1
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I. Mit Schreiben vom 31.7.2007 beantragte
der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der polnischer
Staatsangehöriger ist, rückwirkend ab Mai 2004 Kindergeld
für seine in Polen lebenden Kinder P (geb. im Juni 1989), M
(geb. im August 1990) und O (geb. im Juli 1998).
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2
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Die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom
17.8.2007 unter Hinweis darauf ab, dass der Kläger in Polen
sozialversichert sei und dieser Tatbestand einen Anspruch auf
deutsches Kindergeld ausschließe. Den hiergegen gerichteten
Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom
2.10.2007 als unbegründet zurück.
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Mit dem am 1.11.2007 bei dem Finanzgericht
(FG) eingegangenen Schreiben erhob der Kläger hiergegen Klage
und legte im Klageverfahren u.a. eine Bescheinigung seines
polnischen Arbeitgebers vor, wonach der Kläger ab dem 1.1.2005
für unbestimmte Zeit beschäftigt und ab dem 1.4.2005 an
einen ausländischen Betrieb in Deutschland entsandt worden
sei. Eine Versicherungspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit
bestehe nicht, da Versicherungspflicht in Polen vorliege.
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4
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In der mündlichen Verhandlung trennte
das FG zunächst nach teilweiser Klagerücknahme für
den Zeitraum Mai 2004 bis März 2005 (Kindergeldanspruch
für alle drei Kinder) das Verfahren ab und stellte es insoweit
ein. Ferner trennte das FG das Verfahren hinsichtlich des
Kindergelds für P ab Juni 2007 unter dem Az. 2 K 1166/08
ab.
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5
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Hinsichtlich des danach verbleibenden
Streitgegenstands verpflichtete das FG die Familienkasse mit Urteil
vom 16.4.2008 unter Aufhebung des Bescheids vom 17.8.2007 und der
Einspruchsentscheidung vom 2.10.2007, dem Kläger für
seine Kinder M und O Kindergeld für die Zeit ab April 2005 und
für das Kind P von April 2005 bis Mai 2007 in gesetzlicher
Höhe zu gewähren.
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Zur Begründung ihrer Revision
rügt die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung der Art.
13 und 14 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971
zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer
und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die
innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in
ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2.12.1996
- VO Nr. 118/97 - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
1997 Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung,
geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.4.2005 - VO Nr.
647/2005 - (Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - 2005
Nr. L 117, S. 1).
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7
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Zu Recht gehe das FG zwar davon aus, dass
für den Kläger die VO Nr. 1408/71 gelte, da er sowohl vom
sachlichen als auch vom persönlichen Geltungsbereich erfasst
werde. Inkonsequenterweise prüfe das FG trotz dieser
Feststellung noch § 65 Abs. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung
(EStG), der bei Anwendbarkeit der Verordnung von dieser
verdrängt werde.
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8
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Da der Kläger dem Geltungsbereich der
Verordnung unterliege, sei die Frage zu klären, ob ein
polnischer Staatsangehöriger, der nach seinen eigenen Angaben
im Kindergeldantrag in Polen einer Sozialversicherungspflicht
unterliege, deshalb gemäß Art. 13 i.V.m. Art. 1 der VO
Nr. 1408/71 als in Polen beschäftigt gelte, und ob deshalb auf
ihn die polnischen Rechtsvorschriften anzuwenden seien, auch wenn
er (ohne deutsche Sozialversicherungspflicht) tatsächlich
einer unselbständigen Beschäftigung in Deutschland
nachgehe.
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9
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Da der Kläger nach Art. 13 Abs. 1 der
VO Nr. 1408/71 nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
unterliegen solle, stelle sich die Frage, in welchem Mitgliedstaat
er als beschäftigt anzusehen sei. Über diesen
„Ortsbezug“ sei im Lichte der Definition des Art. 1 der
VO Nr. 1408/71 zu entscheiden. Da die Beschäftigteneigenschaft
in Art. 1 der VO Nr. 1408/71 anhand des Versichertenstatus bestimmt
worden sei, erscheine es naheliegend, dass auch der Ortsbezug, also
die Frage, auf welches Land sich diese
Beschäftigteneigenschaft beziehe, am Versichertenstatus
festzumachen sei. Schon Art. 13 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 gehe
davon aus, dass jede Person nur einem Rechtssystem, also auch nur
einem nationalen Sozialversicherungssystem unterliegen könne.
