1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden vom Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt - FA - ) auf Rückzahlung zuviel erstatteter
Lohnsteuer wegen einer fehlerhaften Anrechnungsverfügung in
Anspruch genommen.
|
|
|
2
|
Die Kläger sind für 1997 zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt worden. Die Steuerfestsetzung von
1998 wurde 1999 zu Lasten der Kläger geändert, auf deren
Einspruch hin jedoch 2002 auf den ursprünglich ausgewiesenen
Betrag herabgesetzt. In der zusammen mit diesem
Änderungsbescheid erlassenen Anrechnungsverfügung ist -
neben anderen, zutreffend erfassten Beträgen - aufgrund eines
Eingabefehlers die für den Kläger einbehaltene Lohnsteuer
zu hoch angesetzt worden. 2008 bemerkte das FA diesen Fehler,
erließ eine geänderte Anrechnungsverfügung,
forderte von den Klägern als Gesamtschuldner den zu Unrecht
erstatteten Steuerbetrag zurück und setzte entsprechende
Zinsen fest. Auf den hiergegen von den Klägern erhobenen
Einspruch ist der angefochtene Abrechnungsbescheid ergangen, in dem
das FA an der Rechtmäßigkeit seiner geänderten
Anrechnungsverfügung festhielt.
|
|
|
3
|
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen
erhobene Klage abgewiesen. Die Anrechnungsverfügung habe
gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO)
geändert werden dürfen, weil die Kläger die
Unrichtigkeit der ursprünglichen Anrechnungsverfügung
zumindest hätten erkennen müssen. Die
Ermessensausübung des FA sei nicht weiter
begründungsbedürftig gewesen, weil es sich um einen Fall
intendierten Ermessens handele. Auch die Jahresfrist des § 130
Abs. 3 AO sei gewahrt, weil das FA erst im August 2008 die
Rechtswidrigkeit der Anrechnungsverfügung erkannt habe.
Zahlungsverjährung stehe der Rückforderung nicht
entgegen. Denn der Rückzahlungsanspruch des FA sei erst durch
Änderung der Anrechnungsverfügung im November 2008
entstanden. Das gelte auch nach der zu dem hier einschlägigen
§ 37 Abs. 2 AO vertretenen materiellen Rechtsgrundtheorie;
denn auch nach dieser könne eine nach materiellem Recht ohne
rechtlichen Grund erfolgte Zahlung erst dann zurückgefordert
werden, wenn der entsprechende Bescheid nach formellem Recht
aufgehoben oder geändert worden sei (Hinweis auf das Urteil
des Senats vom 29.10.2002 VII R 2/02, BFHE 200, 88, BStBl II 2003,
43 = SIS 03 06 09). Aus der neueren Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 228 AO ergebe sich nichts anderes.
Zwar erfasse danach die Zahlungsverjährung festgesetzte
Einkommensteuer auch insoweit, als sie bei der Festsetzung der
Abschlusszahlung nicht berücksichtigt worden sei, wie auch
umgekehrt eine festgesetzte Abschlusszahlung durch
nachträgliche Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen nach
Fristablauf nicht verringert werden könne (Hinweis auf die
Urteile vom 12.2.2008 VII R 33/06, BFHE 220, 225, BStBl II 2008,
504 = SIS 08 16 98, und vom 27.10.2009 VII R 51/08, BFHE 227, 327,
BStBl II 2010, 382 = SIS 10 00 36). Im Streitfall gehe es jedoch
nicht um die Fälligkeit festgesetzter Einkommensteuer.
Vielmehr habe eine materiell-rechtliche Prüfung des
angeblichen Steuererstattungsanspruchs der Kläger erstmals im
November 2008 stattgefunden. Die vorgenannten Urteile des BFH
könnten nicht so verstanden werden, dass ein Anspruch
zahlungsverjähren könne, bevor er überhaupt
entstanden sei. Würde die Rechtsprechung des BFH auch auf eine
Konstellation angewandt, wie sie im Streitfall vorliege, würde
die Frist des § 130 Abs. 3 AO ausgehöhlt.
|
|
|
4
|
Die Zinsfestsetzung des FA sei in
Bestandskraft erwachsen und daher ihre Rechtmäßigkeit
nicht mehr zu prüfen.
