, sondern vor allem die des § 34a
Abs. 8 EStG. Zwar könne diese Vorschrift in dem vom FG
vorgenommenen Sinne ausgelegt werden. Die - in der Literatur sehr
zahlreich vertretene - Gegenauffassung verstehe § 34a Abs. 8
EStG aber dahingehend, dass dadurch die
begünstigungsfähigen Gewinne von vornherein aus dem
System des Verlustausgleichs ausgeschieden würden. Lege man
die Auffassung des FG zugrunde, liefe § 34a Abs. 8 EStG leer
bzw. hätte nur für Änderungsveranlagungen Bedeutung.
Es sei aber kein Grund dafür ersichtlich,
Änderungsveranlagungen anders zu beurteilen als erstmalige
Veranlagungen.
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Während des Revisionsverfahrens hat
das FA am 7.12.2015 einen hinsichtlich mehrerer
Besteuerungsgrundlagen geänderten Einkommensteuerbescheid
für 2009 erlassen. Die festgesetzte Steuer beträgt
unverändert 0 EUR.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2009 vom 7.12.2015 dahingehend zu
ändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe
von 111.545 EUR mit dem besonderen Steuersatz nach § 34a EStG
besteuert werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Es schließt sich im Wesentlichen der
Auffassung des FG an.
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II. Die Revision führt aus
verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des FG-Urteils,
aber zur erneuten Abweisung der Klage.
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1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben,
weil der während des Revisionsverfahrens ergangene
geänderte Einkommensteuerbescheid vom 7.12.2015 an die Stelle
des angefochtenen Bescheids vom 4.1.2012 getreten ist. Zwar handelt
es sich - mangels Änderung der festgesetzten Steuer - nicht um
einen echten Änderungsbescheid, sondern lediglich um eine
wiederholende Verfügung. § 68 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) ist aber im Hinblick auf den Zweck dieser Vorschrift auch auf
wiederholende Verfügungen anwendbar (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.6.2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014,
1716 = SIS 14 27 02, Rz 19, m.w.N.).
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Damit kann das FG-Urteil keinen Bestand
mehr haben, weil ihm ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde
liegt. Da es jedoch nicht an einem Verfahrensmangel leidet und die
vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des
Streitstoffs durch die Änderung des angefochtenen
Verwaltungsakts unberührt bleiben, bedarf es keiner
Zurückverweisung nach § 127 FGO (vgl. zum Ganzen,
Senatsurteile vom 26.11.2008 X R 31/07, BFHE 223, 471, BStBl II
2009, 651 = SIS 09 03 34, unter II.1., m.w.N., und vom 26.11.2014 X
R 20/12, BFHE 248, 34, BStBl II 2015, 325 = SIS 15 03 03, Rz
47).
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2. Die Klage ist zulässig.
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Zwar begehrt die Klägerin bei einem auf 0
EUR lautenden Einkommensteuerbescheid eine höhere
Steuerfestsetzung. In derartigen Fällen fehlt es
regelmäßig an der nach § 40 Abs. 2 FGO
erforderlichen Beschwer (vgl. Senatsurteil vom 23.4.2008 X R 32/06,
BFHE 221, 102, BStBl II 2009, 7 = SIS 08 31 13, unter II.2.a aa).
Eine Klage ist aber gleichwohl zulässig, wenn der
Steuerpflichtige sich durch die höhere Steuerfestsetzung in
anderen Veranlagungszeiträumen Steuervorteile verspricht, die
die für das Streitjahr festzusetzende Mehrsteuer
übersteigen (vgl. BFH-Beschluss vom 15.12.2011 VI R 26/11,
BFHE 236, 127, BStBl II 2012, 415 = SIS 12 04 57, Rz 10).
