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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist polnische
Staatsangehörige. Sie lebte in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland), ihr Ehemann wohnte mit den drei gemeinsamen Kindern,
die in den Jahren 1982, 1988 und 1989 geboren sind, in Polen. Die
Klägerin übte in Deutschland das Gewerbe „Betreuung
von Behinderten und älteren Menschen, Reinigung sowie
Büroservice“ aus. Sie war weder in Deutschland noch in
Polen sozialversichert. Dem Ehemann der Klägerin, der in Polen
nicht erwerbstätig war, standen im streitigen Zeitraum - Juni
2005 bis Juli 2006 - polnische Familienleistungen für die
Kinder zu.
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Die Klägerin beantragte in Deutschland
Kindergeld. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse)
setzte durch Bescheid vom 8.2.2006 Kindergeld ab Juni 2005 für
die drei Kinder von jeweils 77 EUR monatlich fest, somit in
Höhe der Hälfte des damals gesetzlich vorgesehenen
Betrags. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg
(Einspruchsentscheidung vom 27.7.2006). Im Verlauf des
anschließenden Klageverfahrens half die Familienkasse dem
klägerischen Begehren hinsichtlich der im Jahr 1982 geborenen
Tochter E ab und gewährte insoweit das volle
Kindergeld.
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Die Klage, die sich nunmehr dagegen
richtete, dass die Familienkasse das Kindergeld für die beiden
anderen Kinder (B und C) nicht in voller Höhe gewährte,
hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, die
Klägerin werde nicht vom persönlichen Anwendungsbereich
der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur
Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
Selbständige sowie deren Familienangehörige, die
innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern - in der im
Streitzeitraum geltenden Fassung - (VO Nr. 1408/71) erfasst, da sie
weder in Deutschland noch in Polen im Rahmen ihrer gewerblichen
Tätigkeit versichert sei. Auch aus dem in der Rechtssache
Hudzinski und Wawrzyniak ergangenen Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) vom 12.6.2012, C-611/10, C-612/10
(DStRE 2012, 999 = SIS 12 24 94) ergebe sich für die
Klägerin kein Anspruch auf Kindergeld in voller Höhe,
weil sie nicht ihre „gesamten Tätigkeiten“ in
Deutschland ausgeübt habe. Die in dieser Entscheidung
aufgestellten Grundsätze beträfen die Gruppe der
Saisonarbeitnehmer und der entsandten Arbeitnehmer, für welche
die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union gelte.
Hierauf könnten sich Selbständige nicht berufen. Nach
§ 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der in
den Jahren 2005 und 2006 geltenden Fassung (EStG) komme es darauf
an, ob für die Kinder der Klägerin in Polen
Familienleistungen gewährt worden seien oder bei
Antragstellung zu gewähren gewesen wären. Hinsichtlich
des Zeitraums Juni 2005 bis September 2005 gebe es unterschiedliche
Angaben zur Frage, ob in diesen Monaten das Kindergeld gewährt
oder nicht beansprucht worden sei. Maßgeblich sei jedoch, ob
ein derartiger Anspruch in Polen bestanden habe. Dies sei hier der
Fall. Die polnischen Familienleistungen seien sowohl im Hinblick
auf Ziel als auch auf Funktion mit dem deutschen Kindergeld
vergleichbar.
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Zur Begründung ihrer Revision
trägt die Klägerin vor, § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG verstoße gegen höherrangiges Recht. Das FG sei zu
Unrecht der Ansicht, die Grundsätze des EuGH-Urteils in der
Rechtssache Hudzinski und Wawrzyniak in DStRE 2012, 999 seien nur
auf Wanderarbeitnehmer anwendbar.
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Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung
ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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II. Im Streitfall hat zum 1.5.2013 ein
gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden. Beklagte und
Revisionsbeklagte ist nunmehr die Familienkasse Sachsen (vgl. z.B.
Urteile des Bundesfinanzhofs vom 16.5.2013 III R 8/11, BFHE 241,
511, BStBl II 2013, 1040 = SIS 13 22 91, Rz 11, und vom 28.5.2013
XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774 = SIS 13 27 92, Rz 14). Das Rubrum
war deshalb zu ändern.
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III. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und wird daher zurückgewiesen (§ 126
Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin
auf Kindergeld in voller Höhe verneint. Ein solcher Anspruch
wird nach deutschem Recht durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
ausgeschlossen und ergibt sich auch nicht aus Unionsrecht. Auf die
Gründe, weshalb die Familienkasse Kindergeld in halber
Höhe gewährt hat, kommt es nicht an.
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1. Die Klägerin hatte dem Grunde nach
einen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, §
63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 3 EStG für
die beiden minderjährigen, in Polen lebenden Kinder B und C.
