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Überlassung einer komprimierten "Elster"-Einkommensteuererklärung, grobes Verschulden des steuerlichen Beraters

Überlassung einer komprimierten "Elster"-Einkommensteuererklärung, grobes Verschulden des steuerlichen Beraters: 1. Den Steuerberater trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen, die Voraussetzung für die Gewährung eines Entlastungsbetrags für Alleinerziehende sind, wenn er dem steuerlich unerfahrenen Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung aushändigt, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, und dem Steuerpflichtigen damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. - 2. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms "Elster" zurückzuführen ist. - Urt.; BFH 16.5.2013, III R 12/12; SIS 13 21 70

Kapitel:
Verschiedenes > Aufhebung, Änderung, Berichtigung
Fundstellen
  1. BFH 16.05.2013, III R 12/12
    BStBl 2016 II S. 512
    DStR 2013 S. 1727
    BFHE 241 S. 226
    BFH/NV 2013 S. 1467

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 20.6.2016
    A.P. in StB 9/2013 S. 374
    TC in DStZ 18/2013 S. 650
    -/- in NWB 40/2013 S. 3179
    G.W. in DStR 38/2013 S. 2025
    R.G. in BFH/PR 10/2013 S. 377
    M.M. in AktStR 4/2013 S. 659
Normen
[EStG] § 24 b
[AO 1977] § 173 Abs. 1 Nr. 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Niedersächsisches FG, 24.05.2011, SIS 11 31 54, Grobes Verschulden, Entlastungsbetrag, Alleinerziehende
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 18.4.2023, SIS 23 09 69, Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei irrtümlich doppelter Erklärung von Einnahme...
  • FG München 15.3.2021, SIS 21 08 63, Keine Änderung gemäß § 129 bzw. § 173 AO nach mehrfacher Schätzung des Bestands des steuerlichen Einlagek...
  • FG Baden-Württemberg 5.1.2021, SIS 21 14 52, Angabe einer Kirchenmitgliedschaft in der von einem Steuerberater erstellten Einkommensteuererklärung tro...
  • BFH 26.5.2020, SIS 20 13 06, Nachträgliches Bekanntwerden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO: 1...
  • BFH 28.4.2020, SIS 20 11 56, Grobes Verschulden des Steuerberaters durch fehlende Erklärung steuerfreier Kinderzulagen bei in der Schw...
  • FG Münster 21.2.2020, SIS 20 21 08, Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide, grobe Fahrlässigkeit des Steuerpflichtigen: 1. Nach § 173 Abs...
  • FinMin Nordrhein-Westfalen 28.6.2019, SIS 19 13 52, Begriff des groben Verschuldens: Ergänzend zum AEAO zu § 173, Nr. 5 äußert sich ein Erlass des Finanzmini...
  • FG München 17.9.2018, SIS 18 19 66, Keine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO bei Nichtberücksichtigung einer Einzahlung in die Kapitalrück...
  • FG Münster 15.2.2018, SIS 18 05 99, Verschulden bei fehlerhafter Überprüfung der Eingaben im Rahmen der Steuererklärung: Die Überprüfung der ...
  • FG München 11.12.2017, SIS 17 25 64, Offenbare Unrichtigkeit bei fehlender Aufnahme eines Vorbehaltsvermerks, grobes Verschulden bei Mitteilun...
  • FG Hamburg 15.2.2017, SIS 17 07 19, Grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei Beauftragung von verschiedenen Steuerberatern i...
  • FG München 16.1.2017, SIS 18 03 66, Nachholung einer versehentlich unterlassenen Angabe von steuerfreien Beteiligungserträgen: 1. Die unterla...
  • FG Hamburg 17.3.2016, SIS 16 15 83, Änderung eines Steuerbescheides bei nachträglich erkanntem Fehler der Steuererklärung: 1. Keine offenbare...
  • FG Baden-Württemberg 17.2.2016, SIS 17 13 12, Grobes Verschulden, in der Jahreslohnbescheinigung nicht gesondert ausgewiesene Kinderzulage eines Grenzg...
  • FG Nürnberg 27.8.2015, SIS 15 24 88, Änderung eines bereits bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids bei falscher Angabe auf der Anlage AV (...
  • FG München 26.2.2015, SIS 15 29 33, Grobes Verschulden bei schriftlich gefertigten und elektronisch gefertigten Steuererklärungen: 1. Auf ein...
  • BFH 10.2.2015, SIS 15 13 73, Zum Begriff der groben Fahrlässigkeit i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO: 1. Der Begriff des Verschuldens i.S...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 29.7.2014, SIS 14 31 71, Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten als rückwirkendes Ereignis gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO:...
  • BFH 17.4.2014, SIS 14 16 07, Keine Divergenz nach Aufhebung der vorgeblichen Divergenzentscheidung durch den BFH: 1. Für die Frage, ob...
  • BFH 18.3.2014, SIS 14 21 03, Grobes Verschulden bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen: Der Begriff des Verschuldens i.S. von ...
  • FG Münster 23.1.2014, SIS 14 28 66, Unterlassen der Erklärung eines Verlustes nach § 17 EStG als grobes Verschulden des Beraters: Vergisst de...
  • BFH 18.11.2013, SIS 14 03 72, Leichtfertige Steuerverkürzung i.S. von § 378 AO: "Leichtfertigkeit" i.S. von § 378 AO setzt einen erhebl...
Fachaufsätze
  • LIT 02 72 09 A. Pestke, Stbg 9/2013 S. 374: Komprimierte Einkommensteuererklärung als Haftungsfalle für Steuerberater - BFH vom 16.5.2013, III R 12/1...
  • LIT 02 75 22 -/-, NWB 40/2013 S. 3179: Elektronische Steuererklärung (ELSTER) - Haftungsfalle für Steuerberater - BFH-Urteil vom 16.5.2013, III ...
  • LIT 02 75 67 G. Wacker, DStR 38/2013 S. 2025: Die elektronische Steuererklärung als Haftungs- und Gebührenfalle für den Steuerberater - BFH vom 16.5.20...
  • LIT 02 76 53 M. Messner, AktStR 4/2013 S. 659: Grobes Verschulden bei Abgabe einer Einkommensteuererklärung mit "ELSTER" - Anmerkungen zu den BFH-Urteil...

