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Zur Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist bei ressortfremden Grundlagenbescheiden vor Inkrafttreten von § 171 Abs. 10 Satz 2 AO

Zur Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist bei ressortfremden Grundlagenbescheiden vor Inkrafttreten von § 171 Abs. 10 Satz 2 AO: 1. Eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG der zuständigen Landesbehörde, dass bestimmte Leistungen einer privaten Schule oder anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, ist ein Grundlagenbescheid i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, dem Rückwirkung zukommen kann. - 2. Ein solcher Grundlagenbescheid einer ressortfremden Behörde bewirkt nur dann nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO eine Ablaufhemmung, wenn er vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer erlassen wurde. - Urt.; BFH 20.4.2016, XI R 6/14; SIS 16 15 34

Kapitel:
Verschiedenes > Verjährung, Verwirkung
Fundstellen
  1. BFH 20.04.2016, XI R 6/14
    BStBl 2016 II S. 828
    DStR 2016 S. 1809

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 17.10.2016
    A. Treiber in DStR 31/2016 S. 1809
    H.-F. Lange in BFH/PR 10/2016 S. 324
    Dodos in MwStR 18/2016 S. 761
    B. Rätke in BBK 18/2016 S. 873
Normen
[UStG] § 4 Nr. 21
[FGO] § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a
[AO 1977] § 171 Abs. 10, § 175
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG des Landes Sachsen-Anhalt, 01.08.2013, SIS 14 14 60, Ablaufhemmung, Grundlagenbescheid, Änderung, Folgebescheid
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Köln 22.1.2020, SIS 20 13 43, Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO: 1. Gemäß § 171 Abs. 10 Satz 3 AO löst ein Grundlagenbescheid (Festst...
  • BFH 8.10.2019, SIS 19 18 92, Umsatzsteuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht, Leistungen, die den Charakter bloßer Freizeitge...
  • LfSt Bayern 6.10.2017, SIS 17 18 17, Folgebescheide, Anpassung an Grundlagenbescheide: Das Bayerische Landesamt für Steuern hat seine Verfügun...
  • BFH 27.9.2017, SIS 17 26 03, Rückstellung für Unterstützungsleistungen bei einer steuerbefreiten Unterstützungskasse: Verpflichtet sic...
  • BVerwG 27.4.2017, SIS 17 16 01, Anforderungen an die erforderliche Eignung von Nachhilfelehrkräften: 1. Nachhilfeunterricht kann im Sinne...
  • BVerwG 27.4.2017, SIS 17 18 21, Umsatzsteuer-Befreiung für eine Schüler-Nachhilfeeinrichtung, Frage der notwendigen Qualifikation der Leh...
  • BFH 29.3.2017, SIS 17 09 89, Zur Umsatzsteuerbefreiung von Leistungen an einen sogenannten Lotsendienst für Gründungswillige: Leistung...
  • OFD Frankfurt 2.3.2017, SIS 17 16 52, Folgebescheid, Anpassung an Grundlagenbescheid: Die OFD Frankfurt a.M. hat ihre Rundverfügung zur Anpassu...

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 1.8.2013 3 K 572/13 = SIS 14 14 60 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb seit 1991 eine Musikschule und erklärte für die Besteuerungszeiträume 1992 bis 1998 (Streitjahre) steuerpflichtige Umsätze. Die Erklärungen für 1992 sowie für 1994 bis 1998 reichte die Klägerin jeweils im Folgejahr ein; die Erklärung für 1993 im Jahr 1995.

 

 

2

Auf Antrag der Klägerin vom 18.2.2010 bescheinigte ihr das Landesverwaltungsamt X mit Bescheid vom 5.3.2010, dass die von ihr durchgeführte musikalische Früherziehung sowie der von ihr durchgeführte Instrumental-Unterricht in der Zeit vom 19.10.1991 bis zum 31.12.2013 i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck der beruflichen Bildung dienten, indem sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiteten. Später deutete das Landesverwaltungsamt X die Bescheinigung vom 5.3.2010 dahin um, dass sie neben der musikalischen Früherziehung auch Notenlehre und Grundkenntnisse der Tasteninstrumente, Erlernen von Tasteninstrumenten, Solo- und Orchesterspiel (soweit nicht nach § 4 Nr. 20 UStG), Ensemble-Fächer, Vorbereitung Schülerorchester sowie Gesang- und Musiktheorie erfasste.

