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I. Streitig ist, ob eine
Pensionsrückstellung im Zuge einer Absenkung der
Aktivbezüge der Zusagebegünstigten anteilig gewinnwirksam
aufzulösen ist. Streitjahre sind 2001 bis 2004.
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Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
einer GmbH. Gesellschafter der 1991 errichteten GmbH waren in den
Streitjahren zu jeweils 11 % acht Personen, die dort zugleich als
Arbeitnehmer (einer davon auch als Geschäftsführer)
angestellt waren. Die übrigen 12 % des Stammkapitals hielt die
GmbH als eigene Anteile selbst.
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In 1994 gewährte die GmbH ihren acht
Gesellschafter-Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung in
Form einer Pensionszusage. Jene war mit einer monatlichen
Versorgung von 4.000 DM ab Vollendung des 65. Lebensjahres so
bemessen, dass die Pension in jedem Einzelfall weniger als 75 % der
seinerzeit aktuellen Aktivbezüge der Zusagebegünstigten
betrug. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -
) erkannte die für die Pensionszusagen gebildete
Rückstellung in der Bilanz der GmbH zunächst dem Grunde
und der Höhe nach an.
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In 2000 geriet die GmbH in wirtschaftliche
Schwierigkeiten. Daraufhin beschloss die Gesellschafterversammlung,
die laufenden Gehälter der acht Gesellschafter-Arbeitnehmer um
jeweils 20 % (unter entsprechender Anpassung der Arbeitszeit) zu
senken; die Pensionszusagen wurden nicht gekürzt. Im
Verhältnis zu den abgesenkten Aktivbezügen lag die
Pension seitdem in sechs Fällen bei mehr als 75 % der
Aktivbezüge. Zu einer wirtschaftlichen Erholung der GmbH kam
es - abgesehen von 2001 - bis zur späteren Eröffnung des
Insolvenzverfahrens nicht mehr.
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Unter Hinweis auf eine sog.
Überversorgung kürzte das FA den bislang angesetzten Wert
der Pensionsrückstellung zum 31.12.2002 um ... EUR, zum
31.12.2003 um ... EUR bzw. zum 31.12.2004 um ... EUR. Es
erließ auf dieser Grundlage entsprechende
Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer und zum
Gewerbesteuermessbetrag einschließlich der gesonderten
Feststellung der jeweiligen verbleibenden Verlustvorträge
für die Streitjahre und (aufgrund eines geänderten
Verlustrücktrags) zur Körperschaftsteuer für 2001.
Die hiergegen erhobene Klage war - soweit sie aufrechterhalten
worden war (Körperschaftsteuer 2001 und 2002,
Gewerbesteuermessbetrag 2002, Verlustfeststellungen auf den
31.12.2003 und 31.12.2004) - erfolgreich (Finanzgericht - FG -
Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.6.2011 12 K 12274/09, abgedruckt
in EFG 2011, 1992 = SIS 11 31 97).
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Das FA rügt mit seiner Revision die
Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur
Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat rechtsfehlerhaft von
einer einkommens- und gewerbeertragswirksamen Kürzung der
Rückstellung für die Pensionsverpflichtungen der GmbH
gegenüber den sechs Gesellschafter-Arbeitnehmern abgesehen.
Die Sache ist allerdings nicht spruchreif, da für die
Ermittlung der Höhe der Pensionsrückstellung
Feststellungen fehlen.
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1. Die GmbH hatte in den Gewinnermittlungen
der Streitjahre für ihre Verpflichtungen aus den
Versorgungsversprechen grundsätzlich eine Rückstellung zu
bilden. Der streitgegenständliche Rückstellungsansatz auf
der Grundlage eines ungekürzten Versorgungsanspruchs
verstößt aber gegen § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4
des in den Streitjahren maßgebenden Einkommensteuergesetzes
(EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes 2002, für die Ermittlung des
Gewerbeertrages darüber hinaus i.V.m. § 7 des
Gewerbesteuergesetzes 2002.
