Nahrungsmittel, USt-Satz, Partyservice, EuGH-Vorlage: 1. Ist der Begriff "Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind? - 2. Falls "Nahrungsmittel" im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind: - Ist der Vorgang der Zubereitung der Speisen oder Mahlzeiten als Dienstleistungselement zu berücksichtigen, wenn zu entscheiden ist, ob die einheitliche Leistung eines Partyservice-Unternehmens (Überlassung von verzehrfertigen Speisen oder Mahlzeiten sowie deren Transport und gegebenenfalls Überlassung von Besteck und Geschirr und/oder von Stehtischen sowie das Abholen der zur Nutzung überlassenen Gegenstände) als steuerbegünstigte Lieferung von Nahrungsmitteln (Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG) oder als nicht steuerbegünstigte Dienstleistung (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) zu qualifizieren ist? - 3. Falls die Frage zu 2 verneint wird: - Ist es mit Art. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar, bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines Partyservice-Unternehmens entweder als Warenlieferung oder als Dienstleistung eigener Art typisierend allein auf die Anzahl der Elemente mit Dienstleistungscharakter (zwei oder mehr) gegenüber dem Lieferungsanteil abzustellen oder sind die Elemente mit Dienstleistungscharakter unabhängig von ihrer Zahl zwingend - und bejahendenfalls nach welchen Merkmalen - zu gewichten? (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 29.3.2010, IV D 2 - S 7100/07/10050, BStBl 2010 I S. 330 = SIS 10 06 83) - Urt.; BFH 15.10.2009, XI R 6/08; SIS 09 36 65
I. Sachverhalt
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betrieb eine
Fleischerei sowie einen Partyservice. Die beim Partyservice
bestellten Speisen lieferte sie in verschlossenen Warmhalteschalen
aus, wobei sie je nach Kundenwunsch auch Geschirr und Besteck,
Partytische (Stehtische) sowie Personal zur Verfügung
stellte.
Die Klägerin unterwarf in ihren
Rechnungen die Entgelte für die Überlassung von Geschirr,
Besteck, Stehtischen und Personal dem Regelsteuersatz und die
Entgelte für die Speisen dem ermäßigten Steuersatz.
Dementsprechend ging sie in ihrer Umsatzsteuererklärung
für das Streitjahr vor.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung
vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Essenslieferungen,
soweit sie mit der Beistellung von Geschirr und Besteck,
Stehtischen oder Personal verbunden waren, dem Regelsteuersatz
unterlägen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) folgte der Ansicht des Prüfers und erließ unter
dem 30.7.2003 einen entsprechend geänderten
Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000.
Im Einspruchsverfahren erzielten die
Beteiligten Einvernehmen darüber, dass die Entgelte für
die Essenslieferungen in den Fällen dem Regelsteuersatz zu
unterwerfen seien, in denen die Klägerin auch
Bedienungspersonal gestellt hatte.
Einspruch und Klage gegen den
Änderungsbescheid blieben ohne Erfolg. Das Urteil ist
veröffentlicht in DStRE 2009, 33 = SIS 09 28 06.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
im Wesentlichen geltend, die Überlassung von Geschirr und
Besteck sei eine Nebenleistung zur Essenslieferung, die es nicht
rechtfertige, die gesamte Leistung als Dienstleistung zu
qualifizieren. Für die Tätigkeit eines Partyservice sei
typisch, dass der Kunde seine Gäste in den heimischen
Räumlichkeiten bewirten wolle, sodass die Leistung nicht mit
einem Restaurationsumsatz vergleichbar sei.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den
Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 30.7.2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 3.5.2004 dahingehend zu ändern,
dass die Umsatzsteuer um 1.814,80 DM (= 927,89 EUR) herabgesetzt
wird.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Leitsatz
bezeichneten Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und
setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Die maßgeblichen Vorschriften und
Bestimmungen
a) Nationales Recht
Nach § 12 Abs. 1 des im Streitfall
anzuwendenden Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) beträgt die
Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 16 % der
Bemessungsgrundlage.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die
Lieferungen der in der Anlage des Gesetzes bezeichneten
Gegenstände, darunter z.B. Zubereitungen von Fleisch, Fischen
usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie
Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse, Früchten
usw. (Nr. 32) oder „Verschiedene
Lebensmittelzubereitungen“ (Nr. 33).