 

 

3

Im Hinblick auf die Bescheinigung vom 5.3.2010 beantragte die Klägerin am 1.4.2010 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ), die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre gemäß § 175 der Abgabenordnung (AO) dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer jeweils auf 0 EUR herabgesetzt wird. Diesen Antrag lehnte das FA wegen Verwirkung ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 19.1.2011).

 

 

4

Das Finanzgericht (FG) entschied mit Zwischenurteil (§ 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ), dass die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 1998 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert werden könnten. Die Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO) stehe einer Änderung nicht entgegen, denn der Ablauf der Festsetzungsfrist sei gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO durch die Bescheinigung vom 5.3.2010, die als Grundlagenbescheid i.S. dieser Vorschrift anzusehen sei, gehemmt worden.

 

 

5

Auch wenn Bedenken gegen die uneingeschränkte Anwendung von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO bestünden, sei diese Vorschrift auf außersteuerliche Grundlagenbescheide ohne teleologische Reduktion anzuwenden. Eine hierfür erforderliche Regelungslücke sei zu verneinen, denn die Einbeziehung außersteuerlicher Grundlagenbescheide in den Anwendungsbereich von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO sei - anders als der Bundesfinanzhof (BFH) dies im Urteil vom 21.2.2013 V R 27/11 (BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529 = SIS 13 14 72) entschieden habe - Teil des vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungssystems der AO.

 

 

6

Dass die Klägerin die Bescheinigung erst beantragt habe, nachdem die Festsetzungsfrist - ohne Anwendung von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO - bereits abgelaufen war, stehe der Änderung der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide nicht entgegen.

 

 

7

Der Anspruch auf Änderung der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide sei auch nicht verwirkt.

 

 

8

Das Urteil des FG ist in EFG 2014, 1081 = SIS 14 14 60 veröffentlicht.

 

 

9

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 171 Abs. 10 AO. Das FG weiche vom BFH-Urteil in BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529 = SIS 13 14 72 ab, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liege.

 

 

10

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

11

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

12

Sie führt aus, die Revision sei unzulässig, da die Revisionsbegründung des FA nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Sie sei jedenfalls unbegründet; das FG habe der Klage zu Recht stattgegeben. Eine Regelungslücke sei insbesondere deshalb nicht anzunehmen, weil der Gesetzgeber zwar § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG a.F. zum 1.1.2011 entsprechend geändert habe, nicht aber auch § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.

 

 

13

II. 1. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin entspricht die Revisionsbegründung des FA den gesetzlichen Anforderungen.

 

 

14

a) Ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des FG-Urteils, dass das Gericht von einer bestimmten höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist und will der Revisionskläger diese Abweichung rügen, so reicht es als Revisionsbegründung i.S. von § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO aus, wenn die Abweichung dargestellt und darauf hingewiesen wird, dass der Revisionskläger sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 8.5.1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523 = SIS 85 18 17, unter II.A., Rz 10; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 120 FGO Rz 196).

 

 

15

b) So liegt der Fall hier. Das FA hat in der Revisionsbegründung ausgeführt, dass nach seiner Rechtsauffassung die Änderung der streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide für 1992 bis 1998 ausgeschlossen sei, da der Ablauf der Festsetzungsfrist im Streitfall nicht nach § 171 Abs. 10 AO gehemmt werde. Es beruft sich zur Begründung auf das BFH-Urteil in BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529 = SIS 13 14 72, von dem das FG in seinem Urteil ausdrücklich abweicht, und setzt sich zudem mit einzelnen Aspekten der Begründung des FG auseinander. Damit sind die gesetzlichen Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO an eine Revisionsbegründung erfüllt.

 

 

16

2. Die zulässige Revision des FA ist auch begründet. Das Zwischenurteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

 

 

17

Einer Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen für 1992 bis 1998 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO steht der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer der Streitjahre wird - entgegen der Auffassung des FG und der Klägerin - im Streitfall nicht nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO gehemmt.

