Ausfuhrlieferung in Drittland, Rücklieferung, Belegnachweis: 1. Die Anforderungen an den nach § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 ff. UStDV beizubringenden Belegnachweis können nicht durch die Finanzverwaltung um weitere Voraussetzungen, wie z.B. das Erfordernis, die Bevollmächtigung eines für den Abnehmer handelnden Beauftragten belegmäßig nachzuweisen, verschärft werden. - 2. Der vom Unternehmer beigebrachte Belegnachweis unterliegt der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung. Im Rahmen dieser Prüfung ist nach den allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen zu entscheiden, ob eine vom Vertreter des Abnehmers behauptete Bevollmächtigung besteht. Dabei bestimmt sich die Person des Abnehmers einer Ausfuhrlieferung nach dem der Ausfuhrlieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 5.5.2010, IV D 3 - S 7141/08/10001, BStBl 2010 I S. 508 = SIS 10 11 54) - Urt.; BFH 23.4.2009, V R 84/07; SIS 09 25 69
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine KG, betreibt ein Juweliergeschäft. In
den Streitjahren 1996 und 1998 erwarb K von der Klägerin
Armbanduhren im erheblichen Umfang und gab dabei an, als
Stellvertreter für den im Drittlandsgebiet ansässigen F
zu handeln. Die Klägerin hatte zu F keinen unmittelbaren
Kontakt. Der Klägerin lag auch keine für K erteilte
Vollmacht vor. Sie erstellte über die von ihr gelieferten
Uhren Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen für
Umsatzsteuerzwecke bei Ausfuhren im außergemeinschaftlichen
Reiseverkehr gemäß § 17 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV), nach denen F der
Abnehmer der Lieferungen war. F führte die Uhren nach Erhalt
von K teils über den Flughafen Paris-Charles de Gaulle, teils
über die Hauptzollämter Krefeld und Düsseldorf aus,
wobei die Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen vom
französischen oder vom deutschen Zoll abgestempelt wurden. Bei
der jeweils nächsten Einreise „nach Europa“ gab F
Uhren und Ausfuhrpapiere an K zurück. K veräußerte
die Uhren auf Uhrenbörsen und händigte die
Ausfuhrbescheinigungen an die Klägerin aus. Die Klägerin
behandelte die Umsätze zunächst als steuerpflichtig und
behielt die Umsatzsteuer ein. Nach Aushändigung der jeweiligen
Ausfuhrbescheinigung erstattete sie die Umsatzsteuer an K und
machte für die Umsätze in ihren
Umsatzsteuererklärungen die Steuerfreiheit für
Ausfuhrlieferungen geltend.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) ging im Anschluss an ein steuerstrafrechtliches
Ermittlungsverfahren gegen K davon aus, dass die Klägerin
keine steuerfreien Ausfuhrlieferungen erbracht habe, und
änderte die für die Streitjahre bestehenden
Umsatzsteuerfestsetzungen durch die Bescheide vom 21.2.2002. Der
Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt,
da die Ausfuhrlieferungen steuerfrei seien. Aus den
Ausfuhrbescheinigungen ergebe sich unstreitig, dass F als Abnehmer
die von der Klägerin erworbenen Uhren in das Drittlandsgebiet
befördert habe. Bei F handele es sich um einen
ausländischen Abnehmer, dessen Wohnsitz sich nach den Angaben
in seinem Reisepass im Drittlandsgebiet befunden habe.
Das Urteil des FG ist in EFG 2008, 1240 =
SIS 08 36 59 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts. Der Unternehmer müsse nach
§ 6 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) nachweisen,
dass es sich um einen „außengebietlichen“
Abnehmer handele. Dabei komme es auf die allgemeinen Beweisregeln
und -grundsätze an. Der Beweis könne z.B. dadurch
geführt werden, dass eine Kopie des Reisepasses zu den
Büchern genommen werde. Die für die Beurteilung des
Wohnorts maßgeblichen Umstände könnten auch auf der
Rechnungsdurchschrift vermerkt werden. Der Abnehmer könne den
Gegenstand durch einen Beauftragten abholen lassen. Dabei
könne es sich auch um einen inländischen Beauftragten
handeln. Es müsse aber zweifelsfrei feststehen, wer das
Wirtschaftsgut ins Ausland überführt habe. Der
Klägerin hätten weder Personaldokumente des K noch solche
des F und auch keine von F erteilte Vollmacht vorgelegen. Die
Klägerin habe nur über vom Zoll abgestempelte Ausfuhr-
und Abnehmerbescheinigungen verfügt. Aus diesen ergebe sich
nur, dass die Uhren in das Ausland gelangt seien und der
Zollbehörde Grenzübertrittspapiere des F vorlagen.
