Lohnsteuerbescheinigung, Berichtigung: 1. Ist nach einer Nettolohnvereinbarung streitig, in welcher Höhe Bruttoarbeitslohn in der Lohnsteuerbescheinigung hätte berücksichtigt werden müssen, ist der Finanzrechtsweg nicht gegeben. - 2. Nach der Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung kann der Arbeitnehmer eine Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr verlangen. - 3. Ein unzutreffender Lohnsteuerabzug kann mit Einwendungen gegen die Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr rückgängig gemacht werden. - Urt.; BFH 13.12.2007, VI R 57/04; SIS 08 14 84
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war bis zum … bei der
Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagte) tätig. Zur
Beendigung des zuletzt beim Bundesarbeitsgericht (BAG)
anhängigen Rechtsstreits, in dem sich die Klägerin gegen
die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt hatte,
schlossen Klägerin und Beklagte einen Vergleich: Das
Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten
habe aufgrund betriebsbedingter arbeitgeberseitiger Kündigung
zum genannten Datum geendet. Für den Verlust des
Arbeitsplatzes solle die Beklagte an die Klägerin einen
Abfindungsbetrag in Höhe von 150.000 DM zahlen. Dabei solle es
sich um einen netto - nach Abzug von Steuern - verbleibenden
Auszahlungsbetrag handeln.
Der Abfindungsbetrag in Höhe von
150.000 DM floss der Klägerin im März 2000 zu. Auf Antrag
der Klägerin stellte die Beklagte im Juni 2002 eine
(besondere) Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2000
aus, in der es heißt:
Ermäßigt zu besteuernder
Arbeitslohn
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161.246,30 DM,
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einbehaltene Lohnsteuer
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10.660,00 DM,
|
einbehaltener
Solidaritätszuschlag
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586,30 DM.
|
Am 11.10.2002 erließ das Finanzamt
(FA) gegenüber der mit ihrem Ehemann zusammen veranlagten
Klägerin einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000,
aus dem sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von … DM
ergab. Die Nachzahlung beruhte insbesondere darauf, dass die
Klägerin seit dem 1.4.2000 Einkünfte aus
nichtselbständiger Tätigkeit erzielt hatte.
Daraufhin wandte sich die Klägerin an
die Beklagte mit der Bitte, bei Berechnung des Bruttoarbeitslohns
und der einzubehaltenden Lohnsteuer die von ihr seit dem 1.4.2000
erzielten laufenden Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit in Höhe von … DM zu berücksichtigen. Die
von der Beklagten als einbehalten berechnete Lohnsteuer sei viel zu
niedrig.
Im März 2003 erhob die Klägerin
gegen die Beklagte Klage beim Arbeitsgericht (ArbG). Darin begehrte
sie, die Beklagte zu verpflichten, die von der Klägerin seit
dem 1.4.2000 erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit bei der Berechnung der von der Beklagten einzubehaltenden
Lohnsteuer zu berücksichtigen und eine entsprechend
berichtigte Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2000
auszustellen. Soweit die Klägerin die Berichtigung der
Lohnsteuerbescheinigung 2000 begehrte, verwies das ArbG den
Rechtsstreit an das Finanzgericht (FG) Berlin. Die dagegen von der
Klägerin beim Landesarbeitsgericht eingelegte sofortige
Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Das FG wies die Klage mit den in EFG 2005,
234 = SIS 05 00 56 veröffentlichten Gründen als
unbegründet ab.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
der Klägerin eine Lohnsteuerbescheinigung 2000 folgenden
Inhalts zu erteilen:
Ermäßigt zu besteuernder
Arbeitslohn
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224.000 DM,
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einbehaltene Lohnsteuer
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70.120 DM,
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einbehaltener
Solidaritätszuschlag
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3.857 DM.
|
Die Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG
hat zu Recht die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur
Erteilung der von der Klägerin begehrten
Lohnsteuerbescheinigung abgewiesen.
1. Das FG hat zwar zu Recht darauf
hingewiesen, dass die Voraussetzungen, unter denen nach § 33
Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Finanzrechtsweg gegeben
ist, im Streitfall nicht vorliegen (ausführlich dazu Beschluss
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.6.1993 VI B 108/92, BFHE 171,
409, BStBl II 1993, 760 = SIS 94 04 65; vgl. auch Schmidt/Drenseck,
EStG, 26. Aufl., § 39b Rz 10 f. und § 41b Rz 1). Auch
soweit sich das zunächst im arbeitsgerichtlichen Verfahren
geltend gemachte Begehren der Klägerin auf die Erteilung einer
nachträglich korrigierten Lohnsteuerbescheinigung mit nach
ihrer Ansicht zutreffenden steuerlichen Eintragungen richtet, geht
es ausschließlich um die Klärung der Frage, in welcher
Höhe die Beklagte aus der im Wege eines arbeitsgerichtlichen
Vergleichs getroffenen Nettolohnvereinbarung (näher zum
Begriff z.B. BFH-Urteile vom 6.12.1991 VI R 122/89, BFHE 166, 540,
BStBl II 1992, 441 = SIS 92 10 37, und vom 28.2.1992 VI R 146/87,
BFHE 167, 507, BStBl II 1992, 733 = SIS 92 16 34, unter 1. a;
Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 39b Rz 11 und § 42d Rz 20)
zusätzlichen (Brutto-)Arbeitslohn schuldet und noch durch
Zahlungen an das FA erfüllen muss (vgl. BFH-Beschluss in BFHE
171, 409, BStBl II 1993, 760 = SIS 94 04 65).