Sie hatte unstreitig ihren Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung)
in Deutschland, die Kinder hatten ihren Wohnsitz in Polen und damit
in einem Land der Europäischen Union (§ 63 Abs. 1 Satz 3
EStG).
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2. Ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe
des nach § 66 EStG vorgesehenen Betrags von 154 EUR wird
allerdings durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen.
Hiernach wird kein Kindergeld für ein Kind gezahlt, für
das im Ausland Leistungen gezahlt werden oder bei Antragstellung zu
zahlen wären, die dem Kindergeld vergleichbar sind. Die
Vorschrift ist mit Verfassungsrecht vereinbar (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 8.6.2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412
= SIS 04 36 31).
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Nach den Feststellungen des FG bestand in
Polen ein Anspruch auf polnische Familienleistungen, die dem
deutschen Kindergeld vergleichbar sind. Zutreffend hat das FG
entschieden, dass es nicht darauf ankommt, ob die Leistungen
tatsächlich beantragt wurden.
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3. Ein Anspruch auf Kindergeld nach deutschem
Recht in voller Höhe ergibt sich auch nicht aus
unionsrechtlichen Vorgaben.
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a) Die Ansprüche auf Kindergeld nach
deutschem Recht und auf Familienleistungen nach polnischem Recht
sind nicht nach unionsrechtlichen Vorschriften zu koordinieren. Die
VO Nr. 1408/71, die im streitigen Zeitraum noch galt, ist im
Streitfall nicht anzuwenden, da der persönliche
Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist.
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aa) Nach Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 gilt
die Verordnung insbesondere für Arbeitnehmer und
Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines
oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie
Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, sowie für
deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Eine Person ist
Arbeitnehmer oder Selbständiger i.S. von Art. 1 Buchst. a der
VO Nr. 1408/71, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im
Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten
allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit
pflichtversichert oder freiwillig versichert ist (vgl. z.B.
Senatsurteile vom 4.8.2011 III R 55/08, BFHE 234, 316, BStBl II
2013, 619 = SIS 11 37 20, sowie vom 19.4.2012 III R 87/09, BFHE
237, 150, BStBl II 2013, 1030 = SIS 12 17 03).
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bb) Im Streitfall war die Klägerin nach
den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des
FG, an welche der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO
gebunden ist, weder in Deutschland noch in Polen in einem Zweig der
Sozialversicherung versichert. Der persönliche
Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 ist für die Klägerin
somit nicht eröffnet. Die Koordinierungsregelungen nach Art.
13 ff. dieser Verordnung sind nicht anwendbar, ebenso wenig die
Antikumulierungsvorschrift des Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr.
574/72 des Rates vom 21.3.1972 über die Durchführung der
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen
Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren
Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und
abwandern.
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b) Aus dem Primärrecht der
Europäischen Union ist kein Anspruch auf Kindergeld in
Höhe der Sätze nach § 66 EStG abzuleiten.
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aa) Der EuGH hat zwar in der Rechtssache
Hudzinski und Wawrzyniak im Urteil in DStRE 2012, 999 entschieden,
dass es mit der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit
nicht zu vereinbaren ist, wenn in den Fällen, in denen nach
den Koordinierungsregelungen der VO Nr. 1408/71 ein
ausländischer Mitgliedstaat zur Gewährung von
Familienleistungen zuständig ist, der Anspruch auf
(Differenz-)Kindergeld durch eine nationale
Antikumulierungsvorschrift wie § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
ausgeschlossen wird.
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bb) Die in dieser Entscheidung aufgestellten
Grundsätze gelten allerdings nicht für eine
selbständig tätige Person, die nicht vom
Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird. Der vom EuGH im
Urteil in DStRE 2012, 999 erwähnte erste Erwägungsgrund
zu der Verordnung, wonach diese zur Verbesserung des
Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen der Wanderarbeitnehmer
beitragen soll, kommt bei einer Person, die nicht unter den
Anwendungsbereich der Verordnung fällt, nicht zum Tragen. Der
Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steht in einem
derartigen Fall das Unionsrecht nicht entgegen (noch offen gelassen
im Senatsurteil vom 18.12.2013 III R 52/11, BFH/NV 2014, 851 = SIS 14 13 26, Rz 36). Denn das Gemeinschaftsrecht lässt die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer
Systeme der sozialen Sicherheit unberührt. Es ist Sache des
jeweiligen Mitgliedstaats, die Voraussetzungen für die
Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit sowie ihre
Höhe und die Dauer ihrer Gewährung zu bestimmen (Urteil
des EuGH in der Rechtssache Xhymshiti vom 18.11.2010 C-247/09, Slg.
2010, I-11845 = SIS 11 06 23, Rdnr. 43).
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