Demgegenüber könne der Nachweis, dass es sich bei F um
einen „außengebietlichen“ Abnehmer handele, nur
durch den Ausfuhrbeleg mit einer Abschrift oder Kopie des
Reisepasses etc. geführt werden. Auch die
Bevollmächtigung sei schriftlich nachzuweisen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
Könnten entsprechend der
Rechtsauffassung des FA die für den Wohnort maßgeblichen
Umstände auf der Rechnungsdurchschrift vermerkt werden, sei es
ausreichend, wenn sich diese Angaben, wie im Streitfall, aus den
Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen ergeben. Diese belegten, dass
die Ausfuhr jeweils durch F erfolgt sei. Eine Bevollmächtigung
müsse nicht in Form von Urkunden oder Dokumenten
vorliegen.
II. Die Revision des FA ist im Ergebnis
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Feststellungen des
FG erlauben keine abschlie-
ßende Entscheidung darüber, ob die
Lieferungen der Klägerin als Ausfuhrlieferungen nach § 6
UStG steuerfrei sind.
1. Ausfuhrlieferungen sind nach § 4 Nr. 1
Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG
steuerfrei.
a) Die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung
nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
und 2 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den
Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen
Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, befördert oder versendet
hat. Erfolgt die Beförderung oder Versendung durch den
Abnehmer, ist die Lieferung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs.
2 Nr. 1 UStG nur steuerfrei, wenn der Abnehmer seinen Wohnort oder
Sitz im Ausland hat und daher ausländischer Abnehmer ist.
Gemeinschaftsrechtlich beruht diese Regelung auf Art. 15 Nr. 1 und
Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei
sind danach die Lieferungen von Gegenständen, die durch den
Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten
außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert
werden und die Lieferungen von Gegenständen, die durch den
nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen
Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder
befördert werden.
b) Der Unternehmer muss nach § 6 Abs. 4
UStG die Voraussetzungen der steuerfreien Ausfuhrlieferung
nachweisen, wobei das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit
Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung bestimmen kann,
wie der Nachweis zu führen ist. Nach § 8 ff. UStDV hat
der Unternehmer einen Ausfuhrnachweis durch Belege zu erbringen
sowie nach § 13 UStDV buchmäßige Aufzeichnungen zu
führen. Der Unternehmer muss insbesondere nach § 8 Abs. 1
UStDV durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den
Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert
oder versendet hat. Im Fall der Beförderung durch den
Unternehmer oder den Abnehmer muss der Ausfuhrbeleg nach § 9
Abs. 1 UStDV Name und Anschrift des Abnehmers, die
handelsübliche Bezeichnung und Menge des ausgeführten
Gegenstands, den Ort und den Tag der Ausfuhr und eine
Ausfuhrbestätigung der Grenzzollstelle enthalten. Nach §
17 UStDV sind im nichtkommerziellen Reiseverkehr zusätzliche
Angaben zu Namen und Anschrift des Abnehmers und eine
Bestätigung der Grenzzollstelle, dass die Angaben zu Namen und
Anschrift des Abnehmers mit dem vom Beförderer vorgelegten
Pass oder Grenzübertrittpapier übereinstimmen,
erforderlich.
Die beleg- und buchmäßigen
Nachweispflichten beruhen gemeinschaftsrechtlich auf Art. 15 Nr. 1
und Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Mitgliedstaaten
Ausfuhrlieferungen „unter den Bedingungen, die sie zur
Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der
nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von
Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen
Missbräuchen festsetzen“, von der Steuer befreien
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.7.2008 V R 21/06, BFHE
222, 143, BFH/NV 2009, 95 = SIS 08 42 93, unter II. 2. a).
c) Liegen die Voraussetzungen des § 6
Abs. 1 Satz 1 UStG vor und hat der Steuerpflichtige den Buch- und
Belegnachweis erbracht, ist für die Steuerbefreiung der
Lieferung grundsätzlich unerheblich, ob nach der
Beförderung in das Drittlandsgebiet aufgrund der
Rückbeförderung in das Gemeinschaftsgebiet
Einfuhrumsatzsteuer zu erheben war und ob die Voraussetzungen
für eine Steuerfreiheit der Einfuhr nach § 12 der
Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung vorlagen.
2. Das Urteil des FG verletzt § 6 UStG
und war daher aufzuheben. Zwar hat die Klägerin den Beleg- und
Buchnachweis erbracht, wie das FG zutreffend entschieden hat. Nicht
hinreichend berücksichtigt hat das FG demgegenüber den
nur vorläufigen Nachweischarakter der Beleg- und Buchangaben.
Sein Urteil war daher aufzuheben.
a) Nach den Beleg- und Buchangaben der
Klägerin war F der Abnehmer der Lieferungen. Die Klägerin
hat nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) den
Namen und die Anschrift des im Ausland ansässigen F, der die
Gegenstände in das Drittlandsgebiet beförderte, als
Abnehmer aufgezeichnet (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UStDV). Weiter
enthielten auch die Ausfuhrbelege (§ 17 UStDV) den Namen und
die Anschrift des F als Abnehmer.