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So liegt es hier. Die Klägerin hat auf
den entsprechenden Hinweis der Senatsvorsitzenden dargelegt, dass
sie durch den - im Falle eines Erfolgs ihres Begehrens -
vorzunehmenden Verlustrücktrag in das Jahr 2008 sowie durch
die sich dann für 2009 auswirkenden, bisher leer laufenden
Steuerermäßigungen auch unter Berücksichtigung der
künftig nach § 34a Abs. 4 EStG festzusetzenden Nachsteuer
per saldo einen steuerlichen Vorteil erlangt. Dies gilt auch dann
noch, wenn man berücksichtigt, dass die Zuwendungen an
politische Parteien im Streitjahr 2009 lediglich 250 EUR und nicht
- wie in die Rechnung der Klägerin eingestellt - 590 EUR
betragen haben. Auf die Frage, in welchem Umfang der durch den
zeitlichen Aufschub der Nachversteuerung entstehende Zinsvorteil
bei der Prüfung der erforderlichen Beschwer zu
berücksichtigen ist, kommt es danach im Streitfall nicht
an.
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3. Das Begehren der Klägerin kann aber
aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben.
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Dies folgt zwar nicht schon aus dem Wortlaut
des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG, der in Bezug auf die hier zu
entscheidende Frage neutral ist (dazu unten a). Allerdings ergibt
sich die fehlende Separierbarkeit der
begünstigungsfähigen Gewinne bei gleichzeitig negativem
zu versteuerndem Einkommen aus der gesetzlichen Systematik (unten
b). Die Gesetzesmaterialien (unten c) sowie aus dem Gesetzeszweck
abgeleitete Überlegungen (unten d) sind für die
vorliegend zu beurteilende Problematik wenig ergiebig; sie stehen
der aus der Systematik abgeleiteten Lösung aber jedenfalls
nicht entgegen. Auch aus § 34a Abs. 8 EStG folgt kein anderes
Ergebnis (unten e).
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a) Sind in dem zu versteuernden Einkommen
nicht entnommene Gewinne u.a. aus Gewerbebetrieb
„enthalten“, ist die Einkommensteuer für
diese Gewinne auf Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise
mit einem Steuersatz von 28,25 % zu berechnen (§ 34a Abs. 1
Satz 1 EStG).
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Anders als das FG meint, ist die Auslegung des
Begriffs „enthalten“ hier nicht eindeutig. Zwar
ließe sich die Auffassung vertreten, dass nach allgemeinem
Sprachgebrauch in einer Saldogröße, die einen Betrag von
Null oder einen Negativbetrag aufweist, ein zuvor verrechneter
positiver Bestandteil nicht mehr „enthalten“
sein kann.
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Der Klägerin ist allerdings zuzugeben,
dass bei einer eher abstrakt-mathematischen Betrachtungsweise auch
eine Auslegung denkbar ist, wonach die in § 2 Abs. 3 EStG
angeordnete Saldierung lediglich rein rechnerisch wirkte und die
Selbständigkeit der in die Saldierung eingestellten
Einzelbeträge unberührt ließe. Auf dieser Grundlage
könnten auch in einer Null- oder Negativgröße
einzelne positive Bestandteile noch „enthalten“
sein.
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b) Entscheidend für die vom FG gefundene
Auslegung des Gesetzes sprechen gesetzessystematische
Gesichtspunkte.
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aa) Bei § 34a EStG handelt es sich um
eine Tarifvorschrift, die an das zu versteuernde Einkommen
anknüpft. Dies setzt voraus, dass zunächst das zu
versteuernde Einkommen - nach den hierfür geltenden Regeln -
ermittelt wird. Erst im Zuge der Anwendung des Steuertarifs wird
das bereits ermittelte zu versteuernde Einkommen in einen
regelbesteuerten und einen sondertarifierten Teilbetrag
aufgespalten (zutreffend Schiffers, DStR 2008, 1805, 1806).