Im Einklang damit definiere Art. 1 der VO Nr. 1408/71 den
Beschäftigtenstatus anhand des Versichertenstatus. Dieser
normativen Grundentscheidung würde es widersprechen, wenn eine
Person zwar der Sozialversicherung in Polen unterliegen
könnte, dennoch aber (im Sinne der VO Nr. 1408/71) als
beschäftigt in Deutschland gelten würde. Entscheidend sei
also, in welchem Land eine Versicherung bestehe. Das
Versicherungsland habe dann konsequenterweise auch als
Beschäftigungsland i.S. der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 zu
gelten. Danach unterliege der Kläger allein den polnischen
Rechtsvorschriften, so dass ein Anspruch auf deutsches Kindergeld
ausgeschlossen sei.
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Selbst wenn man dieser Rechtsauffassung
nicht folgte, müsse man wegen der Ausnahmeregelung des Art. 14
Nr. 1 der VO Nr. 1408/71 zu dem Ergebnis kommen, dass die
Entscheidung des FG unzutreffend sei. Der Kläger sei
unstreitig entsandt worden. Typischerweise solle mit einer
(zeitlich befristeten) Entsendung erreicht werden, dass der
entsandte Arbeitnehmer weiterhin in das Sozialversicherungssystem
des Entsendestaats eingegliedert bleibe und kurzfristige Wechsel
des Sozialversicherungssystems und damit unnötige
Verkomplizierungen des Versicherungsverlaufs vermieden würden.
Nach den Regelungen in Art. 14 Nr. 1 der VO Nr. 1408/71 unterliege
der entsandte Arbeitnehmer weiterhin den Rechtsvorschriften des
Entsendestaats, wenn die voraussichtliche Dauer seiner
Tätigkeit zwölf Monate nicht überschreite. Dauere
die Tätigkeit länger als ursprünglich angenommen,
könne diese Überschreitung durch die zuständige
Behörde genehmigt werden. Auch eine Verlängerung um
weitere zwölf Monate durch die zuständige Behörde
sei möglich. Schließlich könnten die
zuständigen Behörden der beteiligten Staaten nach Art. 17
der VO Nr. 1408/71 auch Ausnahmen (von den Regelungen der Art. 13
bis 16 der VO Nr. 1408/71) abstrakter Art für bestimmte
Personengruppen oder auch im Einzelfall für bestimmte Personen
vereinbaren. Über diese Genehmigungs- bzw. Ausnahmeregelungen
würden gemäß Art. 11 der Verordnung (EWG) Nr.
574/72 des Rates vom 21.3.1972 über die Durchführung der
VO Nr. 1408/71 in ihrer durch die VO Nr. 118/97 geänderten und
aktualisierten Fassung, geändert durch die VO Nr. 647/2005 (VO
Nr. 574/72) Bescheinigungen erstellt (sog. Formulare E
101).
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Vorliegend habe das FG nicht
aufgeklärt, wie lange die Entsendung voraussichtlich habe
dauern sollen oder ob entsprechende Genehmigungen,
Ausnahmeregelungen oder Bescheinigungen E 101 vorlägen, und
damit seine Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ) verletzt. Das FG hätte
insbesondere auch den Kläger auffordern müssen, zu
erklären, ob ihm entsprechende Genehmigungen,
Ausnahmeregelungen oder Bescheinigungen E 101 bekannt seien.
Zumindest die Darlegungslast im Hinblick auf solche Vorgänge
sei dem Kläger, als unstreitig von seinem Arbeitgeber
entsandten Arbeitnehmer, aufzuerlegen. Es würde im Ergebnis
der grundlegenden Systematik der VO Nr. 1408/71 widersprechen, wenn
eine Person, die in das polnische Sozialversicherungssystem
integriert sei, dennoch einen Anspruch auf eine Leistung aus einem
Zweig der sozialen Sicherheit in Deutschland hätte.
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Die Familienkasse beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger hat keinen Antrag
gestellt.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur
Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur
Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
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1. Die von dem FG getroffenen Feststellungen
tragen nicht die ausgesprochene Rechtsfolge, dass weder durch Art.
14 Nr. 1 Buchst. a und b der VO Nr. 1408/71 noch durch Art. 17 der
VO Nr. 1408/71 die durch Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der VO
Nr. 1408/71 bewirkte Anwendbarkeit des Rechts des
Beschäftigungsstaats Deutschland verdrängt werde. Die
bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen keine
abschließende Entscheidung dazu, ob deutsches oder polnisches
Recht auf den Kläger anzuwenden ist.
