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I. Mit „strafbefreiender
Erklärung“ vom 30.11.2004 nach dem
Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) gab der Kläger,
Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger)
gegenüber dem Beklagten, Revisionsbeklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) für die Jahre 1993
bis 2002 zu Unrecht nicht besteuerte Einnahmen i.S. des § 1
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 StraBEG in Höhe von 5.598.006,71
EUR und eine daraus mit einem Satz von 25 % errechnete Abgabe in
Höhe von 1.399.501,68 EUR an. Der Kläger entrichtete den
Betrag von 1.399.501,68 EUR am 1.12.2004.
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Die „strafbefreiende
Erklärung“ betraf u.a. die Schenkungsteuer für die
Übertragung des Vermögens der Stiftung X in Liechtenstein
auf den Kläger, die Übertragung von Vermögen des
Klägers auf die neu gegründeten Stiftungen Y und Z in
Liechtenstein und die Rückübertragung dieses
Vermögens auf den Kläger. Hierauf entfielen Einnahmen
i.S. des § 1 Abs. 5 StraBEG in Höhe von 3.861.959 EUR und
eine Abgabe nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG in Höhe
von 965.489,75 EUR.
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Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) durch
Urteil vom 28.6.2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669
= SIS 07 27 17) entschieden hatte, dass die Übertragung von
Vermögen auf eine liechtensteinische Stiftung nicht der
Schenkungsteuer unterliegt, wenn die Stiftung nach den getroffenen
Vereinbarungen und Regelungen über das Vermögen im
Innenverhältnis zum Stifter nicht tatsächlich und
rechtlich frei verfügen kann, beantragte der Kläger mit
Schreiben vom 14.10.2008, die strafbefreiende Erklärung
gemäß § 173 der Abgabenordnung (AO) bzw. § 10
Abs. 3 StraBEG zu ändern. Die Übertragung des
Vermögens auf die Stiftungen sowie die
Rückübertragung hätten nicht der Schenkungsteuer
unterlegen. Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12.12.2008
ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit
der der Kläger beantragt hatte, den Bescheid vom 12.12.2008
und die Einspruchsentscheidung vom 7.8.2009 aufzuheben und das FA
zu verpflichten, die aufgrund der strafbefreienden Erklärung
festgesetzte Abgabe um 965.489,75 EUR herabzusetzen, insoweit
statt, als es das FA verpflichtete, die Abgabe um 315.779,20 EUR
herabzusetzen. Zur Begründung führte es aus, der
Kläger habe einen aus § 10 Abs. 3 StraBEG folgenden
Anspruch auf Änderung der gemäß § 10 Abs. 2
Satz 1 StraBEG aus der strafbefreienden Erklärung
resultierenden Festsetzung, soweit die Abgabe die Übertragung
des Vermögens der Stiftung X auf den Kläger betreffe.
Diese Vorschrift sei auch dann anwendbar, wenn keine Straftat
vorliege und keine Steuerverkürzung eingetreten sei. Dies
treffe hinsichtlich der Vermögensübertragung von der
Stiftung X auf den Kläger zu. Diese habe nicht der
Schenkungsteuer unterlegen. Die Stiftung X habe nach den
getroffenen Vereinbarungen und Regelungen über das
Vermögen im Innenverhältnis zum Kläger nicht
tatsächlich und rechtlich frei verfügen können. Im
Übrigen sei die Klage unbegründet. Hinsichtlich der
Stiftungen Y und Z habe es sich zwar wahrscheinlich ebenso wie bei
der Stiftung X verhalten. Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit könne dies aber wegen des Fehlens zur
abschließenden Prüfung erforderlicher Unterlagen nicht
festgestellt werden. Dies gehe zulasten des Klägers. Das
Urteil des FG ist in EFG 2013, 331 = SIS 13 03 72
veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt der Kläger
Verletzung des § 10 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 StraBEG und
der §§ 370 und 370a AO sowie des Grundsatzes „in
dubio pro reo“. Die aufgrund der strafbefreienden
Erklärung festgesetzte Abgabe müsse um insgesamt
965.489,75 EUR herabgesetzt werden.
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Das FA rügt mit seiner Revision
ebenfalls Verletzung des § 10 Abs. 3 StraBEG. Diese Vorschrift
sei im Streitfall nicht anwendbar.
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Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung dergestalt zu ändern, dass die mit der Abgabe
der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung um
weitere 649.710,55 EUR, also um insgesamt 965.489,75 EUR
herabgesetzt wird, und die Revision des FA als unbegründet
zurückzuweisen.
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Das FA beantragt, die Revision des
Klägers als unbegründet zurückzuweisen und die Klage
unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
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II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung,
der Einspruchsentscheidung und des Bescheids vom 12.12.2008 und zur
Verpflichtung des FA, die aufgrund der strafbefreienden
Erklärung vom 1.12.2004 festgesetzte Abgabe um 965.489,75 EUR
herabzusetzen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Revision des FA ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 FGO).
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1. Das FG hat zutreffend angenommen, dass
§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG auch dann anwendbar ist, wenn die
in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG genannten Voraussetzungen
für eine strafbefreiende Erklärung nicht erfüllt
sind, weil es an einer Steuerhinterziehung oder
Steuerordnungswidrigkeit (§ 6 StraBEG) des Steuerpflichtigen
fehlt.
