ESt-Erstattung an Ehegatten, Insolvenz: Werden Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zusammen veranlagter Eheleute ohne die ausdrückliche Bestimmung geleistet, dass mit der Zahlung nur die Schuld des Leistenden beglichen werden soll, muss das FA eine Überzahlung beiden Eheleuten zu gleichen Teilen erstatten (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung); das gilt auch, wenn über das Vermögen des anderen Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet war. - Urt.; BFH 30.9.2008, VII R 18/08; SIS 08 40 99
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann wurden ab
dem Veranlagungszeitraum 2002 zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Im April 2004 erließ der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gegenüber den
Eheleuten unter ihrer Steuernummer einen Bescheid über
Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum
Solidaritätszuschlag 2004, wobei zu diesem Zeitpunkt dem FA
bekannt war, dass über das Vermögen des Ehemanns der
Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.
Unter Angabe der Steuernummer des Vorauszahlungsbescheids sowie des
Verwendungszwecks „Einkommenst/Soli“ überwies die
Klägerin jeweils die für die Quartale I-IV 2004
festgesetzten Vorauszahlungen.
Die Anrechnung der geleisteten
Vorauszahlungen auf die mit dem Einkommensteuerbescheid 2004 gegen
die Eheleute festgesetzten Steuern führte zu einem Guthaben,
über welches das FA im August 2006 einen Abrechnungsbescheid
erteilte, mit dem es die Vorauszahlungen und dementsprechend das
nach Abrechnung verbliebene Guthaben der Klägerin zurechnete.
Gegen diesen Abrechnungsbescheid erhob der Beigeladene als
Insolvenzverwalter Einspruch, woraufhin das FA die Klägerin
zum Einspruchsverfahren hinzuzog und nach Anhörung der
Beteiligten mit Einspruchsentscheidung das nach Abrechnung
verbliebene Guthaben hälftig auf die Klägerin und den
Beigeladenen aufteilte. Nachdem die Klägerin hiergegen Klage
erhoben hatte, erließ das FA unter dem 2.1.2008 wegen einer
zwischenzeitlich geänderten Einkommensteuerfestsetzung einen
entsprechend geänderten Abrechnungsbescheid zur
Einkommensteuer 2004, mit dem es die streitige hälftige
Aufteilung des verbleibenden Guthabens unverändert
ließ.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus
den in EFG 2008, 914 = SIS 08 15 82 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, dass es sich in Anbetracht der Insolvenz ihres Ehemanns
von selbst verstehe, dass die von ihr geleisteten Zahlungen nicht
auch auf dessen Rechnung hätten gezahlt werden sollen, zumal
ihr Ehemann selbst gar keine Zahlungen hätte leisten
dürfen. In der Situation des Insolvenzverfahrens sei es
geradezu offensichtlich, dass der Ehegatte, der Einkünfte
erziele, mit seiner Zahlung nur seine Steuerschulden bedienen und
nicht eine Erhöhung bzw. Entlastung der Insolvenzmasse
bewirken wolle. Ein ausdrücklicher Hinweis des zahlenden
Ehegatten, dass er nur auf eigene Rechnung leiste, sei nur dann
erforderlich, wenn auch der Insolvenzverwalter zur Begleichung der
Vorauszahlungen aufgefordert worden sei. Außerdem rügt
die Klägerin eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht
durch das FG. Das FG hätte veranlassen müssen, dass ein
Schreiben des Beigeladenen vom 18.8.2006 im Verfahren vorgelegt
wird.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Klage zu Recht
abgewiesen; der angefochtene Abrechnungsbescheid ist
rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung
(AO) ist erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die
Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen
Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von
wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf,
wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im
Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar
hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies gilt auch für
den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die
überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten
Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran
anknüpfenden Steuern der Fall ist (§ 26b des
Einkommensteuergesetzes - EStG -, § 44 Abs. 1 AO); auch hier
steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen
Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. In Ermangelung
entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen kann
allerdings das FA als Zahlungsempfänger, solange die Ehe
besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, was nach
§ 26 Abs. 1 EStG Voraussetzung für die
Zusammenveranlagung ist, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte,
der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner
Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen
veranlagten Ehegatten begleichen will (ständige
Rechtsprechung, vgl. zuletzt: Senatsurteil vom 15.11.2005 VII R
16/05, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453 = SIS 06 08 89, m.w.N.).
Soweit also im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine
bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen,
ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer für
Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist.
Das hat zur Folge, dass im Fall einer durch die Anrechnung der
Vorauszahlungen auf die festgesetzte Steuer entstandenen
Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO
erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann - wie im
Streitfall geschehen - zwischen ihnen nach Köpfen
aufzuteilen.
Der Streitfall gibt weder Anlass, diese
ständige Rechtsprechung aufzugeben, noch ist anzunehmen, dass
das FG-Urteil in Anbetracht der Besonderheiten des Einzelfalls auf
der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 118 Abs. 1 Satz 1
FGO).
Soweit das FG erkannt hat, dass nach
Auswertung aller zur Verfügung stehenden Indizien davon
auszugehen sei, dass das FA zu den Zeitpunkten, als die
Vorauszahlungen für das Jahr 2004 geleistet wurden, nach dem
objektiven Empfängerhorizont keine zureichenden Anhaltspunkte
dafür gehabt habe, dass die Klägerin ausschließlich
auf eigene Rechnung habe leisten wollen, handelt es sich um eine im
Wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegende
Beurteilung, an die der Senat nur dann nicht gebunden wäre
(§ 118 Abs. 2 FGO), wenn diese Würdigung gegen
Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstieße
oder nicht nachvollziehbar begründet wäre (vgl.