|
|
|
5
|
Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision der Kläger. Sie meinen, der Rückzahlungsanspruch
des FA sei verjährt. Der Rückzahlungsanspruch des FA sei
durch die rechtsgrundlose Auszahlung einer Steuererstattung im Jahr
2002 entstanden. Das gelte auch unter Berücksichtigung der
damals erlassenen fehlerhaften Anrechnungsverfügung, die
keinen Rechtsgrund darstelle, der dem Anspruch des FA nach §
37 Abs. 2 AO entgegengestanden hätte. Die auf einem
bloßen Versehen beruhenden Auszahlungen hätten lediglich
den Charakter einer Information über den Kassenstand (Hinweis
auf den Beschluss des Senats vom 19.10.2006 VII B 78/06, BFH/NV
2007, 200 = SIS 07 03 45). Entgegen der Ansicht des FG ergebe sich
im Übrigen aus den in dem Urteil angeführten
Entscheidungen des BFH, dass die ursprüngliche fehlerhafte
Anrechnungsverfügung bzw. die darauf beruhende rechtsgrundlose
Auszahlung die Zahlungsverjährungsfrist in Gang gesetzt habe.
Nach deren Ablauf könnten weder fällig gewordene
steuerliche Ansprüche geltend gemacht werden noch auf
fällig gewordene Steuern etwas angerechnet werden. Die vom FG
vertretene abweichende Rechtsansicht könne auch deshalb nicht
überzeugen, weil eine rechtsgrundlose Steuererstattung danach
faktisch nicht zahlungsverjähren könnte; denn die
Zahlungsverjährungsfrist wäre überhaupt erst in Gang
gesetzt, wenn das FA seinen Fehler erkennt. Wenn im Übrigen
nach der Rechtsprechung des BFH eine materiell-rechtlich
geschuldete, aber nicht festgesetzte Steuer nach Ablauf von
fünf Jahren erlösche, so müsse dies erst recht
für eine Auszahlung gelten, die auf einem Eingabefehler und
damit letztlich auf einem bloßen Realakt beruhe. Der
Streitfall unterscheide sich nicht wesentlich von Fällen einer
versehentlichen Doppelüberweisung eines
Steuererstattungsbetrages, in denen fraglos die Verjährung des
Erstattungsanspruches mit der Doppelzahlung beginne.
|
|
|
6
|
Das FA macht sich im Wesentlichen die
Argumentation des angefochtenen Urteils zu eigen. Selbst wenn der
Rückzahlungsanspruch bereits mit der überhöhten
Auszahlung der Steuererstattung entstanden wäre, wäre
keine Zahlungsverjährung eingetreten, weil gemäß
§ 229 Abs. 1 Satz 2 AO der Fristenlauf erst mit der
Festsetzung der Rückzahlung begonnen habe.
|
|
|
7
|
Im Übrigen hält das FA die in
§ 130 Abs. 3 AO getroffene Regelung für ausreichend, die
Prinzipien des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit bei einer
Änderung einer Anrechnungsverfügung zu wahren.
|
|
|
8
|
II. Die Revision der Kläger ist
begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen
Entscheidungen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ), soweit es um die
Rückforderung erstatteter Steuer geht. Das Urteil des FG
verletzt insofern Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der
angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die
Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO), weil der
Rückzahlungsanspruch des FA gemäß § 228 AO
durch Verjährung erloschen ist.
|
|
|
9
|
Ansprüche aus dem Steuerverhältnis
unterliegen nach § 228 AO einer besonderen
Zahlungsverjährung, die nach fünf Jahren eintritt. Die
Frist beginnt nach § 229 Abs. 1 AO mit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden
ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die
Festsetzung wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch
ergibt.
|
|
|
10
|
Sinn und Zweck dieser Vorschrift hat der
erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 227, 327, BStBl II 2010,
382 = SIS 10 00 36 dahin erläutert, dass nach Ablauf einer
angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber
einkehren soll, was der Steuerpflichtige aufgrund der gegen ihn
ergangenen Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung
anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugsteuern noch zu zahlen hat
bzw. was ihm zu erstatten ist. Nicht nur fällig gewordene
steuerliche Ansprüche können nach Ablauf der
Fünf-Jahres-Frist nicht mehr geltend gemacht werden. Vielmehr
kann auch auf fällig gewordene Steuern nichts mehr angerechnet
und dadurch kein Erstattungsanspruch mehr ausgelöst werden.