§ 3 Abs. 1 UStG bestimmt:
„Lieferungen eines Unternehmers sind
Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den
Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im
eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen
(Verschaffung der Verfügungsmacht).“
§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG lautet:
„Sonstige Leistungen sind Leistungen,
die keine Lieferungen sind.“
b) Gemeinschaftsrecht
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG) lautet:
„Der Mehrwertsteuer
unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland
gegen Entgelt ausführt;
...“
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
regelt:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt
die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu
verfügen.“
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG
bestimmt:
„Als Dienstleistung gilt jede
Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des
Artikels 5 ist.“
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG sieht vor:
„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer
wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der
Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von
Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.
...
Die Mitgliedstaaten können
außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze
anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein
Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht
niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von
Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten
Kategorien anwendbar.
...“
Anhang H („Verzeichnis der
Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte
MWSt.-Sätze angewandt werden können“) der
Richtlinie 77/388/EWG nennt als Kategorie 1 u.a.
„Nahrungs- und Futtermittel“ sowie
„üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs-
und Futtermitteln verwendete Zutaten“.
2. Rechtliche Würdigung
a) Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in
seiner bisherigen Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen
Behandlung der Umsätze eines Partyservice-Unternehmens auf die
Rechtsprechung des EuGH zu Restaurationsumsätzen
gestützt.
Der EuGH hat sich in dem den Leistungsort
betreffenden Urteil vom 2.5.1996 Rs. C-231/94 - Faaborg-Gelting
Linien - (Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24) mit
der Besteuerung von Restaurationsumsätzen in Form der Abgabe
von Mahlzeiten zum Verzehr an Bord von Fährschiffen befasst.
Er hat darin ausgeführt, ob bestimmte Umsätze Lieferungen
von Gegenständen oder Dienstleistungen seien, richte sich nach
ihrem Wesen. Die Abgabe von Speisen und Getränken zum
sofortigen Verzehr sei das Ergebnis einer Reihe von
Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen.
Möglicherweise nur sachverhaltsbezogen hat er ausgeführt,
dabei werde dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur
Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit
Nebenräumen als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasse.
Gegebenenfalls würden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast
beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern,
diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische
abräumen. Ein solcher Restaurationsumsatz sei durch eine Reihe
von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der
Lieferung von Nahrungsmitteln bestehe, während die
Dienstleistungen bei weitem überwögen. Ein solcher Umsatz
sei daher als Dienstleistung i.S. von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG zu betrachten. Etwas Anderes gelte hingegen, wenn sich
der Umsatz auf Nahrungsmittel „zum Mitnehmen“
beziehe und daneben keine Dienstleistungen erbracht würden,
die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen
ansprechend gestalten sollten.
Das EuGH-Urteil vom 10.3.2005 Rs. C-491/03 -
Hermann - (Slg. 2005, I-2025, BFH/NV Beilage 2005, 210 = SIS 05 17 79) betrifft eine kommunale Steuer, die auf die entgeltliche Abgabe
alkoholhaltiger Getränke zum unmittelbaren Verzehr an Ort und
Stelle im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben worden ist.
Entscheidungserheblich war, ob es sich bei der umstrittenen Steuer
um eine solche auf verbrauchsteuerpflichtige Waren oder auf
Dienstleistungen handelt. Der EuGH ist unter Hinweis auf das Urteil
Faaborg-Gelting Linien in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 =
SIS 96 15 24 davon ausgegangen, dass für die Qualifizierung
des Umsatzes das überwiegende Element zu berücksichtigen
sei. Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen
Dienstleistung verbunden sei, könnten bei der Beurteilung des
Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen
Geschäfts, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands
gehöre, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden,
die sich von denen unterschieden, die notwendig mit der Vermarktung
eines Gegenstands verbunden seien. Bei der Abgabe alkoholhaltiger
Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit
überwögen die Dienstleistungen.
