StBereinG 1999, Vermittlungsausschuss, Befugnisse: Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG 1999 i.d.F. des StBereinG 1999 gegen Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 GG verstößt. - Urt.; BFH 27.8.2008, I R 33/05; SIS 08 42 88
A. Streitpunkt ist die
Verfassungsmäßigkeit des § 54 Abs. 9 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes in der durch Art. 4 Nr. 10 Buchst.
h des Gesetzes zur Bereinigung steuerlicher Vorschriften vom
22.12.1999 (Steuerbereinigungsgesetz 1999 - StBereinG 1999 -, BGBl
I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) geänderten Fassung (KStG
1999), welcher die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 2 Satz 5 KStG
1999 betreffend die höhere Besteuerung bestimmter
umwandlungssteuerrechtlicher Übernahmegewinne bereits für
den Veranlagungszeitraum 1999 angeordnet hat.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, war im
Streitjahr 1999 als geschäftsleitende Holdinggesellschaft
Alleingesellschafterin u.a. von fünf Tochtergesellschaften in
der Rechtsform der GmbH. Diese wandelten sich aufgrund von
Umwandlungsbeschlüssen jeweils vom 14.12.1999 durch
Formwechsel gemäß §§ 190 ff. des
Umwandlungsgesetzes zum steuerlichen Umwandlungsstichtag 31.12.1999
in Kommanditgesellschaften (GmbH & Co. KG) um, an denen die
Klägerin nunmehr die Kommanditbeteiligungen hielt.
Die jeweils für die
Tochtergesellschaften zuständigen Finanzämter stellten
die auf die Klägerin entfallenden umwandlungssteuerrechtlichen
Übernahmegewinne bzw. -verluste und die anzurechnende
Körperschaftsteuer gemäß § 180 der
Abgabenordnung (AO) gesondert fest. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) ermittelte die in den
Übernahmegewinnen der Klägerin enthaltenen Einnahmen aus
EK 45 (Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals - vEK -, der aus
Einkommensbestandteilen entstanden ist, die einem
Körperschaftsteuersatz von 45 v.H. unterlagen) auf zuletzt
20.923.186 DM und unterwarf diesen Betrag im Rahmen der Festsetzung
der Körperschaftsteuer 1999 nach § 23 Abs. 2 Satz 5,
§ 54 Abs. 9 Satz 1 KStG 1999 einem Steuersatz von 45 v.H. Auf
dieser Grundlage erfolgte auch die Feststellung der
Teilbeträge des vEK der Klägerin gemäß §
47 Abs. 1 KStG 1999 zum 31.12.1999.
Hiergegen wendet sich die Klägerin,
die die durch § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG 1999 angeordnete Geltung
des § 23 Abs. 2 Satz 5 KStG 1999 bereits für den
Veranlagungszeitraum 1999 für verfassungswidrig hält.
Ihre auf eine Besteuerung der Übernahmegewinne aus dem EK 45
mit einem Körperschaftsteuersatz von nur 40 v.H. und eine
entsprechende Änderung der Feststellung der Teilbeträge
des vEK zum 31.12.1999 gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG)
Münster abgewiesen. Sein Urteil vom 28.1.2005 9 K 1514/02 K,F
ist in EFG 2005, 1225 = SIS 05 26 88 abgedruckt.
Gegen das Urteil richtet sich die Revision
der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts
rügt.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und „den
Körperschaftsteuerbescheid 1999 in der Fassung - wie in der
Einspruchsbegründung begehrt - zu ändern und die
Körperschaftsteuer entsprechend herabzusetzen“.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
B. Das durch Beschluss des Senats vom
10.7.2007 gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung zum Ruhen gebrachte
Verfahren ist fortzusetzen. Der Ruhensgrund ist entfallen, nachdem
das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 15.1.2008 2
BvL 12/01 (BGBl I 2008, 481 = SIS 08 16 84) über die ihm vom
Senat durch Beschluss vom 18.7.2001 I R 38/99 (BFHE 196, 232, BStBl
II 2002, 27 = SIS 02 01 28) nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG) zur Normenkontrolle vorgelegte Rechtsfrage entschieden
hat.
C. Die für die Entscheidung des
Revisionsverfahrens maßgebliche Vorschrift des § 54 Abs.
