GmbH-Geschäftsführer, Abfindung bei Auflösung des Anstellungsvertrags: Wird der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH zur Vermeidung einer Kündigung aufgelöst und erhält der Geschäftsführer in diesem Zusammenhang eine Abfindung, ist diese auch dann eine tarifbegünstigte Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn die GmbH Gesellschafter-Geschäftsführerin einer Mitunternehmerschaft und der Geschäftsführer deren minderheitsbeteiligter Mitunternehmer ist. - Urt.; BFH 24.6.2009, IV R 94/06; SIS 09 29 06
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG,
die zur X-Unternehmensgruppe gehört. Komplementärin und
Geschäftsführerin ist die L-GmbH, Kommanditistin ist seit
Beginn des Streitjahrs 1994 die O GmbH & Co. KG (O-KG), in die
die früheren Kommanditisten ihre Anteile eingebracht hatten.
An den Kommanditanteilen hatten Unterbeteiligungen der Kinder der
Kommanditisten bestanden, die auch nach der Einbringung der
Kommanditanteile in die O-KG bestehen blieben. Einer der
Unterbeteiligten mit einem Kapitalanteil von 4 % ist der
Beigeladene. Er war bis zum Ende des Streitjahrs
Geschäftsführer der L-GmbH sowie aufgrund eines
wortgleichen Anstellungsvertrags auch Geschäftsführer der
X Verwaltungs-GmbH (V-GmbH) und weiterer Gesellschaften der
Unternehmensgruppe.
Wegen Meinungsverschiedenheiten über
die Geschäftsführung wurden die Anstellungsverträge
des Beigeladenen mit allen Unternehmen der Gruppe zum 31.12.1994
aufgehoben. Als „Entschädigung für den Verlust des
Arbeitsplatzes“ sollte der Beigeladene einen bis zum
Jahresende zahlbaren Betrag von 550.000 DM erhalten. Hiervon
übernahm die Klägerin 275.000 DM. Gleichzeitig wurde
für die beiden Folgejahre noch ein Beratungsvertrag mit einem
Honorar von 48.000 DM bzw. 36.000 DM geschlossen.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1994 hatte die Klägerin den Betrag von 275.000 DM als nach
§ 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
tarifbegünstigt angegeben. Dem war der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) zunächst gefolgt,
änderte seine Meinung aber nach einer Außenprüfung
und erließ einen entsprechend geänderten
Feststellungsbescheid vom 7.7.1998. Nach erfolglosem Einspruch wies
das Finanzgericht (FG) auch die Klage ab (EFG 2006, 1909 = SIS 06 46 51).
Mit der Revision macht die Klägerin
weiter geltend, die Abschlusszahlung an den Beigeladenen sei nach
§ 24 Nr. 1 Buchst. a bzw. Buchst. b i.V.m. § 34 Abs. 2
Nr. 2 EStG tarifbegünstigt.
Sie beantragt, unter Aufhebung der
Vorentscheidung den Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Gewinnfeststellung 1994 vom 7.7.1998 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11.11.2004 dahingehend zu ändern,
dass die Abfindung von 275.000 DM als tarifbegünstigt
ausgewiesen wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Die
Abfindung in Höhe von 275.000 DM ist als Entschädigung
gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2
Nr. 2 EStG tarifbegünstigt. Dies ist in dem angefochtenen
Gewinnfeststellungsbescheid festzustellen.
1. Nach § 34 Abs. 1 EStG ist die
Einkommensteuer für im zu versteuernden Einkommen enthaltene
außerordentliche Einkünfte nach einem
ermäßigten Tarif zu bemessen. Ob nach § 180 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) gesondert und einheitlich
festgestellte Einkünfte die Voraussetzungen für diese
Tarifbegünstigung erfüllen, ist eine mit den
Einkünften in Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlage, die
nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ebenfalls gesondert
festzustellen ist.
2. a) Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen
als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen
i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Gemäß §
24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S.
des § 2 Abs. 1 EStG Entschädigungen, die als Ersatz
für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.
Eine solche Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige
Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und
der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch
auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht
(ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 16.6.2004 XI R 55/03, BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055
= SIS 04 39 12, unter II.1. der Gründe, m.w.N.). Zahlungen im
Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses,
die an die Stelle weggefallener Einnahmen treten und nicht
Erfüllungsleistungen des ursprünglichen
Arbeitsverhältnisses sind, sind Ersatzleistungen i.S. des
§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
Weiter setzt der Begriff der
Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG voraus,
dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite
veranlasst oder vom Steuerpflichtigen selbst unter rechtlichem,
wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck herbeigeführt
worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.9.1993 IX R 32/90, BFH/NV 1994,
308); der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis nicht
aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.
b) Die Abfindung, die der Beigeladene im
Zusammenhang mit der Aufhebung des Anstellungsvertrags als
Geschäftsführer der GmbH erhalten hat, erfüllt die
vorstehenden Voraussetzungen einer Entschädigung.
aa) Der Aufhebungsvertrag begründet eine
neue Rechtsgrundlage für die Abfindung des Beigeladenen; die
Abfindung wird nicht in Erfüllung des bisherigen
Dienstverhältnisses gezahlt. Zwar hat der Beigeladene an dem
Aufhebungsvertrag mitgewirkt. Dabei stand er aber unter einem
erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Druck, weil
anderenfalls der Anstellungsvertrag gekündigt worden
wäre. Der Aufhebung des Anstellungsverhältnisses konnte
sich der Beigeladene danach im Ergebnis nicht entziehen.
bb) Die Abfindung ist auch Ersatz für
entgehende, also künftig nicht mehr entstehende Einnahmen. Es
ist insoweit ohne Bedeutung, dass der Beigeladene weiter als
Unterbeteiligter Einkünfte aus der mitunternehmerischen
Beteiligung an der Klägerin erzielt. Zwar waren auch die
Einkünfte aus der Tätigkeit als Geschäftsführer
der Komplementär-GmbH nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
als Sondervergütungen in solche aus Gewerbebetrieb
umzuqualifizieren und bildeten so einen Bestandteil der aus der
mitunternehmerischen Beteiligung bezogenen Einkünfte (vgl.