Der V. Senat des BFH hat unter Berufung auf
diese Rechtsprechung in einem Urteil vom 18.12.2008 V R 55/06 (BFHE
223, 539, BFH/NV 2009, 673 = SIS 09 08 71) die Leistungen eines
Partyservice-Unternehmens dann, wenn zusätzlich zur Abgabe der
zubereiteten Speisen Geschirr und Besteck überlassen und
anschließend gereinigt wurden, als einheitliche Leistung und
nicht als mehrere selbständige Hauptleistungen behandelt und
als Dienstleistung qualifiziert. Der XI. Senat des BFH hat sich
dieser Rechtsprechung in einem Urteil vom 1.4.2009 XI R 3/08
(BFH/NV 2009, 1469 = SIS 09 26 94) angeschlossen.
Der BFH hat dabei den Vorgang der Zubereitung
der Speisen oder Mahlzeiten zu einem - vom jeweiligen Kunden -
bestimmten Zeitpunkt als ein wesentliches Dienstleistungselement
berücksichtigt. Er hat dafür auf das Urteil
Faaborg-Gelting Linien in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 =
SIS 96 15 24 verwiesen, wonach „die Abgabe von Speisen und
Getränken zum sofortigen Verzehr das Ergebnis einer Reihe von
Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der
Speisen“ (Randnr. 13) sei. Dass der
Gemeinschaftsgesetzgeber die Zubereitung von Mahlzeiten als
Herstellungsvorgang im Rahmen einer Dienstleistung und nicht als
einen Vorgang beurteile, der zur Lieferung von Nahrungsmitteln
gehöre, folge auch daraus, dass in Anhang H Kategorie 1 der
Richtlinie 77/388/EWG u.a. Nahrungsmittel und die für die
Zubereitung von Nahrungsmitteln verwendeten Zutaten aufgeführt
seien, nicht aber die Zubereitung selbst.
Dieses Verständnis, wonach die
Zubereitung zum sofortigen Verzehr als Dienstleistungselement zu
berücksichtigen sei, werde auch durch eine aufgrund der
Erweiterung der Gemeinschaft veranlasste Übergangsregelung
bestätigt. Art. 129 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) erlaube Slowenien die Anwendung eines
ermäßigten Steuersatzes für die Zubereitung von
Mahlzeiten.
Dem entspreche die nationale Regelung in
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit der Anlage zu diesem
Gesetz. Letztere verweise auf den Gemeinsamen Zolltarif der
Europäischen Gemeinschaft, dem die Kombinierte Nomenklatur des
Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Codierung der Waren zu
Grunde liege. Lebensmittelzubereitung im zolltariflichen Sinne sei
nur die Vermischung und Vermengung einzelner Bestandteile, nicht
aber die verzehrfertige Zubereitung im Sinne eines Kochens, Bratens
oder Backens zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Der erkennende Senat hält es unter
Berücksichtigung der Einwände der Klägerin und der
in der Literatur geäußerten Kritik nicht mehr mit der
erforderlichen Sicherheit für zweifelsfrei, ob die
dargestellte Rechtsprechung den Grundsätzen des
Gemeinschaftsrechts entspricht.
b) Zu den einzelnen Vorlagefragen
aa) Zu Frage 1
(1) Diese Frage ist entscheidungserheblich,
weil die Klage abzuweisen wäre, wenn zum sofortigen Verzehr
zubereitete Speisen oder Mahlzeiten keine
„Nahrungsmittel“ im Sinne des Anhangs H
Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG wären. Denn dieses
Verständnis der Grundlage müsste auch bei der Auslegung
des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit der Anlage zum
Gesetz mit der Folge berücksichtigt werden, dass die Entgelte
dafür nicht dem ermäßigten Steuersatz
unterlägen.