9 Satz 1 KStG 1999 ist nach der Überzeugung des Senats nicht
in formell verfassungsmäßiger Weise zustande gekommen,
so dass das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG
i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht auszusetzen und eine Entscheidung des
BVerfG einzuholen ist.
I. Auf der Grundlage der einschlägigen
gesetzlichen Bestimmungen wäre - was auch die Klägerin
nicht anders sieht - die Revision unbegründet.
1. Beim Formwechsel von einer
Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft ist ein nach
Maßgabe von § 14 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 4 und 5 des
Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) zum steuerlichen
Umwandlungsstichtag vorhandener Übernahmegewinn auf der Ebene
der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft zu
versteuern. Dabei ist gemäß § 14 Satz 1 i.V.m.
§ 10 Abs. 1 UmwStG 1995 die Körperschaftsteuer, die unter
Geltung des seinerzeitigen körperschaftsteuerlichen
Anrechnungsverfahrens auf den Teilbeträgen des für
Ausschüttungen verwendbaren Eigenkapitals der
übertragenden Kapitalgesellschaft i.S. des § 30 Abs. 1
Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2 KStG 1999 lastete, auf die Einkommensteuer
oder Körperschaftsteuer der Gesellschafter der
übernehmenden Personengesellschaft zu übertragen. Der
Übernahmegewinn (oder ein etwaiger Übernahmeverlust) ist
im Rahmen der gesonderten Feststellung der Einkünfte
gemäß § 180 AO einheitlich und gesondert
festzustellen (vgl. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van
Lishaut, UmwStG, 2008, § 4 Rz 139; Schmitt in
Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz,
Umwandlungssteuergesetz, 4. Aufl., § 4 UmwStG Rz 84,
m.w.N.).
2. Für den gesondert festgestellten, zum
31.12.1999 entstandenen Übernahmegewinn der fünf im
Streitfall umgewandelten Gesellschaften folgt hieraus, dass dieser
von der Klägerin als alleiniger Gesellschafterin nach dem
für sie im Streitjahr geltenden Körperschaftsteuersatz zu
versteuern war. Der allgemeine Körperschaftsteuersatz betrug
im Streitjahr nach der mit Art. 5 Nr. 9 Buchst. a des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (StEntlG
1999/2000/2002, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) erstmals
für den Veranlagungszeitraum 1999 vorgenommenen Absenkung um 5
v.H. gemäß § 23 Abs. 1 KStG grundsätzlich nur
noch 40 v.H.
Von der ebenfalls mit dem
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 eingefügten
Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 2 Satz 1 KStG 1999, wonach
die dort aufgeführten Einkünfte weiterhin einer
Steuerbelastung von 45 v.H. unterlagen, sind die in Rede stehenden
Übernahmegewinne nicht umfasst. Es handelt sich dabei - wie
das FG zutreffend ausgeführt hat - weder um Dividenden bzw.
verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) noch um Bezüge, die nach
der Auflösung unbeschränkt steuerpflichtiger
Körperschaften oder Personenvereinigungen anfallen (§ 20
Abs. 1 Nr. 2 EStG). Soweit das FG in Bezug auf die
Übernahmegewinne eine Analogie („ergänzende
Auslegung“) zu § 23 Abs. 2 Satz 1 KStG 1999 i.d.F.
des StEntlG 1999/2000/2002 erwägt, ist hierfür angesichts
des klar eingegrenzten Wortlauts dieser detailliert gefassten
Ausnahmebestimmung kein Raum.
Die mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1999
angefügte Bestimmung des § 23 Abs. 2 Satz 5 KStG 1999
betrifft jedoch die umwandlungssteuerrechtlichen
Übernahmegewinne und unterwirft diese, soweit sie auf
Gewinnrücklagen aus dem EK 45 der übertragenden
Kapitalgesellschaft beruhen, dem höheren Steuersatz von 45
v.H. Wendet man diese Bestimmung - wie durch § 54 Abs. 9 Satz
1 KStG 1999 in Ausnahme von der allgemeinen Anwendungsregel des
§ 54 Abs. 1 KStG 1999 angeordnet - auf den
Veranlagungszeitraum 1999 an, unterliegt der auf dem EK 45
beruhende Übernahmegewinn der Klägerin, dessen Höhe
von 20.923.186 DM mittlerweile zwischen den Beteiligten außer
Streit steht, einem Körperschaftsteuersatz von 45 v.H.
