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I. Streitig ist, ob der
Einkommensteuerbescheid 2002 nach § 174 Abs. 4 der
Abgabenordnung (AO) geändert werden durfte.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin erzielte seit
1997 als Prokuristin der A mbH (GmbH) in B, deren
Geschäftsführer der Kläger war, Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Anlässlich einer im Jahr 2005
bei der GmbH durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung
stellte der Prüfer u.a. fest, dass der zuständige
Sozialversicherungsträger C mit Schreiben vom 15.5.2002 auf
eine pflichtversicherungsfreie Beschäftigung der Klägerin
erkannt hatte und daraufhin die von der GmbH für die
Klägerin seit 1997 abgeführten Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberanteile zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung im
Jahr 2002 in freiwillige Beiträge umgewandelt sowie die
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Arbeitslosenversicherung
an den Arbeitgeber zurückgezahlt und von diesem einbehalten
worden sind.
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Nach Auffassung des
Lohnsteuer-Außenprüfers führten die Feststellungen
des Sozialversicherungsträgers zum rückwirkenden Wegfall
der bis dahin für die Klägerin angenommenen
Sozialversicherungspflicht. Damit seien die Voraussetzungen
für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes weggefallen. Die in freiwillige
Beiträge umgewandelten Arbeitgeberanteile zur Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung seien - wie die ab Juni 2002
gezahlten Zuschüsse des Arbeitgebers zur freiwilligen Kranken-
und Pflegeversicherung der Klägerin - deshalb steuerbarer
Arbeitslohn. Dieser sei im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum
zugeflossen und der Bruttoarbeitslohn der Klägerin
entsprechend zu erhöhen. Die Erstattung der
Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosenversicherung sei hingegen als
Rückzahlung von Arbeitslohn zu werten, da der Arbeitgeber
diese nicht an die Klägerin weitergegeben habe.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte dieser Auffassung in den nach § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheiden
für die Jahre 1997 bis 1999 bzw. nach § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2000 bis 2002
und dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für
2003, jeweils vom 3.4.2006.
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Die hiergegen eingelegten Einsprüche
wegen Einkommensteuer 1997 bis 2003 blieben erfolglos. Die
daraufhin erhobene Klage war weitgehend erfolgreich. Mit Urteil vom
13.9.2007 1 K 2180/06 (juris = SIS 08 42 20) hob das Finanzgericht
(FG) die geänderten Einkommensteuerfestsetzungen 1997 bis 2001
auf. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Umwandlung der
aufgrund rechtsirriger Beurteilung geleisteten Arbeitgeberanteile
zur Sozialversicherung in freiwillige Beiträge hätte zwar
bei der Klägerin zu steuerbarem Arbeitslohn geführt.
Dieser sei jedoch nicht in den Jahren 1997 bis 2001, sondern erst -
mit der Umwandlung der Beiträge - im Jahre 2002 zugeflossen.
Deshalb seien die geänderten Einkommensteuerbescheide für
die Jahre 1997 bis 2001 rechtswidrig und aufzuheben. Gleichwohl
seien die Besteuerungsgrundlagen im Veranlagungszeitraum 2002 nicht
zu ändern. Mehr als eine Saldierung mit zu Unrecht angesetzten
Einnahmen sei wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren zu
beachtenden Verböserungsverbotes nicht möglich. Die gegen
das genannte Urteil des FG erhobene Nichtzulassungsbeschwerde nahm
das FA zurück (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
7.5.2008 VI B 120/07, nicht veröffentlicht).
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Anschließend änderte das FA
jedoch den - nunmehr streitgegenständlichen -
Einkommensteuerbescheid für 2002 - zuletzt vom 18.5.2009 -
erneut. Es nahm auf § 174 Abs. 4 AO Bezug und erhöhte die
Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit
- unter Anrechnung der Rückzahlung aus der
Arbeitslosenversicherung - um die im Jahr 2002 in freiwillige
Beiträge umgewandelten Arbeitgeberanteile am
Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Jahre 1997 bis 2001 in
Höhe von 26.879 EUR. Zugleich wurde dieser Betrag bei der
Einkommensteuerfestsetzung 2002 im Rahmen der abziehbaren
Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt.
