Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.2.2015 6 K 424/13
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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A. Streitig ist, ob im Zuge von
Anteilsübertragungen im Streitjahr (2010) ein
Verlustabzugshindernis gemäß § 8c Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung (KStG) eingetreten ist.
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An der Klägerin und Revisionsbeklagten
(Klägerin), einer beteiligungsverwaltenden GmbH, war u.a. die
A GmbH (zu 53 %) beteiligt. Andere Gesellschafter waren u.a.
(teilweise vermittelt durch Beteiligungsgesellschaften) vier
Firmengruppen/Familienstämme (B, C, D, E) mit einer
Beteiligung von jeweils 10,38 % (bzw. betreffend E in zwei
Teilbeteiligungen zu 6,67 % und 3,71 %). Die Klägerin erzielte
im Streitjahr einen Verlust; zum 31.12.2009 war für sie ein
verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer bzw. ein
vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden.
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Im Streitjahr (notarielle Verträge vom
1.7.2010 und vom 30.8.2010) veräußerten die
Gesellschafter der A GmbH ihre Anteile zu jeweils 33,33 % an B, C,
und E, so dass diese Käufer mittelbar zugleich jeweils 17,67 %
der Anteile an der Klägerin erwarben.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) war der Auffassung, bei den drei Erwerbern
handele es sich um eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten
Interessen i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG mit der Folge,
dass die bis August 2010 nicht genutzten Verluste gemäß
§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG vollständig nicht mehr abziehbar
seien. Dementsprechend seien im Streitjahr zeitanteilig 8/12 der
laufenden Verluste und der auf den 31.12.2009 festgestellte
verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie der
vortragsfähige Gewerbeverlust nicht mehr abziehbar. Die Klage
gegen die auf jeweils 0 EUR lautenden Festsetzungen zur
Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für
2010 bzw. gegen die Feststellungen des verbleibenden
Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes - jeweils zum 31.12.2010 -
(sämtliche Änderungsbescheide vom 17.10.2012) war
erfolgreich (Niedersächsisches Finanzgericht - FG -, Urteil
vom 26.2.2015 6 K 424/13, abgedruckt in EFG 2015, 1297 = SIS 15 13 93).
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Das FA rügt die Verletzung materiellen
Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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B. Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass bei der
Einkommensermittlung des Streitjahres der Verlustabzug (bezogen auf
den zeitanteiligen laufenden und den vorgetragenen zum 31.12.2009
festgestellten Verlust) nicht nach § 8c Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
Satz 3 KStG beschränkt ist; dies betrifft entsprechend die
Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 10a Satz 10 des
Gewerbesteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden
Fassung - GewStG - ) und bezieht sich auch auf den Umfang des zum
31.12.2009 festgestellten (Gewerbe-)Verlustes.
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I. Das angefochtene Urteil enthält keine
Rechtsfehler, soweit das FG die Klage sowohl mit Blick auf die
Steuer- bzw. Messbetragsfestsetzungen (Körperschaftsteuer,
Gewerbesteuermessbetrag), die auf jeweils „Null“
lauten, als auch auf die gesonderten Feststellungen (verbleibender
Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer, vortragsfähiger
Gewerbeverlust) als zulässig erachtet hat. Es liegt jeweils
eine Beschwer i.S. des § 40 Abs. 2 FGO vor.
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1. Zwar fehlt es für die Anfechtung eines
auf Null lautenden Steuerbescheides (Entsprechendes gilt für
einen Messbescheid) regelmäßig an der für die
Zulässigkeit einer Klage erforderlichen Beschwer
(ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 16.12.2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510 = SIS 15 05 53,
m.w.N.); dies gilt aber nicht, wenn sich die Steuerfestsetzung
nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses
erschöpft (z.B. BFH-Urteil vom 23.4.2008 X R 32/06, BFHE 221,
102, BStBl II 2009, 7 = SIS 08 31 13), etwa weil der zugrunde
gelegte Gewinn eine verbindliche Entscheidungsgrundlage für
andere Bescheide bildet (z.B. Senatsurteile vom 8.6.2011 I R 79/10,
BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421 = SIS 11 37 17; vom 21.9.2011 I R
7/11, BFHE 235, 273, BStBl II 2014, 616 = SIS 11 39 98; s.a.