 

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater einer Tochter, die im Streitjahr 2007 in seiner Wohnung lebte und für die ihm Kindergeld zustand. Mit der Mutter des Kindes war er nicht verheiratet; im Streitjahr lebte er nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit ihr.

 

 

2

Der Kläger beauftragte seinen Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr. Dieser fertigte die Erklärung anhand der Angaben des Klägers an und legte die mit Hilfe des Programms „Elster“ der Finanzverwaltung erstellte, komprimierte Einkommensteuererklärung dem Kläger zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) vor. Die komprimierte Steuererklärung enthielt dabei keine Rubriken - und damit auch keine Eintragungen - zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wie sie in dem amtlichen Vordruck („Anlage Kind“) vorgesehen sind.

 

 

3

Am 19.2.2009 ging die komprimierte, von dem Kläger unterzeichnete Steuererklärung postalisch beim FA ein.

 

 

4

Der daraufhin erlassene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9.3.2009, in dem kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt worden ist, wurde bestandskräftig.

 

 

5

Mit Schreiben vom 3.8.2009 beantragte der Kläger die Änderung dieses Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und begehrte die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für das Streitjahr. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Jahres 2008 sei dem steuerlichen Berater aufgefallen, dass die „Anlage Kind“ für das Streitjahr unvollständig ausgefüllt worden sei. Es hätten in den Zeilen 35 ff. der „Anlage Kind“ Angaben zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemacht werden müssen, weil er seit Dezember 2006 von der Mutter seines Kindes getrennt lebe und deshalb alleinerziehend sei. Er, der Kläger, habe aus der ihm übersandten komprimierten Steuererklärung nicht erkennen können, dass diese steuerrelevanten Angaben fehlten. Ihm sei außerdem gar nicht bekannt gewesen, dass die Tatsache der Alleinerziehung zu einer zusätzlichen steuerlichen Entlastung führen könne.

 

 

6

Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11.9.2009 ab.

 

 

7

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in EFG 2011, 1677 = SIS 11 31 54 veröffentlichten Urteil statt. Nach Auffassung des FG könne der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Den Kläger treffe insbesondere kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache der räumlichen Trennung des Klägers von der Mutter seines Kindes, so dass eine Änderung des streitgegenständlichen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ausgeschlossen sei.

