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Abfindung, ermäßigte Besteuerung, Geringfügigkeit einer Teilauszahlung

Abfindung, ermäßigte Besteuerung, Geringfügigkeit einer Teilauszahlung: 1. Die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Teilbeträgen steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausnahmsweise nicht entgegen, wenn sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist. - 2. Eine Nebenleistung kann unter Berücksichtigung der konkreten individuellen Steuerbelastung als geringfügig anzusehen sein, wenn sie niedriger ist als die tarifliche Steuerbegünstigung der Hauptleistung. (Hinweis aus BStBl 2016 II S. 215 auf BMF-Schreiben vom 4. März 2016 - IV C 4 - S 2290/07/10007 :031 = SIS 16 04 53) - Urt.; BFH 13.10.2015, IX R 46/14; SIS 15 26 34

Kapitel:
Unternehmensbereich > Sonstiges > Verschiedene Einkünfte
Fundstellen
  1. BFH 13.10.2015, IX R 46/14
    BStBl 2016 II S. 214
    DStR 2015 S. 2658
    NJW 2016 S. 271
    BFH/NV 2016 S. 133
    BFHE 251 S. 331

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 4.3.2016
    B. Rätke in BBK 2/2016 S. 57
    E. Ratschow in BFH/PR 2/2016 S. 36
    J.H. in StuB 2/2016 S. 80
    A. Killat-Risthaus in DStZ 1-2/2016 S. 10
Normen
[EStG] § 34 Abs. 1 Satz 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Baden-Württemberg, 03.11.2014, SIS 15 04 16, Zusammenballung, Teilleistung, Bagatellgrenze, Geringfügigkeit
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Baden-Württemberg 5.10.2023, SIS 23 18 12, Regelmäßig keine Tarifbegünstigung einer nach der Nettolohnmethode ermittelten Verdienstausfallentschädig...
  • BFH 15.12.2022, SIS 23 03 38, Zu den Voraussetzungen der Tarifermäßigung nach § 34 EStG: 1. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Ab...
  • FG Baden-Württemberg 23.11.2022, SIS 23 14 52, Versicherungsentschädigung für unfallbedingten Verdienstausfall: 1. Erhält der Steuerpflichtige nach eine...
  • Thüringer FG 28.7.2021, SIS 22 00 52, Keine außerordentlichen Einkünfte bei Zufluss von Hauptzahlung und Restzahlungen in mehr als zwei Veranla...
  • BFH 2.8.2016, SIS 16 24 87, Außerordentliche Einkünfte aus einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, keine Tarifbegünstigung be...
  • FG München 30.5.2016, SIS 18 13 02, Sonstige Einkünfte aus Wettbewerbsverbot, ermäßigter Steuersatz: 1. Im Streitfall ist die Entschädigung f...
  • BFH 12.5.2016, SIS 16 16 58, Besteuerung von Abfindungen bei Zahlung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen: Die Grundsätze für die e...
  • BMF 4.3.2016, SIS 16 04 53, Entlassungsentschädigungen, Zusammenballung von Einkünften in einem VZ: RdNr. 8 des BMF-Schreibens vom 1....

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 3.11.2014 10 K 2655/13 = SIS 15 04 16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit 1971 bei demselben Arbeitgeber nichtselbständig beschäftigt. Im Kalenderjahr 2009 betrug sein Bruttoarbeitslohn ca. 34.500 EUR. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 30.9.2010. Für den Verlust des Arbeitsplatzes sagte der Arbeitgeber dem Kläger eine betriebliche Abfindung in Höhe von 104.800 EUR zu sowie eine Tarifabfindung in Höhe von 10.200 EUR. Die Tarifabfindung floss dem Kläger im Jahr 2010 zu und wurde in voller Höhe besteuert. Der Bruttoarbeitslohn belief sich einschließlich der Tarifermäßigung im Jahr 2010 auf ca. 44.300 EUR. Die betriebliche Abfindung floss dem Kläger im Streitjahr (2011) zu. Der Arbeitgeber führte die Lohnsteuer ohne Berücksichtigung der Tarifermäßigung ab.

 

 

2

In seiner Einkommensteuererklärung für 2011 machte der Kläger geltend, die betriebliche Abfindung sei als Entschädigung für entgangene Einnahmen mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) unterwarf die betriebliche Abfindung davon abweichend dem vollen Steuersatz. Der Einspruch blieb erfolglos.

 

 

3

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Zwar seien die vereinbarten Leistungen Teile einer einheitlichen Abfindung und komme die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich nicht in Betracht, wenn eine einheitliche Abfindung in Teilbeträgen ausgezahlt werde. Die Auszahlung des Teilbetrags von 10.200 EUR im Jahr 2010 hindere hier jedoch ausnahmsweise nicht die ermäßigte Besteuerung der betrieblichen Abfindung von 104.800 EUR im Streitjahr. Der Zweck des Gesetzes, bei zusammengeballten Zahlungszuflüssen die Progression zu mildern, gebiete in diesem Fall die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Die gesondert ausgezahlte Tarifabfindung sei im Verhältnis zu der betrieblichen Abfindung unter Berücksichtigung der individuellen Steuerbelastung noch als geringfügig anzusehen und deshalb unschädlich.

 

 

4

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ).

 

 

5

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

7

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Rechtsstreit beigetreten, hat sich jedoch nicht zur Sache geäußert.

 

 

8

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Im Ergebnis zu Recht hat das FG der Klage stattgegeben. Die im Streitjahr vom Kläger vereinnahmte betriebliche Abfindung von 104.800 EUR führt unter Berücksichtigung seiner individuellen Steuerbelastung zu außerordentlichen Einkünften.

