Fachkrankenpfleger, Freiberufler: Die Tätigkeit eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene ist dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlich. - Urt.; BFH 6.9.2006, XI R 64/05; SIS 07 00 10
I. Streitig ist,
ob die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) als Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene
eine freiberufliche Tätigkeit ausüben.
Die Klägerin
betreibt in der Rechtsform einer GbR ein Hygieneberatungsbüro.
Die beiden Gesellschafter der Klägerin sind examinierte
Krankenpfleger, welche eine Fachweiterbildung zum
Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene mit staatlicher
Abschlussprüfung absolviert haben. Die Gesellschaft erbringt
Hygieneleistungen und -beratungen für Krankenhäuser und
Altenheime.
Nach einer bei
der Außenprüfung vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung
berät die Klägerin Krankenhäuser und
Altenpflegeheime in allen Fragen der angewandten
Krankenhaushygiene. Es werden individuelle Desinfektions- und
Hygienepläne erstellt und deren Einhaltung stichprobenweise
überwacht. Zu den Aufgaben gehören danach auch die
Beratung und die Aufklärung von Mitarbeitern und Patienten im
Falle des Auftretens ansteckender Krankheiten. Therapiedauer und
Isolationsmaßnahmen werden, zum Teil auch in Abstimmung mit
den behandelnden Ärzten, festgelegt.
Nach einem
Vertragsvordruck, den die Klägerin ihren
Vertragsverhältnissen zu Grunde legt, schuldet die
Klägerin die Beratung und Betreuung des Krankenhauses durch
eine Hygienefachkraft. Zu den Tätigkeiten der Hygienefachkraft
gehört u.a. die beobachtende, beratende und analysierende
Tätigkeit im Krankenhaus, die Mitwirkung bei der Einhaltung
der Regeln der Krankenhaushygiene, Unterrichtung der Ärzte und
des Pflegepersonals über Verdachtsfälle sowie die
Schulung und Fortbildung des Personals. Der Betriebsprüfer kam
zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht
freiberuflich sei.
Im Anschluss an
die Außenprüfung erließ der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) entsprechend
geänderte Feststellungsbescheide (7.8.2002) sowie erstmalige
Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1999 und 2000.
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidungen
vom 20.6.2003).
Das FA stellte
darauf ab, dass kein einem Katalogberuf des § 18 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ähnlicher Beruf vorliege. Es
fehle an der Vergleichbarkeit der die Ausübung eines
Heilberufs charakterisierenden Maßnahmen der Ausbildung und
Berufsausübung. Nach der Tätigkeitsbeschreibung liege
keine unmittelbare Arbeit am oder mit dem Patienten vor; vielmehr
werde eine planerische, organisatorische und beratende
Tätigkeit ausgeübt. Diese komme zwar letztlich auch dem
Patienten zugute, stelle sich aber nur als untergeordnete und
unterstützende Tätigkeit für den die Heilbehandlung
durchführenden Arzt dar. Nur zu diesem stehe der Patient in
einem „therapeutischen Verhältnis“.
Das Finanzgericht
(FG) wies die Klage ab; seine Entscheidung ist veröffentlicht
in EFG 2006, 267 = SIS 06 09 93.
Mit der Revision
macht die Klägerin geltend:
1.
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Der Beruf der
Gesellschafter sei dem Beruf des Krankengymnasten ähnlich.
Entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils sei es nicht
erforderlich, dass das Berufsbild von der persönlichen
Beziehung zu einem Patienten geprägt sei.
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Bei dem Beruf des
Krankenpflegers und namentlich des Fachkrankenpflegers für
Krankenhaushygiene handele es sich um einen arztähnlichen
Beruf. Das ergebe sich aus der historischen Entwicklung der
Vorschrift.
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2.
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Im
Umsatzsteuerrecht habe eine Angleichung stattgefunden; dort werde
in § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes auf eine
„ähnliche heilberufliche Tätigkeit“
abgestellt. Der Verweis auf § 18 EStG sei mit dem
Steueränderungsgesetz 2003 aufgehoben worden.
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3.
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Den Begriff der
Arztähnlichkeit finde man nicht nur in der früheren
Rechtsprechung zu den Krankenpflegern; das Merkmal des
arztähnlichen Berufs sei durch das Recht der Europäischen
Gemeinschaft vorgegeben.
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4.
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Für den
arztähnlichen Beruf gebe es keine besonderen
Zulassungsvoraussetzungen. Die arztähnlichen Berufe wie
Krankengymnast, Krankenpfleger benötigten keine Approbation.