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Der in § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG
verwendete Begriff des „zu versteuernden
Einkommens“ wird in § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG definiert
als „Einkommen, vermindert um die Freibeträge nach
§ 32 Absatz 6 und um die sonstigen vom Einkommen abzuziehenden
Beträge“. Das Einkommen wiederum ergibt sich, wenn
der Gesamtbetrag der Einkünfte um die Sonderausgaben und die
außergewöhnlichen Belastungen vermindert wird (§ 2
Abs. 4 EStG). Der Gesamtbetrag der Einkünfte entspricht der um
die Beträge nach § 13 Abs. 3, § 24a, § 24b EStG
verminderten Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG), wobei
zur Ermittlung der Summe der Einkünfte die positiven und
negativen Ergebnisse aus den einzelnen Einkunftsarten (sowie
innerhalb der jeweiligen Einkunftsarten bereits die Ergebnisse aus
den einzelnen Einkunftsquellen) zu saldieren sind (horizontaler und
vertikaler Verlustausgleich).
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Dieser in § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG
vorgenommene Rückgriff auf den im EStG selbst definierten
Begriff des „zu versteuernden Einkommens“, der
seinerseits an die vorgelagerten Einkommensermittlungsregelungen in
§ 2 Abs. 3, 4 EStG anknüpft, zeigt unzweifelhaft, dass
auch in den Fällen des § 34a Abs. 1 EStG ein horizontaler
und/oder vertikaler Verlustausgleich vorzunehmen ist, der
gleichermaßen diejenigen Einkünfte einbezieht, die nach
§ 34a EStG begünstigungsfähig wären (zutreffend
daher BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 838 = SIS 08 31 34, Rz 1
Sätze 2 ff.; ausführlich Schiffers, DStR 2008, 1805,
1806; Wacker, FR 2008, 605, 607; Wendt, DStR 2009, 406, 407;
Reiß in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 34a Rz 15, 17;
ebenso Ley, Unternehmensbesteuerung 2008, 13; Paus,
Ertragsteuer-Berater 2008, 322; Blümich/Ratschow, § 34a
EStG Rz 10; Schmidt/Wacker, EStG, 36. Aufl., § 34a Rz 11, 35
f.; Lindberg in Frotscher, EStG, § 34a Rz 2b; Kaligin in
Lademann, EStG, § 34a EStG Rz 48; Bäuml in
Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, 2017, § 34a Rz 65; Ley/Bodden
in Korn, § 34a EStG Rz 16.1, 34; a.A. Stein in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 34a EStG Rz 30 f., 95).
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bb) Wenn der Gesetzgeber eine
vollständige Separierung der Einkünfte aus bestimmten
Quellen von den regelbesteuerten Einkünften anordnen will,
dann bedient er sich einer ganz anderen Regelungstechnik als in
§ 34a EStG geschehen. So wird etwa auf bestimmte
Einkünfte aus Kapitalvermögen ein ermäßigter
Steuersatz angewendet (§ 32d EStG). In dieser Norm ist nicht
davon die Rede, dass die begünstigten Einkünfte im zu
versteuernden Einkommen „enthalten“ seien. Im
Gegenteil ordnet § 2 Abs. 5b EStG ausdrücklich an, dass
die unter § 32d Abs. 1 EStG fallenden Kapitalerträge in
das zu versteuernde Einkommen „nicht
einzubeziehen“ sind. Nur auf einen ausdrücklichen
Antrag des Steuerpflichtigen werden diese Kapitaleinkünfte den
Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet (so §
32d Abs. 6 EStG).