Die Änderung einer Anrechnungsverfügung nach Ablauf der
durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung gemäß §
220 Abs. 2 Satz 2, § 229 Abs. 2 AO in Lauf gesetzten Frist ist
danach ungeachtet dessen auszuschließen, ob es um die
nachträgliche Anrechnung durch Steuerabzug entrichteter
Beträge und eine daraus folgende Verringerung der
Abschlusszahlung bzw. eine Erstattungsforderung des
Steuerpflichtigen geht oder umgekehrt um die Korrektur einer
solchen Anrechnung zu Lasten des Steuerpflichtigen mit der Folge
einer Erhöhung der Abschlusszahlung bzw. einer
Steuernachforderung des Finanzamts.
|
|
|
11
|
Nach diesen Rechtsgrundsätzen durfte die
vom FA aus Anlass der Änderung des Einkommensteuerbescheides
1997 erlassene (fehlerhafte) Anrechnungsverfügung nach Ablauf
von fünf Jahren seit Erlass dieses Bescheides nicht mehr
geändert werden. Der von dem FG im angefochtenen Urteil
sinngemäß vertretenen Auffassung, jene
Rechtsgrundsätze könnten im Streitfall nicht angewandt
werden, weil andernfalls der Rückzahlungsanspruch des FA
verjährt sei, bevor er überhaupt entstanden sei, folgt
der Senat nicht.
|
|
|
12
|
Anspruch i.S. des § 229 Abs. 1 Satz 1 AO
ist zwar der Zahlungsanspruch, der jedoch als ein Anspruch aus dem
Steuerschuldverhältnis nach § 218 Abs. 1 Satz 1 AO seine
Grundlage in einem Steuer(festsetzungs)bescheid hat. Ein auf
Rückzahlung der in einer Anrechnungsverfügung zu Unrecht
ausgewiesenen Beträge gerichteter Zahlungsanspruch des FA
scheint zwar nach § 220 Abs. 2 Satz 2 AO erst dadurch
fällig zu werden, dass das FA die ursprünglich ergangene
Anrechnungsverfügung ändert. Denn diese ist nach der
Rechtsprechung des Senats ein (feststellender) Verwaltungsakt und
nicht eine bloße Kassenmitteilung ohne rechtliche
Bindungswirkung (Urteil des Senats vom 15.4.1997 VII R 100/96, BFHE
182, 506, BStBl II 1997, 787 = SIS 97 19 74). Würde man darauf
- ähnlich wie bei der Änderung einer Steuerfestsetzung -
abstellen, begönne der Lauf der Zahlungsverjährungsfrist
gemäß § 229 Abs. 1 AO erst mit Erlass des
betreffenden Änderungsbescheides und liefe folglich vor Erlass
des mit dem Änderungsbescheid in der Regel verbundenen
Rückforderungsbescheides im Allgemeinen nicht ab (vgl. Urteil
des Senats in BFHE 227, 327, BStBl II 2010, 382 = SIS 10 00 36).
|
|
|
13
|
Die Anrechnungsverfügung ist indes ein
deklaratorischer, bloß bestätigender Verwaltungsakt, der
keine Ansprüche begründet, die nicht bereits
unabhängig von der Anrechnungsverfügung bestehen. Er
zieht lediglich die rechnerischen Folgen aus anderweit
begründeten Rechten und Pflichten (Urteil des Senats vom
18.7.2000 VII R 32-33/99, BFHE 192, 405, BStBl II 2001, 133 = SIS 01 02 03). Dementsprechend hat der Senat für den Lauf der
Zahlungsverjährungsfrist auf die festgesetzten steuerlichen
Ansprüche abgestellt und erkannt, diese könnten nach
Ablauf der Fünf-Jahres-Frist nicht mehr geltend gemacht
werden. Auf fällig gewordene Steuern könne nichts mehr
angerechnet und dadurch ein Erstattungsanspruch i.S. des § 37
Abs. 2 AO nicht mehr ausgelöst werden (Urteil des Senats in
BFHE 220, 225, BStBl II 2008, 504 = SIS 08 16 98).
|
|
|
14
|
Wie insbesondere auch § 229 Abs. 1 Satz 2
Halbsatz 1 AO erkennen lässt, ist § 229 Abs. 1 Satz 1 AO
auf den Fall zugeschnitten, dass sich der Zahlungsanspruch aus
einer Entscheidung im Steuerfestsetzungsverfahren ergibt. Deshalb
unterliegt z.B. der im Steuerfestsetzungsverfahren ausgewiesene
Steueranspruch nach der Senatsrechtsprechung ab dem Zeitpunkt
seiner Festsetzung der (Zahlungs-)Verjährung, auch wenn vom
Finanzamt eine einkommensteuerrechtliche Abschlusszahlung
gemäß § 36 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) in der Anrechnungsverfügung nicht ausgewiesen worden
ist. Entsprechendes hat der Senat für den umgekehrten Fall
entschieden, dass eine Abschlusszahlung ausgewiesen worden ist,
dabei jedoch entgegen § 36 Abs. 4 EStG geleistete
Vorauszahlungen nicht berücksichtigt worden sind; der Anspruch
des Steuerpflichtigen auf Verrechnung oder Rückzahlung solcher
Vorauszahlungen verjähre dann, wenn seit jener
Abrechnungsentscheidung die in § 228 AO bezeichnete Frist
abgelaufen sei.
