Widerstreitende Steuerfestsetzungen, Änderung bei Erlass eines Erstbescheids: Ein Steuerbescheid kann auch dann nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden, wenn die Änderungsmöglichkeit vor Erlass des erstmaligen Steuerbescheids eingetreten ist. - Urt.; BFH 28.1.2009, X R 27/07; SIS 09 06 78
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte aus dem Betrieb eines Restaurants
Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Mit Vertrag vom 24.2.1998
veräußerte er das Unternehmen an seinen Bruder gegen
einen festen Barpreis (33.000 DM), eine Leibrente mit
Wertsicherungsklausel (anfänglich 7.000 DM monatlich),
Übernahme der betrieblichen Verbindlichkeiten (167.000 DM)
sowie der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden
Einkommensteuern (175.320 DM). Besitz, Nutzen und Lasten gingen zum
1.2.1998 über.
In der am 21.7.1998 beim Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) eingegangenen
Steuererklärung 1997 erklärte der damalige Berater des
Klägers einen Veräußerungsgewinn in Höhe von
809.992 DM. Nachdem das FA die Veranlagung zur Einkommensteuer 1997
im Wesentlichen antragsgemäß durchgeführt hatte,
legte der Berater des Klägers gegen den
Einkommensteuerbescheid 1997 vom 6.8.1998 am 1.9.1998 Einspruch mit
der Begründung ein, der Veräußerungsgewinn sei erst
im Jahr 1998 entstanden und daher auch erst in diesem Jahr zu
versteuern. Das FA half dem Einspruch ab.
Mit Bescheid vom 15.12.1998 erhöhte
das FA im Hinblick auf den erzielten Veräußerungsgewinn
entsprechend den Angaben des Beraters die Vorauszahlungen für
die Einkommensteuer 1998. Gegen diesen Bescheid legte der
Kläger - insoweit vertreten durch seinen jetzigen
Prozessbevollmächtigten - Einspruch mit der Begründung
ein, ein Steuerpflichtiger, der seinen Betrieb gegen einen festen
Barpreis und eine Leibrente veräußere, habe bezogen auf
die Leibrente ein Wahlrecht, den entstandenen Gewinn sofort zu
versteuern oder stattdessen die Rentenzahlung als
nachträgliche Betriebseinnahme zu behandeln. In diesem Fall
entstehe der Gewinn erst dann, wenn die Rentenzahlung das
steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich
etwaiger Veräußerungskosten übersteige. Daraufhin
setzte das FA mit Bescheid vom 27.4.1999 die Vorauszahlungen 1998
auf 0 DM herab.
In der Einkommensteuererklärung 1998
vom 7.12.1999, die der frühere Berater des Klägers
erstellt hatte, wurde eine ab 1.2.1998 laufende Leibrente in
Höhe von 77.000 DM mit einem Ertragsanteil von 31 % als
sonstige Einkünfte erklärt. Angaben zum Rechtsgrund des
Rentenanspruchs fehlen in Zeile 36 der Anlage KSO. Eine Anlage GSE
war der Einkommensteuererklärung nicht beigefügt. Einen
Veräußerungsgewinn erklärte der Kläger
nicht.
Das FA führte die Veranlagung 1998 mit
Bescheid vom 10.2.2000 erklärungsgemäß durch. In
den Erläuterungen wurde die Aufgabebilanz zum Zeitpunkt der
Betriebsaufgabe angefordert. Diese wurde nicht
nachgereicht.
Im Jahr 2003 führte das FA beim
Erwerber des Betriebs, dem Bruder des Klägers, eine
Außenprüfung durch. Es gelangte zu der Erkenntnis, dass
eine sofortige Versteuerung des Veräußerungsgewinns des
Klägers im Jahr 1998 gewollt gewesen sei.
