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I. Streitig ist, ob § 37b des
Einkommensteuergesetzes (EStG) auch auf Sachzuwendungen und
Geschenke an Nichtarbeitnehmer im Wert zwischen 10 EUR und 35 EUR
Anwendung findet.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft,
hatte in den Jahren 2007 bis 2009 nach den Feststellungen der
Lohnsteuer-Außenprüfung ihren Kunden und
Geschäftsfreunden Geschenke zukommen lassen, nämlich
Zuwendungen im Wert von 1.741 EUR (2007), 6.396 EUR (2008) und
1.192 EUR (2009). Nachdem die Klägerin für diese
Sachzuwendungen ihre Option gemäß § 37b EStG
ausgeübt hatte, erließ der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) einen
Nachforderungsbescheid über pauschale Lohnsteuer über
522,30 EUR (2007), 1.918,80 EUR (2008) sowie 357,60 EUR (2009)
nebst Annexsteuern.
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Mit der dagegen erhobenen Klage machte die
Klägerin insbesondere geltend, dass Zuwendungen und Geschenke
im Wert zwischen 10 EUR und 35 EUR nicht gemäß §
37b EStG zu versteuern seien, dass die Finanzverwaltung nach
Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen
(BMF) vom 29.4.2008 (BStBl I 2008, 566 = SIS 08 20 33) zu Unrecht
bei Zuwendungen an Arbeitnehmer eine Grenze von 40 EUR anwende, bei
Nichtarbeitnehmern aber nur eine solche von 10 EUR sowie, dass
Geschenke auch nur insoweit der Besteuerung unterworfen werden
dürften, als sie bei ihren Empfängern zu einem
einkommensteuerpflichtigen Zufluss führten.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage aus
den in EFG 2012, 82 = SIS 11 38 27 veröffentlichten
Gründen abgewiesen. Auch Sachzuwendungen an Nichtarbeitnehmer
im Wert zwischen 10 EUR und 35 EUR unterlägen der
Pauschalversteuerung gemäß § 37b EStG. Diese
Pauschalversteuerung sei auch nicht auf die Fälle
beschränkt, in denen die Zuwendungen zu einer
Einkommensteuerpflicht bei den Empfängern
führten.
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Die Klägerin rügt mit der
Revision die Verletzung des § 37b EStG.
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Sie beantragt, das Urteil des FG Hamburg
vom 20.9.2011 aufzuheben und den Nachforderungsbescheid über
Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für
die Zeit von April 2007 bis Mai 2010 vom 26.7.2010 sowie die
Einspruchs- Entscheidung dahingehend zu ändern, dass die
pauschale Lohnsteuer für 2007 um 522,30 EUR, für 2008 um
1.918,80 EUR und für 2009 um 357,60 EUR herabgesetzt
wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Das BMF hat den Beitritt zum Verfahren
erklärt (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Die bisherigen Feststellungen des FG tragen nicht dessen
Entscheidung, dass für die hier streitigen Zuwendungen und
Geschenke die Einkommensteuer mit dem Pauschsteuersatz von 30 %
nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu erheben ist. Denn es
ist nicht festgestellt, dass diese Zuwendungen bei den jeweiligen
Empfängern einkommensteuerbare und dem Grunde nach
einkommensteuerpflichtige Einnahmen begründeten. Die Sache ist
nicht entscheidungsreif. Das FG hat auf der Grundlage seiner
Rechtsauffassung zu Recht im Einzelnen noch keine Feststellungen
dazu getroffen, inwieweit die Zuwendungen und Geschenke jeweils
einkommensteuerbar waren. Diese Feststellungen sind nun
nachzuholen.
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1. Nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
können Steuerpflichtige die Einkommensteuer einheitlich
für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten
Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, die nicht in
Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben.
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a) Wie der erkennende Senat in seinem zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 16.10.2013 VI
R 57/11 zu § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG entschieden hat,
erfasst die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG
nur solche betrieblich veranlassten Zuwendungen, die beim
Empfänger dem Grunde nach zu einkommensteuerbaren und
einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Denn §
37b EStG begründet keine weitere eigenständige
Einkunftsart und keinen sonstigen originären
(Einkommen-)Steuertatbestand, sondern stellt lediglich eine
besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur
Wahl. Das folgt aus dem Wortlaut und der rechtssystematischen
Stellung des § 37b EStG sowie aus seiner Einordnung in das
Gesamtgefüge des Einkommensteuergesetzes. Gegenteiliges
ergeben schließlich weder Entstehungsgeschichte noch
Gesetzesmaterialien zu § 37b EStG. Hinsichtlich der weiteren
Begründung verweist der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen auf sein Urteil vom 16.10.2013 VI R 57/11.
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b) Im Grundsatz gilt aus den nämlichen
Erwägungen nichts anderes für die in § 37b Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG enthaltene Pauschalierungsmöglichkeit
für Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Denn
der Wortlaut des § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist insoweit
eindeutig, als auch für diesen Tatbestand die Einkommensteuer
mit einem Pauschsteuersatz zu erheben ist und auch insoweit §
37b EStG keinen anderweitigen Rechtsgrund für das Entstehen
der Einkommensteuer bestimmt. Weiter gelten für diesen
Tatbestand dieselben systematischen Erwägungen zum
Einkommensteuerrecht; auch hinsichtlich Geschenken i.S. des §
4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist kein anderweitiger Rechtsgrund
für das Entstehen der Einkommensteuer enthalten und auch
dieser Tatbestand ist unter „VI. Steuererhebung“
normiert, setzt also den einkommensteuerrechtlichen
Entstehungsgrund voraus. Schließlich ergeben die
Gesetzesmaterialien zum Tatbestand der Geschenke ebenfalls keine
Anhaltspunkte dafür, dass insoweit der Grundtatbestand der
einkommensteuerbaren Einkünfte ausgeweitet werden sollte.
