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I. Der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) setzte mit zwei Bescheiden vom 12.11.2007
gegen die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin)
Schenkungsteuer in Höhe von 2.352 EUR für eine Schenkung
ihrer Mutter und Erbschaftsteuer in Höhe von 227.225 EUR
für den Erwerb von Todes wegen nach ihrer am 22.3.2003
verstorbenen Mutter fest. Die Zustellung der Bescheide erfolgte
jeweils mit Postzustellungsurkunde. Sie wurden noch am 12.11.2007
einem privaten Zustellunternehmen übergeben, dessen
Mitarbeiterin die Zustellung am 13.11.2007 durch Einlegen in den
zur Wohnung der Klägerin gehörenden Briefkasten
bescheinigte.
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Im Januar 2008 teilte die Klägerin dem
FA mit, sie habe zwar Mahnungen, aber keine Bescheide erhalten. Die
daraufhin eingelegten Einsprüche verwarf das FA als
unzulässig. Dagegen erhob die Klägerin Klage. Zuvor
zahlte sie die festgesetzte Schenkung- und Erbschaftsteuer.
Während des Klageverfahrens setzte das FA die Erbschaftsteuer
mit Bescheid vom 9.10.2008 auf 239.746 EUR herauf. Den Mehrbetrag
entrichtete die Klägerin ebenfalls.
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Nach Beweisaufnahme durch Ortsbesichtigung,
Einvernahme von Zeugen und Beiziehung eines gegen die Zustellerin
ergangenen Strafurteils wegen Sachbeschädigung und versuchten
Betrugs durch Vernichtung förmlicher Zustellungen hob das
Finanzgericht (FG) den Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der
Einspruchsentscheidung und den im Klageverfahren ergangenen
Erbschaftsteuerbescheid mit Urteil vom 16.12.2009 auf. Die
Beweisaufnahme, so die Begründung des Urteils, habe ergeben,
dass die beurkundete Ersatzzustellung tatsächlich nicht
stattgefunden habe.
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Nach Rechtskraft des Urteils erstattete das
FA die von der Klägerin gezahlte Erbschaft- und
Schenkungsteuer sowie entstandene Säumniszuschläge. Den
Antrag auf Festsetzung von Prozesszinsen lehnte das FA mit Bescheid
vom 13.4.2010 ab. Seiner Ansicht nach seien die geleisteten
Zahlungen auf eine nicht existente Schuld erfolgt. Der nach §
37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entstandene Erstattungsanspruch
löse keine Prozesszinsen aus.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Verpflichtungsklage hatte Erfolg. Nach Auffassung des FG
steht der Klägerin ein Anspruch auf Festsetzung von
Prozesszinsen zu, denn die festgesetzte und gezahlte Steuer sei
durch eine gerichtliche Entscheidung herabgesetzt worden. Ohne
Bedeutung sei, auf welchen Gründen die Herabsetzung beruhe.
Folglich sei es auch unerheblich, ob die herabgesetzte oder
aufgehobene Steuerfestsetzung von vornherein unwirksam gewesen sei.
Das Urteil ist in EFG 2011, 941 veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Seiner Ansicht nach besteht ein Anspruch auf Prozesszinsen nur
dann, wenn eine zuvor (wirksam) festgesetzte Steuer aufgrund einer
gerichtlichen Entscheidung aufgehoben oder herabgesetzt werde,
nicht jedoch, wenn ein Bescheid allein aus deklaratorischen
Gründen zur Beseitigung des Rechtsscheins seiner Wirksamkeit
aufgehoben werde.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zutreffend hat das FG einen
Anspruch der Klägerin auf Prozesszinsen bejaht und das FA zur
Festsetzung der Prozesszinsen verpflichtet.
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1. Das FG durfte das FA durch sog.
Bescheidungsurteil zur Festsetzung der Prozesszinsen dem Grunde
nach verpflichten, ohne die Höhe der Prozesszinsen zu
beziffern.
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a) Gemäß § 101 Satz 1 FGO
spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus,
den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif
ist. Spruchreife bedeutet, dass nach der für den Streitfall
maßgeblichen Sach- und Rechtslage der Anspruch auf den Erlass
des begehrten Verwaltungsakts besteht.
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b) Im Streitfall zielt das Klagebegehren nach
dem Wortlaut des Klageantrags auf die Verpflichtung des FA,
Prozesszinsen dem Grunde nach festzusetzen. Im Kern geht es der
Klägerin darum, das FA zu verpflichten, die Zinsfestsetzung
nicht mit dem Hinweis darauf zu versagen, der Erstattungsanspruch
sei bereits vor Klageerhebung entstanden. Dies war auch Gegenstand
des Einspruchsverfahrens, nicht die Festsetzung von Prozesszinsen
in einer bestimmten Höhe.
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2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf
Prozesszinsen dem Grunde nach zu.
