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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2004
als Lehrerin für die Fächer Mathematik, Geographie,
Biologie und Kunst/Keramik/kreatives Gestalten an der
Regionalschule H in S Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit. Zudem erklärte sie aus ihrer Tätigkeit als
Kursleiterin für Keramik- und Tonarbeiten an der
Volkshochschule S und aus Nachhilfeunterricht für den
Studienkreis S Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von
insgesamt 2.788,50 EUR.
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Im Streitjahr 2004 nahm sie an einer vom
Landesinstitut für Schule und Ausbildung ... (L.I.S.A.) in
Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und
Schulentwicklung X (LI X) angebotenen und organisierten
Studienreise nach China (28. Juni bis 29. Juli), einer von L.I.S.A.
angebotenen Studienreise nach Paris (16. Oktober bis 21. Oktober)
sowie an einem vom Institut für internationale Zusammenarbeit
im Deutschen Volkshochschulverband angebotenen Seminar
„Dialog der Kulturen II; Marokko: Frauenleben und -arbeit im
Rifgebirge“ (10. September bis 12. September) teil.
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Die Reise nach China verlief über
Peking, Xian, Wuhan, Shanghai, Kumming und die Insel Hainan bis
nach Hongkong über den gesamten Südosten Chinas.
Besichtigt wurden u.a. der Platz des himmlischen Friedens, die
„Verbotene Stadt“, die Terrakotta-Armee, die
Große Mauer und die Gräber der Ming-Dynastie sowie
Klöster, Tempel und Höhlen, Landschaften und
Naturreservate einschließlich einer Aufzuchtstation für
Panda-Bären. Zudem fand eine dreitägige Flusskreuzfahrt
auf dem Yangzi und eine Besichtigung des Drei-Schluchten-Staudamms
statt. Die Reise umfasste auch Stadtbesichtigungen von Peking und
Shanghai.
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Zur Vorbereitung der Reise fanden drei
Veranstaltungen (21.11.2003, 6. Februar und 2.4.2004) im LI X
statt. Sie wurde durch Lehrkräfte des Instituts und
Vorträge zu den aufgesuchten Städten vor Ort fachlich
begleitet.
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Die Studienreise nach Paris umfasste die
Besichtigung von Museen sowie der Tuilerien, des Eiffelturms, des
Triumphbogens, von Notre Dame und Sacre Coeur.
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Das Seminar „Dialog der
Kulturen“ richtete sich an Kursleiterinnen im Fachbereich
Kunst, Kulturelle Bildung, Kreative Werkstätten, Keramik und
Malerei.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machte die Klägerin bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit folgende
Aufwendungen als Werbungskosten geltend:
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- Exkursion China
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4.540,00 EUR
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- Nebenkosten
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406,81 EUR
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- Vorbereitung
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624,25 EUR
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- Nachbereitung
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190,80 EUR
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- Dialog der Kulturen
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221,70 EUR
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- Exkursion Paris
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1.043,88 EUR
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die geltend gemachten
Werbungskosten im Einkommensteuerbescheid vom 21.3.2006
nicht.
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Der hiergegen erhobene Einspruch blieb
erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als
es 96 % der Aufwendungen für das Seminar „Dialog der
Kulturen“ als Werbungskosten anerkannte. Im Übrigen wies
es die Klage ab, weil die geltend gemachten Aufwendungen nicht
beruflich veranlasst seien.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG Mecklenburg-Vorpommern vom 6.5.2010 2 K 215/07 und die
Einspruchsentscheidung vom 23.4.2007 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid dahingehend abzuändern, dass bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere
Werbungskosten in Höhe von 6.814,61 EUR berücksichtigt
werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. 1. Die Revision ist unbegründet. Die
Entscheidung des FG, die Aufwendungen für die Reisen nach
China und Paris nicht als Werbungskosten bei den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen,
hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung
stand.
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2. Werbungskosten sind Aufwendungen zur
Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1
Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ). Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehören hierzu auch
Bildungsaufwendungen, soweit sie beruflich veranlasst sind (Urteile
vom 17.12.2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407 = SIS 03 07 75; vom 21.4.2010 VI R 5/07, BFHE 229, 219, BStBl II 2010,
687 = SIS 10 15 79). Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn
die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und
subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden
(BFH-Urteile vom 1.2.2007 VI R 25/03, BFHE 216, 522, BStBl II 2007,
459 = SIS 07 10 42; in BFHE 229, 219, BStBl II 2010, 687 = SIS 10 15 79).