(2) Die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes ist eine Begünstigung, sodass es nach dem Zweck
der Bestimmung nicht zwingend erscheint, als Nahrungsmittel im
Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch
Speisen oder Mahlzeiten anzusehen, die zum sofortigen Verzehr zu
einem bestimmten Zeitpunkt zubereitet worden sind. Auch die
Slowenien in Art. 129 Abs. 1 der MwStSystRL erteilte Erlaubnis,
für die Zubereitung von Mahlzeiten einen ermäßigten
Steuersatz anzuwenden, kann möglicherweise so verstanden
werden, dass zum sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten nicht
nach Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG begünstigt
sind.
Gleiches gilt, soweit in Erwägungsgrund 3
der Richtlinie 2009/47/EG des Rates vom 5.5.2009 zur Änderung
der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte
Mehrwertsteuersätze (Amtsblatt der Europäischen Union -
ABlEU - Nr. L 116/18) und in Art. 55 und 57 der MwStSystRL in der
Fassung der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12.2.2008 zur
Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes
der Dienstleistung (ABlEU Nr. L 44/11) mit Wirkung ab dem 1.1.2010
die „Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen“ genannt werden. Der Begriff
„Verpflegungsdienstleistungen“ ist in diesen
Richtlinien nicht definiert. Es können damit
möglicherweise Speisen oder Mahlzeiten gemeint sein, die zum
sofortigen Verzehr zubereitet worden sind und außerhalb von
Restaurants überlassen werden.
bb) Zu Frage 2
(1) Der Senat geht davon aus, dass ein
Partyservice-Unternehmen oder ein Catering-Unternehmen seinen
Abnehmern gegenüber eine einheitliche Leistung (Art. 2 Abs. 1
der Richtlinie 77/388/EWG) und nicht mehrere selbständige
Hauptleistungen erbringt, und zwar unabhängig davon, ob der
Abnehmer außer den Speisen nur eine oder mehrere der
fakultativ angebotenen zusätzlichen Leistungen (z.B. Besteck,
Geschirr, Stehtische oder Personal) in Anspruch nimmt.
Dabei kann es nach Auffassung des Senats auch
keinen Unterschied machen, ob der Unternehmer nur eine Rechnung
erteilt, in der er für jede Leistung den für sie
geltenden Steuersatz anwendet oder ob er zwei Rechnungen erteilt
und in der einen die Speisen zum ermäßigten Steuersatz
und in der anderen die übrigen Leistungen zum Regelsteuersatz
aufführt (vgl. zur Bedeutung von getrennten Rechnungen aber
EuGH-Urteil vom 11.6.2009 Rs. C-572/07 - RLRE Tellmer Property -,
BFH/NV 2009, 1368 = SIS 09 21 09, Randnr. 23).
Die Frage zu 2 ist nur entscheidungserheblich,
wenn der EuGH die Rechtsauffassung des Senats teilt, dass die
Klägerin eine einheitliche Leistung (Art. 2 Nr. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG) erbringt. Denn anderenfalls wäre die
Sache spruchreif in dem Sinne, dass - entsprechend der
Vorgehensweise der Klägerin bei der Rechnungserteilung und in
ihrer Umsatzsteuererklärung - für jede Leistung der
für sie geltende Steuersatz anzuwenden und der Klage
stattzugeben wäre.
Ist von einer einheitlichen Leistung
auszugehen, dann wäre die Klage abzuweisen, wenn die Frage zu
2 bejaht wird.