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a) Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis werden nur verzinst, soweit dies
gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 233 Satz 1 AO). Es gibt
keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass rückständige
Staatsleistungen (angemessen) zu verzinsen sind (z.B. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.4.1997 VII R 91/96, BFHE 182, 253,
BStBl II 1997, 476 = SIS 97 21 98; vom 25.1.2007 III R 85/06, BFHE
216, 405, BStBl II 2007, 598 = SIS 07 61 23; vom 29.8.2012 II R
49/11, BFHE 238, 499, BStBl II 2013, 104 = SIS 12 33 88).
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b) Gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1
AO entsteht ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen, wenn durch
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund
einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt
oder eine Steuervergütung gewährt wird. Dies gilt
entsprechend, wenn sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder
Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass
des beantragten Verwaltungsakts erledigt hat (§ 236 Abs. 2 Nr.
1 AO). Der Zweck des § 236 AO besteht darin, dem
Gläubiger eines Erstattungsanspruchs für die
Vorenthaltung des Kapitals und der damit verbundenen
Nutzungsmöglichkeiten zumindest für die Zeit ab
Rechtshängigkeit eine Entschädigung zu gewähren
(vgl. BFH-Urteile vom 16.11.2000 XI R 31/00, BFHE 196, 1, BStBl II
2002, 119 = SIS 01 14 43, und in BFHE 216, 405, BStBl II 2007, 598
= SIS 07 61 23).
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c) Der Anspruch auf Prozesszinsen setzt nur
voraus, dass eine festgesetzte Steuer im gerichtlichen Verfahren
herabgesetzt wird. Der Grund, der zur Herabsetzung der
festgesetzten Steuer geführt hat, ist für den Anspruch
auf Prozesszinsen ohne Bedeutung (Koenig in Pahlke/Koenig,
Abgabenordnung, 2. Aufl., § 236 Rz 12; Heuermann in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 236 AO Rz 15; Loose
in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 236
AO Rz 9; Anwendungserlass zur Abgabenordnung § 236 AO Nr. 1
Abs. 2 Satz 1).
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d) Der Anspruch auf Prozesszinsen besteht
daher auch dann, wenn die festgesetzte Steuer im gerichtlichen
Verfahren deshalb herabgesetzt oder der Steuerbescheid deshalb
aufgehoben wird, weil eine Steuerschuld mangels wirksamer
Bekanntgabe des Bescheids nicht bestand (vgl. Loose in Tipke/Kruse,
a.a.O.; Heuermann in HHSp § 236 AO Rz 15). Lediglich auf
Überzahlung von Steuern beruhende Erstattungsansprüche,
die nicht auf der Änderung oder Aufhebung einer
Steuerfestsetzung, sondern z.B. auf einem erfolgreichen
Rechtsstreit gegen einen Abrechnungsbescheid oder auf
Billigkeitsmaßnahmen beruhen, werden nach § 236 AO nicht
verzinst (BFH-Urteil vom 12.5.1987 VII R 203/83, BFHE 150, 298,
BStBl II 1987, 702 = SIS 87 19 53).
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Die Auffassung des FA, wonach § 236 Abs.
1 Satz 1 AO eine wirksame Steuerfestsetzung voraussetzt, findet im
Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt, denn dort ist lediglich
von der „festgesetzten“, nicht aber von der
„wirksam festgesetzten“ Steuer die Rede. Eine
den Wortlaut des Gesetzes einschränkende Auslegung stünde
auch mit dem Zweck der Norm im Widerspruch. § 236 AO
begründet eine Entschädigung für das vorenthaltene
Kapital. Dabei ist unbeachtlich, ob die Steuer aufgrund einer
rechtswidrigen oder unwirksamen Steuerfestsetzung gezahlt
wurde.
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e) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
die Klägerin einen Anspruch auf Festsetzung von Prozesszinsen
gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ab dem Zeitpunkt der
Rechtshängigkeit der ursprünglich erhobenen Klage.
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Der Schenkungsteuerbescheid und der im
Klageverfahren ergangene Erbschaftsteuerbescheid vom 9.10.2008
wurden durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben. Die bereits
gezahlte Erbschaft- und Schenkungsteuer wurde der Klägerin
erstattet. Der unwirksame Erbschaftsteuerbescheid vom 12.11.2007
hat seinen Rechtsschein mit der Ersetzung (vgl. § 68 Satz 4
Nr. 2 FGO) durch den im Klageverfahren wirksam ergangenen,
wenngleich rechtswidrigen Bescheid vom 9.10.2008 verloren; dieser
Rechtsschein ist mit der Aufhebung des Erbschaftsteuerbescheids vom
9.10.2008 nicht wieder aufgelebt. Einer ausdrücklichen
Aufhebung des unwirksamen Bescheids vom 12.11.2007 bedurfte es
daher nicht.
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