 

 

18

a) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die regelmäßige Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre (vgl. BFH-Beschluss vom 14.7.2015 XI B 41/15, BFH/NV 2015, 1445 = SIS 15 21 09, Rz 8, m.w.N.). Diese Frist begann, da die Klägerin jährliche Umsatzsteuererklärungen abzugeben hatte (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG), gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Steuererklärungen eingereicht wurden, d.h. für die Streitjahre 1992 und 1994 bis 1998 mit Ablauf des jeweiligen Folgejahres; für 1993 mit Ablauf des Jahres 1995. Die zuletzt ablaufende Festsetzungsfrist betreffend die Umsatzsteuer für 1998 endete daher mit Ablauf des 31.12.2003.

 

 

19

b) Nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.

 

 

20

aa) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG a.F.; jetzt: § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG) sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

 

 

21

bb) Die für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG a.F. erforderliche Bescheinigung der zuständigen Behörde - hier die Bescheinigung des Landesverwaltungsamts X vom 5.3.2010 - ist ein für die betroffene Umsatzsteuerfestsetzung bindender Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 AO, dem Rückwirkung zukommen kann und der Grundlage für eine Änderung bestandskräftiger Bescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sein kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20.8.2009 V R 25/08, BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15 = SIS 09 33 07, Leitsätze 1 und 2; in BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529 = SIS 13 14 72, Rz 16; vom 28.5.2013 XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879 = SIS 13 22 89, Rz 50).

 

 

22

c) Mit Urteil in BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529 = SIS 13 14 72 (die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16.8.2015 1 BvR 1787/13, nicht veröffentlicht) hat der BFH entschieden, dass Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden, die nicht dem Anwendungsbereich der §§ 179 ff. AO unterliegen, eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO nur bewirken, wenn sie vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die betroffene Steuer erlassen worden sind (Leitsatz).

 

 

23

Der AO liege ein Regelungssystem zugrunde, wonach Grundlagenbescheide, soweit eine ausdrückliche von der Festsetzungsfrist des betreffenden Steuerbescheides (Folgebescheids) abweichende Regelung zur Feststellungsfrist für den Grundlagenbescheid fehlt, steuerrechtlich nur zu berücksichtigen sind, wenn sie innerhalb der Festsetzungsfrist für den betreffenden (Folge-) Steuerbescheid erlassen worden sind (Rz 27). Bei Grundlagenbescheiden ressortfremder Behörden sei § 171 Abs. 10 AO lückenhaft und deshalb aufgrund einer teleologischen Reduktion einschränkend dahingehend auszulegen, dass die von dieser Vorschrift angeordnete Ablaufhemmung voraussetze, dass der Grundlagenbescheid noch vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuer, für die der Grundlagenbescheid bindend ist, bekanntgegeben wird (Rz 28 ff.).

 

 

24

d) Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aus den dort genannten Gründen, auf die er Bezug nimmt, an. Der vom FG, von der Klägerin und in der Literatur erhobenen Kritik folgt der Senat nicht.

 

 

25

aa) Soweit in der Literatur hiergegen eingewendet wird, § 171 Abs. 10 Satz 1 AO enthalte in Hinblick auf Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden keine Regelungslücke, sondern sei lediglich rechtspolitisch verfehlt (Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 171 Rz 151) bzw. der Regelungsbefehl solcher Bescheide werde durch die teleologische Reduktion aus außerhalb ihres Zweckes liegenden Gründen relativiert (Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 171 Rz 104a), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

 

 

26

Diese Kritik berücksichtigt nicht hinreichend, dass die §§ 169 ff. AO nach ihrem Grundgedanken und System dazu dienen, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden dadurch herzustellen, dass Steueransprüche nur innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden können und dieser Zweck im Hinblick auf Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden in § 171 Abs. 10 Satz 1 AO nicht verwirklicht wird (BFH-Urteil in BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529 = SIS 13 14 72, Rz 31 f., m.w.N.). Dieser Zweck gilt auch für ressortfremde Bescheide und ist daher ihnen auch immanent.

 

 

27

bb) Soweit in der Literatur die Annahme einer Regelungslücke deshalb abgelehnt wird, weil bereits das Rechtsinstitut der Verwirkung die Fälle allzu weit zurückreichender ressortfremder Bescheide erfasse (Koenig/Cöster, a.a.O., § 171 Rz 151, m.w.N.), folgt der Senat dem nicht.