Senatsurteile vom 3.2.2004 VII R 1/03, BFHE 204, 546, BStBl II
2004, 842 = SIS 04 14 40; vom 17.5.2005 VII R 76/04, BFHE 210, 70 =
SIS 05 33 32). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Nach den Feststellungen des FG hat die
Klägerin die fälligen Vorauszahlungsbeträge
überwiesen, ohne dabei - abgesehen von der Angabe der für
die zusammen veranlagten Eheleute vergebenen Steuernummer sowie des
Verwendungszwecks „Einkommensteuer und
Solidaritätszuschlag“ - eine besondere
Tilgungsbestimmung zu treffen. Unter diesen Umständen musste
das FA - wie das FG zutreffend geurteilt hat - im Zeitpunkt der
Zahlungseingänge nicht davon ausgehen, dass die
Vorauszahlungen allein auf Rechnung der Klägerin bewirkt sein
sollten.
Auch gab - anders als die Revision meint - der
Umstand, dass über das Vermögen des Ehemanns das
Insolvenzverfahren eröffnet worden war, keinen zwingenden
Hinweis auf eine solche Tilgungsabsicht. Der Senat hat bereits mit
Urteil in BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453 = SIS 06 08 89
entschieden, dass das FA in dem - insoweit allein
maßgeblichen - Zeitpunkt der Vorauszahlung Vermutungen
über eine bestimmte wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten
der steuerpflichtigen Eheleute für den Fall, dass die
Vorauszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt die festgesetzte
Steuer übersteigen und damit zu einem Erstattungsanspruch
führen, weder anstellen kann noch muss. Zu der Zeit, in der
die Vorauszahlungen bewirkt werden, kann das FA weder absehen, ob
die zukünftige Veranlagung zu einem Erstattungsanspruch
führen wird, noch ist es gehalten, Überlegungen
anzustellen, ob im Fall eines künftigen Erstattungsanspruchs
der Eheleute dessen hälftige Aufteilung möglicherweise
wirtschaftlich nachteilig für einen der Ehegatten wäre,
etwa weil Gläubiger in diesen Anspruch vollstrecken
könnten oder das FA die Aufrechnung mit Steuerforderungen
erklären könnte, so dass es der Interessenlage der
Eheleute eher entspräche, wenn nur der jeweils andere Ehegatte
die Steuervorauszahlungen auf eigene Rechnung leistet.
Dies ist nicht anders, wenn über das
Vermögen eines der Ehegatten das Insolvenzverfahren
eröffnet ist. Zum einen kann das FA nicht voraussehen und muss
auch insoweit keine Vermutungen anstellen, ob in dem Zeitpunkt, in
dem die Steuerveranlagung möglicherweise einen auf
Vorauszahlungen beruhenden Erstattungsanspruch ergibt, das
Insolvenzverfahren weiter andauert oder ob der Anspruch ggf.
nachträglich der Insolvenzmasse zugeführt wird. Zum
anderen mag es - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - auch
während des Insolvenzverfahrens eines der Ehegatten durchaus
Gründe für den jeweils anderen geben,
Steuervorauszahlungen auf Rechnung beider Eheleute zu bewirken. So
steht die Erwägung des FG, dass der Antrag auf
Zusammenveranlagung der Eheleute der Zustimmung des
Insolvenzverwalters bedarf und deshalb möglicherweise
Absprachen mit diesem über eine teilweise Auskehrung des
Erstattungsanspruchs an die Insolvenzmasse bestehen, nicht im
Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen.
Darüber hinaus kann bei Eheleuten gerade die bestehende
Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die nach § 26 Abs. 1 EStG
Voraussetzung für die beantragte Zusammenveranlagung ist, der
Grund für den nicht insolventen Ehepartner sein, bei einer
bestehenden Gesamtschuld auch auf die Schuld des jeweils anderen zu
leisten, um diesen dabei zu unterstützen, seine Gläubiger
zu befriedigen und seine schlechte wirtschaftliche Situation
schnell zu bereinigen.
Nach alledem ist es - ebenso wie in einem
Fall, der dem Senatsurteil in BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453 =
SIS 06 08 89 zugrunde lag - auch in einem Fall der Insolvenz eines
Ehegatten in erster Linie Sache der betroffenen Eheleute zu
entscheiden, ob sich die hälftige Aufteilung eines
möglichen künftigen Erstattungsanspruchs wirtschaftlich
nachteilig auf einen der Ehegatten auswirken könnte, und es
ist ihre Sache, Steuervorauszahlungen auf die Gesamtschuld ggf. nur
auf Rechnung eines der Ehegatten zu leisten, wofür es
lediglich eines entsprechenden Hinweises an das FA im Zeitpunkt der
Leistung der Steuervorauszahlung bedarf.
2. Die Verfahrensrüge der Revision ist
unzulässig, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht
schlüssig dargelegt ist (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b
FGO).
Zur schlüssigen Darlegung des
Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags
gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der
Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der
mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese
Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung,
vgl. Senatsurteil in BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842 = SIS 04 14 40, m.w.N.). Hierzu trägt die Revision nichts vor. Auch aus
dem Sitzungsprotokoll des FG ist nicht ersichtlich, dass die
Klägerin den Antrag gestellt hat, das Einspruchsschreiben des
Beigeladenen vom 18.8.2006 in ungekürzter Form vorzulegen.
Zur schlüssigen Darlegung des
Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen
obliegender Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1
FGO) gehören Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen
Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb
sich dem FG auf der Grundlage seines materiell-rechtlichen
Standpunkts eine Aufklärung hätte aufdrängen
müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden
Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue
Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und
inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren
Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil
in BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842 = SIS 04 14 40, m.w.N.). Auch
an solchen Angaben der Revision fehlt es im Streitfall.