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Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die
Sonderregelungen der § 32d und § 34a EStG zwar durch
dasselbe Gesetz (Unternehmensteuerreformgesetz 2008 - UntStRefG
2008 - vom 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912) eingeführt hat, sich
hinsichtlich der Einbeziehung der jeweils begünstigten
Einkünfte in das zu versteuernde Einkommen bei § 34a EStG
aber einer gänzlich anders gearteten Regelungstechnik als bei
§ 32d EStG bedient hat, folgt gerade, dass die allgemeinen
Regeln des § 2 Abs. 3 bis 5 EStG - und damit auch die
vorrangige Verlustverrechnung - im Fall des § 34a EStG
Anwendung finden sollen (ebenso Schiffers, DStR 2008, 1805, 1806;
Wacker, FR 2008, 605, 607; Reiß in Kirchhof, EStG, 16. Aufl.,
§ 34a Rz 15; ähnlich auch Blaufus/Hechtner/Hundsdoerfer,
BB 2008, 80, 85, die aus § 2 Abs. 5b EStG - zutreffend -
ableiten, dass die Steuer nach § 34a EStG Bestandteil der
tariflichen Einkommensteuer und daher nach § 35 EStG
begünstigungsfähig sei; für Gleichbehandlung von
Thesaurierungsbegünstigung und Abgeltungsteuer aber HHR/Stein,
§ 34a EStG Rz 30).
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cc) § 10d Abs. 1 EStG lässt einen
Verlustrücktrag nur zu, wenn negative Einkünfte bei der
Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen
werden, der Gesamtbetrag der Einkünfte also negativ ist. Im
Streitfall ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aber positiv.
Wer - wie die Klägerin - in einem solchen Fall einen
Verlustrücktrag erzeugen will, müsste also zugleich die
Systematik des § 10d EStG durchbrechen, wofür kein Grund
ersichtlich ist (ebenso Wendt, DStR 2009, 406, 407).
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dd) Nichts anderes ergibt sich aus der - von
der Klägerin betonten - Betriebsbezogenheit der
Thesaurierungsbegünstigung. Zwar kann das Wahlrecht für
jeden Betrieb oder Mitunternehmeranteil gesondert ausgeübt
werden (§ 34a Abs. 1 Satz 2 EStG). Dies verdrängt aber
nicht den übergeordneten Grundsatz, dass höchstens die
nach den allgemeinen Regelungen ermittelte Bemessungsgrundlage des
Einkommensteuertarifs Grundlage für den niedrigeren
Thesaurierungstarif sein kann (zutreffend Wendt, DStR 2009, 406,
408).
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c) Die Gesetzesmaterialien sind in Bezug auf
die hier zu entscheidende Frage wenig ergiebig. Im Fraktionsentwurf
des UntStRefG 2008 vom 27.3.2007 (BTDrucks 16/4841, 62 f.)
heißt es: „Ausgangspunkt für die Berechnung der
Steuerermäßigung ist das zu versteuernde Einkommen
(§ 2 Abs. 5). Aus dem nach allgemeinen Grundsätzen
ermittelten zu versteuernden Einkommen sind die
begünstigungsfähigen Gewinne herauszurechnen und auf
Antrag des Steuerpflichtigen mit dem ermäßigten
Steuersatz von 28,25 Prozent (zuzüglich
Solidaritätszuschlag) zu besteuern.“
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35
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Damit geht auch der Gesetzgeber mit
hinreichender Eindeutigkeit davon aus, dass im Zuge der Ermittlung
des zu versteuernden Einkommens der Verlustausgleich nach den
allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen ist. Der
anschließend verwendete Begriff
„herausrechnen“ könnte zwar theoretisch in
dem von der Klägerin bevorzugten abstrakt-mathematischen Sinne
verstanden werden (so auch Bäumer, DStR 2007, 2089, 2091). Es
gibt aber nicht den geringsten Anhaltspunkt in der - recht
ausführlich gehaltenen - Begründung des Gesetzentwurfs,
dass der Gesetzgeber an den Fall, dass das zu versteuernde
Einkommen negativ ist und daher auf die von ihm als
begünstigungswürdig angesehenen Einkünfte ohnehin
keine Einkommensteuer anfällt, überhaupt gedacht haben
könnte. Vielmehr wird der Verlustfall in der gesamten
Entwurfsbegründung nicht erwähnt. Der Senat geht daher
davon aus, dass der Gesetzgeber - auch - an dieser Stelle das
„Herausrechnen“ aus einer positiven
Größe meint, nicht aber das - sehr spezielle und daher
als erläuterungsbedürftig anzusehende - Herausrechnen
eines positiven Beitrags aus einer bereits negativen
Saldogröße.