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a) Aufwendungen für der beruflichen
Fortbildung dienende Reisen sind demnach als Werbungskosten
abziehbar, wenn sie beruflich veranlasst sind. Ob dies der Fall
ist, ist durch Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu
beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BFH vor Ergehen des
Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 GrS 1/06
(BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37) setzte der Abzug
von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise
ausschließlich oder nahezu ausschließlich der
beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Dies ist zum einen dann zu
bejahen, wenn ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt
(z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreunds, das Halten eines
Vortrags auf einem Fachkongress oder die Durchführung eines
Forschungsauftrags) und die Verfolgung privater Interessen nicht
den Schwerpunkt der Reise bildet. Gleiches gilt, wenn die
berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die
Verfolgung privater Interessen wie Erholung, Bildung und die
Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlass der
Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen
Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von
untergeordneter Bedeutung ist. Waren diese Voraussetzungen nicht
erfüllt, so waren die gesamten Reisekosten vom Abzug
ausgeschlossen, soweit sich nicht ein beruflich veranlasster Teil
der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben sicher und
leicht abgrenzen ließ (BFH-Entscheidungen vom 20.7.2006 VI R
94/01, BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121 = SIS 06 37 91; in BFHE
229, 219, BStBl II 2010, 687 = SIS 10 15 79).
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Nach dem Beschluss des Großen Senats des
BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37 ist nunmehr
davon auszugehen, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines
Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert, so dass die Vorschrift
einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer
beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht
entgegensteht. Sind berufliche und private
Veranlassungsbeiträge einer Reise jeweils nicht von
untergeordneter Bedeutung, kommt ein Abzug der auf den beruflich
veranlassten Anteil entfallenden Aufwendungen in Betracht.
Entsprechend dem unterschiedlichen Gewicht der
Veranlassungsbeiträge sind die Reisekosten im Verhältnis
der beruflich und privat veranlassten Reiseanteile aufzuteilen. Im
Einzelfall kann es auch erforderlich sein, einen anderen
Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder von einer Aufteilung
abzusehen (BFH-Urteil in BFHE 229, 219, BStBl II 2010, 687 = SIS 10 15 79).
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b) Betreffend Auslandsgruppenreisen gelten die
im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27.11.1978 GrS
8/77 (BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 = SIS 79 01 12)
entwickelten Grundsätze fort. Neben einer fachlichen
Organisation ist daher für eine berufliche Veranlassung vor
allem maßgebend, dass das Programm auf die besonderen
beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und der
Teilnehmerkreis im Wesentlichen gleichartig (homogen) ist. Von
Bedeutung ist auch, ob die Teilnahme freiwillig ist oder ob der
Steuerpflichtige einer Dienstpflicht nachkommt (BFH-Urteil vom
9.12.2010 VI R 42/09, BFHE 232, 345, BStBl II 2011, 522 = SIS 11 08 89).
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Aus welchen Gründen der Steuerpflichtige
eine bestimmte Reise unternommen hat, hat das FG als
Tatsacheninstanz anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls
zu ermitteln. Kann die berufliche Veranlassung einer Reise nicht
festgestellt werden, so gehen Zweifel zu Lasten des
Steuerpflichtigen (Beschluss des Großen Senats des BFH in
BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37).
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c) In Anwendung der angeführten
Rechtsgrundsätze ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Aufwendungen für die Reisen nach China und Paris nicht als
Werbungskosten zu berücksichtigen seien, weil sie nicht
insgesamt beruflich veranlasst seien und auch eine Aufteilung in
beruflich bzw. privat veranlasste Reiseanteile im Streitfall nicht
in Betracht komme.
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Zu Recht hat es zunächst das Vorliegen
eines unmittelbaren beruflichen Anlasses für die Reisen
verneint. Sodann ist es auf der Grundlage der im Beschluss des
Großen Senats des BFH in BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213 =
SIS 79 01 12 entwickelten Abgrenzungskriterien zu dem Ergebnis
gekommen, die Ausgestaltung der Reisen ließe auf die
Befriedigung allgemeiner Bildungsinteressen schließen,
während es an hinreichend konkreten Bezügen zur
beruflichen Tätigkeit der Klägerin fehle.