Sie unterstünden - wie auch im Streitfall - der Aufsicht der
Gesundheitsämter. Es sei anerkannt, dass der Krankenpfleger zu
den „ähnlichen Berufen“ gehöre. Durch die
Zusatzqualifikation der Krankenhaushygiene werde der Bereich der
Freiberuflichkeit nicht wieder verlassen. Die Hygiene gehöre
zu den typischen Ausbildungsinhalten bei Krankenschwestern und bei
Krankengymnasten.
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Es komme nicht
darauf an, ob der Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene in
einem unmittelbaren Kontakt zum Patienten stehe. In vergleichbarer
Weise habe der Bundesfinanzhof (BFH) die Tätigkeit von
medizinisch-technischen Assistentinnen (MTA) beurteilt (BFH-Urteil
vom 29.1.1998 V R 3/96, BFHE 185, 287, BStBl II 1998, 453 = SIS 98 12 26). Selbständige MTA führten im Wesentlichen
Teilbereiche der Aufgaben von Fachärzten für Labormedizin
aus. Entsprechendes gelte für das Verhältnis von
Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene und Facharzt
für Krankenhaushygiene.
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Entgegen der
Auffassung des angefochtenen Urteils sei eine sog.
„Behandlungspflege“ nicht notwendig. Die Entscheidung
vom 22.1.2004 IV R 51/01 (BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 = SIS 04 21 10) habe zur Abgrenzung der Altenpflege auf die
Behandlungspflege abgestellt. Damit sei aber nicht gesagt, dass die
ambulante Pflege die einzige Ausprägung eines freien Berufs
des Krankenpflegers sei.
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5.
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Unter
teleologischen Gesichtspunkten liege die Anerkennung des
Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene als freier Beruf
nahe; sie trage der Dynamik der Entwicklung des Gesundheitswesens
Rechnung. Nach der Entscheidung vom 28.8.2003 IV R 69/00 (BFHE 203,
429, BStBl II 2004, 954 = SIS 03 53 54) müsse sich die
Auslegung des Merkmals „ähnlicher Beruf“ der
Entwicklung der Heilhilfsberufe öffnen. Ein mittelbarer Bezug
zum therapeutischen Erfolg (durch die Verhinderung von Infektionen)
reiche aus.
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6.
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Auch unter dem
Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und im Hinblick auf Art. 2 Abs.
1, Art. 3 und Art. 12 des Grundgesetzes könne die
Klägerin verlangen, mit ihren marktstarken Konkurrenten
(Institut für Hygiene und Umwelt e.V., Hamburg;
gemeinnützige Krankenhäuser) gleichgestellt und nicht mit
Gewerbesteuer belastet zu werden.
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7.
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Der Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften habe mit Urteil vom 8.6.2006
Rs. C-106/05 (HFR 2006, 831) entschieden, dass eine ärztliche
Heilbehandlung einen therapeutischen Zweck haben müsse, aber
dies nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen
sei.
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8.
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Vorsorglich
gerügt werde die unzureichende Sachaufklärung. Die
Gesellschafter der Klägerin hätten in der Tat
persönliche Beziehungen zu einzelnen Patienten gehabt. Ein
solcher direkter Bezug mache in Krankenhäusern etwa 1/3 der
Tätigkeit aus.
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Die Klägerin
beantragt, das angefochtene Urteil sowie die
Gewerbesteuermessbescheide 1999 und 2000 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 20.6.2003 aufzuheben und die Bescheide
über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer 1999 und 2000
vom 7.8.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.6.2003
derart zu ändern, dass die festgestellten Einkünfte
solche aus freiberuflicher Tätigkeit sind.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
1.
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Die
Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin sei nicht mehr
auf die unmittelbare Patientenversorgung gerichtet, sondern
beratender und planerischer Tätigkeit. Aus der Entwicklung des
§ 18 EStG ergebe sich nichts Gegenteiliges.
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2.
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Zu den Berufen
Heilpraktiker und Krankengymnast bestehe keine Ähnlichkeit. Im
Vergleich zum Arzt fehle eine vergleichbare Ausbildung. Für
die Anerkennung eines ähnlichen Berufs sei maßgebend, ob
die konkrete Tätigkeit eine unmittelbare medizinische
Versorgung unter ärztlicher Aufsicht zum Gegenstand habe und
sich daher als Heilhilfsberuf darstelle. Die Klägerin schulde
- im Unterschied zu einer MTA - keine heilkundlichen
Leistungen.
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3.
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Die
Gewerbesteuerfreiheit der Konkurrenten ergebe sich aus der
jeweiligen rechtlichen Konstruktion und sei sachlich
gerechtfertigt.
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4.
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Dass die
Gesellschafter der Klägerin unmittelbaren Kontakt zu einzelnen
Patienten hätten, werde erstmals vorgetragen.
