Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28.8.2013 3 K 525/11
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu
tragen.
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I. Streitig ist die steuerliche Behandlung
von Zuwendungen, die eine Notarassessorin von verschiedenen Notaren
für ihre Vertretungstätigkeit erhielt.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr (2009)
zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war in
dieser Zeit als Notarassessorin in Mecklenburg-Vorpommern
tätig.
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Die Klägerin übernahm im
Streitjahr die Vertretung verschiedener Notare. Die vertretenen
Notare hatten dafür gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2
der Abgabensatzung der Ländernotarkasse ein Entgelt an die
Ländernotarkasse zu entrichten. Unabhängig von diesem
Entgelt wandten die vertretenen Notare der Klägerin für
deren Vertretungstätigkeit Geldbeträge in Höhe von
insgesamt 1.000 EUR zu, ohne dass die Klägerin einen Anspruch
hierauf hatte.
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Im Rahmen der Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr erklärte die Klägerin diese
Zahlungen als steuerfreies Trinkgeld.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) behandelte den Betrag als steuerpflichtige
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
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Die dagegen nach erfolglosem Vorverfahren
erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2014, 23
= SIS 14 05 43 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragen, das angefochtene Urteil des
FG Mecklenburg-Vorpommern vom 28.8.2013 3 K 525/11 aufzuheben und
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 27.12.2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 21.11.2011 dahingehend abzuändern,
dass die streitgegenständlichen Zahlungen in Höhe von
1.000 EUR als steuerfreies Trinkgeld behandelt werden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass es sich bei den Zahlungen der vertretenen Notare an die
Klägerin nicht um steuerfreies Trinkgeld i.S. des § 3 Nr.
51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt.
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1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören nach ständiger
Rechtsprechung des erkennenden Senats alle Vorteile, die für
eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst
gewährt werden. Dies gilt auch für die Zuwendung eines
Dritten, wenn diese ein Entgelt „für“ eine
Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des
Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt,
erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich
für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den
Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem
Dienstverhältnis steht (Senatsurteile vom 18.12.2008 VI R
49/06, BFHE 224, 103, BStBl II 2009, 820 = SIS 09 00 51, und vom
3.5.2007 VI R 37/05, BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712 = SIS 07 20 82, m.w.N.).
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Danach waren die von den vertretenen Notaren
an die Klägerin geleisteten Zahlungen - wie das FG zutreffend
geurteilt hat - Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG.
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2. Dieser Arbeitslohn war nicht
gemäß § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei.
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a) Nach § 3 Nr. 51 EStG sind ohne
betragsmäßige Begrenzung Trinkgelder steuerfrei, die
anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten
freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht,
zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese
Arbeitsleistung zu zahlen ist.
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Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats
ist Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG eine dem
dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte
zusätzliche Vergütung, die eine gewisse persönliche
Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt.
Trinkgeld ist eine freiwillige und typischerweise persönliche
Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung
seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in
Form eines kleineren Geldgeschenkes (Senatsurteile vom 19.7.1963 VI
73/62 U, BFHE 77, 433, BStBl III 1963, 479 = SIS 63 03 08; in BFHE
218, 122, BStBl II 2007, 712 = SIS 07 20 82, und in BFHE 224, 103,
BStBl II 2009, 820 = SIS 09 00 51; so auch die in der Literatur
vertretene Auffassung, vgl. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 3 Nr. 51 EStG Rz 2; v. Beckerath, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 51 Rz B 51/51;
Blümich/Erhard, § 3 Nr. 51 EStG Rz 3). Zum Begriff des
Trinkgelds gehört es demnach, dass in einem nicht unbedingt
rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und
honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen,
weil die durch die Zuwendung „belohnte“
Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugutekommt. Faktisch
steht der Trinkgeldempfänger damit in einer doppelten
Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch
doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines
Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden (Senatsurteil in
BFHE 218, 122, BStBl II 2007, 712 = SIS 07 20 82).
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Der Trinkgeldbegriff ist durch den allgemeinen
Sprachgebrauch geprägt (Senatsurteil in BFHE 224, 103, BStBl
II 2009, 820 = SIS 09 00 51) und erfasst insbesondere Zuwendungen
an Arbeitnehmer, bei denen Trinkgelder traditionell einen
flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen (BTDrucks
14/9029, 3).
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b) Nach diesen Grundsätzen sind die von
den vertretenen Notaren an die Klägerin geleisteten,
freiwilligen Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.000 EUR keine
steuerfreien Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG, sondern
steuerpflichtiger Arbeitslohn. Die rechtliche Ausgestaltung des
Notarberufs schließt es aus, die Zahlungen der Notare an die
Klägerin als Notarassessorin für die Vertretung als
Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG anzusehen. Zu den Notaren
besteht insbesondere kein Kunden- oder kundenähnliches
Verhältnis, wie es der Typus-Begriff des Trinkgelds, der auch
§ 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, voraussetzt.
