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Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer um Kindergeldanspruch trotz vorheriger Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung

Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer um Kindergeldanspruch trotz vorheriger Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung: 1. Ab dem Veranlagungszeitraum 2004 ist bei der Prüfung der Frage, ob der Abzug der Kinderfreibeträge für den Steuerpflichtigen vorteilhafter ist als das Kindergeld, nicht auf das (tatsächlich) gezahlte Kindergeld, sondern auf den Anspruch auf Kindergeld abzustellen. Das gilt auch dann, wenn ein Kindergeldantrag trotz des materiell-rechtlichen Bestehens des Anspruchs bestandskräftig abgelehnt worden ist. - 2. Ein Kindergeld-Ablehnungsbescheid entfaltet für das Besteuerungsverfahren keine Tatbestandswirkung. - Urt.; BFH 15.3.2012, III R 82/09; SIS 12 13 78

Kapitel:
Privatbereich > Kinder
Fundstellen
  1. BFH 15.03.2012, III R 82/09
    BStBl 2013 II S. 226
    DStR 2012 S. 1022
    NJW 2012 S. 2991
    LEXinform 0927458

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 21.3.2013
    R.G. in BFH/PR 8/2012 S. 278
Normen
[FVG] § 21 Abs. 4
[EStG 2003] § 36 Abs. 2 Satz 1
[EStG 2004] § 31, § 32
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Baden-Württemberg, 05.11.2009, SIS 10 04 07, Kinderfreibetrag, Kindergeld, Anspruch, Anrechnung, Existenzminimum
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 26.5.2021, SIS 21 18 61, Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG a.F. beim Familienleistungsausgleich: 1. Wird e...
  • FG Münster 16.6.2020, SIS 20 09 63, Anordnungsgrund bei einstweiligem Rechtsschutz gegen die Pfändung eines Kontos, auf das die sog. Corona-S...
  • FG Köln 5.2.2020, SIS 20 13 39, Vergleichsberechnung gemäß § 31 Abs. 4 EStG: Für die Vergleichsberechnung nach § 31 Satz 4 EStG - vorlieg...
  • Hessisches FG 17.9.2019, SIS 19 19 79, Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs bei unterbliebener Auszahlung durch die Familienkasse: 1. Bei der H...
  • FG Baden-Württemberg 27.6.2017, SIS 17 20 74, Wechsel der sachlichen Zuständigkeit für Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung wegen zwischenzeitlichen W...
  • BFH 7.9.2016, SIS 16 26 02, Keine Bindungswirkung des Gewerbesteuermessbescheids für den Verlustfeststellungsbescheid: Der Gewerbeste...
  • FG München 3.11.2014, SIS 15 09 40, Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs nach § 31 Satz 4 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes (S...
  • BFH 10.4.2014, SIS 14 19 34, Kindergeld, Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nach § 38 SGB III n.F...
  • BFH 10.4.2014, SIS 14 27 07, Kindergeld, Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, keine ungeschriebene...
  • BFH 11.7.2013, SIS 13 32 84, Kindergeldanspruch bei gleichzeitig bestehendem Anspruch auf Familienleistungen nach irischem Recht: 1. D...
  • FG des Landes Sachsen-Anhalt 25.6.2013, SIS 13 28 86, Hinzurechnung des hälftigen, nicht vereinnahmten Kindergeldes ist verfassungsgemäß: 1. Ab dem Veranlagung...
  • FG München 11.3.2013, SIS 13 28 74, Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung über das kalenderjährlich ausgezahlte Kindergeld ist Verwaltu...
  • BFH 20.12.2012, SIS 13 10 64, Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs nach § 31 Satz 4 EStG, keine Bindungswirkung eines Kindergeldablehn...
  • BFH 13.9.2012, SIS 12 27 96, Zur Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG: Für die Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG ist allein entscheid...

 

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Jahr 2004 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie haben drei gemeinsame Kinder. Der Kläger hat aus erster Ehe zwei weitere Kinder, die in Finnland bei ihrer leiblichen Mutter leben. Diese bezog Kindergeld für die beiden Kinder nach finnischem Recht. Die Klägerin beantragte im September 2004 für die drei gemeinsamen Kinder Kindergeld. Die Familienkasse wandte sich mit einem Schreiben vom 3.12.2004 an die Klägerin und bat um die Beantwortung einzelner Fragen. Da die Klägerin darauf nicht reagierte, lehnte die Familienkasse den Kindergeldantrag durch Bescheid vom 25.4.2005 ab. Der Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig.

 

 

2

Im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 12.12.2007 gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) keine Freibeträge nach § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2004 geltenden Fassung (EStG), da sich bei der Vergleichsrechnung nach § 31 EStG ergeben habe, dass das Kindergeld, auf das Anspruch bestanden habe, den Steuervorteil übersteige, der bei Ansatz der Freibeträge einträte. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung - AO - ). Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 18.3.2008, den Einkommensteuerbescheid 2004 zu ändern und die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG anzusetzen, und zwar ohne Hinzurechnung des nicht ausgezahlten Kindergeldes. Das FA lehnte dies durch Bescheid vom 16.5.2008 ab. Gegen den Ablehnungsbescheid wandten sich die Kläger mit Einspruch, der ohne Erfolg blieb.

 

 

3

Im Verlauf des anschließenden finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das FA unter dem Datum des 10.9.2009 einen Änderungsbescheid und berücksichtigte für den älteren der beiden in Finnland lebenden Söhne des Klägers die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG, weil insoweit diese vorteilhafter seien als die Kindergeldansprüche nach finnischem Recht (Monate Januar bis Oktober 2004) und nach deutschem Recht (Monate November und Dezember 2004) von insgesamt 1.674 EUR.