Mit Änderungsbescheid nach § 172
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) vom 2.6.2003
wurde die Einkommensteuer 1998 unter Ansatz eines
Veräußerungsgewinns von 809.992 DM neu ermittelt. Dabei
ging das FA davon aus, der damalige Berater des Klägers habe
am 1.9.1998 einen entsprechenden Antrag gestellt.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger
Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, im Schreiben des
früheren Beraters vom 1.9.1998 sei der grundsätzliche
Wille ausgedrückt worden, den Veräußerungsgewinn
sofort in 1998 zu versteuern. Deshalb hätte das FA ihn im
Bescheid vom 10.2.2000 ansetzen müssen. Eine Zustimmung zu
einer späteren Änderung sei nicht erteilt worden.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach
erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit in EFG 2007,
1304 = SIS 07 29 35 veröffentlichtem Urteil abgewiesen. Zwar
könne die Änderung des angefochtenen Steuerbescheids
nicht auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gestützt
werden. Diese Vorschrift setze eine Zustimmung voraus und weder der
Kläger noch sein früherer Berater hätten der
Änderung zugestimmt. Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom
10.2.2000 könne jedoch nach § 174 Abs. 4 AO geändert
werden. § 174 Abs. 4 AO verlange lediglich, dass aufgrund
eines Rechtsbehelfs oder eines Antrags des Steuerpflichtigen ein
bereits ergangener Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen
aufgehoben oder geändert werde. Die eine Korrektur nach §
174 Abs. 4 AO ermöglichende Änderung eines (anderen)
Bescheids müsse nach dem Gesetzeswortlaut lediglich durch
einen Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen ausgelöst
worden sein (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.5.2005 IV R
17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637 = SIS 05 25 39). Diese
Voraussetzung liege vor. Der Einkommensteuerbescheid 1997 sei
aufgrund des Rechtsbehelfs des Klägers zu dessen Gunsten
geändert worden. Damit habe zwischen den Beteiligten
festgestanden, dass der Veräußerungsgewinn im Jahr 1998
zu erfassen sei. Auf ein Verschulden komme es im Rahmen einer
Änderung nach § 174 Abs. 4 AO nicht an (BFH-Urteil vom
4.4.2001 XI R 59/00, BFHE 195, 286, BStBl II 2001, 564 = SIS 01 10 34).
Die Änderung nach § 174 Abs. 4 AO
müsse auch nicht deshalb unterbleiben, weil das FA
zunächst im Erstbescheid für 1998 den
Veräußerungsgewinn nicht erfasst habe. Eine Berichtigung
nach § 174 Abs. 4 AO sei nicht auf die Korrektur solcher
Rechtsüberlegungen beschränkt, die das FA erkennbar
angestellt habe (BFH-Beschluss vom 14.12.1990 VI B 98/88, BFH/NV
1991, 503). Der Wortlaut des § 174 Abs. 4 AO stelle
ausschließlich auf eine irrige Beurteilung in einem
früheren Bescheid ab, der aufgrund eines Einspruchs
geändert worden sei. In derartigen Fällen sei es auf die
Initiative des Steuerpflichtigen zurückzuführen, dass
nunmehr der negative Widerstreit entstanden sei. Der
Steuerpflichtige, der eine Änderung zu seinen Gunsten erreicht
habe, solle nicht auf „halbem Wege“ stehen bleiben
können mit der Folge, dass er lediglich die Wohltaten - die
Änderung zu seinen Gunsten - mitnehme, die für ihn
ungünstigen Folgerungen - die konsequente Änderung zu
seinen Ungunsten - aber verhindere. Er dürfe sich daher nicht
auf die Bestandskraft eines Steuerbescheids berufen, um zu
verhindern, dass der durch seinen Einspruch oder Antrag entstandene
Widerstreit durch entsprechende Änderung zu seinen Ungunsten
beseitigt werde. Dieses Verhalten wäre treuwidrig.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung von § 174 AO. Angesichts der
Kenntnis des FA über den tatsächlichen Sachverhalt bei
Erlass des Einkommensteuerbescheids 1998 vom 10.2.2000 komme eine
Änderung nach § 174 Abs. 4 AO nicht in Betracht.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil
und den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 2.6.2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist als unbegründet
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der
Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 1998
nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden konnte.
1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines
bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund
eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu
seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können
nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt
nachträglich durch Erlass oder Änderung eines
Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen
werden. Der Grundsatz von Treu und Glauben prägt § 174
Abs. 4 AO in besonderem Maße (v.Wedelstädt, DB 1994,
2469). Durch § 174 AO soll die Finanzbehörde die
Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen der
materiellen Richtigkeit Vorrang einzuräumen, indem vermieden
wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich
zueinander im Widerspruch stehen (FG Berlin, Urteil vom 2.12.1986 V
84/85, EFG 1987, 441; im Ergebnis ebenso BFH-Urteil vom 24.11.1987
IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404 = SIS 88 14 47). Die
Regelung bezweckt den Ausgleich einer zugunsten des
Steuerpflichtigen eingetretenen Änderung; derjenige, der
erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss auch
die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Urteil vom 10.3.1999
XI R 28/98, BFHE 188, 409, BStBl II 1999, 475 = SIS 99 13 47, unter
II.2. der Gründe; Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu
§ 174 AO Nr. 5). Wie der Große Senat des BFH entschieden
hat, regelt die Vorschrift die verfahrensrechtlichen (inhaltlichen)
Folgerungen aus einer vorherigen Aufhebung oder Änderung eines
Steuerbescheids auf Antrag des Steuerpflichtigen zu dessen Gunsten.