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c) Im Ergebnis erfasst § 37b Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 EStG die Einkommensteuer, die durch Geschenke i.S. des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG entsteht, wenn und soweit der
Empfänger dieser Geschenke dadurch Einkünfte i.S. des
§ 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 13 bis 24 EStG erzielt.
Denn auch in Bezug auf diesen Tatbestand stellt § 37b EStG
lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der
Einkommensteuer zur Wahl, indem der dort zum Steuerpflichtigen
erklärte Zuwendende die grundsätzlich beim beschenkten
Zuwendungsempfänger entstehende Einkommensteuer
übernimmt.
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aa) § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
bezieht sich auf alle Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
1 EStG, ohne danach zu differenzieren, ob sie den Wert von 35 EUR
überschreiten, ob also ein Fall des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
1 Satz 1 EStG vorliegt und ein Betriebsausgabenabzug daher
ausscheidet, oder ob die Rückausnahme des § 4 Abs. 5 Satz
1 Nr. 1 Satz 2 EStG greift und damit der Betriebsausgabenabzug noch
zur Anwendung kommt. Denn § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nimmt
auf Nr. 1 des § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG insgesamt Bezug und
unterscheidet so schon nach seinem Wortlaut nicht zwischen den
Sätzen 1 und 2 und den dort normierten
Regelungsgegenständen, nämlich dem grundsätzlichen
Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs einerseits und der Ausnahme
davon für Geschenke im Wert bis zu 35 EUR andererseits.
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Die gegenteilige und hier von der
Klägerin auch vertretene Auffassung, § 37b EStG erfasse
nur Geschenke über einem Wert von 35 EUR, hätte sich
möglicherweise auf den ursprünglichen Wortlaut der mit
dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 zunächst
vorgeschlagenen Textfassung des § 37b EStG stützen
können (BTDrucks 16/2712, S. 11). Denn dort erfasste §
37b Abs. 1 Satz 1 EStG noch „betrieblich veranlasste
Geschenke im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz
1“ EStG. Das hätte die Auslegung nahe gelegt, dass
§ 37b EStG tatsächlich nur Geschenke einbezieht, die
nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können, und die in
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG normierten Geschenke im
Wert bis zu 35 EUR bewusst aus dem Anwendungsbereich der
Pauschalierung ausgrenzen will. Nachdem allerdings der
Finanzausschuss (BRDrucks 622/1/06, S. 19 f.) seinen Vorschlag mit
dem Beispiel begründet hatte, dass beim zuwendenden
Steuerpflichtigen die Belohnung in vollem Umfang als
Betriebsausgabe abzugsfähig war, spricht alles dafür,
dass der Wortlaut vom Gesetzgeber bewusst gewählt wurde, um
sämtliche Geschenke in den Anwendungsbereich des § 37b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG einzubeziehen.
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bb) § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
bezieht sich weiter auf alle Geschenke, erfasst grundsätzlich
also auch Sachzuwendungen, deren Anschaffungs- oder
Herstellungskosten 10 EUR nicht übersteigen. Das Gesetz selbst
kennt keine solche Wertgrenze. Soweit die Finanzverwaltung
Sachzuwendungen, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 10 EUR
nicht übersteigen, als sogenannte Streuwerbeartikel
qualifiziert und diese deshalb nicht in den Anwendungsbereich des
§ 37b EStG einbezieht, gibt es dafür keine
Rechtsgrundlage (BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 566 = SIS 08 20 33,
Rz 10). Entsprechendes gilt für die dort ebenfalls genannte
Teilnahme an einer geschäftlich veranlassten Bewirtung i.S.
des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG; auch insoweit ist keine
Rechtsgrundlage dafür ersichtlich, solche Zuwendungen von
vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 37b EStG
auszuschließen. Vielmehr kommt es auch hier darauf an, ob
einkommensteuerbare Zuwendungen vorliegen.
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2. Die Vorentscheidung beruht teilweise auf
einer anderen Rechtsauffassung. Sie ist daher aufzuheben. Das FG
wird nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsgrundsätze den
Sachverhalt weiter aufzuklären haben. Dabei wird insbesondere
zu klären sein, welche Sachzuwendungen die Klägerin
erbracht hat, ob und inwieweit es sich dabei um betrieblich
veranlasste Zuwendungen i.S. des § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG sowie um nicht in Geld bestehende Geschenke i.S. des §
37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehandelt hat sowie, ob diese
Sachzuwendungen bei den Zuwendungsempfängern zu
einkommensteuerbaren Einkünften in Form von Betriebseinnahmen
führten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27.5.1998 X R
17/95, BFHE 186, 256, BStBl II 1998, 618 = SIS 98 19 25, m.w.N.).
Wie schon ausgeführt, kommt es dabei nicht darauf an, ob die
Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Sachzuwendungen den
Betrag von 10 EUR oder 35 EUR über- oder unterschreiten sowie,
ob die Zuwendung in Form einer geschäftlich veranlassten
Bewirtung erbracht wurde.
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