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Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen
Klage gab das FG statt (EFG 2011, 689 = SIS 11 04 01). Das FA habe
die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2002 im Streitfall
nicht erneut ändern dürfen. Denn § 174 Abs. 4 AO
erlaube der Finanzbehörde nicht, aus einer
Gerichtsentscheidung Folgerungen zu Lasten des Steuerpflichtigen zu
ziehen, die das FG aus Gründen des Verböserungsverbotes
nicht habe ziehen dürfen.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG
Rheinland-Pfalz vom 10.11.2010 1 K 1914/08 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Denn das FA hat den angefochtenen
Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 nach § 174 Abs.
4 AO zu Lasten der Kläger ändern dürfen.
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1. Zutreffend streiten die Beteiligten nicht
darum, dass die in freiwillige Beiträge umgewandelten
Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag der
Klägerin im Streitjahr als Arbeitslohn anzusetzen sind,
sondern allein um die Änderungsvoraussetzungen des § 174
Abs. 4 AO.
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2. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO
können aus einem Sachverhalt nachträglich durch Erlass
oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen
Folgerungen gezogen werden, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines
bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der
aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des
Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert
wird. Dies gilt auch dann, wenn die Aufhebung oder Änderung
des Steuerbescheids durch das Gericht erfolgt (§ 174 Abs. 4
Satz 2 AO).
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a) Dadurch soll die Finanzbehörde die
Möglichkeit erhalten, in bestimmten Fällen der
materiellen Richtigkeit Vorrang einzuräumen, indem vermieden
wird, dass Steuerfestsetzungen bestehen bleiben, die inhaltlich
zueinander im Widerspruch stehen (BFH-Urteil vom 28.1.2009 X R
27/07, BFHE 224, 15, BStBl II 2009, 620 = SIS 09 06 78). Die
Vorschrift setzt hinsichtlich der verfahrensmäßigen
Abfolge voraus, dass ein angefochtener Bescheid als irrig erkannt
und deswegen auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten
aufgehoben oder geändert wird. Dies löst sodann -
„nachträglich“ - die Rechtsfolge des §
174 Abs. 4 AO aus, nämlich dass ein anderer Bescheid erlassen
oder geändert werden kann. Die Vorschrift zieht somit die
verfahrensrechtliche Konsequenz daraus, dass der andere Bescheid
nunmehr eine „widerstreitende Steuerfestsetzung“
enthält, wie sie das Gesetz nach seiner amtlichen
Überschrift zu § 174 AO voraussetzt (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 10.11.1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1,
BStBl II 1998, 83 = SIS 98 05 48, unter C.II.1.).
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b) Mithin müssen sich begrifflich zwei
oder mehrere verschiedene Besteuerungsverfahren
gegenüberstehen, in denen der „bestimmte
Sachverhalt“ möglicherweise geregelt werden
könnte. Dementsprechend wird einhellig im Schrifttum von dem
Erlass oder der Änderung einer „anderen“
Steuerfestsetzung gesprochen (von Groll in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 174 AO Rz 257, 270;
Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 174 Rz 145; Loose in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO
Rz 48a; Weber-Grellet, Die steuerliche Betriebsprüfung 1982,
29, 34). Auch das BFH-Urteil vom 11.7.1991 IV R 52/90 (BFHE 165,
449, BStBl II 1992, 126 = SIS 92 05 43) beruht auf der
Überlegung, dass die weitere Berücksichtigung desselben
Sachverhalts nur bei einem anderen Steuerpflichtigen oder bei einer
anderen Steuerart oder in einem anderen Veranlagungszeitraum in
Frage kommt. Eine Befugnis des FA zur Änderung ein und
desselben bereits durch Gerichtsentscheidung modifizierten
Steuerbescheids zu Ungunsten des Steuerpflichtigen eröffnet
der Tatbestand des § 174 Abs. 4 AO hingegen nicht (vgl.
BFH-Urteil vom 8.7.1992 XI R 54/89, BFHE 168, 231, BStBl II 1992,
867 = SIS 92 20 34).
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3. Nach diesen Grundsätzen war das FA
berechtigt, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das
Jahr 2002 zu Lasten der Kläger zu ändern.
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a) Das FG hatte mit Urteil vom 13.9.2007 1 K
2180/06 = SIS 08 42 20 entschieden, die
Sozialversicherungsbeiträge seien erst im Jahr 2002 als Lohn
zu erfassen, und hatte daher auf die Klage der Kläger die
Einkommensteuerfestsetzungen für 1997 bis 2001 aufgehoben. Das
FA hat mit der nachträglichen Änderung des hier
streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheids 2002 die
richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen, indem es die
Sozialversicherungsbeiträge nunmehr in diesem Bescheid erfasst
hat.
