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I. Streitig ist, ob auf Grund
geänderter Arbeitsverträge vereinbarte Zusatzleistungen
des Arbeitgebers „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten
Arbeitslohn“ erbracht wurden.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein
Ingenieurbüro und beschäftigt rund 40 Arbeitnehmer. Sie
vereinbarte im April 2006 mit einigen ihrer Arbeitnehmer neue
Arbeitsverträge. Danach waren ab Mai 2006 als Arbeitslohn
neben der Zahlung eines Bruttogehalts monatliche Zusatzleistungen
in § 5 Abs. 1 der jeweils neuen Arbeitsverträge
vereinbart. weiter bestimmte deren § 5 Abs. 2, dass bei
Wegfall der persönlichen oder gesetzlichen Voraussetzungen der
nach § 5 Abs. 1 gewährten Zusatzleistungen der
Arbeitgeber eine entsprechende Zusatzleistung zu zahlen hatte, bei
der die persönlichen und gesetzlichen Voraussetzungen der
Arbeitnehmer erfüllt sind. Sollte auch dies nicht möglich
sein, war nach § 5 Abs. 3 die im April 2006 gewährte
Vergütung zu zahlen. Letzteres galt nach § 5 Abs. 4 auch
dann, wenn die Arbeitnehmer die gewährten Zusatzleistungen des
Abs. 1 nicht mehr wünschten. Zusatzleistungen waren eine
Internetpauschale von 50 EUR/Monat sowie Erholungsbeihilfen von 156
EUR/Jahr für den Arbeitnehmer, 104 EUR/Jahr für dessen
Ehegatten sowie 52 EUR/Jahr pro Kind des Arbeitnehmers. Bei einigen
Arbeitnehmern waren auch Zuschüsse zu deren Aufwendungen
für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie
Kindergartenzuschüsse vereinbart. Schließlich hatte die
Klägerin auch Sachbezüge in Form von Gutscheins-, Waren-
und Dienstleistungen in Höhe von 44 EUR/Monat zugesagt; hierzu
hatten die Arbeitnehmer vor Beginn eines jeden Bezugsjahrs zu
bestimmen, welche Art von Sachleistungen sie wünschten, etwa
den Bezug von Waren und Dienstleistungen einer bestimmten
Tankstelle.
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Die Klägerin versteuerte die als
Zusatzleistung gewährte Internetpauschale nach § 40 Abs.
2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die
Erholungsbeihilfen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG jeweils
mit einem Pauschsteuersatz von 25 %; die Fahrtkostenzuschüsse
unterwarf sie dem Pauschsteuersatz von 15 % nach § 40 Abs. 2
Satz 2 EStG. Die Kindergartenzuschüsse behandelte die
Klägerin als nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien
Arbeitslohn und den vereinbarten „Sachbezug“ von 44
EUR/Monat als nicht lohnsteuerpflichtig, weil die Freigrenze des
§ 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht überschritten war.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) vertrat im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung dagegen die Auffassung, dass die
Voraussetzungen einer Pauschalversteuerung und einer
Steuerbefreiung nicht vorlägen und nahm nach § 42d EStG
die Klägerin als Arbeitgeberin in Haftung.
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Die dagegen erhobene Klage war aus den in
EFG 2012, 213 = SIS 11 31 32 veröffentlichten Gründen nur
teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) hob den streitigen
Haftungsbescheid auf Grundlage der Rechtsprechung des erkennenden
Senats vom 11.11.2010 VI R 26/08 (BFH/NV 2011, 589 = SIS 11 06 71)
und VI R 27/09 (BFHE 232, 56, BStBl II 2011, 386 = SIS 11 02 57)
insoweit auf, als die Zusatzleistungen für die Verwendung von
Tankkarten besteuert worden waren. Im Übrigen wies es die
Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die
übrigen Zusatzleistungen nicht, wie von den gesetzlichen
Vorschriften im Einzelnen vorausgesetzt, zusätzlich zum
ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht würden, weil auch
auf diese Zusatzleistungen jeweils ein arbeitsvertraglicher
Anspruch bestanden habe. Die Erholungsbeihilfen habe die
Klägerin voraussetzungslos monatlich ausbezahlt, so dass
entgegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Verwendung dieser
Geldmittel zu Erholungszwecken nicht sichergestellt gewesen sei.