Auch die Abgrenzung einer sog. abgeleiteten
von einer sog. originären Nettolohnvereinbarung (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 166, 540, BStBl II 1992, 441 = SIS 92 10 37) ist
arbeitsrechtlicher Natur. Dem steht nicht entgegen, dass nach
Auffassung des BAG (Beschluss vom 11.6.2003 5 AZB 1/03, NJW 2003,
2629, BFH/NV 2003, Beilage 4, 253 = SIS 03 36 45) für eine
Klage, die auf die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung
gerichtet ist, nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern
die Finanzgerichte zuständig sind. Jene Entscheidung bezog
sich nicht auf die Situation einer Nettolohnvereinbarung, bei der
die Höhe des aufgrund dieser Vereinbarung vom Arbeitgeber
geschuldeten Bruttolohns zwischen den Parteien des
Arbeitsverhältnisses streitig ist. Besteht - anders als im
Streitfall - Streit, ob Lohnsteuer-Abzugsbeträge, die in der
Lohnabrechnung vorgenommen worden sind, in der
Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen sind, ist auch nach Auffassung
des BFH der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. auch BFH-Beschluss vom
30.6.2005 VI S 7/05, BFH/NV 2005, 1849 = SIS 05 41 07; Thomas,
Maßnahmen des Arbeitnehmers gegen Fehler beim
Lohnsteuerabzug, in: Personalrecht im Wandel, Festschrift für
Küttner, München 2006, S. 239 ff., 240). Indes war das FG
an den Verweisungsbeschluss des ArbG hinsichtlich des Rechtswegs
gebunden (§ 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes
- GVG - ). Der BFH hat als Rechtsmittelgericht ebenfalls nicht zu
prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist
(§ 17a Abs. 5 GVG; vgl. auch BFH-Urteil vom 19.10.2001 VI R
36/96, BFH/NV 2002, 340 = SIS 02 53 32).
2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats fehlt selbst für den Fall, dass der Finanzrechtsweg
gegeben ist, bei Streit über eine Nettolohnvereinbarung einer
isolierten Klage auf Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung
regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis (BFH-Beschluss
in BFHE 171, 409, BStBl II 1993, 760 = SIS 94 04 65, unter 1. c).
Die Folge einer Nettolohnvereinbarung ist, dass der Arbeitgeber mit
der Auszahlung des Nettolohns aus der Sicht des Arbeitnehmers die
Lohnsteuer vorschriftsmäßig einbehalten hat (§ 42d
Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ), weshalb
der Arbeitnehmer nur in Anspruch genommen werden kann, wenn er
weiß, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht
vorschriftsmäßig angemeldet hat, und er diesen
Sachverhalt dem FA nicht unverzüglich mitteilt (§ 42d
Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG; vgl. BFH-Urteil in BFHE 167, 507, BStBl
II 1992, 733 = SIS 92 16 34, unter 1. a). Damit ist im Fall einer
Nettolohnvereinbarung die aus Sicht des Arbeitnehmers
vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer nach § 36
Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuer anzurechnen (vgl.