II. Danach wäre die Revision, die
Verfassungsmäßigkeit des § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG
1999 unterstellt, als unbegründet zurückzuweisen (§
126 Abs. 2 FGO). Die Einfügung dieser Gesetzesbestimmung
verstößt indes gegen das Demokratieprinzip in Gestalt
des Parlamentsvorbehalts (Art. 20 Abs. 3, Art. 76 Abs. 1 GG), weil
sie auf einer Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses
zwischen Bundestag und Bundesrat beruht, die die diesem von
Verfassungs wegen gesetzten Grenzen überschreitet.
1. Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf der
Vermittlungsausschuss eine Änderung, Ergänzung oder
Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften nur
vorschlagen, wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im Rahmen
des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrunde liegenden
Gesetzgebungsverfahrens verbleibt. Er ist somit an den Gegenstand
des Anrufungsbegehrens und an den Rahmen gebunden, der nach den
bisherigen Beratungen in Bundestag und Bundesrat inhaltlich und
formal gezogen ist, und darf keinen Vorschlag unterbreiten, der
außerhalb der bisherigen Auffassungsunterschiede im Parlament
oder der bisherigen Gegenläufigkeit zwischen Bundestag und
Bundesrat bleibt. Diese Beschränkung entspricht der Funktion
des Vermittlungsausschusses, der nicht eigenständig
Gesetzesvorlagen einbringen darf, sondern nur eine Brücke
zwischen schon innerhalb der Gesetzgebungsorgane erörterten
Alternativen schlagen soll. Überschreitet der
Vermittlungsausschuss die dergestalt gezogenen Grenzen seiner
Befugnisse, so ist ein hierauf beruhendes Gesetz nicht
ordnungsgemäß zustande gekommen (BVerfG-Beschlüsse
vom 13.5.1986 1 BvR 99/85 und 1 BvR 461/85, BVerfGE 72, 175; vom
8.6.1988 2 BvL 9/85 und 2 BvL 3/86, BVerfGE 78, 249, 271;
BVerfG-Urteil vom 7.12.1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl
II 2000, 162 = SIS 99 24 15; BVerfG-Beschluss in BGBl I 2008, 481 =
SIS 08 16 84; Senatsbeschlüsse vom 29.11.2000 I R 38/99, BFHE
194, 49, BStBl II 2001, 374 = SIS 01 04 25; vom 22.8.2006 I R
25/06, BFHE 214, 424, BStBl II 2007, 793 = SIS 06 44 42; vom
8.11.2006 I R 69, 70/05, BFHE 215, 491, BStBl II 2007, 662 = SIS 07 04 31).
2. Hieran gemessen hat der
Vermittlungsausschuss mit dem Vorschlag der in § 54 Abs. 9
Satz 1 KStG 1999 getroffenen Regelung die ihm von der Verfassung
gesetzten Grenzen überschritten.
a) Das Gesetzgebungsverfahren hat folgenden
Verlauf genommen:
Im Zuge der Absenkung des allgemeinen
Körperschaftsteuersatzes von 45 v.H. auf 40 v.H. durch das
Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 zum 1.1.1999 hatte der
Gesetzgeber in § 23 Abs. 2 Satz 1 KStG 1999 eine Ausnahme
für Bezüge aus Gewinnausschüttungen und aus der
Auflösung von Körperschaften eingeführt, die -
soweit sie auf Gewinnrücklagen aus dem EK 45 beruhten -
weiterhin mit 45 v.H. zu versteuern waren (s. oben C.I.2.). Mit
dieser Ausnahmeregelung sollte ausweislich der Begründung des
Entwurfs der Regierungsfraktionen zum Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 (BTDrucks 14/23, S. 192, 193) insbesondere bei
Konzernen verhindert werden, dass bis zum 31.12.1998 entstandene
Gewinne zum Zwecke der Steuerentlastung auf 40 v.H.
ausgeschüttet würden.