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a) Die strafbefreiende Erklärung (§
1 StraBEG) steht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG
einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Dies schließt allerdings nach übereinstimmender
Auffassung der Finanzverwaltung und der höchstrichterlichen
Rechtsprechung nicht die Prüfung aus, ob der Steuerpflichtige
eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG bezeichneten Taten oder
eine Steuerordnungswidrigkeit i.S. des § 6 StraBEG begangen
hat. Ist dies nicht der Fall, ist die strafbefreiende
Erklärung unwirksam und kann von der Finanzbehörde
abgelehnt werden (BFH-Urteil vom 4.12.2012 VIII R 50/10, BFHE 239,
495, BStBl II 2014, 222 = SIS 13 08 47). Eine versuchte
Steuerhinterziehung genügt nicht als Voraussetzung für
eine strafbefreiende Erklärung (BFH-Urteil vom 17.5.2011 VIII
R 31/08, BFH/NV 2011, 1477 = SIS 11 26 00, Rz 9 ff.).
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b) Ob die unwirksame strafbefreiende
Erklärung in einem solchen Fall zu einer wirksamen
Steuerfestsetzung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG
führt, wie das FG angenommen hat, oder ob auch die
Steuerfestsetzung unwirksam ist, hat der BFH noch nicht
ausdrücklich entschieden und kann im Streitfall auf sich
beruhen.
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aa) Ist die Steuerfestsetzung wirksam, ist sie
nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufzuheben, soweit der
Steuerpflichtige keine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG
bezeichneten Taten und auch keine Steuerordnungswidrigkeit i.S. des
§ 6 StraBEG begangen hat.
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Die mit der Abgabe der strafbefreienden
Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist nach § 10 Abs. 3
Satz 1 StraBEG aufzuheben oder zu ändern, soweit nach dem
StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Ob Straf-
oder Bußgeldfreiheit im Sinne der Vorschrift eintritt,
richtet sich nach dem ersten Abschnitt des Gesetzes (vgl. § 8
Abs. 1 StraBEG). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG
wird u.a. nicht nach den §§ 370, 370a AO bestraft, wer
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich
erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch
Schenkungsteuer verkürzt hat, wenn auch die weiteren
Voraussetzungen der Norm vorliegen. Entsprechendes gilt
gemäß § 6 StraBEG für
Steuerordnungswidrigkeiten.
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Soweit es bei einer strafbefreienden
Erklärung an einer vollendeten Steuerhinterziehung oder
Steuerordnungswidrigkeit fehlt, ist die durch die Abgabe der
Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung gemäß §
10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufzuheben oder zu ändern (BFH-Urteil
in BFH/NV 2011, 1477 = SIS 11 26 00, Rz 14). § 10 Abs. 3 Satz
1 StraBEG ist eine eigenständige Änderungsvorschrift, die
nicht die Einlegung eines Einspruchs (§ 347 AO) gegen die
ursprüngliche Steuerfestsetzung voraussetzt.
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bb) Ist die Steuerfestsetzung bei einer
unwirksamen strafbefreienden Erklärung ebenfalls unwirksam,
dient ihre Aufhebung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1
StraBEG der Beseitigung eines Rechtsscheins.
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2. Die Annahme des FG, § 10 Abs. 3 Satz 1
StraBEG sei nur anwendbar, soweit das Fehlen einer
Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit positiv
festgestellt werden könne, ist unzutreffend. Vielmehr ist
§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG bereits dann anwendbar, wenn das
Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit
des Steuerpflichtigen nicht festgestellt werden kann. Wie der BFH
im Urteil in BFH/NV 2011, 1477 = SIS 11 26 00 (Rz 16) zutreffend
ausgeführt hat, ist der Grundsatz „in dubio pro
reo“ auch bei Anwendung des StraBEG beachtlich mit der
Folge, dass bei bestehenden Zweifeln über eine Tatbegehung die
Unschuldsvermutung gilt und das StraBEG keine Anwendung findet,
weil dann nicht von einer begangenen Straftat (oder
Steuerordnungswidrigkeit) ausgegangen werden kann.
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Da das FG seiner Entscheidung eine andere
Ansicht zugrunde gelegt hat, war die Vorentscheidung
aufzuheben.
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3. Die Sache ist spruchreif. Die durch die
strafbefreiende Erklärung des Klägers bewirkte
Steuerfestsetzung ist jedenfalls zur Beseitigung des Rechtsscheins
ihrer vollständigen Wirksamkeit um den Betrag zu vermindern,
der auf die in der Erklärung erfassten Zuwendungen in Bezug
auf die Stiftungen entfällt, also um 965.489,75 EUR; denn das
FG hat in diesem Zusammenhang das Entstehen von Schenkungsteuer
teilweise verneint und im Übrigen nicht positiv festgestellt,
sondern ausgeführt, wahrscheinlich sei insgesamt keine
Schenkungsteuer entstanden. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten
kann dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht zum Vorwurf
gemacht werden. Dies gilt auch für die sog. erweiterten
Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nach § 90 Abs.
2 AO i.V.m. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO (BFH-Urteil vom 7.11.2006
VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364 = SIS 07 06 44).
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Festsetzungsverjährung steht der
Änderung nicht entgegen. Die Festsetzungsfrist war bei der
Stellung des Änderungsantrags vom 14.10.2008 noch nicht
abgelaufen. Sie betrug nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier
Jahre und begann mit Ablauf des Jahres 2004, in dem der Kläger
die strafbefreiende Erklärung abgegeben hat (Levedag, FR 2006,
491, 493 f., m.w.N.).
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