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d) Auch aus dem Normzweck des § 34a EStG
kann die Klägerin nichts ihr Günstiges ableiten. Ziel
dieser Regelung ist es, Einzel- und Mitunternehmer mit ihren
Gewinneinkünften „in vergleichbarer Weise“
wie das Einkommen einer Kapitalgesellschaft tariflich zu belasten
(Begründung zum Fraktionsentwurf, BTDrucks 16/4841, 62). Diese
Formulierung ist im späteren Bericht des Finanzausschusses
noch etwas abgeschwächt worden: Danach ist an eine
„stärkere Belastungsneutralität der
unterschiedlichen Unternehmensformen“ gedacht (BTDrucks
16/5491, 3); § 34a EStG soll ein „weiterer Schritt
auf dem Weg zur rechtsformneutralen Besteuerung von
Unternehmen“ sein (BTDrucks 16/5491, 15).
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37
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Aus diesen vorsichtigen Formulierungen folgt
bereits, dass aus den Regelungen des § 34a EStG keine
vollkommene Identität der steuerlichen Belastung von Einzel-
bzw. Mitunternehmern mit Kapitalgesellschaften oder ihren
Gesellschaftern abgeleitet werden kann und diese Norm daher auch in
Zweifelsfällen nicht zwingend in dieser Weise auszulegen
ist.
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Im Übrigen wäre auch bei einer
Kapitalgesellschaft, die aus verschiedenen mitunternehmerischen
Beteiligungen einerseits Gewinne und andererseits Verluste bezieht,
eine Saldierung dieser Ergebnisse vorzunehmen, bevor die
Körperschaftsteuer auf die verbleibende Bemessungsgrundlage
erhoben wird. Eine Kapitalgesellschaft hat nicht die
Möglichkeit, zwar die Gewinne zu versteuern, aber die Verluste
- wie es die Klägerin für ihre Einkommensbesteuerung
begehrt - zu separieren und auf das Vorjahr
zurückzutragen.
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39
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e) Zu einem anderen Ergebnis führt auch
nicht die Regelung des § 34a Abs. 8 EStG. Sie lautet:
„Negative Einkünfte dürfen nicht mit
ermäßigt besteuerten Gewinnen im Sinne von Absatz 1 Satz
1 ausgeglichen werden; sie dürfen insoweit auch nicht nach
§ 10d abgezogen werden.“
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Der Klägerin ist allerdings zuzugeben,
dass diese Norm in ihrem Zusammenwirken mit § 34a Abs. 1 Satz
1 EStG erhebliche Verständnisprobleme aufwirft (für einen
Ausschluss des Verlustausgleichs daher HHR/Stein, § 34a EStG
Rz 95; ebenso - allerdings jeweils ohne tiefgehende Erörterung
der Problematik - U. Förster, DB 2007, 760, 764; Dörfler
in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §
34a Rz 180; Crezelius in Festschrift für Wolfram Reiß,
2008 S. 399, 410; Winkeljohann/Fuhrmann in PricewaterhouseCoopers,
Unternehmensteuerreform 2008, Rz 564 ff.; unklar Thiel/Sterner, DB
2007, 1099, 1103; Lausterer/Jetter in Blumenberg/Benz, Die
Unternehmensteuerreform 2008, S. 9, 20, sowie Heuermann, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rz B 102 f., die
einerseits auf Abs. 8, andererseits aber darauf hinweisen, dass das
zu versteuernde Einkommen nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln
sei).