Der Fraktionsentwurf des
Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 27.8.1999 (BTDrucks 14/1514),
das als Artikelgesetz Regelungen zu einer Vielzahl steuerlicher
Gesetze - darunter auch das Einkommensteuergesetz und das
Körperschaftsteuergesetz - enthielt, sah eine Änderung
oder Ergänzung der in § 23 KStG geregelten Materie nicht
vor. Die das Körperschaftsteuergesetz betreffenden
Änderungen durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 sollten
nach der Gesetz gewordenen Regelung in § 54 Abs. 1 KStG 1999
grundsätzlich erstmals für den Veranlagungszeitraum 2000
anzuwenden sein. Der Finanzausschuss (7. Ausschuss) des Bundestages
schlug in seiner Beschlussempfehlung zum Fraktionsentwurf des
Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 10.11.1999 (BTDrucks 14/2035,
S. 30) neben vielen anderen Änderungen und Ergänzungen
die Einfügung des späteren § 23 Abs. 2 Satz 5 KStG
1999 vor, der die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 2 Satz 1
KStG 1999 auf umwandlungssteuerrechtliche Übernahmegewinne
ausdehnte. Zur Begründung des Vorschlags heißt es im
Bericht des Finanzausschusses vom 11.11.1999 (BTDrucks 14/2070, S.
23, 24):
„Die Regelung soll verhindern, dass
über den Umweg der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in
eine Personengesellschaft, an der Kapitalgesellschaften als
Gesellschafter beteiligt sind, eine Steuerentlastung von EK 45
eintritt, die bei Gewinnausschüttungen durch § 23 Abs. 2
Satz 1 KStG versagt wird. ... Die Herabschleusung der Belastung von
45 v.H. auf 40 v.H. kann außer durch Ausschüttung auch
durch Umwandlung in eine Personengesellschaft erreicht werden.
Soweit an der Personengesellschaft wiederum Kapitalgesellschaften
beteiligt sind, würden sie den Übernahmegewinn ... nach
allgemeinen Regeln mit dem Tarifsteuersatz von 40 v.H. versteuern,
die auf der Ebene der umgewandelten Kapitalgesellschaft entstandene
Körperschaftsteuer von 45 v.H. wäre gemäß
§ 10 UmwStG anzurechnen. Der angefügte Satz 5
schließt die Lücke, indem er den Übernahmegewinn
einer Belastung von 45 v.H. unterwirft.“
Eine besondere, von § 54 Abs. 1 KStG 1999
abweichende Bestimmung über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens
dieser Regelung enthielt der Vorschlag nicht.
Das Steuerbereinigungsgesetz 1999 wurde in der
Sitzung des Bundestages vom 12.11.1999 in zweiter und dritter
Beratung verhandelt und in der vom Finanzausschuss vorgeschlagenen
Fassung beschlossen (Plenarprotokoll des Bundestages 14/70, S.
6339).
Der Bundesrat beschloss in der Sitzung vom
26.11.1999 (Plenarprotokoll 745) auf der Grundlage eines Antrags
des Freistaates Sachsen vom 24.11.1999 (BRDrucks 636/2/99) die
Anrufung des Vermittlungsausschusses. In dem Antrag wird die
Anrufung des Vermittlungsausschusses mit dem Verlangen nach
Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften des
Einkommensteuergesetzes über die Einführung einer
Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen
begründet (ebenso das gleichlautende Unterrichtungsschreiben
des Präsidenten des Bundesrates an den Vorsitzenden des
Vermittlungsausschusses vom 7.12.1999, BTDrucks 14/2328).
Die nach Durchführung des
Vermittlungsverfahrens vom Vermittlungsausschuss beschlossene
Beschlussempfehlung vom 15.12.1999 (BTDrucks 14/2380) sieht neben
der vom Bundesrat verlangten Streichung der Besteuerung von
Erträgen aus Kapitallebensversicherungen eine Reihe anderer
Änderungen und Ergänzungen vor, u.a. auch die
Einfügung des später Gesetz gewordenen § 54 Abs. 9
Satz 1 KStG 1999, der die Anwendung von § 23 Abs. 2 Satz 5
KStG 1999 bereits für das Veranlagungsjahr 1999 vorschreibt.