Die am Jahresende von den Arbeitnehmern der Klägerin
vordruckmäßig jeweils abgegebene Erklärung, die
erhaltenen Beihilfen für Erholungszwecke verwendet zu haben,
entspreche nicht der durch das Gesetz geforderten Sicherstellung
der Verwendung; insbesondere hätten die Arbeitnehmer nicht
belegt, zu welchem Zweck die Beträge jeweils verwendet worden
seien.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragt, das Urteil des
Niedersächsischen FG vom 16.6.2011 11 K 81/10 dahingehend
abzuändern, dass der im Haftungsbescheid über Lohnsteuer
und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 6.5.2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 4.2.2010 ausgewiesene Haftungsbetrag auf
2.046 EUR (zuzüglich Kirchensteuer und
Solidaritätszuschlag) herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der
Haftungstatbestand des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG hinsichtlich
der den Arbeitnehmern der Klägerin gewährten und im
Revisionsverfahren noch streitigen Zuschüsse erfüllt ist.
Denn danach haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er
nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom
Arbeitslohn einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG abzuführen hat. Dieser Verpflichtung kam die
Klägerin bei den hier noch streitigen Zusatzleistungen nicht
nach. Denn die Voraussetzungen einer pauschalierten Besteuerung der
Zuschüsse des Arbeitgebers zu Aufwendungen des Arbeitnehmers
für den Internetzugang und die Internetnutzung
(Internetpauschale) nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG,
für Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers
für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
(Fahrtkostenzuschüsse) nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG und
für Erholungsbeihilfen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG
sowie die einer Steuerbefreiung der Kindergartenzuschüsse nach
§ 3 Nr. 33 EStG liegen nicht vor.
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1. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG
kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von
25 % u.a. für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten
Arbeitslohn unentgeltlich oder verbilligt übereignete
Personalcomputer sowie Zubehör und Internetzugang erheben.
Entsprechendes gilt für Zuschüsse des Arbeitgebers, die
zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den
Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetnutzung gezahlt
werden.
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a) Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten
Arbeitslohn erbrachte Zusatzleistungen sind nur solche, die der
Arbeitgeber erbringt, ohne dass darauf der Arbeitnehmer einen
Anspruch hat; zur weiteren Begründung wird insoweit auf das
Senatsurteil vom 19.9.2012 VI R 54/11 (zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt) Bezug genommen. Dort hatte der
Senat zu den Tatbeständen des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
EStG (Internetpauschale) und § 3 Nr. 33 EStG
(Kindergartenzuschüsse) entschieden. Entsprechendes gilt
für die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn
geleisteten Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers
für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach
§ 40 Abs. 2 Satz 2 EStG. Auch für diese Zuschüsse
kommt eine Pauschalbesteuerung nur in Betracht, soweit die
Zuschüsse freiwillig geleistet werden und nicht schon Teil des
ohnehin geschuldeten Arbeitslohns sind.
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b) Das FG hat nach Maßgabe dieser
Rechtsgrundsätze zutreffend entschieden, dass die Arbeitnehmer
der Klägerin sämtliche hier streitigen Zusatzleistungen
nach § 5 des Arbeitsvertrags in der ab 1.5.2006 geltenden
Fassung beanspruchen konnten, die Zusatzleistungen also Teil des
geschuldeten Arbeitslohns waren und mithin nicht zusätzlich
zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht wurden.
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c) Die Klägerin kann sich auch nicht mit
Erfolg auf die in den Streitjahren anwendbaren
Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) berufen, nach denen es unerheblich
war, ob die zusätzliche Leistung ihrerseits vom Arbeitgeber
geschuldet oder freiwillig gewährt wurde (R 21c Satz 7 LStR
2005). Denn auch danach lag keine zusätzliche Leistung vor,
wenn eine zweckbestimmte Leistung unter Anrechnung auf den
vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung des vereinbarten
Arbeitslohns gewährt wurde (R 21c Satz 4 LStR 2005). Davon war
im Streitfall auszugehen, nachdem die bisherigen
Bruttoarbeitslöhne in den Arbeitsverträgen jeweils
herabgesetzt und dafür um monatliche Zusatzleistungen
ergänzt worden waren. Auf die Frage, ob der Haftungsbescheid
ermessensfehlerhaft wäre, wenn er entgegen einer in den
Lohnsteuer-Richtlinien geäußerten Rechtsansicht ergangen
wäre, kommt es daher nicht an.