 

 

8

Dem Kläger sei ein eigenes grobes Verschulden nicht vorzuwerfen. Die Angaben zu dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, die auf der Seite 2 der „Anlage Kind“ in den Zeilen 35 ff. vorgesehen seien, seien in der komprimierten Steuererklärung nicht enthalten gewesen, die dem Kläger von seinem steuerlichen Berater zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung überlassen worden sei. Es sei dem Kläger damit nicht möglich gewesen, insoweit auf ausdrücklich gestellte Fragen zu antworten oder insoweit vorbereitete Angaben zu überprüfen. Ein Anlass für den Kläger, auf die steuerliche Bedeutsamkeit dieser Fragestellung aufmerksam zu werden, habe deshalb nicht vorgelegen. Dem Kläger könne überdies nicht vorgeworfen werden, dass er dem Umstand, dass er im Streitjahr alleinerziehend gewesen sei, nicht von sich aus seinem steuerlichen Berater mitgeteilt habe, da hierzu - mangels entsprechender Fragestellung - für einen steuerlichen Laien kein Anlass bestanden habe.

 

 

9

Dem Kläger sei auch nicht ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Der Steuerberater sei nicht verpflichtet gewesen, „ins Blaue“ nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu keinerlei Anlass bestanden habe. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3.12.2009 VI R 58/07 (BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531 = SIS 10 04 93) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem es um das nachträgliche Bekanntwerden von als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizierenden Krankheitskosten gegangen sei, bestehe keine Verpflichtung des Steuerberaters, sich jährlich nach dem Stand der ehelichen oder nichtehelichen Beziehung des Mandanten zu erkundigen, wenn insoweit keine Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

 

 

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. In Bezug auf ein dem Steuerpflichtigen zuzurechnendes grobes Verschulden des Steuerberaters führt es aus, der Steuerberater habe bei dem Auftrag, die Steuererklärung zu fertigen, u.a. zu prüfen, welche Steuertatbestände verwirklicht worden seien und welche Begünstigungsvorschriften zu berücksichtigen seien. Es verweist auf das BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531 = SIS 10 04 93, nach dem ein Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen habe, umfassend zu beraten habe und nach dem er - im Rahmen dieser Verpflichtung - den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln habe.

 

 

11

Diesen Maßstäben werde das FG mit seinem Urteil nicht gerecht, in dem es in den Entscheidungsgründen anführe, der Steuerberater sei nicht verpflichtet, „ins Blaue“ nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu im Streitfall keinerlei Anlass bestanden habe. Das FG verlange damit seitens des steuerlichen Beraters lediglich eine anlassbezogene Rückfrage, und zwar nur dann, wenn Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

 

 

12

Jedoch sei die steuerliche Relevanz der persönlichen Verhältnisse in Anbetracht der verschiedenen kinderbedingten Vergünstigungen dem steuerlichen Laien nicht ohne weiteres bewusst und erfordere daher einen Informationsaustausch mit dem Steuerpflichtigen. Die im Streitfall mangelnde Kommunikation müsse sich der Kläger als Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen.

 

 

13

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

14

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

15

Nach seiner Auffassung sei das Problem letztlich in der Verkürzung der Steuererklärung bei Ausdruck der „Elster-Übermittlungen“ zu sehen. Wären hier ebenfalls die genannten Rubriken und damit Leerfelder für den Steuerpflichtigen erkennbar, so wären Informationsverluste wie im vorliegenden Fall vermeidbar. Die in dem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei für den Steuerpflichtigen bei der verkürzt ausgedruckten Steuererklärung gerade nicht erkennbar.

 

 

16

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG war zu Unrecht der Ansicht, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten des Klägers geändert werden, weil diesem kein grobes Verschulden vorzuwerfen sei.

 

 

17

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

 

 

18

1. Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden.

 

 

19

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteile vom 20.11.2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545 = SIS 09 08 81, und vom 9.11.2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545 = SIS 12 06 57).

 

 

20

Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. Senatsurteile vom 30.10.1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161 = SIS 87 04 53; vom 1.10.1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346 = SIS 94 02 41, und in BFH/NV 2009, 545 = SIS 09 08 81). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 23.2.2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978 = SIS 00 57 63, und in BFH/NV 2009, 545 = SIS 09 08 81).

 

 

21

Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (z.B. Senatsurteile vom 23.10.2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441 = SIS 03 17 33, und in BFH/NV 2009, 545 = SIS 09 08 81). Dies gilt auch dann, wenn er eine derartige, im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines Rechtsirrtums der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441 = SIS 03 17 33, und in BFH/NV 2009, 545 = SIS 09 08 81).

 

 

22

Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28.8.1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).

 

 

23

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (z.B. BFH-Urteile vom 17.11.2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412 = SIS 06 16 60, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531 = SIS 10 04 93). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO; vgl. BFH-Urteile vom 14.1.1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203 = SIS 98 10 48; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412 = SIS 06 16 60, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531 = SIS 10 04 93). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412 = SIS 06 16 60, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531 = SIS 10 04 93). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (z.B. BFH-Urteile vom 28.6.1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2 = SIS 83 20 48; vom 26.8.1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109 = SIS 88 03 52, und vom 13.6.1989 VIII R 174/85, BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789 = SIS 89 17 31).