 

 

28

Das Rechtsinstitut der Verwirkung gilt zwar als Ausfluss der die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsätze von Treu und Glauben auch im Steuerrecht (vgl. BFH-Urteile vom 14.9.1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121 = SIS 79 00 65, unter 3.a, Rz 42; vom 21.1.2015 X R 16/12, BFH/NV 2015, 815 = SIS 15 10 73, Rz 54). Ein Vorrang der Anwendung des Rechtsinstituts der Verwirkung vor einer teleologischen Reduktion einer Vorschrift nach ihrem Normzweck besteht aber nicht (s. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1960, 299 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, 215). Im Übrigen entspricht die vom V. Senat vorgenommene Rechtsfortbildung im Kern der späteren Änderung des Gesetzes durch Einfügung von § 171 Abs. 10 Satz 2 AO (s. dazu BFH-Urteile vom 21.2.1964 IV 26/62 S, BFHE 78, 490, BStBl III 1964, 188 = SIS 64 01 18, unter II.1., Rz 11; vom 24.2.1976 VII R 102/74, BFHE 119, 1, BStBl II 1976, 601 = SIS 76 03 31, Rz 19).

 

 

29

cc) Der Senat folgt auch nicht dem Argument des FG und der Klägerin, die Ergänzung von § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG um einen Satz 3 (der die entsprechende Geltung von § 181 Abs. 1 und 5 AO für die Erteilung einer Bescheinigung anordnet) durch das Jahressteuergesetz 2010 (BGBl I 2010, 1768) zeige, dass keine Regelungslücke bestehe, da § 4 Nr. 21 UStG nicht entsprechend geändert worden sei, obwohl dem Gesetzgeber diese Abweichung bewusst gewesen sei.

 

 

30

Zwar befürchtete der Gesetzgeber eine Rechtsunsicherheit dadurch, dass infolge der Rückwirkung der von den Landesbehörden ausgestellten Bescheinigungen Vorsteuerbeträge in nicht unerheblicher Höhe zurückzufordern wären bzw. Umsatzsteuern für einen sehr langen Zeitraum von den Finanzämtern zurückzuzahlen wären (vgl. Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG a.F., BTDrucks 17/2249, S. 75). Anders als das FG und die Klägerin meinen, bedeutet dies aber nicht, dass der Gesetzgeber die unbegrenzte Änderungsmöglichkeit für Grundlagenbescheide ressortfremder Behörden an anderer Stelle bewusst in Kauf genommen habe.

 

 

31

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Einführung einer vergleichbaren Verjährungsregelung in § 4 Nr. 21 UStG - trotz Anregung des Bundesrates (vgl. BTDrucks 17/2823, S. 26 f.) - von der Bundesregierung abgelehnt wurde. Denn diese Ablehnung erfolgte lediglich deshalb, weil die Ergebnisse einer mit der Änderung dieser Vorschrift betrauten Arbeitsgruppe abgewartet und kurz hintereinander folgende Änderungen vermieden werden sollten (vgl. BTDrucks 17/2823, S. 40).

 

 

32

dd) Die Regelungslücke wurde für antragsgebundene Bescheinigungen erst durch die Einfügung von § 171 Abs. 10 Satz 2 AO beseitigt. Nach dieser Vorschrift gilt § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 AO nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist (für den Folgebescheid) bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417). Diese Vorschrift gilt für alle am 31.12.2014 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen (Art. 97 § 10 Abs. 12 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung; ebenso schon Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31.1.2014, BStBl I 2014, 159 = SIS 14 04 33, zur Anwendung des BFH-Urteils in BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529 = SIS 13 14 72) und damit nicht im Streitfall.

 

 

33

3. Die Sache ist spruchreif i.S. der Abweisung der Klage. Eine Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 1992 bis 1998 scheidet aus.

 

 

34

Die Bescheinigung des Landesverwaltungsamts X ist am 5.3.2010 und damit nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die streitgegenständlichen Umsatzsteuern für 1992 bis 1998 erteilt worden. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass eine Ablaufhemmung aufgrund einer anderen Vorschrift im Streitfall einschlägig wäre.

 

 

35

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.