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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die für das Jahr 2004
(Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie
haben drei gemeinsame Kinder. Der Kläger hat aus erster Ehe
zwei weitere Kinder, die in Finnland bei ihrer leiblichen Mutter
leben. Diese bezog Kindergeld für die beiden Kinder nach
finnischem Recht. Die Klägerin beantragte im September 2004
für die drei gemeinsamen Kinder Kindergeld. Die Familienkasse
wandte sich mit einem Schreiben vom 3.12.2004 an die Klägerin
und bat um die Beantwortung einzelner Fragen. Da die Klägerin
darauf nicht reagierte, lehnte die Familienkasse den
Kindergeldantrag durch Bescheid vom 25.4.2005 ab. Der
Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig.
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Im Einkommensteuerbescheid 2004 vom
12.12.2007 gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) keine Freibeträge nach § 32 Abs. 6 des
Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2004
geltenden Fassung (EStG), da sich bei der Vergleichsrechnung nach
§ 31 EStG ergeben habe, dass das Kindergeld, auf das Anspruch
bestanden habe, den Steuervorteil übersteige, der bei Ansatz
der Freibeträge einträte. Der Bescheid stand unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung - AO
- ). Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 18.3.2008, den
Einkommensteuerbescheid 2004 zu ändern und die
Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG anzusetzen, und zwar
ohne Hinzurechnung des nicht ausgezahlten Kindergeldes. Das FA
lehnte dies durch Bescheid vom 16.5.2008 ab. Gegen den
Ablehnungsbescheid wandten sich die Kläger mit Einspruch, der
ohne Erfolg blieb.
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Im Verlauf des anschließenden
finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das FA unter dem Datum
des 10.9.2009 einen Änderungsbescheid und berücksichtigte
für den älteren der beiden in Finnland lebenden
Söhne des Klägers die Freibeträge nach § 32
Abs. 6 EStG, weil insoweit diese vorteilhafter seien als die
Kindergeldansprüche nach finnischem Recht (Monate Januar bis
Oktober 2004) und nach deutschem Recht (Monate November und
Dezember 2004) von insgesamt 1.674 EUR.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab,
die sich nunmehr gegen den Änderungsbescheid richtete und mit
welcher die Kläger die Berücksichtigung von
Freibeträgen für fünf Kinder begehrten.
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Das Urteil des FG ist in EFG 2010, 501 =
SIS 10 04 07 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung des § 31 EStG. Zur Begründung tragen sie
im Wesentlichen vor, die Vorschrift sei in der Weise auszulegen,
dass ein nicht realisierbarer Anspruch auf Kindergeld nicht
günstiger sein könne als die entsprechenden
Freibeträge, so dass in einem derartigen Fall die
Freibeträge anzusetzen seien. Der Kindergeldanspruch
könne nicht im Rahmen der Günstigerprüfung
hinzugerechnet werden, wenn er bereits endgültig erloschen
sei.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA
zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 10.9.2009
dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf den Betrag
herabgesetzt wird, der sich ergibt, wenn Freibeträge nach
§ 32 Abs. 6 EStG für fünf Kinder angesetzt und
Kindergeldansprüche von insgesamt 3.439,20 EUR der tariflichen
Einkommensteuer hinzugerechnet werden.
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Das FA beantragt, die Revision der
Kläger zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt das FA aus,
Sinn und Zweck der Günstigerprüfung sei es nicht, die
Versäumnisse der Kläger auszugleichen.
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II. Die Revision ist unbegründet und wird
deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat
zutreffend entschieden, dass keine weiteren Freibeträge nach
§ 32 Abs. 6 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung der
Kläger anzusetzen sind.
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1. Nach § 31 Satz 1 EStG wird die
steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des
Existenzminimums eines Kindes einschließlich des Bedarfs
für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung entweder durch die
Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das
Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG bewirkt. Ist der Abzug
der Freibeträge für Kinder günstiger als der
Anspruch auf Kindergeld, erhöht sich die unter
Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für
Kinder ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf
Kindergeld (§ 31 Satz 4 EStG).
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2. Die für das Streitjahr 2004 geltende
Fassung des § 31 Satz 4 EStG geht zurück auf das
Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I 2003, 2645,
BStBl I 2003, 710). Bis einschließlich des
Veranlagungszeitraums 2003 waren nach § 31 Satz 4 EStG a.F.
die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG abzuziehen, wenn
die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums des
Kindes durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt wurde;
in diesem Fall war das gezahlte Kindergeld nach § 36 Abs. 2
Satz 1 EStG a.F. der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen.
