Nahrungsmittel, USt-Satz, Ablagebrett, EuGH-Vorlage: Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: - 1. Ist der Begriff "Nahrungsmittel" in Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die - durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind? - 2. Falls "Nahrungsmittel" im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr sind: - Ist Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Mahlzeiten fällt, die der Abnehmer unter Inanspruchnahme von Verzehrvorrichtungen, wie z.B. Ablagebrettern, Stehtischen oder Ähnlichem, an Ort und Stelle verzehrt und nicht mitnimmt? (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 29.3.2010, IV D 2 - S 7100/07/10050, BStBl 2010 I S. 330 = SIS 10 06 83) - Urt.; BFH 15.10.2009, XI R 37/08; SIS 09 36 64
I. Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betrieb in den Jahren 1996 bis 1999 (Streitjahre)
mehrere Imbissstände und einen Schwenkgrill. Er verkaufte dort
verzehrfertige Speisen (Bratwurst, Currywurst, Hot Dog, Pommes
Frites bzw. Steaks, Bauchfleisch, Spieße,
Bauchrippe).
Er behandelte sämtliche Umsätze
aus der Abgabe von Speisen als solche, die dem
ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) führte eine Betriebsprüfung für
die Jahre 1996 bis 1999 durch. Dabei stellte die Prüferin
fest, dass an den Imbissständen Ablagebretter vorhanden waren.
Sie meinte, dass es sich hierbei um besondere Vorrichtungen
handele, die zum Verzehr von Speisen an Ort und Stelle bereit
gehalten würden. Deshalb seien die bisher mit dem
ermäßigten Steuersatz versteuerten Umsätze
grundsätzlich der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Da sie
nicht ausschloss, dass ein Teil der Kunden die vorhandenen
Ablagebretter nicht zum Verzehr benutzte, sondern die Speisen
„zum Mitnehmen“ erwarb, schätzte sie den Anteil
der der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze auf 80
%.
Das FA erließ am 28.5.2002
dementsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1996
bis 1999. Die hiergegen eingelegten Einsprüche hatten keinen
Erfolg.
Während des Klageverfahrens
erließ das FA am 9.8.2004 geänderte
Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999 aus
Gründen, die das vorliegende Verfahren nicht
betreffen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil
ist veröffentlicht in EFG 2008, 647 = SIS 08 16 37.
Der Kläger trägt zur
Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor, das
Ablagebrett an einem Imbissstand sei keine Infrastruktur im Sinne
der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH).
Er beantragt sinngemäß, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 1996 bis
1999 vom 9.8.2004 dahingehend zu ändern, dass die Umsätze
aus dem Verkauf der fertig zubereiteten Speisen als Lieferungen dem
ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind.
Das FA beantragt sinngemäß, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Senat legt dem EuGH die im Leitsatz
bezeichneten Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und
setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Die maßgeblichen Vorschriften und
Bestimmungen
a) Die Vorschriften des nationalen Rechts
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993/1999 bestimmt:
„Der Umsatzsteuer unterliegen die
folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen
seines Unternehmens ausführt.“
Die Höhe des Regelsteuersatzes ergibt
sich aus § 12 Abs. 1 UStG 1993/1999. Dieser beträgt in
den Streitjahren 15 % bzw. 16 % der Bemessungsgrundlage.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG
1993/1999 ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für
die Lieferungen der in der Anlage des Gesetzes bezeichneten
Gegenstände, darunter z.B. Zubereitungen von Fleisch, Fischen
usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch sowie
Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse, Früchten
usw. (Nr. 32) oder „verschiedene
Lebensmittelzubereitungen“ (Nr. 33). Die Anlage verweist
auf die jeweiligen Kapitel, Positionen und Unterpositionen des
Zolltarifs.
Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1
Sätze 2 und 3 UStG 1993 in der bis 26.6.1998 geltenden Fassung
(UStG 1993 a.F.) gilt der ermäßigte Steuersatz
„... nicht für die Lieferungen
von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle.
Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und Stelle
geliefert, wenn sie nach den Umständen der Lieferung dazu
bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Ort der
Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang steht, und
besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle
bereitgehalten werden.“
Durch Art. 4 Nr. 4 des Gesetzes zur
Datenermittlung für den Verteilungsschlüssel des
Gemeindeanteils am Umsatzsteueraufkommen und zur Änderung
steuerlicher Vorschriften vom 23.6.1998 - UStGemAntG - (BGBl I
1998, 1496) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 27.6.1998 die
Sätze 2 und 3 in § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993 a.F.
gestrichen.
§ 3 Abs. 1 UStG 1993/1999 bestimmt:
„Lieferungen eines Unternehmers sind
Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den
Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im
eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen
(Verschaffung der Verfügungsmacht).“
§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG 1993/1999
regelt:
„Sonstige Leistungen sind Leistungen,
die keine Lieferungen sind.“
Mit Wirkung vom 27.6.1998 fügte der
Gesetzgeber durch Art. 4 Nr. 1 UStGemAntG in § 3 Abs. 9 UStG
1993 die Sätze 4 und 5 ein. Diese lauten:
„Die Abgabe von Speisen und
Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle ist eine sonstige
Leistung. Speisen und Getränke werden zum Verzehr an Ort und
Stelle abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu
bestimmt sind, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem
Abgabeort in einem räumlichen Zusammenhang steht, und
besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle
bereitgehalten werden.“
b) Die Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG) lautet:
„Der Mehrwertsteuer
unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland
gegen Entgelt ausführt;
...“
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
regelt:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt
die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu
verfügen.“
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG
bestimmt:
„Als Dienstleistung gilt jede
Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des
Artikels 5 ist.“
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie
77/388/EWG sieht vor:
„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer
wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der
Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von
Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.
...
Die Mitgliedstaaten können
außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze
anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein
Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht
niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von
Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten
Kategorien anwendbar.
...“
Anhang H („Verzeichnis der
Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte
MWSt.-Sätze angewandt werden können“) der
Richtlinie 77/388/EWG nennt als Kategorie 1 u.a.
„Nahrungs- und Futtermittel“ sowie
„üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs-
und Futtermitteln verwendete Zutaten“.
2. Rechtliche Würdigung
a) Steuerrechtliche Behandlung der Leistungen
des Klägers nach nationalem Recht
aa) Die Umsätze des Klägers im Jahr
1996 und bis zum 26.6.1998 aus dem Verkauf von Speisen und
Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle unterliegen nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 a.F. insoweit
dem Regelsteuersatz, als die Kunden die Ablagebretter zum Verzehr
der erworbenen Speisen tatsächlich genutzt haben. Denn nach
dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.3.2000 V R 27/99 (BFHE
191, 429, BStBl II 2000, 482 = SIS 00 09 93) sind Ablagebretter
Verzehrvorrichtungen im Sinne dieser Vorschrift. Ferner sind die
vom Kläger gelieferten Speisen nach den Umständen der
Lieferung dazu bestimmt, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit
dem Ort der Lieferung in einem räumlichen Zusammenhang
steht.
bb) Ab dem 27.6.1998 und im Jahr 1999 handelt
es sich bei den Umsätzen des Klägers aus dem Verkauf von
Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle nach
§ 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG 1993/1999 um sonstige
Leistungen, die dem Regelsteuersatz unterliegen, soweit die Kunden
die Ablagebretter zum Verzehr der erworbenen Speisen
tatsächlich genutzt haben. Denn, wie bereits ausgeführt,
sind Ablagebretter Verzehrvorrichtungen im Sinne dieser Vorschrift.
Die oben zitierte BFH-Rechtsprechung zu § 12 Abs. 2 Nr. 1
Sätze 2 und 3 UStG 1993 a.F. gilt insofern auch für
§ 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG 1993/1999.
cc) Der deutsche Gesetzgeber hat denselben
Lebensvorgang - die Überlassung von Speisen und
Getränken, die der Abnehmer unter Inanspruchnahme von
dafür zur Verfügung gestellten Vorrichtungen an Ort und
Stelle verzehrt - für die Streitjahre 1996 bis zum 26.6.1998
in § 12 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 UStG 1993 a.F.
einerseits und für die Zeit ab dem 27.6.1998 in § 3 Abs.