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2. Ein Anspruch des Klägers auf
Kindergeld nach den §§ 62 f. EStG könnte durch die
VO Nr. 1408/71 und die VO Nr. 574/72 ausgeschlossen sein.
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a) Auf den Streitfall sind noch diese
Verordnungen anzuwenden, da die streitigen Kindergeldansprüche
sich noch auf Zeiträume vor dem am 1.5.2010 erfolgten
Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit - VO Nr. 883/2004
- (ABlEU 2004 Nr. L 166, S. 1) beziehen (s. hierzu Senatsurteil vom
4.8.2011 III R 55/08, BFHE 234, 316 = SIS 11 37 20). Nachdem im
Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 2.10.2007 eine sachliche
Prüfung des Kindergeldanspruchs stattgefunden hat,
beschränkt sich der Streitgegenstand der Klage hinsichtlich
der Kinder M und O auf das Kindergeld für den Zeitraum von
April 2005 bis Oktober 2007 und hinsichtlich des Kindes P auf das
Kindergeld für den Zeitraum von April 2005 bis Mai 2007 (vgl.
Senatsurteil vom 22.12.2012 III R 41/07 = SIS 12 11 03, zur
Veröffentlichung bestimmt, unter II.2. der Gründe).
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18
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b) Als Familienleistung i.S. des Art. 1
Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld
nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1
Buchst. h dieser Verordnung ihrem sachlichen Geltungsbereich (z.B.
Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - vom
14.10.2010 C-16/09 = SIS 10 33 42, Schwemmer, Zeitschrift für
europäisches Sozial- und Arbeitsrecht 2011, 86 Rdnr. 33).
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c) Nach den Feststellungen des FG wird der
Kläger von dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr.
1408/71 erfasst, da er entsprechend Art. 2 i.V.m. Art. 1 Buchst. a
Ziff. i der VO Nr. 1408/71 in Polen gegen ein Risiko oder gegen
mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen
Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige erfasst
werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.
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3. Zu Recht hat das FG daher das auf den
Kläger anzuwendende Recht nach den Vorschriften des Titels II
der VO Nr. 1408/71 (Art. 13 ff.) bestimmt.
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a) Wie der Senat in dem Urteil in BFHE 234,
316 = SIS 11 37 20 ausgeführt hat, ist für die im Rahmen
der Anwendung der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 zu klärenden
Frage, in welchem Mitgliedstaat die abhängige
Beschäftigung bzw. die selbständige Tätigkeit
ausgeübt wird, entgegen der Auffassung der Familienkasse
grundsätzlich nicht darauf abzustellen, in welchem Land die
Versicherung besteht, sondern darauf, in welchem Mitgliedstaat die
Person abhängig beschäftigt ist bzw. eine
selbständige Tätigkeit ausübt. Dabei ist
grundsätzlich von dem bescheinigten Versichertenstatus des
Versicherten auszugehen und nur an diejenige(n) Tätigkeit(en)
anzuknüpfen, hinsichtlich derer die betreffende Person als
Arbeitnehmer bzw. Selbständiger i.S. des Art. 1 Buchst. a der
VO Nr. 1408/71 gilt. Es ist daher zunächst noch festzustellen,
ob der Kläger nach seinem bescheinigten Versichertenstatus in
Polen als Arbeitnehmer oder als Selbständiger versichert
ist.
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b) Nach der Grundregel des Art. 13 Abs. 1 der
VO Nr. 1408/71 gilt, dass vorbehaltlich der Art. 14c und Art. 14f
der VO Nr. 1408/71 Personen, für die die VO Nr. 1408/71 gilt,
den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Welche
Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach Titel II der VO
Nr. 1408/71. Der Rückgriff auf die allgemeine Regelung des
Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 (Vorrang des Rechts des
Staats, in dessen Gebiet die Person im Lohn- oder
Gehaltsverhältnis beschäftigt ist) gilt nach dem
einleitenden Satz des Art. 13 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 aber nur,
soweit die Art. 14 bis 17 der VO Nr. 1408/71 nichts anderes
bestimmen.
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c) Soweit es um die Anwendbarkeit der Regelung
des Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und b der VO Nr. 1408/71 für
entsandte Arbeitnehmer geht, durfte das FG jedoch aus der Tatsache,
dass der Kläger ab dem 1.4.2005 bis zum Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung als entsandter Arbeitnehmer tätig
war, nicht darauf schließen, dass Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und
b der VO Nr. 1408/71 bereits vom Beginn des Entsendungszeitraums
(1.4.2005) nicht eingreifen könne.