|
|
|
15
|
Wann die (Zahlungs-)Verjährungsfrist
für Ansprüche zu laufen beginnt, die sich nicht
unmittelbar aus Steuerfestsetzungen ergeben, nämlich durch die
Verrechnung der festgesetzten Steuer mit der festgesetzten oder mit
Festsetzungswirkung angemeldeten (und, wie § 36 Abs. 2 EStG
voraussetzt, geleisteten) Vorauszahlungen gemäß §
36 Abs. 4 EStG, sondern infolge irrtümlicher
Berücksichtigung in Wahrheit nicht festgesetzter
Steuerbeträge in der Anrechnungsverfügung entstehen, mag
damit, wie das FG tatsächlich meint, noch nicht entschieden
sein. Allerdings ist auch das, was die Anrechnungsverfügung
insoweit als vermeintlich festgesetzte und gezahlte Lohnsteuer
ausweist, nicht bloße Kassenmitteilung, sondern
feststellender Verwaltungsakt (der Beschluss in BFH/NV 2007, 200 =
SIS 07 03 45 ist in diesem Zusammenhang nicht einschlägig).
Für die Regelungswirkung einer Entscheidung kommt es nicht
darauf an, ob sie von einem zutreffenden Sachverhalt ausgeht oder
(hier: mangels tatsächlichen Lohnsteuereinbehalts) fehlerhaft
und deshalb rechtswidrig ist.
|
|
|
16
|
Führt eine solche Anrechnung vermeintlich
festgesetzter und geleisteter Vorauszahlungen dazu, dass eine
Abschlusszahlung trotz entsprechender Steuerfestsetzung nicht oder
- gemessen an dieser - in zu geringer Höhe ausgewiesen wird,
erlischt indes der festgesetzte Steueranspruch gemäß
§ 232 AO ebenso wie in dem der eingangs dargestellten
Rechtsprechung des Senats zugrunde liegenden Fall einer aus anderen
Gründen fehlerhaften Abrechnung. Der Senat hat jene
Rechtsprechung maßgeblich auf Sinn und Zweck der Vorschriften
über die Zahlungsverjährung gestützt. Nach Ablauf
einer angemessenen Frist (fünf Jahre), nachdem die für
die Berechnung der Zahlungspflichten maßgeblichen Daten
feststehen, insbesondere die Steuer durch Erlass eines
Steuerbescheides oder einer entsprechenden Steueranmeldung
festgesetzt worden sei, könnten bislang nicht geltend gemachte
Zahlungspflichten nicht mehr erhoben werden, und zwar weder
Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen noch
Zahlungsansprüche des Finanzamts. Diese Zielsetzung des
Gesetzes verlangt es, dass dies ungeachtet der Gründe der
zunächst fehlerhaften Abrechnung immer dann gilt, wenn sich
bei der Abrechnung ein Überschuss zugunsten des
Steuerpflichtigen ergeben hat und der entsprechende Betrag
gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG an den
Steuerpflichtigen ausgezahlt worden ist. Der (Zahlungs-)Anspruch
des Finanzamts auf Rückzahlung eines solchen Betrages mag
zwar, wie das FG ausgeführt hat, erst entstehen und damit
fällig werden, wenn das Finanzamt seine
Anrechnungsverfügung ändert, weil es die Fehlerhaftigkeit
seiner Abrechnung erkennt. „Grundlage“ dieses
Anspruches, der die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis
i.S. des § 218 Abs. 1 Satz 1 AO lediglich
„verwirklicht“, sind jedoch die im
Steuerfestsetzungsverfahren ergangenen Entscheidungen, deren Erlass
die Zahlungsverjährung auch dann in Lauf setzt, wenn sie nicht
den Inhalt haben, den das Finanzamt bei seinen Entscheidungen im
Steuererhebungsverfahren, insbesondere bei der Abrechnung
gemäß § 36 Abs. 4 EStG, unterstellt.
|
|
|
17
|
So ist auch der hier streitige
Rückzahlungsanspruch des FA die bloße Folge des Fehlens
einer Lohnsteuerfestsetzung (und eines dementsprechenden
Steuereinbehalts) in der vom FA bei der Abrechnung zugrunde
gelegten Höhe. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, bei der
Anwendung der Vorschriften über die Zahlungsverjährung,
insbesondere auch des § 229 Abs. 1 Satz 1 AO, auf die im
Erhebungsverfahren getroffenen (deklaratorischen, wenn auch mit
Regelungswirkung versehenen) Entscheidungen und die Fälligkeit
der dadurch ausgewiesenen Ansprüche statt auf den Zeitpunkt
abzustellen, in dem die Steuer festgesetzt worden ist (hier: die
geänderte Steuerfestsetzung), über die das Finanzamt
abgerechnet hat.