 

 

9

1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

 

 

10

a) Zu Recht gehen das FG und die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die vom Kläger für den Verlust seines Arbeitsplatzes erhaltene einheitliche Abfindung eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt.

 

 

11

b) Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 EStG setzen weiter voraus, dass die Entschädigung grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum zufließt und geeignet ist, zu einer einmaligen und außergewöhnlichen Progressionssteigerung zu führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4.3.1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787 = SIS 98 14 04, m.w.N.). Dass die Auszahlung der betrieblichen Abfindung beim Kläger im Streitjahr zu einer einmaligen außergewöhnlichen Progressionsspitze geführt hat, steht außer Frage. Fraglich ist allein, ob die Auszahlung in zwei verschiedenen Veranlagungszeiträumen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegensteht.

 

 

12

c) Grundsätzlich steht die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Veranlagungszeiträumen der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes entgegen; denn Teilauszahlungen bewirken stets eine Progressionsmilderung. Dies schließt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich aus und zwar auch dann, wenn die Teilzahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich daraus ein (nicht bloß einmaliger) Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28.6.2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835 = SIS 06 37 73, m.w.N.). Andernfalls könnte die Grenze zwischen außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 EStG und den nach dem Regeltarif zu versteuernden Einkünften nicht hinreichend trennscharf gezogen werden (BFH-Urteil vom 2.9.1992 XI R 63/89, BFHE 171, 416, BStBl II 1993, 831 = SIS 93 18 39).

 

 

13

d) Davon abweichend kann eine Teilauszahlung ausnahmsweise unschädlich sein, wenn andernfalls der Zweck des Gesetzes verfehlt würde. Liegen keine besonderen Umstände vor, die die Teilleistung bedingen oder prägen (z.B. soziale Motivation, persönliche Notlage), kommt es allein auf die Höhe der Teilleistung an. Die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Teilbeträgen steht danach der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausnahmsweise nicht entgegen, wenn sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist (grundlegend BFH-Urteil vom 25.8.2009 IX R 11/09, BFHE 226, 265, BStBl II 2011, 27 = SIS 09 30 59).

 

 

14

e) Unter welchen Umständen von einer geringfügigen Teilleistung auszugehen ist, bestimmt sich nach dem Vorliegen einer Ausnahmesituation in der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen. Eine starre Prozentgrenze (im Verhältnis der Teilleistungen zueinander oder zur Gesamtabfindung) sieht das Gesetz weder vor noch kann eine solche die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen (BFH-Urteile vom 26.1.2011 IX R 20/10, BFHE 232, 471, BStBl II 2012, 659 = SIS 11 13 63; vom 8.4.2014 IX R 28/13, BFH/NV 2014, 1514 = SIS 14 24 35; BFH-Beschluss vom 20.6.2011 IX B 59/11, BFH/NV 2011, 1682 = SIS 11 29 41).

 

 

15

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Teilauszahlung von 10.200 EUR im Vorjahr unter den besonderen Bedingungen des Streitfalls noch als geringfügige Nebenleistung anzusehen.

 

 

16

Die Teilauszahlung beläuft sich im Streitfall auf 8,87 % der Gesamtabfindung oder 9,73 % der Hauptleistung. Eine geringfügige Nebenleistung hat der Senat nicht mehr angenommen, wenn sie mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1514 = SIS 14 24 35). Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Nebenleistung niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung. Mit dieser Begründung hat der BFH zwar bislang nur eine sozial motivierte, nachträgliche Zusatzleistung des Arbeitgebers der Höhe nach als unschädlich erachtet (vgl. BFH-Urteil vom 24.1.2002 XI R 43/99, BFHE 197, 522, BStBl II 2004, 442 = SIS 02 06 70). Der Maßstab lässt sich jedoch zur Konkretisierung der bloßen Geringfügigkeit gleichermaßen heranziehen. Müsste unter diesen Umständen die Tarifermäßigung versagt werden, stünde der Steuerpflichtige besser da, wenn er die Teilauszahlung nicht erhalten hätte. Die Teilauszahlung würde (vor Steuern) noch nicht einmal den steuerlichen Nachteil ausgleichen, den sie verursacht hat. Dieses Ergebnis würde zu wirtschaftlich unsinnigen Gestaltungen Veranlassung geben. Dies verdeutlicht, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach dem Zweck des Gesetzes trotz der Teilzahlung zur Abmilderung der einmaligen individuellen Progressionssteigerung im Streitjahr noch geboten ist. Zu berücksichtigen ist ferner auch, dass der Kläger auf die Höhe der Abfindung und die Modalitäten ihrer Auszahlung offenbar keinen entscheidenden Einfluss hatte.

 

 

17

3. Das Urteil des FG erweist sich damit im Ergebnis als zutreffend (§ 126 Abs. 4 FGO).

 

 

18

Das FA hat zur Ermittlung des Streitwerts für das Streitjahr eine Probeberechnung der Einkommensteuer unter Anwendung der Tarifermäßigung durchgeführt. Danach ermäßigt sich die Einkommensteuer im Streitfall bei Anwendung des § 34 EStG von derzeit 37.273 EUR um 10.806 EUR auf 26.467 EUR. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Tarifermäßigung im Streitfall anzuwenden ist, denn die vom Kläger im Vorjahr vereinnahmte Teilzahlung von 10.200 EUR ist niedriger als die streitige Steuerermäßigung der Hauptleistung (10.806 EUR).

 

 

19

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.