Denn wenn der Vorgang der Zubereitung als
Dienstleistungselement zu berücksichtigen ist, wäre nach
Auffassung des Senats dabei - jedenfalls schon aus
Praktikabilitätsgründen - nicht nach dem konkreten
Arbeitsaufwand zu differenzieren, den die Herstellung der
jeweiligen Speise erfordert hat. Vielmehr wäre das in der
Zubereitung liegende Dienstleistungselement typisierend als so
gewichtig anzusehen, dass schon das Hinzutreten einer nicht nur
unwesentlichen Nebenleistung, wie z.B. das Überlassen von
Besteck oder auch das Abholen der zur Nutzung überlassenen
Behältnisse, für die Annahme ausreichen würde, der
Umsatz werde durch seine Dienstleistungselemente geprägt.
(2) Der Senat hält es für
klärungsbedürftig, ob es dem Gemeinschaftsrecht
entspricht, bei der Qualifizierung der einheitlichen Leistung eines
Partyservice-Unternehmens den Vorgang der Zubereitung der Speisen
aus verschiedenen Nahrungsmitteln zu einem neuen
„Gegenstand“ (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG; § 3 Abs. 1 UStG) als ein Dienstleistungselement zu
berücksichtigen.
Zwar kann sich die Auffassung, der Vorgang der
Zubereitung sei im Rahmen der Gesamtwürdigung als
Dienstleistungselement zu berücksichtigen, auf den Wortlaut
der Randnr. 13 des EuGH-Urteils Faaborg-Gelting Linien in Slg.
1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24 stützen. Es
erscheint jedoch nicht zweifelsfrei, ob die Aussagen in diesem
Urteil, das zu einem Restaurationsumsatz ergangen ist,
losgelöst von dem konkreten Sachverhalt zu verstehen und auf
die Leistungen eines Partyservice-Unternehmens oder eines
Catering-Unternehmens übertragbar sind, bei dem die Bewirtung
der Gäste nicht durch den leistenden Unternehmer, sondern den
Leistungsempfänger erfolgt.
Wenn die verzehrfertig zubereiteten Speisen
oder Mahlzeiten „Gegenstände“ sind, an
denen dem Kunden mit der Auslieferung die Verfügungsmacht
verschafft wird (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG), dann
erscheint es jedenfalls nicht zwingend, diese Gegenstände
dann, wenn eine oder mehrere Leistungen mit
Dienstleistungscharakter hinzukommen, wieder in die Elemente
aufzuteilen, die in ihre Herstellung - untrennbar - eingegangen
sind.
Nach dem EuGH-Urteil Hermann in Slg. 2005,
I-2025, BFH/NV Beilage 2005, 210= SIS 05 17 79 (Randnr. 22) sind im
Rahmen der Qualifizierung einer einheitlichen Leistung solche
Dienstleitungen, die mit der Vermarktung des Gegenstands notwendig
verbunden sind, nicht als Dienstleistungselemente zu
berücksichtigen. Dies wirft die Frage auf, ob und
gegebenenfalls weshalb es gerechtfertigt ist, eine notwendig und
untrennbar in die Herstellung des Gegenstands eingegangene
Dienstleistung als Dienstleistungselement „wieder
aufleben“ zu lassen.
cc) zu Frage 3
Nach der oben zitierten Rechtsprechung des
EuGH ist für die Qualifizierung einer einheitlichen Leistung,
die sowohl Liefer- als auch Dienstleistungselemente enthält,
auf ihr Wesen oder das überwiegende Element abzustellen.
Wie der Sachverhalt des Streitfalles zeigt,
sind bei einem Partyservice-Unternehmen oder bei einem
Catering-Unternehmen aufgrund der individuellen Kundenwünsche
verschiedene Leistungskombinationen des Unternehmers denkbar.
Würde man bei der Qualifizierung der komplexen einheitlichen
Leistung typisierend allein auf die Anzahl der Elemente mit
Dienstleistungscharakter abstellen, wäre dies zwar praktisch
handhabbar und würde zu vorhersehbaren Ergebnissen
führen. Diese Ergebnisse wären aber nicht immer
einleuchtend. Würde z.B. zusätzlich zum Transport der
Speisen zum Kunden entweder nur ein Stehtisch überlassen oder
würden die zur Nutzung überlassenen Behältnisse
wieder abgeholt, lägen bereits zwei Dienstleistungen vor.