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aa) Der Notar steht nach geltendem Recht als
Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 der
Bundesnotarordnung - BNotO - ) nach seinen Aufgaben, seinen
Amtsbefugnissen und seiner Rechtsstellung dem Beamten oder dem
Richter nahe und erfüllt staatliche Aufgaben (Beschlüsse
des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 2.4.1963 2 BvL 22/60,
BVerfGE 16, 6; vom 5.5.1964 1 BvL 8/62, BVerfGE 17, 371, und vom
19.6.2012 1 BvR 3017/09, BVerfGE 131, 130). Denn der Notar
beurkundet Rechtsvorgänge und wird auf dem Gebiet der
vorsorgenden Rechtspflege tätig (§ 1 BNotO), nimmt also
eine staatliche Aufgabe wahr, die materiell zum Bereich der
freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört (BVerfG-Beschlüsse in
BVerfGE 16, 6, und in BVerfGE 131, 130, jeweils m.w.N.). Dem
entspricht die rechtliche Ausgestaltung des Amtsverhältnisses
des Notars, für das in weitem Umfang Vorschriften gelten, die
denen des Beamtenrechts nachgebildet sind. Der Beruf des Notars ist
sowohl nach der Eigenart der ihm übertragenen Aufgaben wie
nach der positiven Ausgestaltung des Berufsrechts dem
öffentlichen Dienst sehr nahe gerückt
(BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 17, 371, und vom 18.6.1986 1 BvR
787/80, BVerfGE 73, 280).
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bb) Dem Notar kann für die Zeit seiner
Abwesenheit oder Verhinderung durch die Aufsichtsbehörde
(§ 92 Nr. 1 BNotO, Präsident des Landgerichts über
die Notare und Notarassessoren des Landgerichtsbezirks)
gemäß § 39 Abs. 1 BNotO auf seinen Antrag ein
Vertreter bestellt werden. Auf diesen Vertreter sind
gemäß § 39 Abs. 4 BNotO die für den Notar
geltenden Vorschriften grundsätzlich entsprechend anzuwenden.
Auch der Vertreter ist mithin wie der Notar selbst Inhaber eines
öffentlichen Amtes; er hat grundsätzlich dieselben Rechte
und Pflichten wie der Notar (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler,
BNotO, 7. Aufl., § 7 Rz 38; Baumann in Eylmann/Vaasen, BNotO,
3. Aufl. 2011, § 7 Rz 35, 36 und 47).
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cc) Zwischen den Notaren, zu deren Vertreterin
die Klägerin durch die Aufsichtsbehörde bestellt worden
war, und der Aufsichtsbehörde bestand angesichts der
vorbezeichneten rechtlichen Rahmenbedingungen für Amt und
Funktion des Notars kein trinkgeldtypisches kundenähnliches
Dienstleistungs- oder sonstiges Hauptvertragsverhältnis, zu
dessen Erfüllung sich die Aufsichtsbehörde der
Klägerin bedient hätte.
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Der Hauptzweck der Vertretung, an dem sich
auch die Ermessensausübung der Aufsichtsbehörde bei der
Bestellung eines Vertreters für den Notar zu orientieren hat,
besteht darin, den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege
gerecht zu werden, die durch den mehr oder minder lange oder oft
eintretenden Ausfall des Notars für die Ausübung seines
Amtes im Ganzen gestört wird (Beschluss des Bundesgerichtshofs
- BGH - vom 9.1.1995 NotZ 6/93, NJW Rechtsprechungs-Report
Zivilrecht 1995, 1081). Dagegen hat sie jedenfalls nicht in erster
Linie den Zweck, die Praxis des Notars vor einem Rückgang zu
schützen (BGH-Beschluss vom 8.11.1976 NotZ 4/76, BGHZ 67, 296,
298). Vielmehr obliegt den Aufsichtsbehörden (§ 92 BNotO)
gemäß § 93 Abs. 1 BNotO die Dienstaufsicht
über die Notare und Notarassessoren aufgrund der staatlichen
Justizhoheit (Lerch in Arndt/Lerch/ Sandkühler, a.a.O., §
93 Rz 2; Baumann in Eylmann/Vaasen, a.a.O., § 93 Rz 3; Lemke
in Schippel/Bracker, BNotO, 8. Aufl., § 93 Rz 1). All das
spricht gegen ein kundenähnliches Dienstleistungs- und
Hauptvertragsverhältnis zwischen den Notaren und der
Aufsichtsbehörde.
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dd) Ebenso wenig lässt sich das
Verhältnis der Notare zur Notarkammer Mecklenburg-Vorpommern
und zur Ländernotarkasse als kundenähnliches
Dienstleistungs- und Hauptvertragsverhältnis charakterisieren.
Die Notare sind gemäß § 65 BNotO Zwangsmitglieder
der Notarkammer (vgl. Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, a.a.O.,
§ 65 Rz 11) als einer Körperschaft des öffentlichen
Rechts (§ 66 Abs. 1 Satz 1 BNotO), deren Aufgaben insbesondere
in § 67 BNotO gesetzlich geregelt sind. Zu diesen Aufgaben
gehört es nicht, den Kammermitgliedern im Sinne einer
Dienstleistung Notarassessoren, deren Ausbildung die Notarkammer
aufgrund der von der Landesjustizverwaltung vorgegebenen
Ausbildungsordnung gestaltet, zu Vertretungszwecken zur
Verfügung zu stellen. Die Zuständigkeit der
Ländernotarkasse beschränkt sich - soweit es für den
Streitfall von Bedeutung ist - auf die Zahlung der Bezüge der
Klägerin an Stelle der Notarkammer (§ 113 Abs. 2, Abs. 3
Nr. 6 BNotO).
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3. Das Urteil des FG stimmt mit diesen
Rechtsgrundsätzen überein. Es hat zu Recht entschieden,
dass die von den vertretenen Notaren an die Klägerin
geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.000 EUR im
streitigen Veranlagungszeitraum keine steuerfreien Trinkgelder i.S.
des § 3 Nr. 51 EStG sind. Die Revision war daher
zurückzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143
Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.
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