Am 16.12.1999 nahm der Bundestag den Vorschlag des
Vermittlungsausschusses ohne inhaltliche Aussprache an
(Plenarprotokoll des Bundestages 14/79, S. 7291). Nachdem am Tag
darauf auch der Bundesrat zugestimmt hatte (Plenarprotokoll des
Bundesrates 746, S. 485), ist das Steuerbereinigungsgesetz am
29.12.1999 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am
1.1.2000 in Kraft getreten.
b) Der Vermittlungsausschuss hat mit dem
Vorschlag der Einfügung von § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG 1999
die vom Anrufungsbegehren vorgegebenen Grenzen seiner Aufgabe
überschritten.
aa) Im Unterschied zu der aus anderen
Gesetzgebungsverfahren bekannten Praxis (vgl. etwa die den
Entscheidungen des BVerfG in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 =
SIS 99 24 15, und in BGBl I 2008, 481 = SIS 08 16 84
zugrundeliegenden Sachverhalte) enthielt der Vermittlungsauftrag
des Bundesrates zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 eine konkrete
Beschreibung und Konkretisierung des Vermittlungsauftrags. Dieser
betraf ausschließlich die im vom Bundestag verabschiedeten
Entwurf enthaltenen Änderungen des Einkommensteuergesetzes
betreffend die Einführung einer Besteuerung von Erträgen
aus Kapitallebensversicherungen, die vom Bundesrat abgelehnt wurden
und deren Streichung im Anrufungsbegehren verlangt worden ist.
bb) Zu der Problematik der Besteuerung von
Erträgen aus Kapitallebensversicherungen und der damit
zusammenhängenden, übergeordneten Materie der
steuerlichen Rahmenbedingungen der privaten Altersvorsorge steht
die eine Detailfrage des Körperschaftsteuerrechts betreffende
Thematik der Besteuerung von umwandlungssteuerrechtlichen
Übernahmegewinnen in keinerlei inhaltlicher Beziehung. Es
handelt sich um zwei thematisch gänzlich verschiedene
Bereiche, die keine Wechselwirkungen zeitigen.
Das vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagene
zeitliche Vorziehen der höheren Besteuerung der
Übernahmegewinne beruhte offenkundig auch nicht auf einem
Entgegenkommen des Bundesrates, zu dem dieser gleichsam als
„Gegenleistung“ für die durchgesetzte
Streichung der Besteuerung der Kapitallebensversicherungen bereit
gewesen wäre. Aus den Plenarprotokollen und sonstigen
Gesetzesmaterialien ergibt sich kein Anhalt dafür, dass die
Besteuerung der Übernahmegewinne überhaupt jemals
Gegenstand einer politischen Kontroverse innerhalb von Bundestag
und Bundesrat bzw. zwischen diesen beiden Gesetzgebungsorganen war.
Auch führte die Streichung des geplanten Einstiegs in eine
Besteuerung der Erträge von Kapitallebensversicherungen nicht
zu kurzfristigen Steuerausfällen, die einer anderweitigen
fiskalischen Kompensation bedurften. Die vom Bundestag beschlossene
Besteuerung bezog sich nämlich nur auf neu abgeschlossene
Lebensversicherungsverträge und hätte folglich erst auf
lange Sicht zu Mehreinnahmen führen können (vgl. auch die
Begründung des Antrags des Freistaates Sachsen im Bundesrat
vom 24.11.1999, BRDrucks 636/2/99).
Es spricht deshalb alles dafür, dass -
wovon auch das FG ausgegangen ist - der Vermittlungsausschuss das
Vermittlungsverfahren über das Anrufungsbegehren hinausgehend
zum Anlass genommen hat, das gesamte Gesetzesvorhaben auf seine
Stimmigkeit und Effizienz zu prüfen, und er dabei festgestellt
hat, dass die mit der geplanten Einführung von § 23 Abs.