 

 

24

c) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG dürfen - abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen - nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entspricht. Dies hindert das Revisionsgericht allerdings nicht, selbst zur Annahme eines groben Verschuldens zu kommen, wenn hierfür ausreichende tatsächliche Feststellungen vorliegen (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441 = SIS 03 17 33, und in BFH/NV 2009, 545 = SIS 09 08 81).

 

 

25

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann das Urteil des FG keinen Bestand haben.

 

 

26

a) Rechtsfehlerfrei hat das FG zwar zunächst ein eigenes grobes Verschulden des Klägers verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass aus der komprimierten Steuererklärung für den Kläger nicht ersichtlich war, dass weitere Angaben zur Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende erforderlich waren und insoweit steuermindernde Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind. Außerdem kann dem Kläger - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - nicht vorgeworfen werden, die Tatsache, dass er im Streitjahr nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter gelebt hat, nicht von sich aus dem Berater mitgeteilt zu haben, da hierzu für einen steuerlichen Laien mangels Kenntnis der steuerlichen Relevanz dieser Tatsache kein Anlass bestand.

 

 

27

b) Entgegen der Auffassung des FG trifft jedoch den steuerlichen Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss.

 

 

28

aa) Indem er dem insoweit steuerlich unerfahrenen Kläger lediglich die komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung überließ, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, handelte er grob fahrlässig. Denn damit nahm er dem Kläger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, dass - wie in den Zeilen 35 ff. der „Anlage Kind“ aufgeführt - ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden kann und insoweit weitere Angaben zur vollständigen Beantwortung der in dem amtlichen Vordruck gestellten Fragen erforderlich sind. Durch sein Handeln übernahm der steuerliche Berater die Verantwortung, dass die in der von ihm erstellten komprimierten Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind.

 

 

29

Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung, der er sich nicht dadurch entziehen kann, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203 = SIS 98 10 48; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412 = SIS 06 16 60, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531 = SIS 10 04 93). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Kläger seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (s. oben unter II.1.a). Dann muss nach Auffassung des erkennenden Senats ein grobes Verschulden des vom Steuerpflichtigen beauftragten steuerlichen Beraters bejaht werden, wenn dieser - im Falle der Nichtermittlung des für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalts - dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt und ihm damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Würde man ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters in diesen Fällen verneinen, käme es zu einer Besserstellung des vertretenen Steuerpflichtigen gegenüber dem nicht vertretenen, da dem Steuerpflichtigen selbst - insbesondere mangels Erkennbarkeit der Unvollständigkeit der in der komprimierten Steuererklärung enthaltenen Angaben - ein grobes Verschulden nicht vorgeworfen werden kann (vgl. oben unter II.2.a).

 

 

30

bb) Dabei kann es - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht darauf ankommen, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms „Elster“ zurückzuführen ist. Insoweit hat der steuerliche Berater selbst sicherzustellen, dass er dem Steuerpflichtigen, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, die Möglichkeit belässt, die Angaben in der von ihm gefertigten Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen zu können, wenn sich der Berater entscheidet, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt nicht vor Erstellung der Steuererklärung - ggf. durch ausdrückliche Nachfrage beim Steuerpflichtigen - vollständig zu ermitteln. Indem der steuerliche Berater dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt, übernimmt er die Verantwortung, dass die in dieser Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind (s. oben unter II.2.b aa).

 

 

31

cc) Der Senat kann offenlassen, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters auch aufgrund der fehlenden Nachfrage bei dem Kläger hinsichtlich des Umstands der Haushaltsgemeinschaft der Kindseltern angenommen werden müsste. Offen bleiben kann damit, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters stets dann anzunehmen ist, wenn dieser im Rahmen seiner Verpflichtung, seinen Mandanten im Rahmen dessen Belehrungsbedürftigkeit umfassend zu beraten, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt - auch ohne entsprechende Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung - selbst nicht vollständig ermittelt hat (so - im Hinblick auf als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähige Zahnbehandlungskosten - wohl: BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531 = SIS 10 04 93; ebenso: von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 95.1.; kritisch: Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 84; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 173 Rz 126) oder ob insoweit auch Fälle der „lediglich“ einfachen Fahrlässigkeit denkbar sind.