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a) Gemäß § 6a Abs. 1 EStG 2002
darf für eine Pensionsverpflichtung eine Rückstellung
(Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn der
Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder
laufende Pensionsleistungen hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002),
die Pensionszusage keinen Vorbehalt hinsichtlich der Minderung oder
des Entzugs der Pensionsanwartschaft oder -leistung enthält
(§ 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002) und die Pensionszusage
schriftlich erteilt ist (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002). Die
Rückstellung ist höchstens mit dem Teilwert der
Pensionsverpflichtung anzusetzen (§ 6a Abs. 3 Satz 1 EStG
2002). Dabei sind nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG
2002 Erhöhungen oder Verminderungen der Pensionsleistungen
nach dem Schluss des Wirtschaftsjahrs, die hinsichtlich des
Zeitpunkts ihres Wirksamwerdens oder ihres Umfanges ungewiss sind,
bei der Berechnung des Barwerts der künftigen
Pensionsleistungen und der Jahresbeträge erst zu
berücksichtigen, wenn sie eingetreten sind.
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b) Letztere Vorschrift lässt sich nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei Zusage
von Versorgungsbezügen in Höhe eines festen Betrags nicht
durch eine entsprechend höher bemessene Versorgung umgehen.
Eine solche Höherbemessung, die als Vorwegnahme künftiger
Entwicklungen anzusehen sein kann, ist eine sog.
Überversorgung, die zur Kürzung der
Pensionsrückstellung führt, und zwar typisierend dann,
wenn die Versorgungsanwartschaft zusammen mit der
Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der
am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt. Im
Hinblick auf die Schwierigkeit, die letzten Aktivbezüge und
die zu erwartenden Sozialversicherungsrenten zu schätzen, hat
der BFH zur Prüfung einer möglichen Überversorgung
auf die vom Arbeitgeber während der aktiven Tätigkeit des
Begünstigten im jeweiligen Wirtschaftsjahr tatsächlich
erbrachten Arbeitsentgelte abgestellt (ständige Rechtsprechung
seit BFH-Urteil vom 13.11.1975 IV R 170/73, BFHE 117, 367, BStBl II
1976, 142 = SIS 76 00 79; zuletzt Senatsurteile vom 15.9.2004 I R
62/03, BFHE 207, 443, BStBl II 2005, 176 = SIS 05 04 78; vom
28.4.2010 I R 78/08, BFHE 229, 234 = SIS 10 21 92; s. auch
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
3.11.2004, BStBl I 2004, 1045 = SIS 04 39 87). Das
Überschreiten dieser Grenze deutet regelmäßig auf
einen Verstoß gegen § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG
2002 hin (s. auch BFH-Beschluss vom 13.6.2007 X B 34/06, BFH/NV
2007, 1703 = SIS 07 28 00; BMF-Schreiben vom 24.8.2005, GmbHR 2006,
560 [“widerlegbarer Anhaltspunkt“]).
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c) Eine solche Überversorgung liegt nach
den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des FG (§
118 Abs. 2 FGO) vor.
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aa) Um den Maßgaben der
Überversorgung zu entsprechen, muss es im Zuge einer
Verminderung des Gehalts in einer Unternehmenskrise - bei einer nur
vorübergehenden betriebsbedingten Gehaltsherabsetzung -
allerdings nicht zwingend sofort zu einer Absenkung der Versorgung
kommen (FG München, Urteil vom 6.5.2008 6 K 4096/05, DStRE
2009, 521 = SIS 08 29 70; Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl.,
§ 6a Rz 19; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rz 1128; Veit, BB
2008, 1840; nach dem rechtlichen Maßstab der verdeckten
Gewinnausschüttung - vGA - s. auch Senatsurteile vom 8.11.2000
I R 70/99, BFHE 193, 40, BStBl II 2005, 653 = SIS 01 06 61; vom
14.7.2004 I R 14/04, BFH/NV 2005, 245 = SIS 05 08 13; ebenso
BMF-Schreiben in GmbHR 2006, 560). Vorausgesetzt, den Anforderungen
an das Schriftlichkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002
ist genügt (vgl. Senatsurteil vom 12.10.2010 I R 17, 18/10,
BFH/NV 2011, 452 = SIS 11 05 12), kann insoweit und im Einzelfall
von der Annahme einer Überversorgung durch das
Überschreiten der auf die am Bilanzstichtag vereinbarten
Aktivbezüge des Zusagebegünstigten bezogenen
Maßgrenze abzusehen sein.