Aufgrund der Gesetzesänderung ist seit dem
Veranlagungszeitraum 2004 bei der Prüfung der Frage, ob der
Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG für den
Steuerpflichtigen vorteilhafter ist als das Kindergeld, nicht auf
das tatsächlich gezahlte, sondern auf den Anspruch auf
Kindergeld abzustellen. Für die Änderung des § 31
EStG waren Gesichtspunkte der Verfahrensvereinfachung
maßgebend. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten
insbesondere Änderungen der Steuerfestsetzung aufgrund einer
nachträglichen Gewährung von Kindergeld vermieden werden
(BTDrucks 15/1798, S. 2). Für die Hinzurechnung von Kindergeld
ist somit der ursprüngliche, vor Erlöschen (z.B. durch
Erfüllung) bestehende materiell-rechtliche Kindergeldanspruch
maßgebend. Wegen der vom Gesetzgeber ausdrücklich
gewollten Abkoppelung der Steuer- von der Kindergeldfestsetzung ist
nicht entscheidend, ob der Anspruch tatsächlich durch Zahlung
erfüllt worden ist. Der Kindergeldanspruch ist seit dem
Veranlagungszeitraum 2004 unabhängig von der
kindergeldrechtlichen Beurteilung durch die Familienkasse
hinzuzurechnen, wenn die Berücksichtigung von
Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG rechnerisch
günstiger ist als der Kindergeldanspruch.
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3. Der Bescheid der Familienkasse über
die Festsetzung von Kindergeld oder die Ablehnung einer
Kindergeldgewährung entfaltet für die Steuerfestsetzung
keine Tatbestandswirkung mit der Folge, dass das FA die negative
Entscheidung über einen Kindergeldanspruch durch die
Familienkasse im Besteuerungsverfahren zu übernehmen
hätte (s. Senatsurteil vom 27.1.2007 III R 90/07, BFHE 232,
485, BStBl II 2011, 543 = SIS 11 13 60; Kanzler in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 31 EStG Rz 33; a.A. Pust in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 31
EStG Rz 246). Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes
führt dazu, dass dieser in einem ressortfremden
Verwaltungsverfahren als gegeben hinzunehmen und nicht etwa darauf
hin zu überprüfen ist, ob er dem materiellen Recht
entspricht (s. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.1.2010 VI R
52/08, BFHE 228, 295, BStBl II 2010, 703 = SIS 10 13 17, m.w.N.).
Die Familienkassen sind im Verhältnis zu den Finanzämtern
jedoch keine ressortfremden Behörden. Die Bundesagentur
für Arbeit stellt dem Bundeszentralamt für Steuern ihre
Dienststellen als Familienkassen für die Durchführung des
einkommensteuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs zur
Verfügung (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 des Gesetzes
über die Finanzverwaltung - FVG - ). Gehört ein
Kindergeldberechtigter dem öffentlichen Dienst an, so fungiert
der entsprechende öffentlich-rechtliche Arbeitgeber als
Familienkasse (§ 72 Abs. 1 Satz 2 EStG). Gemäß
§ 6 Abs. 2 Nr. 6 AO gehören zu den Finanzbehörden im
Sinne der AO auch die Familienkassen. Die Finanzämter und
Familienkassen sind gleichermaßen in die Durchführung
des steuerlichen Familienleistungsausgleichs eingebunden und
kooperieren hierbei durch Informationsaustausch (§ 21 Abs. 4
FVG; s.a. Abschn. 68.3 der Dienstanweisung zur Durchführung
des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes, BStBl I 2009, 1030 = SIS 09 30 63, sowie R
31 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 2011). Ein von der
Familienkasse erlassener Kindergeld-Ablehnungsbescheid ist somit
für die Finanzämter kein ressortfremder
Verwaltungsakt.
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4. Die ursprünglichen Ansprüche auf
Kindergeld nach deutschem und finnischem Recht für die drei in
Deutschland lebenden gemeinsamen Kinder der Kläger bzw.
für das jüngere in Finnland lebende Kind des Klägers
belaufen sich nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118
Abs. 2 FGO) auf einen Betrag, der die Steuerminderung
übersteigt, die bei Ansatz von vier weiteren Freibeträgen
nach § 32 Abs. 6 EStG entstünde. Das FA hat die
Freibeträge somit zu Recht nicht berücksichtigt.
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