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b) Das FA hat mit der streitbefangenen
Änderung des Einkommensteuerbescheids 2002 keinen gerichtlich
modifizierten Steuerbescheid nochmals geändert. Denn durch das
insoweit klageabweisende Ersturteil des FG vom 13.9.2007 1 K
2180/06 hat der Einkommensteuerbescheid 2002 keine Änderung
erfahren. Es hat vielmehr in dem
Einkommensteueränderungsbescheid 2002 und damit in einem
„anderen“ Bescheid die zutreffenden steuerlichen
Folgen aus dem die Einkommensteuerfestsetzungen 1997 bis 2001
ändernden FG-Urteil vom 13.9.2007 1 K 2180/06 gezogen.
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4. Auch steht - entgegen der Auffassung des FG
- der streitbefangenen Änderung des Einkommensteuerbescheids
2002 weder das finanzgerichtliche Verböserungsverbot noch
(nach Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde VI B 120/07) die
Rechtskraft des FG-Urteils vom 13.9.2007 1 K 2180/06 entgegen.
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a) Denn das finanzgerichtliche
Verböserungsverbot verwehrt dem FG lediglich, den Kläger
bezogen auf die mit der Klage angegriffene Steuerfestsetzung
schlechter zu stellen (BFH-Urteil vom 1.12.2010 XI R 46/08, BFHE
232, 232 = SIS 11 05 50). Deshalb war zwar das FG in der Sache 1 K
2180/06 gehindert, die streitige Änderung des
Einkommensteuerbescheids 2002 selbst vorzunehmen. Ein allgemeines
„Änderungsverbot“ im Hinblick auf §
174 Abs. 4 AO begründet das finanzgerichtliche
Verböserungsverbot jedoch nicht (vgl. BFH-Urteil vom 8.6.2000
IV R 65/99, BFHE 192, 207, BStBl II 2001, 89 = SIS 00 14 25). Die
Vorinstanz verkennt insoweit, dass allenfalls die Rechtskraft eines
Urteils die Änderung eines Steuerbescheids hindern kann, wenn
das FG unter Hinweis auf das finanzgerichtliche
Verböserungsverbot davon absieht, den ursprünglich
angefochtenen Bescheid zu Lasten des Klägers zu ändern
(BFH-Beschluss vom 30.12.2008 I S 31/08, juris = SIS 08 45 32).
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b) Vorliegend verbietet auch die Rechtskraft
(§ 110 Abs. 1 FGO) des FG-Urteils vom 13.9.2007 1 K 2180/06
die streitbefangene Änderung des Einkommensteuerbescheids 2002
nicht.
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aa) Zwar erstreckt sich die Rechtskraft, da
sich das FG-Urteil vom 13.9.2007 1 K 2180/06 auf die
Einkommensteuerfestsetzungen 1997 bis 2002 bezogen hat, auch auf
den Einkommensteuerbescheid 2002.
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bb) Jedoch ist die materielle
Rechtskraftwirkung des § 110 Abs. 1 FGO nach ständiger
Rechtsprechung des BFH auf den Teil des Streitgegenstands begrenzt,
über den jeweils entschieden worden ist (BFH-Urteil vom
21.11.1989 VII R 3/88, BFH/NV 1990, 650 = SIS 90 12 43;
Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 110
Rz 13; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 110 FGO Rz 10; Lange in
HHSp, § 110 FGO Rz 48). Soweit über den Streitgegenstand
(genauer: Entscheidungsgegenstand) entschieden worden ist, darf das
FA deshalb nach einem rechtskräftigen Sachurteil nicht (mehr)
korrigieren.
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cc) Nach diesen Grundsätzen steht die
FG-Entscheidung vom 13.9.2007 1 K 2180/06 = SIS 08 42 20 einer
Änderung des Einkommensteuerbescheids 2002 nicht entgegen.
Denn die Sozialversicherungsbeiträge der Jahre 1997 bis 2001
waren nicht Streitgegenstand des Klageverfahrens gegen den
Einkommensteuerbescheid 2002. Soweit das Gericht in einem
Sachurteil einerseits nicht zugunsten des Klägers über
dessen Klagebegehren hinausgehen (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2
FGO), andererseits den Steuerbescheid nicht zum Nachteil des
Klägers ändern darf, wird über den Streitgegenstand
nicht entschieden (zutreffend Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., §
110 FGO Rz 10 f.). Damit verletzt der streitige
Änderungsbescheid insbesondere nicht die
Entscheidungskompetenz des FG im Vorprozess.
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