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2. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG
kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von
25 % erheben, soweit er Erholungsbeihilfen gewährt, wenn diese
bestimmte Jahresbeträge nicht übersteigen und der
Arbeitgeber sicherstellt, dass die Beihilfen zu Erholungszwecken
verwendet werden. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG fordert damit
nicht nur einen ganz bestimmten Verwendungszweck der insoweit
gewährten Leistungen, nämlich die Mittelverwendung
für Zwecke der Erholung, sondern auch eine
Überprüfung durch den Arbeitgeber, dass seine
Arbeitnehmer diese als Erholungsbeihilfen gewährten Leistungen
tatsächlich zu diesem Zweck verwenden.
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a) Gemessen daran hat das FG aus
revisionsrechtlicher Sicht rechtsfehlerfrei entschieden, dass die
Voraussetzungen der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr.
3 EStG nicht vorliegen, weil die Klägerin als Arbeitgeberin
nicht sichergestellt hatte, dass die Beihilfen tatsächlich zu
Erholungszwecken verwendet wurden.
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aa) § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG
bestimmt nicht ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen der
Verwendungszweck der Zuwendungen durch den Arbeitgeber hinreichend
sichergestellt ist (so bereits FG Köln, Urteil vom 4.6.1996 7
K 4967/93, EFG 1997, 110, das die Norm insgesamt als
anachronistische Subventionsvorschrift bezeichnete).
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Wenn allerdings das Gesetz fordert, dass die
Arbeitgeberleistungen nicht nur bestimmten Zwecken dienen sollen,
sondern der Arbeitgeber auch sicherzustellen hat, dass sie zu
Erholungszwecken verwendet werden, dann genügen jedenfalls
Vermutungen über die Mittelverwendung nicht. Das
tatbestandlich vorausgesetzte „sicherstellen“
ist schon nach seinem Wortsinn deutlich enger und stellt strengere
Anforderungen als eine bloße Vermutung oder gar ein allein
vom Arbeitgeber bestimmter, aber nicht weiter objektivierter
Verwendungszweck.
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bb) Auf Grundlage der hier vom FG getroffenen
Feststellungen, nach denen die Leistungen für die
Erholungsbeihilfen von der Klägerin als Arbeitgeberin
durchlaufend monatlich als pauschale Zahlung erbracht worden waren,
kann jedenfalls von einer Sicherstellung des Verwendungszwecks
durch den Arbeitgeber nicht ausgegangen werden. Unzureichend ist,
wenn die Arbeitnehmer, wie im Streitfall, den jeweiligen Zweck, zu
dem sie die erhaltenen Beträge verwendet haben, nicht angeben.
Denn damit ist ein Mindestmaß an Vergewisserung über den
Verwendungszweck nicht in der Weise gewährleistet, dass der
Arbeitgeber selbst auf Grund der Erklärungen der Arbeitnehmer
entscheiden kann, ob die Mittel tatsächlich zu
Erholungszwecken verwendet worden waren. Deshalb genügt auch
entgegen der Auffassung der Klägerin jedenfalls keine - wenn
auch plausible - Vermutung, wonach die zugewendeten
Geldbeträge typischerweise die für
Freizeitveranstaltungen und Urlaube jährlich getätigten
Ausgaben nicht überschreiten. Denn sichergestellt ist die
Mittelverwendung damit nicht.
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b) Angesichts dessen kann der Senat im hier
vorliegenden Streitfall auch dahinstehen lassen, inwieweit die von
der Finanzverwaltung zu Grunde gelegten Vereinfachungsregelungen,
die etwa von einer hinreichenden Sicherstellung von
Beihilfezahlungen für Erholungszwecke ausgehen, wenn die
Zahlungen in zeitlicher Nähe zur Urlaubszeit erfolgen, den
gesetzlichen Anforderungen genügen.
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