Diese Aufhebung oder Änderung löst sodann -
„nachträglich“ - die Rechtsfolge des §
174 Abs. 4 AO aus, dass ein anderer Bescheid erlassen oder
geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die
verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid
nunmehr eine „widerstreitende Steuerfestsetzung“
enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen
Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 10.11.1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1,
BStBl II 1998, 83 = SIS 98 05 48, unter C.II.1. der Gründe;
Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, §
174 AO Rz 48).
§ 174 Abs. 4 Satz 1 AO schafft nach
ständiger Rechtsprechung des BFH eine gegenüber den
Regelungen des § 174 Abs. 1 bis Abs. 3 AO eigenständige
Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen
Erfassung eines bestimmten Sachverhalts beschränkt ist. Der
BFH ist unter Hinweis auf den Wortlaut des § 174 Abs. 4 Satz 1
AO nicht der Auffassung gefolgt, die Vorschrift setze zwingend ein
wechselseitiges Ausschließlichkeitsverhältnis voraus,
das nur die alternative Berücksichtigung desselben
Sachverhalts erlaube (vgl. BFH-Urteile in 152, 203, BStBl II 1988,
404 = SIS 88 14 47; vom 2.8.1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl
II 1995, 264 = SIS 95 08 53; vom 18.2.1997 VIII R 54/95, BFHE 183,
6, BStBl II 1997, 647 = SIS 97 21 73).
2. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist - wie
auch der Kläger in der Revisionsbegründung einräumt
- nicht entscheidend, in welcher Reihenfolge die Steuerbescheide
ergehen, die auf Betreiben des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten
geändert oder aufgehoben werden bzw. nach § 174 Abs. 4 AO
geändert werden sollen. Auf die Frage, ob die
Änderungsmöglichkeit
„nachträglich“ nach Erlass des erstmaligen
Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1998 eingetreten ist,
kommt es - anders als für die Änderungsmöglichkeit
nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hinsichtlich nachträglich
bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel - für §
174 Abs. 4 AO nicht an, wie sich der Vorschrift selbst entnehmen
lässt (so auch BFH-Beschluss vom 11.3.2008 IV B 49/07, BFH/NV
2008, 1106 = SIS 08 24 52, zur nachträglichen Änderung
eines Änderungsbescheids). Für eine einschränkende
Auslegung der Vorschrift, die auf dem Grundsatz von Treu und
Glauben beruht (vgl. oben II.1.), besteht - wie gerade der
Streitfall zeigt - kein Anlass.
Zweck des § 174 Abs. 4 AO ist, nach
antragsgemäßer Änderung eines Steuerbescheids zu
Gunsten des Steuerpflichtigen die in einem anderen Steuerbescheid
gezogenen, unzutreffenden steuerlichen Folgerungen unter
Durchbrechung der Bestandskraft richtig zu stellen. Die
Einheitlichkeit des Lebenssachverhalts und das Interesse an seiner
übereinstimmenden steuerrechtlichen Beurteilung erlauben es,
einer zutreffenden Besteuerung den Vorrang vor dem Schutz des
Vertrauens auf die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu geben
(Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 174 Rz 4). Der
Steuerpflichtige weiß aufgrund der positiven Verbescheidung
seines Einspruchs bzw. Antrags, dass Folgerungen in einem oder
mehreren anderen Steuerbescheiden für andere
Veranlagungszeiträume bzw. Steuerarten zu ziehen sind. Der
Steuerpflichtige ist daher nicht schutzbedürftig.
3. Im Streitfall stehen der aufgrund des
Einspruchsverfahrens für 1997 erlassene
Einkommensteuerbescheid und der Bescheid für das Jahr 1998 in
unvereinbarem Widerspruch zueinander. Die Veräußerung
des Restaurationsbetriebs des Klägers an seinen Bruder und der
daraus resultierende Veräußerungsgewinn sind - wie unter
den Beteiligten unstreitig ist - ursprünglich rechtsirrig im
Einkommensteuerbescheid 1997 erfasst worden. Aufgrund des
Einspruchs des Klägers wurde die Einkommensteuerfestsetzung
1997 zugunsten des Klägers geändert und die Steuer ohne
Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns
festgesetzt. Da die Korrektur des Einkommensteuerbescheids 1997
durch den Rechtsbehelf des Klägers ausgelöst worden ist,
sind die Voraussetzungen für die Änderung des
Einkommensteuerbescheids 1998, in dem der
Veräußerungsgewinn - zwischen den Beteiligten ebenfalls
unstreitig - anzusetzen ist, gegeben.