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II. Die Revision ist
begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Stattgabe der
Klage. Entgegen der Auffassung des FG ist die Tätigkeit der
Gesellschafter der Klägerin als freiberuflich zu
qualifizieren; sie erzielte einkommensteuerrechtlich Einkünfte
gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG;
gewerbesteuerrechtlich unterhielt die Klägerin keinen
Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes.
Die Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin war dem
Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlich.
1. Ein
ähnlicher Beruf liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor,
wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1
Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe verglichen werden kann.
Dazu gehört die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als
auch der ausgeübten beruflichen Tätigkeit (zu
Vorstehendem BFH-Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509 = SIS 04 21 10; Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 18 Rz 16, 126;
Stuhrmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18
Rdnr. B 151 f.). Die Ähnlichkeit mit einem Heilberuf bestimmt
sich in der Regel nach dem Berufsbild des Heilpraktikers oder
Krankengymnasten; § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG wurde u.a. bejaht
für Krankenschwestern, Masseure und MTA (BFH-Urteile vom
30.9.1999 V R 56/97, BFHE 189, 569 = SIS 00 01 68, und in BFHE 185,
287, BStBl II 1998, 453 = SIS 98 12 26; Blümich/Hutter, §
18 EStG Rz. 115 f.).
2. Wer eine
Ausbildung zum Krankenpfleger i.S. des § 1 Abs. 1 des
Krankenpflegegesetzes vom 20.9.1965 (BGBl I 1965, 1443) i.V.m. der
zugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsordnung vom 2.8.1966
(BGBl I 1966, 462) abgeschlossen hat, verfügt über eine
dem Krankengymnasten vergleichbare Ausbildung (BFH-Urteil in BFHE
205, 151, BStBl II 2004, 509 = SIS 04 21 10). In Deutschland ist
die Ausbildung zum Physiotherapeuten seit 1994 durch das Masseur-
und Physiotherapeutengesetz geregelt. Bis dahin war die Bezeichnung
„Krankengymnast“ üblich.
Zur Weiterbildung
zum Fachkrankenpfleger für Hygiene kann zugelassen werden, wer
eine staatliche Anerkennung als Krankenpfleger besitzt und
mindestens zwei Jahre in diesem Beruf tätig war (vgl. z.B.
Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen - Nr. 16,
Teil 1 vom 28.6.1996, Nr. 295, Anlage 6). Danach besitzt der
Fachkrankenpfleger für Hygiene eine Ausbildung, die über
die des „einfachen“ Krankenpflegers hinausgeht
und insoweit erst recht dem Ähnlichkeits-Vergleich
standhält.
3. Nicht nur die
Ausbildung, sondern auch die Tätigkeit des Krankengymnasten
und die des Hygiene-Fachkrankenpflegers sind einander ähnlich
i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
a) Die
Tätigkeit des Physiotherapeuten (Krankengymnasten) umfasst vor
allem aktive und passive Therapien zur Wiederherstellung und
Erhaltung der Gesundheit. Hygiene-Fachkrankenpfleger wirken daran
mit, in Krankenhäusern die Hygiene durch Maßnahmen zur
Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von
Krankenhausinfektionen zu verbessern. Auch in anderen Einrichtungen
des Gesundheits- und Sozialwesens sind sie zur Verbesserung der
Infektionsprävention tätig. Diese Tätigkeit ist
darauf gerichtet, den Heilerfolg sicherzustellen und damit für
die Patienten ebenso bedeutsam wie die Tätigkeit eines
Krankenpflegers.
b) Anders hat der
erkennende Senat die Tätigkeit eines selbständigen
Krankenhausberaters beurteilt (BFH-Beschluss vom 16.9.1999 XI B
63/98, BFH/NV 2000, 424 = SIS 00 53 12). In diesem Fall reichte
nicht aus, dass ein Krankenhausberater seine Ausbildung im
Katalogberuf Arzt nutzte, um die Tätigkeit als freiberuflich
einzustufen, da er sich auf das Gebiet der Wirtschafts- und
Organisationsberatung spezialisiert hatte.
Auch die Unterscheidung von Grund- und
Behandlungspflege führt zu keiner anderen Beurteilung
(BFH-Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II
2004, 509 = SIS 04 21 10; BFH-Beschluss vom 5.4.2005 IV B 89/03,
BFH/NV 2005, 1865 = SIS 05 41 27). Die Tätigkeit des
Hygiene-Fachkrankenpflegers dient insoweit ausschließlich der
Behandlungspflege, nämlich der Verhinderung und Beseitigung
von Infektionen durch unzureichende
Hygienemaßnahmen.