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I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
1.7.2004 bestellte die Stadt ... (Stadt) an ihrem mit einem Kurhaus
bebauten Grundstück zugunsten der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) für 15 Jahre ein
Erbbaurecht. Der jährliche Erbbauzins betrug 25.860 EUR
zuzüglich Umsatzsteuer.
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Die Klägerin verpflichtete sich in dem
Vertrag außerdem, das Kurhaus nach Maßgabe bereits
vorliegender Pläne bis Ende 2008 „aus eigenen
Mitteln“ zu sanieren. Die Stadt hatte der Klägerin -
neben einem jährlichen „Betriebskostenzuschuss“
für den Betrieb des großen Kursaals in Höhe von
25.860 EUR und einem jährlichen
„Unterhaltskostenzuschuss“ für die laufende
Gebäudeunterhaltung von 21.550 EUR - „für die zu
tätigenden Investitionen“ einen jährlichen
„Investitionszuschuss“ von 218.660 EUR zuzüglich
Umsatzsteuer zu zahlen.
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Bei Erlöschen des Erbbaurechts durch
Zeitablauf war keine Entschädigung zu leisten. Lediglich bei
vorzeitigem Heimfall des Erbbaurechts, den die Stadt unter
bestimmten Voraussetzungen (z.B. Insolvenz der Klägerin oder
Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht) verlangen konnte, hatte sie
an die Klägerin je nach Grund des Heimfalls eine
Entschädigung von 1,5 Mio. EUR bzw. 2,250 Mio. EUR
zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen. Diese
Entschädigungssumme verringerte sich um den Wert der noch
nicht erbrachten Leistungen, falls die Sanierung noch nicht
vollständig durchgeführt war, und um 6,66 v.H. für
jedes Jahr nach Abschluss der Sanierung.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte gegen die Klägerin zuletzt mit
Bescheid vom 28.5.2008 für den Erwerb des Erbbaurechts die
Grunderwerbsteuer auf 77.232 EUR fest und bezog neben dem
kapitalisierten Erbbauzins die der Klägerin tatsächlich
entstandenen Kosten der Sanierung von 1.897.254 EUR in die
Bemessungsgrundlage ein.
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Einspruch und Klage, mit denen sich die
Klägerin gegen die Erhöhung der Bemessungsgrundlage um
die Sanierungskosten wandte, hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung
des Finanzgerichts (FG) habe die Klägerin die Kosten der
Sanierung selbst getragen. Daran ändere auch der von der Stadt
zu zahlende Investitionszuschuss nichts. Dabei habe es sich nicht
um eine Entschädigung gehandelt, die nach dem Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.10.2002 II R 81/00 (BFHE 200, 416,
BStBl II 2003, 199 = SIS 03 10 90) die Berücksichtigung der
Sanierungsverpflichtung als Teil der Gegenleistung
ausschließen würde, sondern um einen Zuschuss, der nicht
mit der Sanierungsverpflichtung im Zusammenhang stehe. Die
Vorentscheidung ist in EFG 2009, 1247 = SIS 09 23 18
veröffentlicht.
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung von § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1
Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die
Grunderwerbsteuer unter Änderung des Bescheids vom 28.5.2008
auf 10.828 EUR herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und
zur antragsgemäßen Herabsetzung der Grunderwerbsteuer.
Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Kosten der von der
Klägerin übernommenen Sanierung in die
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind.
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1. Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich
die Grunderwerbsteuer regelmäßig nach dem Wert der
Gegenleistung. Als Gegenleistung kommen nur solche
Leistungsverpflichtungen des Erwerbers in Betracht, die er dem
Veräußerer (oder einem Dritten) um des
Grundstückserwerbs willen zu erbringen hat und die nicht nur
ihm selbst zugute kommen (BFH-Urteile vom 6.12.1995 II R 46/93,
BFH/NV 1996, 578, und in BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199 = SIS 03 10 90).
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a) Verpflichtet sich ein Erbbauberechtigter im
Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechts dem
Grundstückseigentümer gegenüber zur Errichtung oder
umfassenden Sanierung eines Gebäudes auf dem
Erbbaugrundstück, ist - wie beim Erwerb von
Grundstückseigentum - im Regelfall davon auszugehen, dass die
Baumaßnahmen dem Erwerber als (zukünftigem) Inhaber des
Erbbaurechts allein zugute kommen und deshalb als
„eigennützige Erwerberleistungen“ keine
Gegenleistung darstellen (vgl. zum Erwerb von
Grundstückseigentum: BFH-Urteil vom 27.8.2003 II R 27/01,
BFH/NV 2004, 226 = SIS 04 05 16). Denn nach § 12 Abs. 1 Satz 1
des Erbbaurechtsgesetzes (ErbbauRG, bis zum 30.11.2007 Verordnung
über das Erbbaurecht) gilt das auf Grund des Erbbaurechts
errichtete Bauwerk als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts.
In diesem Zusammenhang ist unbeachtlich, dass der
Grundstückseigentümer ohne die Verpflichtung des
Erbbauberechtigten das Erbbaurecht nicht bestellt hätte.