 

 

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, die sich nunmehr gegen den Änderungsbescheid richtete und mit welcher die Kläger die Berücksichtigung von Freibeträgen für fünf Kinder begehrten.

 

 

5

Das Urteil des FG ist in EFG 2010, 501 = SIS 10 04 07 veröffentlicht.

 

 

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 31 EStG. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die Vorschrift sei in der Weise auszulegen, dass ein nicht realisierbarer Anspruch auf Kindergeld nicht günstiger sein könne als die entsprechenden Freibeträge, so dass in einem derartigen Fall die Freibeträge anzusetzen seien. Der Kindergeldanspruch könne nicht im Rahmen der Günstigerprüfung hinzugerechnet werden, wenn er bereits endgültig erloschen sei.

 

 

7

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 10.9.2009 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf den Betrag herabgesetzt wird, der sich ergibt, wenn Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG für fünf Kinder angesetzt und Kindergeldansprüche von insgesamt 3.439,20 EUR der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet werden.

 

 

8

Das FA beantragt, die Revision der Kläger zurückzuweisen.

 

 

9

Zur Begründung führt das FA aus, Sinn und Zweck der Günstigerprüfung sei es nicht, die Versäumnisse der Kläger auszugleichen.

 

 

10

II. Die Revision ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend entschieden, dass keine weiteren Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger anzusetzen sind.

 

 

11

1. Nach § 31 Satz 1 EStG wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG bewirkt. Ist der Abzug der Freibeträge für Kinder günstiger als der Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld (§ 31 Satz 4 EStG).

 

 

12

2. Die für das Streitjahr 2004 geltende Fassung des § 31 Satz 4 EStG geht zurück auf das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710). Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2003 waren nach § 31 Satz 4 EStG a.F. die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen, wenn die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt wurde; in diesem Fall war das gezahlte Kindergeld nach § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG a.F. der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen. Aufgrund der Gesetzesänderung ist seit dem Veranlagungszeitraum 2004 bei der Prüfung der Frage, ob der Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG für den Steuerpflichtigen vorteilhafter ist als das Kindergeld, nicht auf das tatsächlich gezahlte, sondern auf den Anspruch auf Kindergeld abzustellen. Für die Änderung des § 31 EStG waren Gesichtspunkte der Verfahrensvereinfachung maßgebend. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten insbesondere Änderungen der Steuerfestsetzung aufgrund einer nachträglichen Gewährung von Kindergeld vermieden werden (BTDrucks 15/1798, S. 2). Für die Hinzurechnung von Kindergeld ist somit der ursprüngliche, vor Erlöschen (z.B. durch Erfüllung) bestehende materiell-rechtliche Kindergeldanspruch maßgebend. Wegen der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Abkoppelung der Steuer- von der Kindergeldfestsetzung ist nicht entscheidend, ob der Anspruch tatsächlich durch Zahlung erfüllt worden ist. Der Kindergeldanspruch ist seit dem Veranlagungszeitraum 2004 unabhängig von der kindergeldrechtlichen Beurteilung durch die Familienkasse hinzuzurechnen, wenn die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG rechnerisch günstiger ist als der Kindergeldanspruch.

 

 

13

3. Der Bescheid der Familienkasse über die Festsetzung von Kindergeld oder die Ablehnung einer Kindergeldgewährung entfaltet für die Steuerfestsetzung keine Tatbestandswirkung mit der Folge, dass das FA die negative Entscheidung über einen Kindergeldanspruch durch die Familienkasse im Besteuerungsverfahren zu übernehmen hätte (s. Senatsurteil vom 27.1.2007 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543 = SIS 11 13 60; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 31 EStG Rz 33; a.A. Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 31 EStG Rz 246). Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes führt dazu, dass dieser in einem ressortfremden Verwaltungsverfahren als gegeben hinzunehmen und nicht etwa darauf hin zu überprüfen ist, ob er dem materiellen Recht entspricht (s. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.1.2010 VI R 52/08, BFHE 228, 295, BStBl II 2010, 703 = SIS 10 13 17, m.w.N.). Die Familienkassen sind im Verhältnis zu den Finanzämtern jedoch keine ressortfremden Behörden. Die Bundesagentur für Arbeit stellt dem Bundeszentralamt für Steuern ihre Dienststellen als Familienkassen für die Durchführung des einkommensteuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs zur Verfügung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung - FVG - ). Gehört ein Kindergeldberechtigter dem öffentlichen Dienst an, so fungiert der entsprechende öffentlich-rechtliche Arbeitgeber als Familienkasse (§ 72 Abs. 1 Satz 2 EStG). Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 6 AO gehören zu den Finanzbehörden im Sinne der AO auch die Familienkassen. Die Finanzämter und Familienkassen sind gleichermaßen in die Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs eingebunden und kooperieren hierbei durch Informationsaustausch (§ 21 Abs. 4 FVG; s.a. Abschn. 68.3 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, BStBl I 2009, 1030 = SIS 09 30 63, sowie R 31 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 2011). Ein von der Familienkasse erlassener Kindergeld-Ablehnungsbescheid ist somit für die Finanzämter kein ressortfremder Verwaltungsakt.

 

 

14

4. Die ursprünglichen Ansprüche auf Kindergeld nach deutschem und finnischem Recht für die drei in Deutschland lebenden gemeinsamen Kinder der Kläger bzw. für das jüngere in Finnland lebende Kind des Klägers belaufen sich nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auf einen Betrag, der die Steuerminderung übersteigt, die bei Ansatz von vier weiteren Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG entstünde. Das FA hat die Freibeträge somit zu Recht nicht berücksichtigt.