|
|
|
18
|
Die Revision weist im Übrigen mit Recht
darauf hin, dass andernfalls ein Anspruch des Finanzamts auf
Rückzahlung einer in einer Anrechnungsverfügung zu
Unrecht festgesetzten Erstattung im Festsetzungsverfahren gar nicht
festgesetzter Steuer(vorauszahlunge)n erst fünf Jahre, nachdem
dieses die Rechtswidrigkeit der Steuererstattung erkannt hat,
verjährte und damit die Verjährungsfrist insoweit
praktisch ins Leere liefe. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes
sein. Ebenso würde es, worauf die Revision ebenfalls mit Recht
hinweist, dem deklaratorischen Charakter der Abrechnung in einer
Anrechnungsverfügung nicht gerecht, bei einer auf deren
Fehlerhaftigkeit beruhenden Erstattungszahlung die Verjährung
des Rückzahlungsanspruchs des Finanzamts nicht beginnen zu
lassen, wohl aber bei einer fehlerhaften Zahlung des Finanzamts,
der ein entsprechender Ausweis in einer Anrechnungsverfügung
nicht vorausgegangen ist.
|
|
|
19
|
§ 130 Abs. 3 AO kann den Rechtsfrieden
schon deshalb nicht in der erforderlichen Weise wahren, weil die
dort festgelegte Frist erst zu laufen beginnt, wenn das Finanzamt
die Rechtswidrigkeit seiner Steuererstattung erkannt hat.
|
|
|
20
|
Dass nach der vorstehend entwickelten
Auslegung des Gesetzes der Rückzahlungsanspruch des Finanzamts
möglicherweise verjährt, bevor das Finanzamt diesen
überhaupt wahrnimmt, spricht nicht gegen diese. Vorbehaltlich
des § 199 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist es
für Verjährungsfristen geradezu typisch, dass sie rein
objektiven Charakter haben (vgl. dazu schon das Senatsurteil in
BFHE 227, 327, BStBl II 2010, 382 = SIS 10 00 36).
|
|
|
21
|
Nach alledem kann das FA auch im vorliegenden
Fall keinen Rückzahlungsanspruch wegen der unrichtigen
(rechtsgrundlosen) Anrechnung von Beträgen in der
Anrechnungsverfügung geltend machen, weil seit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem diese Anrechnungsverfügung und der ihr
zugrunde liegende Steuerbescheid ergangen sind, bereits fünf
Jahre (§ 228 Satz 2 AO) verstrichen waren.
|
|
|
22
|
Zu ändern ist das Urteil des FG ferner
insofern, als es - wie sich aus den Entscheidungsgründen am
Ende ergibt - eine Änderung der Zinsfestsetzung mit der
Begründung abgelehnt hat, diese sei bestandskräftig
geworden. Diese rechtliche Würdigung wird nämlich dem
Umstand nicht gerecht, dass die Klage - was der erkennende Senat
ohne Bindung an die Bewertung des FG selbst beurteilen kann - nicht
dahin zu verstehen ist, die Kläger begehrten im gerichtlichen
Rechtsschutzverfahren auch die Aufhebung der in der angefochtenen
Anrechnungsverfügung enthaltenen Zinsfestsetzung. Das FG
selbst hat das Einspruchsschreiben der Kläger, in dem die
Zinsfrage ausdrücklich angesprochen worden ist, nicht als
Angriff gegen die Zinsfestsetzung verstanden (was die Annahme, die
in dieser Hinsicht schweigende Klage enthalte einen solchen
Angriff, widersprüchlich erscheinen lässt). Vor allem
aber hatten die Kläger keinen Anlass die Zinsfestsetzung
anzufechten, denn gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1
Halbsatz 2 AO ist die Zinsfestsetzung zu ändern, wenn die
Anrechnung von Steuerbeträgen „zurückgenommen,
widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird“. Diese
Vorschrift ist ihrem Sinn entsprechend, der Anrechnungsentscheidung
als Grundlagenbescheid der akzessorischen Zinsfestsetzung Geltung
zu verschaffen, auch dann anzuwenden, wenn die Änderung einer
Anrechnung von Steuerbeträgen im Rechtsbehelfsverfahren
aufgehoben wird (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 233a
Rz 41).
|