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Dieser Würdigung steht insbesondere nicht
das Vorbringen der Klägerin entgegen, sie habe mit der
Teilnahme an den Bildungsreisen eine Verpflichtung erfüllt.
Zwar kann der berufliche Zusammenhang indiziert sein, wenn der
Steuerpflichtige mit der Teilnahme an einer Reise einer
dienstlichen Verpflichtung nachkommt (BFH-Urteil in BFHE 232, 345,
BStBl II 2011, 522 = SIS 11 08 89). Gemeint ist in diesem
Zusammenhang indes eine konkrete Verpflichtung zur Teilnahme an
einer bestimmten Reise, nicht hingegen die allgemeine Verpflichtung
zur Fortbildung, auf die sich die Klägerin im Streitfall
beruft. Kommt der Steuerpflichtige mit der Teilnahme an einer Reise
einer allgemein bestehenden Verpflichtung sich fortzubilden nach,
ohne dass sich diese auf die konkret unternommene Reise bezieht, so
sind die hierdurch entstandenen Aufwendungen unter den allgemein
für Fortbildungsreisen geltenden Voraussetzungen als
Werbungskosten abziehbar. Insbesondere muss die angebotene
Fortbildung auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse des
Teilnehmers zugeschnitten sein. Dies hat das FG im Streitfall in
nicht zu beanstandender Weise verneint. Wählt der
Steuerpflichtige aus einem Fortbildungsprogramm eine Reise aus, die
nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien nicht als beruflich
veranlasst anzusehen ist, so ist es entsprechend auch unerheblich,
ob insoweit eine Dienstreisegenehmigung erteilt wurde.
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Der Werbungskostenabzug war auch nicht deshalb
zu gewähren, weil die Reisen von L.I.S.A. angeboten und
teilweise auch organisiert worden waren. Nicht jede von einem
Fachverband veranstaltete Reise ist als beruflich veranlasst
anzusehen (BFH-Beschluss vom 9.8.2007 X B 210/06, BFH/NV 2007, 2106
= SIS 07 35 49). Entscheidend ist nicht, wer Anbieter ist, sondern,
ob das Angebot den für die steuerliche Anerkennung von
Fortbildungsreisen als Werbungskosten geltenden Anforderungen
entspricht. Werden Reisen von beruflichen Organisationen angeboten,
so sind die hierfür angefallenen Aufwendungen danach nur dann
steuerlich zu berücksichtigen, wenn die Reisen auch
inhaltlich, d.h. nach ihrem Reiseprogramm und der
tatsächlichen Durchführung, die Kriterien für eine
beruflich veranlasste Fortbildungsreise erfüllen. Wird eine
Reise hingegen durch einen Fachverband angeboten und beworben, dann
jedoch - wie im Streitfall - im Wesentlichen durch einen
kommerziellen Reiseveranstalter durchgeführt, so wird ein
Werbungskostenabzug regelmäßig ausscheiden, wenn die
Reise nach Programm und Ablauf einer allgemeinbildenden
Studienreise entspricht.
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d) Schließlich durfte das FG im
Streitfall auch von einer Aufteilung der angefallenen Aufwendungen
entsprechend einem beruflichen bzw. privaten Anteil der
Veranlassungsbeiträge absehen. Betreffend die Reise nach China
hat es zu Recht ausgeführt, selbst wenn der Besuch zweier
Dorfschulen als beruflich veranlasst angesehen werden könne,
so träte dies angesichts des zeitlichen Umfangs und seiner
Bedeutung hinter den nicht beruflich veranlassten Anteilen in einem
Maße zurück, dass dieser Reiseanteil vernachlässigt
werden könne. In Anwendung der im Beschluss des Großen
Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37
niedergelegten Rechtsgrundsätze war danach ein
Werbungskostenabzug insgesamt nicht vorzunehmen. Hinsichtlich der
Reise nach Paris kam eine Aufteilung schon deshalb nicht in
Betracht, weil keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines
spezifischen Bezugs zur beruflichen Tätigkeit der
Klägerin ersichtlich waren.
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