9 Sätze 4 und 5 UStG 1993/1999 andererseits zwar rechtlich
unterschiedlich qualifiziert, aber in beiden Fällen dem
Regelsteuersatz unterworfen. Während er den Vorgang
zunächst als Warenlieferung angesehen hat, hat er ihn mit
Wirkung ab dem 27.6.1998 als Dienstleistung qualifiziert.
Da sich die einschlägigen Bestimmungen
der Richtlinie 77/388/EWG in dieser Zeit nicht geändert haben,
kann gemeinschaftsrechtlich nur eine der beiden Qualifizierungen
zutreffend sein.
Der BFH hat in einem Urteil vom 18.12.2008 V R
55/06 (BFHE 223, 539, BFH/NV 2009, 673 = SIS 09 08 71) den Vorgang
der Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zu einem - vom
jeweiligen Kunden - bestimmten Zeitpunkt als ein wesentliches
Dienstleistungselement berücksichtigt. Er hat dafür auf
das EuGH-Urteil vom 2.5.1996 Rs. C-231/94 - Faaborg-Gelting Linien
- (Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24) verwiesen,
wonach die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen
Verzehr das „Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom
Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen“ (Randnr. 13)
sei. Dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Zubereitung von
Mahlzeiten als Herstellungsvorgang im Rahmen einer Dienstleistung
und nicht als einen Vorgang beurteile, der zur Lieferung von
Nahrungsmitteln gehöre, folge auch daraus, dass in Anhang H
Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG u.a. Nahrungsmittel und die
für die Zubereitung von Nahrungsmitteln verwendeten Zutaten
aufgeführt seien, nicht aber die Zubereitung selbst.
Dieses Verständnis, wonach die
Zubereitung zum sofortigen Verzehr als Dienstleistungselement zu
berücksichtigen sei, werde auch durch eine aufgrund der
Erweiterung der Gemeinschaft veranlasste Übergangsregelung
bestätigt. Art. 129 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) erlaube Slowenien die Anwendung eines
ermäßigten Steuersatzes für die Zubereitung von
Mahlzeiten.
Dem entspreche die nationale Regelung in
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993/1999 in Verbindung mit der Anlage
zu diesem Gesetz. Letztere verweise auf den Gemeinsamen Zolltarif
der Europäischen Gemeinschaft, dem die Kombinierte Nomenklatur
des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Codierung der Waren
zu Grunde liege. Lebensmittelzubereitung im zolltariflichen Sinne
sei nur die Vermischung und Vermengung einzelner Bestandteile,
nicht aber die verzehrfertige Zubereitung im Sinne eines Kochens,
Bratens oder Backens zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Die Auffassung, die Zubereitung einer Speise
oder Mahlzeit zum sofortigen Verzehr sei als Dienstleistungselement
zu berücksichtigen, spricht dafür, die Überlassung
einer verzehrfertigen Speise bereits dann insgesamt als
Dienstleistung zu qualifizieren, wenn (lediglich) noch ein weiteres
nicht unwesentliches Dienstleistungselement, wie die
Überlassung eines Ablagebretts oder eines Stehtisches,
hinzukommt.
Der erkennende Senat hält es unter
Berücksichtigung der an der dargestellten Rechtsprechung
geäußerten Kritik aber nicht mehr mit der erforderlichen
Sicherheit für zweifelsfrei, ob die Zubereitung einer Speise
zu einem bestimmten Zeitpunkt als ein wesentliches
Dienstleistungselement zu berücksichtigen ist, das entweder
allein oder zusammen mit einer nicht unwesentlichen
zusätzlichen Dienstleistung bei der Abgabe an den Kunden dazu
führt, insgesamt eine Dienstleistung anzunehmen.