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Für die Frage der Eigen- oder
Fremdnützigkeit der Errichtung eines Gebäudes auf einem
Erbbaugrundstück ist jedoch zu berücksichtigen, dass
Erbbaurechte in der Regel nur auf bestimmte Zeit bestellt werden
und die Gebäude mit dem Erlöschen des Erbbaurechts
Bestandteile des (Grundstücks-)Eigentums werden (§ 12
Abs. 3 ErbbauRG). Zielt der Erbbaurechtsvertrag daher darauf ab,
dass dem Grundstückseigentümer nach Beendigung des
Erbbaurechts bestimmte, vom Erbbauberechtigten
vertragsgemäß auf dem Erbbaugrundstück geschaffene
Sachwerte - entgegen § 27 ErbbauRG - entschädigungslos
zufallen, kann hierin eine Gegenleistung i.S. von § 9 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG liegen (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 578). Verpflichtet
sich dagegen der Erbbauberechtigte in einem Erbbaurechtsvertrag zur
Errichtung eines Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück sowie
zu dessen ordnungsgemäßen Unterhaltung über die
Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts und erhält er bei
Erlöschen des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer
eine Entschädigung für das Gebäude in Höhe des
Verkehrswerts, kommen die Verwendungen auf das
Erbbaugrundstück regelmäßig dem Erbbauberechtigten
dauerhaft zugute. In der Verpflichtung zur Herstellung des
Gebäudes liegt deshalb in diesen Fällen
regelmäßig keine Gegenleistung für die Bestellung
des Erbbaurechts (BFH-Urteil in BFHE 200, 416, BStBl II 2003, 199 =
SIS 03 10 90). Entsprechendes gilt, wenn sich der Erbbauberechtigte
im Erbbaurechtsvertrag zur umfassenden Sanierung des bereits
vorhandenen Gebäudes verpflichtet und der
Grundstückseigentümer hierfür an den
Erbbauberechtigten eine Entschädigung zahlt, die einer
Übernahme der Sanierungskosten gleichkommt.
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist
die Verpflichtung der Klägerin zur umfassenden Sanierung des
Gebäudes eine eigennützige Erwerberleistung und damit
keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts. Die
Klägerin erhält während der Vertragslaufzeit einen
jährlichen Investitionszuschuss, der - ungeachtet seiner
Bezeichnung durch die Vertragsbeteiligten - einer
Entschädigung bei Heimfall entspricht. Es macht in
grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht keinen Unterschied, ob die
Entschädigung für die Sanierung als Einmalbetrag bei
Beendigung des Erbbaurechts oder in Raten während der
Vertragslaufzeit gezahlt wird. In beiden Fällen wendet der
Erbbauberechtigte im Ergebnis nichts auf, was dem
Grundstückseigentümer zugute kommt. Dass die Sanierung
aufgrund der kurzen Laufzeit des Erbbaurechts von 15 Jahren
wirtschaftlich nicht „verbraucht“ ist und die
Stadt ein saniertes Kurhaus zurück erhält, beruht damit
nicht auf Leistungen der Klägerin, sondern der Stadt
selbst.
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Entgegen der Auffassung des FG besteht auch
ein Zusammenhang zwischen der Sanierungsverpflichtung der
Klägerin und dem Investitionszuschuss der Stadt. Das FG hat
übersehen, dass dem Grunderwerbsteuergesetz ein
eigenständiger Gegenleistungsbegriff zugrunde liegt
(BFH-Urteil vom 16.2.1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977,
671 = SIS 77 03 75). Für seine Bestimmung ist nicht
maßgebend, was die Vertragschließenden als
Gegenleistung für das Grundstück (Erbbaurecht)
bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich
verpflichtet haben (BFH-Urteil vom 26.4.1972 II R 188/71, BFHE 106,
236). Der objektive Inhalt des Vertrages lässt im Streitfall
keinen Zweifel daran, dass die Stadt mit dem Investitionszuschuss
die Sanierungsaufwendungen der Klägerin vollständig
übernommen hat. Hierfür spricht bereits die
Vertragsformulierung „für die zu tätigenden
Investitionen“. Zudem erreicht die Summe der über
die Vertragslaufzeit vereinbarten Investitionszuschüsse die
Aufwendungen der Klägerin (einschließlich der
Finanzierungskosten) und somit die durch die Sanierung bewirkte
Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks. Der
Zusammenhang wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der
Zuschuss beim vorzeitigen Heimfall nicht auf die Entschädigung
angerechnet wird. Denn stattdessen vermindert sich die festgelegte
Entschädigungssumme um 6,66 v.H. für jedes Jahr nach der
Durchführung der Sanierung. Auch bei einem vorzeitigen
Heimfall ist damit durch die - evtl. abgeschmolzene -
Entschädigungssumme und die bis dahin gezahlten
Investitionszuschüsse sichergestellt, dass die Klägerin
einen pauschalen Ausgleich dafür erhält, dass sie die
gesamten Sanierungskosten zu Beginn der Vertragslaufzeit zu tragen
hatte, während der Investitionszuschuss auf die
Vertragslaufzeit verteilt wurde.
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Da das FG die Sanierungskosten in die
Bemessungsgrundlage einbezogen hat, war die Vorentscheidung
aufzuheben.
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2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist
begründet. Der Steuerbescheid vom 28.5.2008 ist rechtswidrig
und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 2 FGO), soweit das FA die Grunderwerbsteuer
höher als von der Klägerin beantragt festgesetzt hat.
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