BFH-Urteil vom 9.9.2010 IV R 38/08, BFH/NV 2011, 423 = SIS 11 04 86). Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend als erfüllt
angesehen, da sowohl der Körperschaftsteuerbescheid als auch
der Gewerbesteuermessbescheid Besteuerungsgrundlagen aufweisen, die
auf der Grundlage einer inhaltlichen Bindung für die
(Verlust-)Feststellungsbescheide wirken.
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Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung
(EStG) - i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG - sind bei der
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss
eines Veranlagungszeitraums die Besteuerungsgrundlagen so zu
berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des
Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende
Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in
dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde
gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sowie § 42
FGO gelten entsprechend. Diese Regelung gilt nach § 52 Abs. 25
Satz 5 EStG (i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8.12.2010,
BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394 = SIS 10 40 34) erstmals
für einen Verlust, für den nach dem 13.12.2010 eine
Feststellungserklärung abgegeben wird (s. z.B. Senatsurteil
vom 11.11.2014 I R 51/13, BFH/NV 2015, 305 = SIS 15 01 21; zur
Rechtmäßigkeit dieser zeitlichen Anwendungsregelung s.
BFH-Urteil vom 10.2.2015 IX R 6/14, BFH/NV 2015, 812 = SIS 15 10 72), und damit auch im Streitfall. Die Rechengröße des
negativen Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 10d Abs. 4 Satz
2 EStG - als Besteuerungsgrundlage der
Körperschaftsteuerfestsetzung) ist daher für die
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur
Körperschaftsteuer auf den Schluss des
Verlustentstehungsjahres (hier: auf den 31.12.2010) im Sinne einer
„inhaltlichen Bindung“ maßgebend (z.B.
BFH-Urteile in BFH/NV 2015, 812 = SIS 15 10 72; vom 12.7.2016 IX R
31/15, BFHE 255, 1 = SIS 16 22 90). Da auf dieser Grundlage eine
eigenständige Prüfung im Rahmen des
Feststellungsverfahrens nicht mehr stattfindet, folgt daraus eine
sachliche Beschwer, die den Steuerpflichtigen auch bei Vorliegen
eines Nullbescheides zur Anfechtung berechtigt (z.B. Heuermann in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rz D 93;
Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 43, 127
f.; Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 227; Schmidt/
Heinicke, EStG, 35. Aufl., § 10d Rz 36 f.; Seer in Tipke/
Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz 55;
Meyer/Ball, DStR 2011, 345, 346; s.a. Oberfinanzdirektion Frankfurt
am Main, Verfügung vom 22.8.2016, DB 2016, 2447).
Entsprechendes gilt gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 und 3
GewStG im Hinblick auf die Anfechtung des
Gewerbesteuermessbescheides 2010.
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Diesem Ergebnis steht § 10d Abs. 4 Satz 5
EStG nicht entgegen. Nach dieser Regelung dürfen die
Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung nur insoweit abweichend
von Satz 4 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung,
Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide
ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der
festzusetzenden Steuer unterbleibt. Ein solcher Fall ist hier nicht
gegeben.
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2. Die Klägerin ist auch durch die
Verlustfeststellungsbescheide beschwert.
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In welchem Verfahren eine Entscheidung zur
Anwendung des § 8c KStG im Jahr des schädlichen
Beteiligungserwerbs zu treffen ist, ist bisher nicht
abschließend geklärt. In der Literatur wird bislang
danach unterschieden, ob im Festsetzungsbescheid (Steuerbescheid)
nach („gekürztem“) Verlustabzug eine Steuerlast
verbleibt: Ist dies der Fall (es liegt ein ausreichend hoher - den
Verlustabzug übersteigender - Gesamtbetrag der Einkünfte
vor), wird die Entscheidung für den „laufenden
Verlust“ (bis zum evtl. unterjährigen Zeitpunkt des
schädlichen Beteiligungserwerbs) und für einen
Verlustabzug (i.S. § 10d EStG) im
Körperschaftsteuerbescheid (mit Folgewirkung für den
Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember dieses Jahres)
getroffen, ansonsten im Verlustfeststellungsbescheid (s. z.B.
Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8c Rz 63;
Gosch/Roser, KStG, 3. Aufl., § 8c Rz 102;
Blümich/Brandis, § 8c KStG Rz 31).