b) Zu den einzelnen Vorlagefragen
aa) Zu Frage 1
Wenn zum sofortigen Verzehr zubereitete
Speisen oder Mahlzeiten keine „Nahrungsmittel“
im Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG
wären, wären die Mitgliedstaaten nicht ermächtigt,
derartige Speisen dem ermäßigten Steuersatz zu
unterwerfen. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1993/1999 in Verbindung
mit der Anlage zum Gesetz wäre richtlinienkonform dahin
auszulegen, dass die Leistungen des Betreibers eines Imbissstands
auf jeden Fall dem Regelsteuersatz unterlägen, also
unabhängig davon, ob die Kunden die Speisen oder Mahlzeiten an
Ablagebrettern oder Stehtischen verzehren oder „zum
Mitnehmen“ erwerben. Im Streitfall wäre die Klage
abzuweisen.
Die Anwendung des ermäßigten
Steuersatzes ist eine Begünstigung, sodass es nach dem Zweck
der Bestimmung nicht zwingend erscheint, als Nahrungsmittel im
Sinne des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG auch
Speisen oder Mahlzeiten anzusehen, die - anders als z.B. zum
Verkauf im Lebensmittelhandel zubereitete Speisen - zum sofortigen
Verzehr zu einem bestimmten Zeitpunkt zubereitet worden sind. Auch
die Slowenien in Art. 129 Abs. 1 der MwStSystRL erteilte Erlaubnis,
für die Zubereitung von Mahlzeiten einen ermäßigten
Steuersatz anzuwenden, kann möglicherweise so verstanden
werden, dass zum sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten nicht
nach Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG begünstigt
sind.
Gleiches gilt, soweit in Erwägungsgrund 3
der Richtlinie 2009/47/EG des Rates vom 5.5.2009 zur Änderung
der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte
Mehrwertsteuersätze (Amtsblatt der Europäischen Union -
ABlEU - Nr. L 116/18) und in Art. 55 und 57 der MwStSystRL in der
Fassung der Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12.2.2008 zur
Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes
der Dienstleistung (ABlEU Nr. L 44/11) mit Wirkung ab dem 1.1.2010
die „Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen“ genannt werden. Der Begriff
„Verpflegungsdienstleistungen“ ist in diesen
Richtlinien nicht definiert. Es können damit
möglicherweise Speisen oder Mahlzeiten gemeint sein, die zum
sofortigen Verzehr zubereitet worden sind und außerhalb von
Restaurants überlassen werden.
bb) Zu Frage 2
(1) Sollte es sich bei den umstrittenen
Leistungen des Klägers um Dienstleistungen i.S. des Art. 6
Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG handeln, wäre der deutsche
Gesetzgeber verpflichtet, sie dem Regelsteuersatz zu unterwerfen.
Die im hier maßgeblichen Zeitraum geltenden Vorschriften des
deutschen Rechts wären im Ergebnis gemeinschaftsrechtskonform
und die Klage wäre abzuweisen.
Würde es sich hingegen bei der
Überlassung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr
nebst Verzehrvorrichtungen um Warenlieferungen i.S. des Art. 5 Abs.
1 der Richtlinie 77/388/EWG handeln, wäre der ab dem 27.6.1998
geltende § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG 1993/1999, der
diese Leistung als Dienstleistung qualifiziert,
gemeinschaftsrechtswidrig und zugunsten des Steuerpflichtigen nicht
anzuwenden. Es läge eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
1993/1999 begünstigt zu besteuernde Lieferung von
Nahrungsmitteln vor und der Klage wäre insoweit
stattzugeben.