2 Satz 5 KStG 1999 beabsichtigte Lückenschließung zur
größtmöglichen Effektivität eines zeitlichen
Vorziehens auf den laufenden Veranlagungszeitraum bedurfte. Diese
Vorgehensweise des Vermittlungsausschusses zeigt sich insbesondere
daran, dass seine Beschlussempfehlung außer der
streitgegenständlichen Ergänzung des
Körperschaftsteuergesetzes noch Vorschläge zur
Änderung und Ergänzung einer Anzahl weiterer Gesetze
(z.B. Umsatzsteuergesetz, Kraftfahrzeugsteuergesetz) enthält,
die ebenfalls keinen inhaltlichen Bezug zum Gegenstand des
Vermittlungsauftrags aufweisen.
c) Der Vermittlungsausschuss bewegte sich mit
seiner Beschlussempfehlung zur Einfügung von § 54 Abs. 9
Satz 1 KStG 1999 mithin außerhalb der seine Anrufung
auslösenden Auffassungsunterschiede zwischen Bundestag und
Bundesrat und überschritt damit seine Befugnisse. Diese sehen
es nicht vor, dass der Vermittlungsausschuss seine Anrufung dazu
nutzt, das geplante Gesetzesvorhaben außerhalb der Materie
des hier vorliegenden konkret eingegrenzten Anrufungsbegehrens
einer Kontrolle auf Stimmigkeit, Zweckmäßigkeit und
Effizienz zu unterziehen. Denn der Vermittlungsausschuss fungierte
damit nicht mehr als Brücke zwischen Bundesrat und Bundestag,
sondern als in der Verfassung nicht vorgesehene legislative
Qualitätskontrollinstanz. Mangels Grundlage in der Verfassung
kann dem Vermittlungsausschuss eine solche Funktion auch nicht -
wie das FG meint - aus Gründen der Effizienz des
Gesetzgebungsverfahrens zugebilligt werden.
Aus dem vom FG in Bezug genommenen
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 72, 175 zum 2. Haushaltsstrukturgesetz
1981 folgt nichts Gegenteiliges. Der dortige Sachverhalt
unterscheidet sich vom Streitfall wesentlich dadurch, dass dort die
Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundestag sachlich
nicht konkretisiert und eingegrenzt worden war, dass die in die
Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses einbezogene
gesetzliche Regelung aus dem Bereich der Wohnungsbauförderung
zuvor schon Gegenstand einer Stellungnahme des Bundesrates im zur
Anrufung führenden Gesetzgebungsverfahren gewesen ist und dass
die betreffende Regelung bereits in erster Lesung Gegenstand der
Verhandlungen des Bundestages war, mithin die Abgeordneten des
Bundestages und auch der Bundesrat bereits Gelegenheit zur
Stellungnahme hatten. Mit diesen Gegebenheiten hatte das BVerfG
seine Entscheidung im Wesentlichen begründet, so dass daraus
nicht auf die Verfassungsmäßigkeit des im Streitfall zu
beurteilenden Gesetzgebungsverfahrens geschlossen werden kann.
Schließlich kann dem FG in diesem
Zusammenhang nicht in der Differenzierung zwischen bloßen
Ergänzungen bzw. Modifikationen bereits beschlossener
gesetzlicher Regelungen - die dem Vermittlungsausschuss auch
außerhalb des Anrufungsgegenstandes erlaubt sein sollen - und
der originären Kreation eines eigenständigen
Normgefüges - das der Gesetzesinitiative der dazu von
Verfassungs wegen berufenen Gremien vorbehalten bleibe - gefolgt
werden. Denn der Vornahme von Veränderungen und Modifikationen
vorhandener Gesetze kommt in gleicher Weise Gesetzesqualität
zu wie der erstmaligen Schaffung neuer Gesetze. Die
Komplexität der jeweils vorgeschlagenen Normen und die
für die Normgebung erforderliche Kreativität des
Normgebers sind keine tauglichen Abgrenzungskriterien für die
Zuständigkeit zur Gesetzesinitiative. Dem entsprechend
heißt es sowohl im BVerfG-Beschluss in BGBl I 2008, 481 = SIS 08 16 84 als auch im ersten Leitsatz des BVerfG-Urteils in BVerfGE
101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15 ohne jede
Differenzierung, der Vermittlungsausschuss dürfe
„Änderungen, Ergänzungen oder
Streichungen“ des Gesetzesbeschlusses nur vorschlagen,
wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im Rahmen des
Anrufungsbegehrens und des ihm zugrunde liegenden
Gesetzgebungsverfahrens verbleibe.