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der
Leistungen von Partyservice-Unternehmen betrifft eine Vielzahl von
Unternehmern, sodass praxistaugliche Kriterien herausgearbeitet
werden müssen, um zu vorhersehbaren Ergebnissen bei der
Qualifizierung dieser Leistungen zu gelangen und Rechtssicherheit
für die betroffenen Unternehmer zu gewährleisten.
Der Senat hält es in Übereinstimmung
mit der Rechtsauffassung der Beteiligten bei den Leistungen eines
Partyservice-Unternehmens für eine praxistaugliche Abgrenzung,
die einheitliche Leistung immer dann als Dienstleistung zu
qualifizieren, wenn Bedienungspersonal überlassen wird. In
einem solchen Fall kann die Personalüberlassung als
prägend angesehen werden.
Bei den übrigen der in Betracht kommenden
Dienstleistungen neigt der Senat dazu, diese insbesondere dann
nicht als prägend oder dominierend anzusehen, wenn die Summe
ihrer tatsächlichen Kosten weit hinter den tatsächlichen
Kosten für die verzehrfertig zubereiteten Speisen
zurückbleibt. Er berücksichtigt dabei einerseits, dass es
sich bei den einzelnen Dienstleistungen bei isolierter Betrachtung
jeweils nur um eine Nebenleistung der Speisenlieferung handelt. Er
ist ferner der Auffassung, dass bei der Bedeutung eines
Leistungselements im Rahmen einer Gesamtleistung aus der Sicht des
Durchschnittsverbrauchers auch die anteilig darauf entfallenden
tatsächlichen Kosten eine Rolle spielen.
Fraglich könnte sein, ob diese
Betrachtungsweise mit der Rechtsprechung des EuGH vereinbar ist.
Nach dem EuGH-Urteil vom 27.10.2005 Rs. C-41/04 - Levob
Verzekeringen und OV Bank - (Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage
2006, 38 = SIS 06 02 01, Randnr. 28) können bei der Bestimmung
der dominierenden Bestandteile einer komplexen Leistung u.a. auch
die auf sie entfallenden Kosten relevant sein. Nach dem EuGH-Urteil
vom 29.3.2007 Rs. C-111/05 - Aktiebolaget NN - (Slg. 2007, I-2697 =
SIS 07 14 87, Randnr. 37) darf jedoch bei der Qualifizierung eines
komplexen Umsatzes den Kosten allein keine ausschlaggebende
Bedeutung zukommen.
Im Streitfall belaufen sich in den
umstrittenen Rechnungen die Preise für die Dienstleistungen,
die in der Regel gesondert berechnet worden sind, überwiegend
auf deutlich weniger und nur selten auf mehr als 20 % der für
die Speisen in Rechnung gestellten Preise. Danach dürften die
tatsächlichen Kosten der Nebenleistungen in Form der
Überlassung von Besteck, Geschirr oder Stehtischen jedenfalls
unter 30 % der Kosten für die verzehrfertig zubereiteten
Speisen liegen. Sie bleiben damit weit hinter den Kosten für
die Speisen zurück.
Die Frage 3 ist für die Entscheidung des
Streitfalles erheblich. Der Klage wäre stattzugeben, wenn die
Kosten der Nebenleistungen in die Qualifizierung der komplexen
Leistungen einbezogen würden. Sie wäre - jedenfalls im
Wesentlichen - abzuweisen, wenn es allein auf die Anzahl der
Leistungen mit Dienstleistungscharakter ankäme.
3. Rechtsgrundlage für die Anrufung des
EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft. Die Aussetzung des Verfahrens
beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der
Finanzgerichtsordnung.