(2) Ob es sich bei der Überlassung von
Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle um eine Warenlieferung oder
um eine Dienstleistung handelt, hängt nach Auffassung des
Senats davon ab, ob der Vorgang der Zubereitung als
Dienstleistungselement zu berücksichtigen ist. Wäre dies
der Fall, läge nach Ansicht des Senats bei der
Überlassung von Speisen oder Mahlzeiten an einem Imbissstand
insgesamt eine Dienstleistung vor, soweit die Speisen oder
Mahlzeiten nicht mitgenommen, sondern unter Inanspruchnahme von
Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle verzehrt
werden. Es wäre - jedenfalls schon aus Gründen der
Praktikabilität - nicht nach dem konkreten Arbeitsaufwand zu
differenzieren, den die Herstellung der jeweiligen Speise oder
Mahlzeit erfordert hat. Vielmehr wäre das in der Zubereitung
liegende Dienstleistungselement typisierend als so gewichtig
anzusehen, dass schon das Hinzutreten einer nicht nur
unwesentlichen Nebenleistung, z.B. der Überlassung eines
Ablagebretts oder eines Stehtisches, für die Annahme
ausreichen würde, der Umsatz werde durch seine
Dienstleistungselemente geprägt.
Zwar kann sich die Auffassung, der Vorgang der
Zubereitung sei im Rahmen der Gesamtwürdigung als
Dienstleistungselement zu berücksichtigen, auf den Wortlaut
der Randnr. 13 des EuGH-Urteils Faaborg-Gelting Linien in Slg.
1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 = SIS 96 15 24 stützen. Es
erscheint jedoch nicht zweifelsfrei, ob die fallbezogenen Aussagen
in diesem Urteil, das zu einem Restaurationsumsatz ergangen ist,
losgelöst von dem konkreten Sachverhalt zu verstehen und auf
die Leistungen eines Betreibers eines Imbissstands übertragbar
sind.
Wenn die verzehrfertig zubereiteten Speisen
„Gegenstände“ sind, an denen dem Kunden mit
der Übergabe die Verfügungsmacht verschafft wird (Art. 5
Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG), dann erscheint es jedenfalls
nicht zwingend, diese Gegenstände dann, wenn eine oder mehrere
Leistungen mit Dienstleistungscharakter hinzukommen, wieder in die
Elemente aufzuteilen, die in ihre Herstellung - untrennbar -
eingegangen sind. Denn nach dem EuGH-Urteil vom 10.3.2005 Rs.
C-491/03 - Hermann - (Slg. 2005, I-2025, BFH/NV Beilage 2005, 210 =
SIS 05 17 79, Randnr. 22) sind im Rahmen der Qualifizierung einer
einheitlichen Leistung solche Dienstleitungen, die mit der
Vermarktung des Gegenstands notwendig verbunden sind, nicht als
Dienstleistungselemente zu berücksichtigen. Dies wirft die
Frage auf, ob und ggf. weshalb es gerechtfertigt ist, eine
notwendig und untrennbar in die Herstellung des Gegenstands
eingegangene Dienstleistung als Dienstleistungselement
„wieder aufleben“ zu lassen.
Sollte die Zubereitung im Rahmen der
Qualifizierung einer einheitlichen Leistung nicht als
Dienstleistungselement zu berücksichtigen sein, wäre zu
entscheiden, ob bei der einheitlichen Leistung des Betreibers eines
Imbissstands die Überlassung der Speisen als Lieferelement
oder die Überlassung der Ablagebretter oder Stehtische als
Dienstleistungselement den Umsatz prägt.
In diesem Fall neigt der Senat dazu, das
Zurverfügungstellen der Ablagebretter als Nebenleistung zur
Lieferung der Speisen und damit als nicht prägend zu
beurteilen. Denn diese haben für die Kundschaft keinen eigenen
Zweck, sondern stellen das Mittel dar, um die Lieferung der Speisen
unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. allgemein
hierzu EuGH-Urteil vom 25.2.1999 Rs. C-349/96 - CCP -, Slg. 1999,
I-973 = SIS 99 10 25, Randnr. 30). Anders wäre dies bei der
nach Ansicht des Senats gebotenen typisierenden Betrachtung, wenn
der Unternehmer den Kunden neben Tischen auch Stühle
bereitstellt und der Kunde diese nutzt, weil dies dem Umsatz einen
restaurationsähnlichen Charakter verleiht.
3. Rechtsgrundlage für die Anrufung des
EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft. Die Aussetzung des Verfahrens
beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der
Finanzgerichtsordnung.