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Art. 14 Nr. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71
sieht vor, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats von
einem Unternehmen, dem sie gewöhnlich angehört,
abhängig beschäftigt wird und die von diesem Unternehmen
zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das
Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, weiterhin den
Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats (Entsendestaat)
unterliegt, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit
zwölf Monate nicht überschreitet und sie nicht eine
andere Person ablöst, für welche die Entsendungszeit
abgelaufen ist. Geht eine solche Arbeit, deren Ausführung aus
nicht vorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene
Dauer überschreitet, über zwölf Monate hinaus, so
gelten nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 die
Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats (Entsendestaat) bis
zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige
Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet der Betreffende
entsandt wurde, oder die von dieser Behörde bezeichnete Stelle
dazu ihre Genehmigung erteilt. Diese Genehmigung ist vor Ablauf der
ersten zwölf Monate zu beantragen und darf nicht für
länger als zwölf Monate erteilt werden.
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d) Hieraus ergibt sich, dass die
Voraussetzungen einer Entsendung unter Beibehaltung der
Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften des Entsendestaats Polen
beginnend ab 1.4.2005 jedenfalls für zwei Jahre vorgelegen
haben könnten, sofern die Voraussetzungen des Art. 14 Nr. 1
Buchst. a und b der VO Nr. 1408/71 gegeben waren.
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aa) Ob dies tatsächlich der Fall war, hat
das FG zur Erfüllung seiner sich aus § 76 Abs. 1 und Abs.
2 FGO ergebenden Sachaufklärungspflicht zu ermitteln. Da der
entscheidungserhebliche Sachverhalt so vollständig wie
möglich und unter Ausnutzung aller verfügbaren
Beweismittel aufzuklären ist (vgl. etwa Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 15.12.1999 X R 151/97, BFH/NV 2000, 1097 = SIS 00 58 19), darf sich das FG nicht allein auf die Würdigung der
Bescheinigung des polnischen Arbeitgebers beschränken,
insbesondere wenn das FG - wie offensichtlich im Streitfall -
Zweifel an der Richtigkeit der Angaben hat und deshalb entgegen dem
Wortlaut der Bescheinigung von dem Fehlen der Eigenschaft
„entsendeter Arbeitnehmer“ mit
„Versicherungspflicht in Polen“ ausgeht.
Vielmehr ist bei den Trägern und Stellen, die über das
auf den Anspruchsteller anzuwendende Recht zu befinden haben, zu
ermitteln, welche Rechtsvorschriften im Anspruchszeitraum auf den
Anspruchsteller Anwendung fanden. Hierzu kann das FG gegebenenfalls
auch die Beteiligten heranziehen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Nach Art. 4 Abs. 10 der VO Nr. 574/72 sind im Anhang 10 der VO Nr.
574/72 u.a. die Träger oder Stellen aufgeführt, die von
den zuständigen Behörden aufgrund von Art. 11 Abs. 1 der
VO Nr. 574/72 bestimmt worden sind. Insoweit kann unmittelbar durch
Übersendung des Formulars E 101 (Bescheinigung über die
anzuwendenden Rechtsvorschriften) bei den danach zuständigen
deutschen und ausländischen Trägern und Stellen ermittelt
werden, welche Rechtsvorschriften auf den Anspruchsteller Anwendung
fanden, da auch diese Träger nach Art. 84a der VO Nr. 1408/71
zur gegenseitigen Information und Zusammenarbeit verpflichtet sind,
um die ordnungsgemäße Anwendung der VO Nr. 1408/71 zu
gewährleisten. Anfragen können nach Art. 3 der VO Nr.
574/72 aber auch durch Vermittlung über die im Anhang 3 der VO
Nr. 574/72 bezeichneten deutschen Verbindungsstellen an die
zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaats gestellt
werden.