Die Klägerin hat damit nach den
Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 UStG hinsichtlich der Person des Abnehmers F beleg- und
buchmäßig nach § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§
8 ff. UStDV nachgewiesen.
b) Entgegen der Auffassung des FA sind
weitergehende belegmäßige Nachweise zur
ausländischen Ansässigkeit des Abnehmers oder zum
Abschluss der den Lieferungen zugrunde liegenden Kaufverträge
durch einen Bevollmächtigten im Rahmen der Nachweispflichten
gemäß § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8 ff.
UStDV nicht zu erbringen. Denn der Unternehmer muss seine
steuerlichen Verpflichtungen im Voraus kennen (Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom
27.9.2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008,
25 = SIS 08 00 38 Rz 48). Die Finanzverwaltung darf daher die
Anforderungen in §§ 8 ff. UStDV nicht um weitere
Voraussetzungen wie z.B. das Erfordernis, die Bevollmächtigung
eines für den Abnehmer handelnden Beauftragten
belegmäßig nachzuweisen, erweitern. Dementsprechend kann
deshalb die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht allein
unter Hinweis auf das Fehlen von anderen als den in den
§§ 8 ff. UStDV aufgeführten Nachweisen versagt
werden.
c) Der Steuerpflichtige ist zwar aufgrund
eines vollständigen Beleg- und Buchnachweises berechtigt, die
Lieferung als steuerfrei zu behandeln. Die aufgrund des Beleg- und
Buchnachweises vorliegenden Angaben unterliegen jedoch der
Nachprüfung durch die Finanzverwaltung (BFH-Urteile in BFHE
222, 143 = SIS 08 42 93, unter II. 2. b; vom 14.12.1994 XI R 70/93,
BFHE 176, 494, BStBl II 1995, 515 = SIS 95 09 41, unter II. 2.).
Ergibt sich bei einer Überprüfung der Buch- und
Belegangaben nach den allgemeinen Beweisregeln und
-grundsätzen deren Unrichtigkeit, ist die Ausfuhrlieferung
trotz eines formal geführten Nachweises vorbehaltlich
besonderer Umstände grundsätzlich steuerpflichtig.
d) Im Streitfall bestehen hinsichtlich der
Person des Abnehmers erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der
Nachweisangaben. Die Sache war daher an das FG
zurückzuverweisen.
Nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) holte K die Waren bei
der Klägerin als „Beauftragter“ des
„Abnehmers“ F ab, der in der Elfenbeinküste
und später in Benin ansässig war, übergab sie F, der
sie zunächst in das Drittlandsgebiet beförderte, dann
aber nach „Europa“ und damit wohl in das
Gemeinschaftsgebiet zurückbeförderte und sie an K
zurückgab, der sie schließlich veräußerte.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist fraglich, ob das der
Lieferung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, nach dem sich
die Person des Leistungsempfängers und damit die Person des
Abnehmers bestimmt (vgl. BFH-Beschluss vom 5.2.2004 V B 180/03,
BFH/NV 2004, 988 = SIS 04 23 23, unter II. 2 b zur
innergemeinschaftlichen Lieferung), entsprechend den Beleg- und
Buchangaben der Klägerin zu dem ihr nicht näher bekannten
F oder zu dem gegenüber der Klägerin unmittelbar
handelnden K bestand, der die Waren nach ihrer
Rückbeförderung in die Gemeinschaft unter Umständen
auf eigene Rechnung veräußerte, während F ggf. nur
als Gehilfe des K für die Beförderung in das
Drittlandsgebiet und die Rückbeförderung in das
Gemeinschaftsgebiet zu sorgen hatte. Ist Abnehmer der Lieferungen
der ggf. im Inland ansässige K, liegen die Voraussetzungen des
§ 6 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht vor.
3. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang
feststellen, dass K und nicht F Abnehmer der Lieferungen war, ist
nicht im Steuerfestsetzungsverfahren zu entscheiden, ob eine
Steuerfreiheit aufgrund unrichtiger Abnehmerangaben in Betracht
kommt, da die Beurteilung über die für den Unternehmer
nicht erkennbare Unrichtigkeit von Abnehmerangaben nach der
Rechtsprechung des Senats bei Ausfuhrlieferungen im
Billigkeitsverfahren nach § 163 der Abgabenordnung zu erfolgen
hat (BFH-Urteil vom 30.7.2008 V R 7/03, BFH/NV 2009, 438 = SIS 09 03 42, unter II. 5.).
In einem etwaigen Billigkeitsverfahren werden
die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Vertrauensschutz zu
berücksichtigen sein (EuGH-Urteile vom 21.2.2008 Rs. C-271/06,
Netto Supermarkt, BFH/NV Beilage 2008, 199 = SIS 08 16 63; Teleos
in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV 2008, 25 = SIS 08 00 38).