Sonderzahlungen an Arbeitnehmer im Konzern, Trinkgeld: Freiwillige Sonderzahlungen an Arbeitnehmer eines konzernverbundenen Unternehmens sind keine steuerfreien Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG. - Urt.; BFH 3.5.2007, VI R 37/05; SIS 07 20 82
I. Streitig ist, ob eine Sonderzahlung der
Konzernmutter an Arbeitnehmer der Konzerntochter steuerfreies
Trinkgeld nach § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
ist.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte im Streitjahr als Arbeitnehmer der X GmbH
(GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Y
Holding AG (AG) hielt 90,01 % der Anteile der GmbH. Diese Anteile
veräußerte die AG im Jahr 2002. Die GmbH informierte im
März 2002 ihre Arbeitnehmer über den bevorstehenden
Anteilsverkauf und teilte ihnen mit, die AG werde als Dank und
Anerkennung jedem Mitarbeiter, der am 7.3.2002 und am Tag des
Anteilsverkaufs in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis
zur GmbH stehe, zwei zusätzliche Monatsgehälter zahlen.
Die Sonderzahlung sollte nach Vertragsvollzug mit dem nächsten
Monatsgehalt nach Steuerabzug ausgezahlt werden. Im Mai 2002
unterrichtete die GmbH ihre Mitarbeiter darüber, dass der
Anteilsverkauf vollzogen worden sei und die Anerkennungsprämie
der AG mit der Gehaltsabrechnung des Monats Juni 2002 gezahlt
werde. Der Kläger erhielt eine Anerkennungsprämie in
Höhe von 9.322 EUR brutto. Die GmbH behielt Lohnsteuer ein. Im
streitigen Einkommensteuerbescheid für 2002 behandelte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die
Sonderzahlung als steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach
erfolglosem Einspruchsverfahren mit den in EFG 2005, 852 = SIS 06 09 39 in einem Parallelfall veröffentlichten Gründen ab
und ließ die Revision zu.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung des § 3 Nr. 51 EStG. Zu Unrecht habe die
Vorentscheidung das Tatbestandsmerkmal des „Dritten“
verneint. Entgegen der Rechtsauffassung des FG sei mit der in
Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung davon
auszugehen, dass Dritter jeder sein könne, der nach
zivilrechtlicher Wertung nicht Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sei.
Dritter in diesem Sinne sei jeder, mit dem der Leistende keinen
Arbeitsvertrag geschlossen habe. Arbeitgeber sei derjenige, dem der
Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schulde, unter dessen Leitung er
tätig werde oder dessen Weisungen er zu befolgen habe. Bei
konzernrechtlichen Strukturen bestünden diese Ansprüche
nur im Verhältnis zur Konzerntochter. Nur gegenüber
diesem Unternehmen habe der Arbeitnehmer Ansprüche auf Zahlung
des Arbeitslohns, Lohnfortzahlung oder Urlaubsgeld.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz sowie die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und im Einkommenssteuerbescheid
2002 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe
von 9.322 EUR steuerfrei zu belassen und die Einkommensteuer
dementsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Sonderzahlung zu
Recht als einkommensteuerbaren, nicht nach § 3 Nr. 51 EStG
steuerfreien Arbeitslohn qualifiziert, weil die streitige Zahlung
kein „Trinkgeld“ im Sinne der vorgenannten Norm
ist.
1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören nach ständiger
Rechtsprechung alle Vorteile, die für eine Beschäftigung
im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.
Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das
Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch
das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Arbeitslohn
kann auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn
diese ein Entgelt „für“ eine Leistung
bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses
für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen
soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer
als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im
Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.8.2004 VI R 33/97, BFHE 207, 230,
BStBl II 2004, 1076 = SIS 04 38 35, m.w.N.; zu Trinkgeldzahlungen
vgl. BFH-Urteile vom 23.10.1992 VI R 62/88, BFHE 169, 432, BStBl II
1993, 117 = SIS 93 02 40, und vom 24.10.1997 VI R 23/94, BFHE 184,
474, BStBl II 1999, 323 = SIS 98 03 48). Danach bezog der
Kläger auch in Höhe der Sonderzuwendung Arbeitslohn, was
zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist.
2. Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 51 EStG
in der für das Streitjahr geltenden Fassung ohne
betragsmäßige Begrenzung Trinkgelder, die
anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten
freiwillig und ohne dass ein Rechtsgrund auf sie besteht,
zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese
Arbeitsleistung zu zahlen ist.
a) Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend ist
Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG eine dem dienstleistenden
Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche
Vergütung (Küttner/ Griese, Personalbuch 2007, Strichwort
Trinkgeld, Rz 1). Es handelt sich um eine freiwillige und
typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine
Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber
erwiesenen Mühewaltung in der Form eines kleineren
Geldgeschenks (BFH-Urteil vom 19.7.1963 VI 73/62 U, BFHE 77, 433,
BStBl III 1963, 479 = SIS 63 03 08; Kruse, Steuer und Wirtschaft
2001, 366; Bowitz, DStZ 1995, 553; Blümich/Erhard, § 3
EStG Rz 956; von Beckerarth, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
EStG, § 3 Nr. 51 Rz B 51/51; Bergkemper in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 51 EStG Rz 7). Zum Begriff des
Trinkgelds gehört es demnach, dass in einem nicht unbedingt
rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und
honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen,
weil die durch die Zuwendung „belohnte“
Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugute kommt. Faktisch
steht der Trinkgeldempfänger damit in einer doppelten
Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch
doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines
Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden.
Die bei einer Trinkgeldzahlung typischerweise
vorzufindende strukturell doppelte Leistungsbeziehung wird
insbesondere mit der Neuregelung der Steuerbefreiung für
Trinkgelder durch das Gesetz zur Freistellung von
Arbeitnehmertrinkgeldern (Gesetz vom 8.8.2002, BGBl I 2002, 3111)
anschaulich. Die damit in § 3 Nr. 51 EStG eingefügten
tatbestandlichen Präzisierungen „anlässlich
einer Arbeitsleistung“ und „zusätzlich zu
dem Betrag ..., der für diese Arbeitsleistung zu zahlen
ist“ setzen die dem Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung
gleichsam als Hauptleistung voraus und sehen das Trinkgeld als
Entgelt für eine anlässlich dieser Arbeit offenbar
zusätzlich erbrachte Leistung an. Der Gesetzgeber sah sich zu
dieser tatbestandlichen Präzisierung insbesondere angesichts
der rückwirkend ab 1.1.2002 eingeführten
betragsmäßig unbegrenzten Steuerfreiheit veranlasst, um
zu vermeiden, dass reguläre Lohnleistungen durch
„Trinkgelder“ ersetzt werden können (vgl.
BTDrucks 14/9428, 1, 5). Zugleich sah er in diesen Formulierungen
auch das geeignete Mittel, klar zwischen Arbeitsentgelt und
Trinkgeld abzugrenzen (vgl. BTDrucks 14/9428, 1, 6).
b) Nach diesem Maßstab ist die dem
Kläger von der Konzernmuttergesellschaft geleistete und durch
seine Arbeitgeberin ausbezahlte Sonderzahlung in Höhe von zwei
Monatsgehältern kein steuerfreies Trinkgeld. Denn die zwischen
der Arbeitgeberin des Klägers und deren
Konzernmuttergesellschaft bestehende Rechts-und Leistungsbeziehung
war kein Rechtsverhältnis, das durch ein gast- oder
kundenähnliches Dienstleistungs- und
Hauptvertragsverhältnis zu charakterisieren wäre und zu
dessen Erfüllung sich die Arbeitgeberin ihres Arbeitnehmers
bedient hätte. Deshalb war der Kläger als Arbeitnehmer in
Erfüllung seines Arbeitsvertrages auch nicht anlässlich
einer Arbeitsleistung i.S. des § 3 Nr. 51 EStG für seine
Arbeitgeberin und zugleich gegenüber der
Konzernmuttergesellschaft in einer Weise tätig, die deren
Sonderzahlung zu einer Art honorierenden Anerkennung seiner - des
Klägers - Mühewaltung machen könnte.
c) Angesichts dessen konnte im Streitfall
dahinstehen, ob bei konzernrechtlichen Strukturen das
Tatbestandsmerkmal „Dritter“ überhaupt
erfüllt sein könnte, ob nach der Neuregelung der Begriff
„Trinkgeld“ noch eine persönliche Beziehung
zwischen Arbeitnehmer und Dritten voraussetzt (vgl. Senatsbeschluss
vom 18.8.2005 VI B 40/05, BFH/NV 2005, 2190 = SIS 05 48 30), ob aus
dem allgemeinen Sprachgebrauch für die Steuerfreiheit von
Trinkgeldern weitere insbesondere betragsmäßige relative
und absolute Grenzen folgen, mit deren Überschreiten
Zuwendungen nicht mehr die Bezeichnung Trinkgeld im Sinne eines
„kleinen“ Geldgeschenkes rechtfertigen und
welche weiteren Grenzen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes und das
daraus folgende Gebot der steuerlichen Lastengleichheit den
Steuerbefreiungen von Trinkgeldern setzen (vgl. Senatsurteil vom
19.2.1999 VI R 43/95, BFHE 188, 65, BStBl II 1999, 361 = SIS 99 08 32; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.1998 2 BvL
10/95, BStBl II 1999, 502 = SIS 99 08 48).