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Wenn auf der Grundlage von § 10d Abs. 4
Satz 4 EStG eine inhaltlich verbindliche Regelung auch im Falle
einer „Nullfestsetzung“ vorliegen kann (s. zu 1.),
könnte zugleich aus § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG
gefolgert werden, dass wegen der entsprechenden Geltung von §
351 Abs. 2 AO und § 42 FGO eine Änderung der nach §
10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 EStG bindenden Besteuerungsgrundlagen
nicht durch Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides erreicht
werden kann (so z.B. Heuermann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
a.a.O., § 10d Rz D 93). Allerdings ist durch die Anfechtung
des Ertragsteuerbescheides der Rechtsschutz des Steuerpflichtigen
nicht in jeder Hinsicht sichergestellt (so im Ergebnis auch
Haskamp, DStR 2015, 1593, 1596 f.; s.a. Linkermann, EFG 2016, 1534
f.; Brühl, GmbHR 2016, 1106, 1107 f.). Jedenfalls bezieht sich
die Regelungswirkung des § 8c KStG auch auf den zum vorherigen
Stichtag festgestellten verbleibenden Verlustvortrag, der dann,
wenn im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs ein negativer
Gesamtbetrag der Einkünfte erzielt wird, nicht Gegenstand der
Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Rahmen der
Steuerfestsetzung ist. Insoweit wird eine verbindliche Entscheidung
über die Kürzung des zum 31. Dezember des Vorjahres
festgestellten verbleibenden Verlustvortrags bei der Ermittlung des
zum 31. Dezember dieses Jahres festzustellenden Verlustvortrags
erst im Feststellungsbescheid getroffen.
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II. Ein schädlicher Beteiligungserwerb
i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 und 3 KStG liegt nicht vor. Daher
ist sowohl der im laufenden Wirtschaftsjahr bis zum
Beteiligungserwerb durch B, C und E erzielte laufende Verlust der
Klägerin als auch der zum 31.12.2009 festgestellte
verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer im
Streitjahr bei der Einkommensermittlung zu
berücksichtigen.
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1. Werden innerhalb von fünf Jahren
mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals,
der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte
an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe
stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer
Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind
insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht
ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht
genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 Satz 1
KStG). Unabhängig von Satz 1 sind bis zum schädlichen
Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht
mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder
unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der
Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an
einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende
Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt
vorliegt (§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG). Als ein Erwerber im Sinne
des Satzes 1 und 2 gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit
gleichgerichteten Interessen (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG).
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2. Der mittelbare Erwerb des 53 %-igen
Geschäftsanteils an der Klägerin - hier: Erwerb der
Beteiligung an der A GmbH - durch B, C und E im Streitjahr
(notarielle Verträge vom 1.7.2010 und vom 30.8.2010) ist kein
schädlicher Beteiligungserwerb i.S. von § 8c Abs. 1 Satz
2 i.V.m. Satz 3 KStG. Denn die Voraussetzungen einer sog.
Erwerbergruppe (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG), die eine
Zusammenrechnung der Anteilserwerbe durch B, C und E
(„gilt als ein Erwerber“) ermöglichen
würden, sind nicht erfüllt.
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a) Ein schädlicher Beteiligungserwerb
i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG liegt nicht vor. Von den drei
Erwerbern kann nicht eine Person tatbestandlich als
„Erwerber“ und die zwei anderen Erwerber als
(dieser Person) nahe stehende Personen angesehen werden. Dies ist
auch nicht im Streit.
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b) B, C und E bilden aber auch nicht eine sog.
Erwerbergruppe i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG, da es an
„gleichgerichteten Interessen“ fehlt.
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aa) Nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1
Satz 3 KStG müssen die einzelnen Erwerber „eine
Gruppe ... mit gleichgerichteten Interessen“ darstellen.
Auf welchen Umstand sich das jeweilige Interesse erstrecken muss,
lässt der Wortlaut offen.