3. Das nicht verfassungsgemäße
Zustandekommen des § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG 1999 führt zur
Nichtigkeit der Norm. An der dazu erforderlichen Evidenz des
Verfassungsverstoßes (BVerfG-Urteil vom 26.7.1972 2 BvF 1/71,
BVerfGE 34, 9, 25; BVerfG-Beschlüsse vom 11.10.1994 1 BvR
337/92, BVerfGE 91, 148, 175; in BGBl I 2008, 481 = SIS 08 16 84)
fehlt es nicht.
a) Nach dem BVerfG-Beschluss in BGBl I 2008,
481 = SIS 08 16 84 kommt es für die Evidenz eines
Verfassungsverstoßes aufgrund unzulässiger
Gesetzesinitiative des Vermittlungsausschusses entscheidend darauf
an, ob sich der Gesetzgeber bis zum Abschluss des betreffenden
Gesetzgebungsverfahrens auf die Grundsätze des BVerfG-Urteils
in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15 hat
einstellen können. Erst unter Heranziehung der in jenem
BVerfG-Urteil entwickelten und konkretisierten Maßstäbe
lassen sich die Grenzen der zulässigen Tätigkeit des
Vermittlungsausschusses hinreichend klar bestimmen.
b) In dem Gesetzgebungsverfahren betreffend
das Steuerbereinigungsgesetz 1999 hätten die
Maßstäbe des BVerfG-Urteils in BVerfGE 101, 297, BStBl
II 2000, 162 = SIS 99 24 15 berücksichtigt werden können.
Das Urteil datiert vom 7.12.1999. Am gleichen Tag hat das BVerfG
eine ausführliche Pressemitteilung veröffentlicht
(Pressemitteilung Nr. 134/99 vom 7.12.1999,
www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg134-99.html), in der die
entscheidenden Auszüge aus den Urteilsgründen
wiedergegeben werden. Dazu zählt u.a. die Passage, wonach der
Vermittlungsausschuss eine Änderung, Ergänzung oder
Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften nur
vorschlagen darf, wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im
Rahmen des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrunde liegenden
Gesetzgebungsverfahrens verbleibt. Die Maßstäbe des
BVerfG-Urteils in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15 zu den Grenzen der Initiativbefugnisse des
Vermittlungsausschusses hätten demnach bis zum 15.12.1999, als
der Vermittlungsausschuss seine Beschlussempfehlung zum
Steuerbereinigungsgesetz 1999 abgegeben hat, bzw. bis zu den
Folgetagen, als Bundestag und Bundesrat der Beschlussempfehlung des
Vermittlungsausschusses zugestimmt haben, von den an der
Gesetzgebung Beteiligten noch berücksichtigt werden
können.
Soweit das FA meint, das BVerfG-Urteil in
BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15 sei für
die Evidenz des im Streitfall in Rede stehenden
Verfassungsverstoßes nicht maßgeblich, weil dem
Tätigwerden des Vermittlungsausschusses im Urteilsfall ein
sog. „offenes Anrufungsbegehren“ zugrunde
gelegen hatte, in welchem ein konkretes Vermittlungsbegehren nicht
formuliert worden sei, ist dem nicht zuzustimmen. Denn in dem
BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162 = SIS 99 24 15 (und in der Pressemitteilung Nr. 134/99 des BVerfG vom
7.12.1999) wird ausdrücklich und unmissverständlich der
„Rahmen des Anrufungsbegehrens“ als Grenze
für die Vermittlungstätigkeit hervorgehoben. Dass diese
Grenze im Urteilsfall selbst nicht relevant geworden war, ist
demgegenüber nicht von entscheidender Bedeutung.
D. Ob und inwieweit § 54 Abs. 9 Satz 1
KStG 1999, wie von der Klägerin gerügt, auch unter dem
Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das sog.
Rückwirkungsverbot verfassungswidrig ist, lässt der Senat
offen. Die zuvor dargestellte Unvereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3
und Art. 76 Abs. 1 GG reicht aus, um die Vorlage zu rechtfertigen.
Die Beurteilung sonstiger verfassungsrechtlicher Fragen und
Vorfragen obliegt allein dem BVerfG; sie gehört nicht zur
Begründung des Vorlagebeschlusses (vgl. BVerfG-Beschlüsse
vom 22.6.1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 133, BStBl II 1995,
655, 660 = SIS 95 17 08; in BGBl I 2008, 481 = SIS 08 16 84, dort
unter III. der Gründe).