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41
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aa) Hier spricht der Gesetzeswortlaut indes
eher für die vom FG und der Finanzverwaltung vertretene
Auslegung. Wenn es in § 34a Abs. 8 EStG heißt, ein
Verlustausgleich mit „ermäßigt besteuerten
Gewinnen“ sei ausgeschlossen, impliziert dies, dass eine
ermäßigte Besteuerung nach § 34a Abs. 1 EStG
bereits stattgefunden haben muss. Zu einer solchen Anwendung des in
§ 34a Abs. 1 EStG vorgesehenen ermäßigten
Steuersatzes kommt es aber von vornherein nicht, wenn das zu
versteuernde Einkommen wegen des - vorrangig vorzunehmenden (s.
oben b) - Verlustausgleichs bei 0 EUR liegt oder gar negativ
ist.
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42
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Wäre die von der Klägerin vertretene
Auffassung richtig, wonach § 34a Abs. 8 EStG eine
Spezialregelung zu der in § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2
Abs. 5 und 3 EStG angeordneten vorrangigen Verlustverrechnung
darstelle, hätte es in § 34a Abs. 8 EStG heißen
müssen: „Negative Einkünfte dürfen nicht
mit Gewinnen ausgeglichen werden, die nach Abs. 1 Satz 1
begünstigungsfähig sind.“ Von einer solchen
Formulierung ist der tatsächliche Gesetzeswortlaut indes
deutlich entfernt.
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43
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Hinzu kommt bei einer bloßen Betrachtung
des Gesetzeswortlauts, dass sich die von der Klägerin begehrte
Rechtsfolge eines Verlustrücktrags in das Vorjahr aus diesem
Wortlaut keinesfalls ableiten lässt. Selbst wenn man §
34a Abs. 1 Satz 1 EStG dahin verstehen wollte, dass auch aus einem
negativen zu versteuernden Einkommen ein positiver
begünstigungsfähiger Betrag herausgerechnet werden
könnte, im Falle einer entsprechenden Antragstellung mit dem
dort genannten festen Steuersatz von 28,25 % zu besteuern wäre
und dadurch ein - erstmaliger oder höherer - negativer
Gesamtbetrag der Einkünfte entstünde, dann würde
§ 34a Abs. 8 EStG doch nur anordnen, dass dieser Negativbetrag
eben nicht nach § 10d EStG abgezogen werden darf. Denn die
genannte Vorschrift ordnet an, dass negative Einkünfte
insoweit, als sie ermäßigt besteuerten Gewinnen
gegenüberstehen, nicht nach § 10d EStG abgezogen werden
dürfen. Dieser Wortlaut ist eindeutig; er steht der von der
Klägerin begehrten Rechtsfolge entgegen.
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44
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bb) Die Klägerin weist zwar zutreffend
darauf hin, dass eine Norm in aller Regel nicht dahingehend
ausgelegt werden kann, dass ihr kein relevanter Anwendungsbereich
mehr verbleibt (für eine Inhaltslosigkeit des Abs. 8
Fellinger, DB 2008, 1877; Rohler, GmbH-Steuerberater 2008, 238;
Schiffers, DStR 2008, 1805, 1806; Lindberg in Frotscher, EStG,
§ 34a Rz 2b; Kaligin in Lademann, EStG, § 34a EStG Rz
48). Dies ist bei der Auslegung, die der Senat der Vorschrift des
§ 34a Abs. 8 EStG gibt, aber nicht der Fall.
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Zum einen wirkt sie - wie unter aa dargelegt -
als Verstärkung der vom Senat gefundenen Auslegung des §
34a Abs. 1 Satz 1 EStG, da negative Einkünfte, die
ermäßigt besteuerten Gewinnen gegenüberstehen, in
keinem Fall nach § 10d EStG abgezogen werden dürfen.