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bb) Zur Ausfüllung des unbestimmten
Rechtsbegriffs ist auf den Regelungszweck zurückzugreifen (s.
allgemein bereits Senatsurteil vom 30.11.2011 I R 14/11, BFHE 236,
82, BStBl II 2012, 360 = SIS 12 06 18): Der
Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG liegt nach der
Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 16/4841, S. 76) der
Gedanke zugrunde, dass sich ungeachtet des Trennungsprinzips (Ebene
der Kapitalgesellschaft einerseits, des Anteilseigners
andererseits) „die wirtschaftliche Identität einer
Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen
Anteilseigners“ ändert. Die zuvor erwirtschafteten
Verluste sollen für das „neue wirtschaftliche
Engagement“ des Erwerbers (wenn eine bestimmte
Erwerbsquote überschritten ist) teilweise oder
vollständig unberücksichtigt bleiben. Dabei zielt Satz 3
mit der Absicht einer Missbrauchsverhinderung auf das
„typische Erwerberquartett“ ab, bei dem ein
Erwerb durch vier zu je 25 % beteiligte Anteilserwerber erfolgt, um
hierdurch einem schädlichen Beteiligungserwerb i.S. von §
8c KStG zu entgehen (BTDrucks 16/5491, S. 22, bzw. 16/5377, S.
28).
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cc) Das FG hat auf dieser Grundlage den
Begriff dahin verstanden, dass mehrere Erwerber bei und im Hinblick
auf den Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft
zusammenwirken und diese Personen im Anschluss an den Erwerb (durch
Stimmbindungsvereinbarungen, Konsortialverträge oder andere
verbindliche Abreden) einen beherrschenden einheitlichen Einfluss
bei der Verlustgesellschaft ausüben können.
Maßgeblicher Zeitpunkt soll dabei - wegen der Anknüpfung
des Tatbestandes an den Anteilserwerb - der Erwerbszeitpunkt sein;
spätestens zu diesem Zeitpunkt müssten die Erwerber
Abreden im Hinblick auf das spätere gemeinsame Beherrschen der
Gesellschaft getroffen haben. Demgegenüber befürwortet
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine weiter gehende
Auslegung (Schreiben vom 4.7.2008, BStBl I 2008, 736 = SIS 08 28 61, Rz 27): Von einer solchen Erwerbergruppe sei
regelmäßig auszugehen, wenn eine Abstimmung zwischen den
Erwerbern stattgefunden habe, wobei kein Vertrag vorliegen
müsse. Die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks i.S. des §
705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs reiche aus, sei aber nicht
Voraussetzung; die gleichgerichteten Interessen müssten sich
nicht auf den Erhalt des Verlustvortrags der Körperschaft
richten. Gleichgerichtete Interessen lägen z.B. vor, wenn
mehrere Erwerber einer Körperschaft zur einheitlichen
Willensbildung zusammenwirken würden; Indiz gleichgerichteter
Interessen sei auch die gemeinsame Beherrschung der
Körperschaft (Bezugnahme auf Hinweis 36 der
Körperschaftsteuer-Hinweise 2006 „Beherrschender
Gesellschafter – gleichgerichtete Interessen“).
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dd) Der Auslegung durch das FG - die sich
offensichtlich auf die auch im Streitfall maßgebliche
Situation des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG (Erwerb über 50 %)
bezieht - ist beizupflichten. Um die gesetzliche Fiktion in §
8c Abs. 1 Satz 3 KStG, es liege „ein Erwerber“
vor, so dass trotz des Handelns mehrerer Personen von einem
schädlichen Beteiligungserwerb gesprochen werden kann, zu
rechtfertigen, muss dieser Tatbestand den Regelungszweck von §
8c Abs. 1 Satz 1, 2 KStG - verbunden mit dem dortigen strengen
Stichtagsbezug (s. insbesondere Senatsurteil in BFHE 236, 82, BStBl
II 2012, 360 = SIS 12 06 18) - in sich aufnehmen. Insoweit reichen
Absprachen, die sich auf den Anteilserwerb „als
solchen“ beziehen und allenfalls einen zeitlichen oder
sachlichen Zusammenhang (z.B. mit Blick auf die Preisfindung, auf
