Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 11.6.2014 2 K 1287/13
= SIS 15 12 35 aufgehoben.
Der Bescheid über die Aufhebung der
Eigenheimzulage für 2003 bis 2010 vom 25.10.2012 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 7.2.2013 wird aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
1
|
I. Streitig ist, ob der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Bewilligung von
Eigenheimzulage aufheben durfte.
|
|
|
2
|
Im Dezember 2002 kaufte die Klägerin
und Revisionsklägerin (Klägerin) gemeinsam mit ihrem
Bruder, ihrer Mutter und deren Adoptivsohn zu je ein Viertel ein
mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Im Januar 2003
wurde zugunsten der Erwerber eine Auflassungsvormerkung im
Grundbuch eingetragen. Drei Monate danach war der Kaufpreis
fällig. Gefahr, Nutzen und Lasten sollten erst mit
vollständiger Bezahlung des Kaufpreises auf die Erwerber
übergehen. Die Erwerber zahlten den Kaufpreis jedoch
nicht.
|
|
|
3
|
Gleichwohl zog die Klägerin im Mai
2003 in das Haus ein. Im Einvernehmen mit der Verkäuferin
zahlten die Erwerber monatlich 745,80 EUR an die Verkäuferin
bzw. deren Söhne als Rechtsnachfolger.
|
|
|
4
|
Im März 2004 beantragte die
Klägerin Eigenheimzulage ab dem Jahr 2003. Zur Begründung
gab sie an, das Grundstück zu einem Viertel erworben zu haben.
Besitz, Nutzungen und Lasten seien am 27.12.2002 übergegangen;
das Gebäude werde seit dem 1.5.2003 zu eigenen Wohnzwecken
genutzt. Das FA forderte daraufhin von der Klägerin die
Vorlage des Kaufvertrags, den Nachweis über die
Kaufpreiszahlung, einen Nachweis über den Beginn der
Eigennutzung sowie die Finanzierungsunterlagen. Die Klägerin
legte lediglich den Kaufvertrag und eine Meldebestätigung
über ihren Einzug zum 1.5.2003 vor. Ohne Rücksicht auf
die Unvollständigkeit der Antwort bewilligte das FA die
Eigenheimzulage für die Jahre 2003 bis 2010 (Bescheid vom
6.7.2004).
|
|
|
5
|
Im Juli 2012 erhielt das FA Kenntnis davon,
dass der Eigentumsübergang nicht in das Grundbuch eingetragen
und der Kauf rückgängig gemacht worden sei. Die
Rechtsnachfolger der Verkäuferin hatten im April 2009 den
Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die
Rückabwicklung gerichtlich durchgesetzt.
|
|
|
6
|
Mit Bescheid vom 25.10.2012 hob das FA die
Festsetzung der Eigenheimzulage auf und forderte die empfangenen
Leistungen von der Klägerin zurück.
|
|
|
7
|
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung u.a. aus,
die Klägerin habe das FA getäuscht und sich dadurch des
vorsätzlichen Subventionsbetrugs schuldig gemacht. Die
Festsetzungsfrist betrage deshalb zehn Jahre (§ 169 Abs. 2
Satz 2 der Abgabenordnung - AO - ) und sei bei Aufhebung des
Bewilligungsbescheids noch nicht abgelaufen gewesen. Die
Aufhebungsbefugnis ergebe sich entgegen der Auffassung des FA nicht
aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes
Ereignis), sondern aus § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
(nachträglich bekannt gewordene Tatsachen).
|
|
|
8
|
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung von Bundesrecht (§ 169 Abs. 2
Satz 2 AO).
|
|
|
9
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie den
Aufhebungsbescheid vom 25.10.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 7.2.2013 aufzuheben.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Entgegen der Auffassung des FG war die Festsetzungsfrist
im Zeitpunkt der Aufhebung des Bewilligungsbescheids
abgelaufen.
|
|
|
12
|
1. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die
Klägerin den Fördertatbestand erfüllt und
möglicherweise zumindest vorübergehend wirtschaftliches
Eigentum an dem von ihr bewohnten Haus erlangt hat. Das FA war
schon aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert, den
Bescheid vom 6.7.2004 im Oktober 2012 aufzuheben, denn die
Festsetzungsfrist war bereits abgelaufen.
|
|
|
13
|
a) Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1
des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) sind auf die Eigenheimzulage
die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO
entsprechend anzuwenden. Auf die Festsetzung einer
Steuervergütung sind die für die Steuerfestsetzung
geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden (§ 155
Abs. 4 AO). Eine Steuerfestsetzung, ihre Aufhebung oder
Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die
Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre für Steuern und
Steuervergütungen (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO); sie
beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und
fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist
(§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Wird eine Steuer oder
Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die
Frist nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Antrag
gestellt wird (§ 170 Abs. 3 AO).
|
|
|
14
|
b) Nach diesen gesetzlichen
Maßstäben begann die Frist für die Aufhebung oder
Änderung der Festsetzung mit Ablauf des Jahres 2004 zu laufen,
denn in diesem Jahr hat die Klägerin den nach § 12 Abs. 1
EigZulG erforderlichen Antrag gestellt.
|
|
|
15
|
c) Der Senat muss nicht entscheiden, ob die
Klägerin, wie das FG meint, einen vorsätzlichen
Subventionsbetrug begangen oder ob sie lediglich
wahrheitsgemäß aber unvollständig (wie sie meint)
auf das Aufklärungsschreiben des FA geantwortet und dadurch
nicht getäuscht, sondern vielmehr die Ablehnung ihres Antrags
in Kauf genommen hat. Nach der insoweit geänderten
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das Erschleichen der
Investitionszulage keine „Steuerhinterziehung“
i.S. von § 71 AO (BFH-Urteil vom 19.12.2013 III R 25/10, BFHE
244, 217, BStBl II 2015, 119 = SIS 14 11 26). Nach Maßgabe
der Gründe dieser Entscheidung, denen sich der erkennende
Senat anschließt, ist das Erschleichen der Eigenheimzulage
ebenfalls keine Steuerhinterziehung i.S. von § 169 Abs. 2 Satz
2 AO. Die Vorschrift ist deshalb weder aufgrund der
Globalverweisung auf die für Steuervergütungen geltenden
Vorschriften der AO (§ 15 Abs. 1 Satz 1 EigZulG) noch aufgrund
der Zuständigkeitsnorm in § 15 Abs. 2 EigZulG anwendbar
(vgl. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 244, 217, BStBl II 2015, 119
= SIS 14 11 26). Ob eine Steuerhinterziehung oder eine
leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt, bestimmt sich (bei
§ 169 Abs. 2 Satz 2 wie bei § 71 AO) mangels einer
steuerlichen Definition nach den §§ 370, 378 AO (vgl.
BFH-Urteil vom 29.10.2013 VIII R 27/10, BFHE 243, 116, BStBl II
2014, 295 = SIS 13 32 69, m.w.N.). Das strafbare Erschleichen einer
Subvention wird aber nicht von diesen Normen erfasst, sondern von
§ 264 des Strafgesetzbuchs. Dies zu ändern, wäre
Aufgabe des Gesetzgebers.
|
|
|
16
|
d) Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb
aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, die Klage begründet. Der
angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Nach den Feststellungen des FG lief die Festsetzungsfrist am
31.12.2008 ab. Der Bescheid vom 25.10.2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 7.2.2013 verstößt gegen
§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO. Er wird ersatzlos aufgehoben (§
100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit entfällt zugleich der
Rückforderungsanspruch (§ 14 EigZulG).
|
|
|
17
|
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
|