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Anders sind hingegen dauerhafte
Gehaltskürzungen zu beurteilen. Für ein Abweichen von den
beschriebenen Überversorgungsgrundsätzen besteht dann
ebenso wenig Anlass wie bei einer Neuzusage (s. zu dem insoweit
parallelen Maßstab der vGA die Senatsurteile in BFHE 193, 40,
BStBl II 2005, 653 = SIS 01 06 61; in BFH/NV 2005, 245 = SIS 05 08 13; s. auch BMF-Schreiben in GmbHR 2006, 560; Lieb, BB 2011, 2546;
abweichend - genereller Ausschluss einer sog. Überversorgung
bei einer Gehaltsherabsetzung - Janssen in Mössner/Seeger,
KStG, § 8 Rz 860/3; derselbe, Verdeckte
Gewinnausschüttungen, 10. Aufl., Rz 1747; Kohlhaas, GmbHR
2006, 521, 523 und GmbHR 2009, 685, 686).
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bb) Im Streitfall lässt sich zwar den
Sachumständen - was das FG offengelassen hat - entnehmen, dass
die (Arbeitszeit- und) Gehaltsherabsetzung zunächst (in 2000)
nur als vorübergehende, angesichts der aktuellen
wirtschaftlichen Lage der GmbH erforderliche und damit
betriebsbedingte Sanierungsmaßnahme anzusehen war. Das FG hat
aber ausdrücklich festgestellt, dass „jedenfalls aus
der Sicht zum Bilanzstichtag 31.12.2002 - mithin zweieinhalb Jahre
nach der erfolgten Absenkung und in Kenntnis der daraufhin im Jahr
2001 eingetretenen Verbesserung des wirtschaftlichen Ergebnisses -
... von einer vorübergehenden Maßnahme insoweit nicht
mehr ausgegangen werden (konnte)“. Für die
steuerrechtliche Beurteilung des durch die Pensionszusagen
vermittelten Versorgungsniveaus seien daher jedenfalls ab diesem
Zeitpunkt nicht mehr die ursprünglichen, sondern die
abgesenkten Aktivbezüge einerseits und die zugesagten
Versorgungsleistungen andererseits maßgeblich. Das FG hat
damit festgestellt, dass das Gehalt der Gesellschafter-Arbeitnehmer
ungeachtet der wirtschaftlichen Situation der GmbH (wirtschaftliche
Erholung in 2001) dauerhaft abgesenkt werden sollte. Auf dieser
Grundlage ist das Überschreiten der üblichen
Maßgrenze der Versorgung - im Vergleich zur tatsächlich
gezahlten Höhe des Gehalts - als Überversorgung zu
werten.
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Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten
werden, eine Vorwegnahme künftiger, noch ungewisser
Gehaltssteigerungen der Zusageberechtigten sei nicht beabsichtigt
gewesen. Die Annahme der Überversorgung bei Überschreiten
der Grenze beruht auf einer Typisierung und gilt - von den
anerkannten Ausnahmekonstellationen abgesehen - unabhängig von
der konkreten Motivation der Beteiligten im Einzelfall. Auf eine
Umgehungsabsicht oder -gestaltung kommt es sonach - entgegen der
Annahme der Vorinstanz - nicht an.