BFH-Urteil vom 6.7.1999 VIII R 46/94, BFHE 189, 139, BStBl II 1999,
720 = SIS 99 18 38, m.w.N.). Die Abfindung ist ebenfalls als
Sondervergütung zu behandeln und in gewerbliche Einkünfte
umzuqualifizieren. Ungeachtet der Beendigung des
Anstellungsvertrags handelt es sich bei der Abfindung noch um eine
durch die frühere Tätigkeit veranlasste und damit
„für“ eine Tätigkeit i.S. des §
15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz EStG geleistete
Vergütung.
Gleichwohl können die Einkünfte aus
der Geschäftsführungstätigkeit von den anderen
Bestandteilen der mitunternehmerisch bezogenen Einkünfte
jedenfalls dann abgegrenzt werden, wenn der Mitunternehmer
Geschäfte einer an der Mitunternehmerschaft beteiligten
Kapitalgesellschaft führt (gl.A. im Ergebnis Brucker,
Steuerwarte 2006, 154, 155; Paus, Die Information über Steuer
und Wirtschaft 1997, 37, 38; Preuschoff, BB 1999, 1464, 1468; a.A
FG Köln, Urteil vom 20.9.1995 12 K 3591/93, EFG 1996, 9 = SIS 96 05 41, rkr.). Das vom FG hervorgehobene Argument, die
Umqualifizierung der Sondervergütungen stelle die
Gleichbehandlung von Mitunternehmer und Einzelunternehmer sicher,
weil Letzterer seine gewerblichen Einkünfte nicht durch
schuldrechtliche Verträge mit sich selbst zum Teil anderen
Einkunftsarten zuordnen könne, ist zwar für sich genommen
zutreffend (vgl. etwa BFH-Urteile vom 27.4.2006 IV R 41/04, BFHE
214, 69, BStBl II 2006, 755 = SIS 06 37 12, unter II.1.c der
Gründe, und in BFHE 189, 139, BStBl II 1999, 720 = SIS 99 18 38). Es betrifft aber hinsichtlich der hier zu entscheidenden Frage
nach Meinung des erkennenden Senats nicht Anstellungsverträge
mit einer Kapitalgesellschaft. Aus einer
Geschäftsführungstätigkeit für eine
Kapitalgesellschaft würde auch ein Einzelunternehmer
Einkünfte aus einer eigenständigen Einkunftsquelle
beziehen. Die Abfindung im Zusammenhang mit einer vorzeitigen
Beendigung des Anstellungsverhältnisses würde für
ihn eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
darstellen, auch soweit er selbst Anteilseigner der
Kapitalgesellschaft wäre. Dass die betreffenden
Vergütungen bei einem Mitunternehmer gleichwohl umqualifiziert
werden, weil die Geschäftsführungstätigkeit
mittelbar der Mitunternehmerschaft zugute kommt, ändert an der
Abgrenzbarkeit für Zwecke des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
nichts.
3. Bei der Entschädigung handelt es sich
schließlich auch um außerordentliche Einkünfte
i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG.
Dafür ist grundsätzlich
Voraussetzung, dass die zu begünstigenden Einkünfte in
einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die
Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche
Belastungen entstehen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur
in solchen Fällen geboten, in denen neben einer
Hauptentschädigungsleistung aus Gründen der sozialen
Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit
ergänzende Entschädigungszusatzleistungen gewährt
werden, die auch betragsmäßig nur einen ergänzenden
Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht
erreichen (BFH-Urteil vom 28.6.2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319,
BStBl II 2006, 835 = SIS 06 37 73, m.w.N.). Entschädigungen,
die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses
gewährt werden, sind grundsätzlich einheitlich zu
beurteilen (BFH-Urteil vom 14.5.2003 XI R 12/00, BFHE 203, 38,
BStBl II 2004, 449 = SIS 03 45 40).
Im Streitfall ist die Entschädigung von
275.000 DM geballt innerhalb eines Jahres gezahlt worden. Da die
Entschädigung erheblich über dem ansonsten zu zahlenden
Geschäftsführergehalt lag, bewirkt sie infolge des
progressiven Tarifs die Anwendung eines erhöhten Steuersatzes.
Die zugleich vereinbarten Leistungen in den beiden Folgejahren
stehen der Annahme einer Zusammenballung in einem
Veranlagungszeitraum nicht entgegen. Sie beruhen auf einer
eigenständigen Rechtsgrundlage und sind Gegenleistung für
künftig vom Beigeladenen zu erbringende Beratungsleistungen,
gelten also nicht den Schaden aus der Aufhebung des
Anstellungsvertrags ab.
4. Die Sache ist entscheidungsreif. Die
gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
1994 ist unter Aufhebung der Vorentscheidung dahin zu
ergänzen, dass von den auf den Beigeladenen entfallenden
Einkünften 275.000 DM tarifbegünstigte
außerordentliche Einkünfte sind.