Sein Wahlrecht zwischen der Versteuerung eines
nach §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
begünstigten Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt der
Veräußerung oder einer Versteuerung
nichtbegünstigter nachträglicher Einkünfte aus
Gewerbebetrieb im Zuflusszeitpunkt nach § 15 Abs. 1 EStG
i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG (in voller Höhe und nicht etwa nur
mit dem Ertragsanteil) hat der Kläger nicht ausdrücklich
(BFH-Urteil vom 14.5.2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II
2002, 532 = SIS 02 09 57) zugunsten der laufenden Besteuerung und
spätestens mit Abgabe der Einkommensteuererklärung
für den Veranlagungszeitraum 1998 (Schmidt/ Wacker, EStG, 27.
Aufl., § 16 Rz 226) bzw. Bestandskraft der Veranlagung 1998
(vgl. Reiß, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §
16 Rz B 170) ausgeübt.
Zwar ist dieser Widerstreit erst durch den
Erlass des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1998 und
damit zeitlich nach der Änderung der Steuerfestsetzung
für 1997 aufgrund des Einspruchs des Klägers eingetreten
(vgl. hierzu Adamek, EFG 2007, 1305). Gleichwohl liegen die
Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung
1998 vor, weil § 174 Abs. 4 AO nicht darauf abstellt, ob die
Änderungsmöglichkeit
„nachträglich“ nach Erlass des erstmaligen
Steuerbescheids eingetreten ist. § 174 Abs. 4 AO stellt nach
seinem eindeutigen Wortlaut auch nicht darauf ab, wer den
Widerstreit der Steuerfestsetzungen verursacht hat. Vielmehr stehen
Vertrauensschutzgedanken einer Änderung der Veranlagung auch
dann nicht entgegen, wenn das FA die Fehlerhaftigkeit der
Veranlagung selbst herbeigeführt hätte
(v.Wedelstädt, DB 1988, 2228). Entscheidend ist - wie oben
ausgeführt - ausschließlich, dass eine Steuerfestsetzung
aufgrund eines Einspruchs oder Antrags des Steuerpflichtigen zu
dessen Gunsten geändert worden ist.
Im Übrigen dürfte der Umstand, dass
das FA im ursprünglichen Steuerbescheid für das Jahr 1998
keinen Veräußerungsgewinn des Klägers erfasst hat,
auf der unvollständigen Steuererklärung und nicht darauf
beruhen, dass das FA einem anderen, neuen Irrtum über ein
vermeintlich ausgeübtes Wahlrecht unterlegen ist, das nur
ausdrücklich ausgeübt werden kann und das zur Folge hat,
dass die wiederkehrenden Leistungen in voller Höhe und nicht -
wie erklärt - nur mit dem Ertragsanteil der Besteuerung
unterliegen. Der Kläger hat keinen
Veräußerungsgewinn erklärt - neben den
wiederkehrenden Leistungen hat der Bruder auch einen Barpreis
bezahlt, die betrieblichen Verbindlichkeiten und die aus der
Veräußerung resultierenden Steuerschulden
übernommen -, hat keine Anlage GSE eingereicht und den
Rechtsgrund seiner Renteneinkünfte nicht benannt.
4. Ob die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO
ggf. in extrem gelagerten Ausnahmefällen ausgeschlossen sein
kann, wenn etwa die Möglichkeit besteht, dass die
Finanzbehörde ihr Änderungsrecht aufgrund eines
vertrauensbegründenden Vorverhaltens verwirkt hat, kann
offenbleiben. Für ein solches Verhalten des FA bestehen im
Streitfall keine Anhaltspunkte.
5. Zutreffend hat das FG im Übrigen auch
die Parallelen der Korrekturvorschrift § 174 Abs. 4 AO zu
§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgezeigt. Auch diese ist ebenfalls
nach objektiven Grundsätzen ausgestaltet; es ist in der
Rechtsprechung anerkannt, dass aufgrund der Bindungswirkung eines
Grundlagenbescheids dieser auch dann in vollem Umfang auszuwerten
ist, wenn die Finanzbehörde zuvor die Auswertung eines
Grundlagenbescheids im Folgebescheid unterlassen hat (vgl. z.B.
Senatsurteil vom 29.6.2005 X R 31/04, BFH/NV 2005, 1749 = SIS 05 40 15).
6. Da die Änderungsvorschrift des §
174 Abs. 4 AO greift, lässt der Senat - ebenso wie das FG -
dahinstehen, ob der Kläger nach dem Grundsatz von Treu und
Glauben verpflichtet gewesen wäre, die Zustimmung zur
Änderung der Steuerfestsetzung 1998 nach § 172 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zu erteilen.