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bb) Bestätigt der zuständige
Träger des anderen Mitgliedstaats, insbesondere durch
Erteilung einer Entsendebescheinigung nach dem Formular E 101, dass
für einen bestimmten Zeitraum ein Fall des Art. 14 Nr. 1
Buchst. a oder b der VO Nr. 1408/71 gegeben war, ist diese
Bescheinigung für das FG bindend. In der Entsendebescheinigung
E 101 erklärt der zuständige Träger des
Mitgliedstaats, in dem das entsendende Unternehmen seine
Betriebsstätte hat, dass sein eigenes System der sozialen
Sicherheit auf die entsandten Arbeitnehmer während der Dauer
der Entsendung anwendbar bleibt. Wegen des Grundsatzes, dass die
Arbeitnehmer einem einzigen System der sozialen Sicherheit
angeschlossen sein sollen, hat diese Bescheinigung damit notwendig
zur Folge, dass das System der sozialen Sicherheit des anderen
Mitgliedstaats nicht angewandt werden kann (vgl. EuGH-Urteil vom
26.1.2006 C-2/05, Herbosch Kiere, Slg. 2006, I-1079 Rdnr. 21,
m.w.N.). Da die Bescheinigung E 101 eine Vermutung dafür
begründet, dass die entsandten Arbeitnehmer dem System der
sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem das diese
Arbeitnehmer entsendende Unternehmen seine Betriebsstätte hat,
ordnungsgemäß angeschlossen sind, bindet sie folglich
den zuständigen Träger des Mitgliedstaats, in den diese
Arbeitnehmer entsandt sind. Diese Bindungswirkung besteht, solange
die Entsendebescheinigung nicht zurückgezogen oder für
ungültig erklärt wird. Insoweit ist auch ein nationales
Gericht des Gaststaats nicht befugt, die Gültigkeit einer vom
zuständigen Träger des Entsendestaats erteilten
Bescheinigung E 101 im Hinblick auf die Bestätigung der
Tatsachen, auf deren Grundlage eine solche Bescheinigung
ausgestellt wurde, zu überprüfen (vgl. EuGH-Urteil
Herbosch Kiere in Slg. 2006, I-1079 Rdnrn. 24 ff., m.w.N.).
Können die betroffenen Träger im Einzelfall zu keiner
Übereinstimmung über das anwendbare Recht gelangen, haben
diese über die Verwaltungskommission für die soziale
Sicherheit der Wanderarbeitnehmer oder über ein von einem
Mitgliedstaat eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren die
Möglichkeit, die Richtigkeit der bescheinigten Angaben
überprüfen zu lassen (vgl. EuGH-Urteil Herbosch Kiere in
Slg. 2006, I-1079 Rdnrn. 28 f., m.w.N.). Die Beteiligten
können sich nicht auf eine Unrichtigkeit der von der
zuständigen Behörde ausgestellten Bescheinigung E 101
berufen, sondern nur eines der vorgenannten Verfahren zur Aufhebung
der Bescheinigung E 101 anstrengen.
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28
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cc) Werden etwaige Bescheinigungen dabei nicht
in deutscher Sprache bzw. deutscher Übersetzung vorgelegt,
dürfen die deutschen Behörden, Träger und Gerichte
gemäß Art. 84 Abs. 4 der VO Nr. 1408/71 die bei ihnen
eingereichten Anträge und sonstigen Schriftstücke nicht
deshalb zurückweisen, weil sie in einer Amtssprache eines
anderen Mitgliedstaats abgefasst sind. Sofern den deutschen
Behörden, Trägern und Gerichten - erforderlichenfalls
auch im Wege der Amtshilfe - keine eigenen
Übersetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen,
können sie nach Art. 81 Buchst. b der VO Nr. 1408/71 von der
Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der
Wanderarbeitnehmer Übersetzungen fertigen lassen.
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29
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e) Soweit es um die Anwendbarkeit der Regelung
des Art. 17 der VO Nr. 1408/71 geht, hat das FG zwar festgestellt,
dass ihm keine Erkenntnisse über eine zwischen Deutschland und
Polen nach Art. 17 der VO Nr. 1408/71 getroffene Vereinbarung
vorlägen. Es ist jedoch nicht erkennbar, aufgrund welcher
Ermittlungsmaßnahmen und welcher tatsächlichen
Feststellungen das FG zu diesem Schluss gekommen ist. Gerade die
von dem FG festgestellte Überschreitung der maximalen
Entsendedauer bei - laut Arbeitgeberbescheinigung - fortbestehender
Sozialversicherung in Polen legt nahe, dass eine solche
Vereinbarung geschlossen worden sein könnte. Auch insoweit
wird das FG über die in Anhang 10 der VO Nr. 574/72 bestimmten
Träger oder Stellen daher zu ermitteln haben, ob eine auf den
Kläger anwendbare Vereinbarung nach Art. 17 der VO Nr. 1408/71
(ggf. auch erst nachträglich rückwirkend) geschlossen
wurde und ggf. für welchen Zeitraum sich hieraus eine weitere
Anwendbarkeit polnischen Rechts ergibt. Für die
Bindungswirkung einer danach erteilten Bescheinigung E 101, die
unter Ziff. 5.1 u.a. auch eine aufgrund Art. 17 der VO Nr. 1408/71
geschlossene Vereinbarung bestätigt, gelten die
Ausführungen unter II.3.d bb entsprechend.