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Eine Überversorgung scheidet auch nicht
deswegen aus, weil eine Kürzung des Versorgungsanspruchs nach
arbeitsrechtlichen Maßgaben ausgeschlossen wäre. Denn
der steuerrechtliche Maßstab der Überversorgung bezieht
sich ausschließlich auf die aus § 6a EStG 2002
abzuleitende Bewertung der Versorgungsanwartschaft. Insoweit wirkt
§ 6a EStG 2002 als spezielle Bewertungsvorschrift mit
einschränkenden Sondervoraussetzungen (Senatsurteil vom
5.4.2006 I R 46/04, BFHE 213, 326, BStBl II 2006, 688 = SIS 06 29 98; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 6a Rz 6), die allerdings an
das Vorliegen einer zivilrechtlich wirksam erteilten, den
Verpflichteten wirtschaftlich belastenden (Senatsurteil in BFHE
213, 326, BStBl II 2006, 688 = SIS 06 29 98)
Versorgungsverpflichtung anschließt. Ob eine Kürzung des
Versorgungsversprechens gegen das arbeitsrechtliche Verbot eines
Teilwiderrufs der Versorgungszusage verstoßen hätte, wie
das FG unter Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
vom 17.6.2003 3 AZR 396/02 (DB 2004, 324) zum Widerruf laufender
Versorgungsleistungen bei einer wirtschaftlichen Notlage des
Verpflichteten ausgeführt hat, ist daher ebenso wenig
entscheidungserheblich wie die Ansicht der Revision, dass eine
Widerrufsmöglichkeit für die künftige Versorgung auf
der Grundlage einer Störung der Geschäftsgrundlage
infolge planwidriger Überversorgung (z.B. Schipp in
Tschöpe, Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht, 7. Aufl., Kap. E Rz
557, 561 f., 579; s. auch Höfer u.a., Betriebsrentenrecht
(BetrAVG), Band I: Arbeitsrecht, Rz 440, Rz 4386 f. und Rz 4389.4;
allgemein zur Abwägung unter Berücksichtigung des
Vertrauensschutzes und des
Verhältnismäßigkeitsgebots BAG-Urteil vom 19.4.2005
3 AZR 468/04, DB 2005, 1527) in Betracht gekommen wäre.
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2. Das FG ist von einer anderen rechtlichen
Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die
Sache ist noch nicht entscheidungsreif, weil die Vorinstanz zur
Höhe der Rückstellung auf der Grundlage der wegen
Überversorgung vorzunehmenden Kürzungen des Wertansatzes
keine Feststellungen getroffen hat. Es ist nicht ersichtlich, ob im
vorliegenden Fall einer dauerhaften Absenkung der laufenden
Vergütung die Überversorgungsbeträge auf der
Grundlage des am Bilanzstichtag aktuell bezogenen, des in der
Vergangenheit vereinbarten und gezahlten angemessenen Gehalts (so
insbesondere Janssen in Mössner/Seeger, a.a.O., § 8 Rz
860/4; derselbe, Verdeckte Gewinnausschüttungen, a.a.O., Rz
1748; Kohlhaas, GmbHR 2006, 521, 524 und GmbHR 2009, 685, 688) oder
jedenfalls als Durchschnittsberechnung unter Berücksichtigung
der bereits erdienten Versorgungsansprüche (nach Maßgabe
des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 1045 = SIS 04 39 87, zu IV.1.e;
s. dazu B. Lang in Ernst & Young, KStG, § 8 Rz 1208.27;
Höfer u.a., a.a.O., Band II: Steuerrecht, Rz 2809;
Doetsch/Lenz, Versorgungszusagen an
Gesellschafter-Geschäftsführer und -Vorstände, 8.
Aufl., S. 98 f.) zutreffend ermittelt wurden. Dies hindert eine
rechtliche Überprüfung des Umfangs der Kürzung.
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