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Zum anderen behält diese Regelung - wie
auch in der Literatur vielfach vertreten wird (Bodden, FR 2012, 68,
69 f.; Reiß in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 34a Rz 18,
82; Blümich/Ratschow, § 34a EStG Rz 11, 85; Bäuml in
Kanzler/Kraft/Bäuml, EStG, 2017, § 34a Rz 416 ff.;
Ley/Bodden in Korn, § 34a EStG Rz 16.1, 208.1 ff.) - einen
eigenen und relevanten Anwendungsbereich in Fällen, in denen
nach einer bereits durchgeführten Veranlagung, bei der - mit
positivem zu versteuernden Einkommen - die Begünstigung nach
§ 34a Abs. 1 EStG beantragt und gewährt worden ist,
nachträglich Verluste bekannt und in die Veranlagung
einbezogen werden. Bei einer solchen Änderungsveranlagung gilt
dann, dass die (neuen) negativen Einkünfte nicht mit den
bereits „ermäßigt besteuerten
Gewinnen“ (so der Gesetzeswortlaut) ausgeglichen werden
dürfen. Eine solche „Festschreibung der
Verwendung“ bestimmter Beträge im Falle von
Änderungsveranlagungen ist dem Ertragsteuerrecht durchaus
nicht fremd (vgl. etwa § 28 Abs. 4 und § 54 Abs. 10a des
Körperschaftsteuergesetzes 1999).
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cc) Die Gesetzesmaterialien (BTDrucks 16/4841,
64) helfen bei der Auslegung des § 34a Abs. 8 EStG nicht. Sie
äußern sich lediglich zu der - in § 10d Abs. 1 Satz
2 EStG enthaltenen - Regelung über den Verlustrücktrag in
den Fällen des § 34a EStG, aber nicht zu dem eigentlichen
Norminhalt des § 34a Abs. 8 EStG (ebenso Wacker, FR 2008, 605,
607).
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dd) Im Übrigen neigt der Senat der auch
in Teilen der Literatur vertretenen Auffassung zu, dass § 34a
Abs. 8 EStG ein Relikt aus früheren Überlegungen zur
Fassung der Thesaurierungsbegünstigung ist, aber nicht in das
System der letztlich Gesetz gewordenen Fassung der Vorschrift
passt.
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So hatten Teile der Literatur bereits im Jahr
2005 ein sogenanntes „T-Modell“ vorgeschlagen,
das ebenfalls eine Tarifbegünstigung für nicht entnommene
Gewinne enthielt (Wissenschaftlicher Beirat des Fachbereichs
Steuern bei der Ernst & Young AG, BB 2005, 1653). Es sah allerdings
vor, dass der begünstigte Teil des Gewinns steuerlich zu
separieren war und daher weder bei der Ermittlung der Summe der
Einkünfte noch beim Verlustabzug berücksichtigt werden
durfte (vgl. den Entwurf eines § 32c Abs. 1 Satz 1 EStG in der
Fassung des „T-Modells“, BB 2005, 1653, 1660).
Insbesondere Autoren, die die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber
habe sich bei Schaffung des § 34a EStG an diesem
„T-Modell“ orientiert, sind zugleich der
Ansicht, auch die Gesetz gewordene Fassung des § 34a EStG
untersage einen Verlustausgleich (vgl. z.B. Bäumer, DStR 2007,
2089).
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Tatsächlich ist der Gesetzgeber der vom
„T-Modell“ vorgesehenen strikten Trennung der
begünstigungsfähigen von den übrigen Einkünften
aber gerade nicht gefolgt (zutreffend Söffing, DStZ 2008, 471;
ausführlich Wacker, FR 2008, 605, 607; Wendt, DStR 2009, 406,
408). § 34a Abs. 8 EStG, der noch auf einem anderen
systematischen Grundsatz beruht, kann daher den Anwendungsbereich
des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht einschränken.
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4. Der Senat hält es für angebracht,
ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu
entscheiden (§ 90a Abs. 1, § 121 Satz 1 FGO.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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