das Bewahren eines bisher vorliegenden Verhältnisses im
Anteilsbesitz) der verschiedenen Erwerbsakte begründen, nicht
aus. Denn von einem „neuen wirtschaftlichen
Engagement“ kann nur gesprochen werden, wenn die Erwerber
nicht nur in der Situation des Erwerbs (als
„erwerbsbezogene Zweckgemeinschaft“ - so Ernst,
BB 2015, 1448), sondern auch im zukünftigen Wirtschaften als
„Gruppe“ aufzutreten willens und in der Lage
sind. Dazu reicht die bloße Möglichkeit eines
Beherrschens - abweichend von der Verwaltungsansicht - nicht aus
(im Ergebnis ebenso Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann,
a.a.O., § 8c Rz 158; Gohr in Schnitger/Fehrenbacher, KStG,
§ 8c Rz 148 f.; Gosch/Roser, a.a.O., § 8c Rz 74; Lang in
Ernst/Young, KStG, § 8c Rz 85; Suchanek in Herrmann/Heuer/
Raupach, § 8c KStG Rz 39; Frotscher in Frotscher/Drüen,
KStG/UmwStG/GewStG, § 8c KStG Rz 87c ff.; Dötsch/Leibner
in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer,
§ 8c Rz 291; Streck/Olbing, KStG, 8. Aufl., § 8c Rz 17;
Blümich/Brandis, § 8c KStG Rz 52; s.a. Ernst, BB 2015,
1448; Haskamp, DStR 2015, 1593, 1595 f.; Hinder/Hentschel, GmbHR
2015, 16, 21 f.).
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ee) Hiernach führt im Streitfall die -
aus den Verkaufsumständen ableitbare und offensichtlich
unstreitige - Absprache der Erwerber beim Beteiligungserwerb
(Zeitpunkt, Erwerbsquote, Preis) nicht dazu, im Erwerbszeitpunkt
„gleichgerichtete Interessen“ zu begründen.
Auch wenn es naheliegend sein könnte, dass gerade bei einem
mittelbaren Anteilserwerb Absprachen über die Ausübung
der Stimmrechte (hier: bei der A GmbH) getroffen werden, hat das FG
ausdrücklich festgestellt, dass „es an Regelungen in
den Gesellschaftsverträgen der A(BC) GmbH und der
Klägerin (fehlt), die eine
einheitliche Stimmrechtsausübung oder Stimmrechtsbindungen zum
Gegenstand haben“ (so Rz 113 des Urteilsnachweises in
juris).
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Insoweit kann das FA auch nicht mit Erfolg
darauf verweisen, eine gemeinsame Beherrschung (nach dem Erwerb)
sei Indiz gleichgerichteter Interessen im Erwerbszeitpunkt (s.
BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 736 = SIS 08 28 61, Rz 27). Wenn der
sachliche Zusammenhang zur früheren wirtschaftlichen
Tätigkeit durch das mit einem schädlichen
Beteiligungserwerb verbundene „neue wirtschaftliche
Engagement“ des Erwerbers gelöst wird, kann allein
der Umstand einer rechnerischen Beherrschungsmöglichkeit durch
verschiedene Erwerber nicht hinreichend ein „gemeinsames
neues wirtschaftliches Engagement“ der (Erwerber-)Gruppe
belegen. Vielmehr liegt - was das FG auch berücksichtigt hat -
die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer
Erwerbergruppe kraft gleichgerichteter Interessen
grundsätzlich bei der Finanzverwaltung (z.B. Olbing, Suchanek
und Brandis, ebenda; Gosch/Roser, a.a.O., § 8c Rz 77). An
einem solchen Nachweis fehlt es aber.
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3. Da damit die Verlustabzugsbeschränkung
des § 8c Abs. 1 KStG die Höhe der festzusetzenden
Körperschaftsteuer des Streitjahres 2010 bzw. die Höhe
des vortragsfähigen Verlustes zum 31.12.2009 nicht
berührt, liegt ein Grund für eine Aussetzung des
Verfahrens (§ 74 FGO) bis zum Abschluss des zu § 8c KStG
anhängigen Normenkontrollverfahrens beim
Bundesverfassungsgericht (dortiges Aktenzeichen: 2 BvL 6/11) nicht
vor.
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4. Nach dem Vorstehenden ist auch der
Gewerbeertrag bzw. der vortragsfähige Gewerbeverlust der
Streitjahre (s. § 10a Satz 10 GewStG) ohne die
Einschränkung des § 8c KStG zu ermitteln.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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