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f) Sollte die Prüfung der Art. 13 ff. der
VO Nr. 1408/71 gleichwohl ergeben, dass auf den Kläger
deutsche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, müsste noch
ermittelt werden, ob und ggf. für welche Monate des
Streitzeitraums für die Kinder des Klägers in Polen ein
Anspruch (z.B. der Mutter der Kinder) auf Familienleistungen
bestand. Hierzu hat, da es sich bei dem Bestehen konkurrierender
Ansprüche auf ausländische Leistungen um eine den
deutschen Kindergeldanspruch potentiell mindernde Tatsache handelt,
die Familienkasse die notwendigen Angaben über ein
Bescheinigungsersuchen (Vordruck E 411) an die im
Wohnsitzmitgliedstaat zuständige Behörde oder Stelle
beizubringen. Von vorliegenden Bescheinigungen in polnischer
Sprache ist eine Übersetzung anzufertigen.
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31
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Soweit ein solcher Anspruch bestand, wäre
die dann gegebene Anspruchskumulierung nach den
Antikumulierungsvorschriften des Art. 10 der VO Nr. 574/72
aufzulösen, soweit dessen Anwendbarkeit nicht aufgrund der
für Deutschland geltenden Einschränkungen des Anhangs I
Teil I Buchst. D der VO Nr. 1408/71 ausgeschlossen ist (s. hierzu
Senatsurteil in BFHE 234, 316 = SIS 11 37 20). Da die
Gewährung von Familienleistungen im Wohnsitzstaat der Kinder
(Polen) nicht von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit
abhängig ist (vgl. hierzu die Übersicht über die
vergleichbaren Leistungen i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG in dem für den Streitzeitraum geltenden Schreiben des
Bundesamts für Finanzen vom 14.2.2002 St I 4 - S 2473 -
9/2001, BStBl I 2002, 241 = SIS 02 07 49), greift - entgegen der
Hilfsbegründung des FG - in diesem Fall die
Antikumulierungsvorschrift des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 nicht
ein. Ferner wäre bei Eingreifen des Art. 10 der VO Nr. 574/72
im Hinblick auf die dort in Abs. 1 Buchst. a und b geregelte
Anspruchsreihenfolge zu klären, ob der andere Elternteil (hier
die Mutter) im Wohnsitzmitgliedstaat der Kinder eine
Erwerbstätigkeit ausübte (vgl. hierzu EuGH-Urteile vom
7.6.2005 C-543/03, Dodl und Oberhollenzer, Slg. 2005, I-5049 Rdnrn.
54 ff., und vom 7.7.2005 C-153/03, Weide, Slg. 2005, I-6017 Rdnrn.
32 ff.). Dies lässt sich aus den Eintragungen unter Nr. 2.5
des Formulars E 401 entnehmen.
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32
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g) Sollten die noch erforderlichen
Ermittlungen des FG ergeben, dass für einen Teil oder für
den gesamten streitigen Zeitraum auf den Kläger polnische
Rechtsvorschriften Anwendung finden, stellte sich die Frage, ob
Deutschland als der nach der VO Nr. 1408/71 dann nicht
zuständige Mitgliedstaat gleichwohl befugt wäre,
Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG zu zahlen, und ob in
einem solchen Fall der Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG unionsrechtliche Vorschriften entgegenstünden. Insoweit
handelte es sich um die gleichen Fragestellungen, die bereits
Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des Senats vom
21.10.2010 III R 5/09 (BFHE 231, 183 = SIS 10 42 37) sind, so dass
eine Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens bis zur
Entscheidung des EuGH in dem bei diesem anhängigen Verfahren
C-612/10 in Betracht kommen könnte.
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33
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4. Die Sache ist im Rahmen des
Revisionsbegehrens danach nicht spruchreif und war deshalb nach
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG
zurückzuverweisen.
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