BFH-Beschluss in BFHE 171, 409, BStBl II 1993, 760 = SIS 94 04 65,
unter 1. c). Eine Bindung an den Inhalt der Lohnsteuerbescheinigung
besteht bei der Veranlagung nicht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002,
340 = SIS 02 53 32, unter 2. c). Behauptet der Arbeitnehmer eine
Nettolohnvereinbarung, so ist er deshalb - was die Anrechnung von
Steuerabzugsbeträgen angeht - auf die Möglichkeit zu
verweisen, das Vorliegen einer solchen Vereinbarung in den
Verfahren der Steuerfestsetzung und der Steueranrechnung als
bürgerlich-rechtliche Vorfrage durch die Finanzbehörde
sowie ggf. die Finanzgerichte klären und gleichzeitig auch
endgültig entscheiden zu lassen (vgl. BFH-Beschluss in BFHE
171, 409, BStBl II 1993, 760 = SIS 94 04 65, unter 1. c). Dies hat
auch das FG in seiner angefochtenen Entscheidung
berücksichtigt. Dabei hat es zutreffend ausgeführt, dass
bei einer Nettolohnvereinbarung die gesetzlich einzubehaltende und
abzuführende Lohnsteuer - fiktiv - als tatsächlich
einbehalten gelte; in Folge dessen sei das FA grundsätzlich
verpflichtet, die nach den gesetzlichen Vorschriften vom
Arbeitgeber einzubehaltende Lohnsteuer bei der Veranlagung des
Arbeitnehmers so anzurechnen, als ob sie tatsächlich
einbehalten und abgeführt worden sei. Gleichwohl hat das FG
ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin mit der
Begründung bejaht, es führe zu einer erheblichen
zeitlichen Verzögerung, wenn die Klägerin auf einen
Rechtsstreit mit ihrem Wohnsitz-FA verwiesen werde. Ob dem zu
folgen ist oder ob die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses
bereits unzulässig ist, kann indes offen bleiben. Die Revision
hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil die Klage
unbegründet ist.
3. Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine
lohnsteuerrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur Änderung
der Lohnsteuerbescheinigung verneint.
a) Der Berichtigung der streitbefangenen
Lohnsteuerbescheinigung steht - ungeachtet deren inhaltlicher
Richtigkeit - entgegen, dass gemäß § 41c Abs. 3
Satz 1 EStG nach Beendigung des Dienstverhältnisses die
Änderung des Lohnsteuerabzugs nur bis zur Übermittlung
oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig ist.
Nach der Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung kann der
Arbeitnehmer eine Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung nicht
mehr verlangen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 340 = SIS 02 53 32,
unter 2. c, und Beschluss vom 24.1.2006 VI B 123/05, BFH/NV 2006,
945 = SIS 06 17 41; Küttner/Huber, Personalbuch 2007,
Stichwort Lohnsteuerbescheinigung, Rz 18; Diebold in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 41b EStG Rz 13).
b) Die zeitliche Begrenzung der
Möglichkeit, eine Lohnsteuerbescheinigung zu ändern,
folgt aus der Funktion dieser Bescheinigung. Die
Lohnsteuerbescheinigung ist eine Urkunde, die dem leichteren
Nachweis steuerlicher Verhältnisse bei der
Einkommensteuer-Veranlagung dient (vgl. eingehend hierzu Thomas,
a.a.O., S. 239 ff.). Sie ist ein Beweispapier über den
Lohnsteuerabzug, so wie er tatsächlich stattgefunden hat, und
nicht, wie er - etwa wie hier nach Auffassung des Arbeitnehmers -
hätte durchgeführt werden müssen. Aus der
Dokumentations- und Beweisfunktion für einen abgeschlossenen
Sachverhalt ergibt sich, dass mit Einwendungen gegen die
Lohnsteuerbescheinigung ein unzutreffender Lohnsteuerabzug nicht
mehr ungeschehen gemacht werden kann (vgl. Thomas, a.a.O., S.
241).
4. Nach alledem hat das FG zu Recht keine
Tatsachenfeststellungen zu der Frage getroffen, ob bzw. inwieweit
der Beklagten bekannt war oder sein musste, dass die Klägerin
ab dem 1.4.2000 erstmals nach längerer Zeit wieder laufenden
Arbeitslohn von einem neuen Arbeitgeber beziehen würde. Auf
die Frage, ob die Klägerin auf eine Berücksichtigung des
von ihr ab dem 1.4.2000 erzielten Arbeitslohnes hätte
hinwirken müssen, kommt es einkommensteuerrechtlich ebenfalls
nicht an.
5. Dieses lohnsteuerrechtlich begründete
Ergebnis schließt nicht aus, dass ein Arbeitgeber aufgrund
einer über einen sonstigen Bezug getroffenen
Nettolohnvereinbarung arbeitsrechtlich einen höheren
Bruttolohn schuldet, als den, der sich bei zutreffender Anwendung
lohnsteuerrechtlicher Vorschriften ergibt. Dies wäre etwa der
Fall, wenn sich aus der arbeitsrechtlichen Nettolohnvereinbarung -
etwa in Gestalt der Regelung eines konkreten Berechnungsmodus -
ergäbe, dass der geschuldete Bruttolohn - was die darin
enthaltene Lohnsteuer betrifft - auch unter Berücksichtigung
von laufenden Arbeitslöhnen und weiteren sonstigen
Bezügen zu bemessen ist, die der Arbeitnehmer aus nach dem
Zeitpunkt der (Netto-)Zahlung eines sonstigen Bezugs beginnenden
künftigen Dienstverhältnissen bezieht. Über die
arbeitsrechtliche Auslegung des zwischen den Beteiligten
geschlossenen Vergleichs als abgeleitete oder originäre
Nettolohnvereinbarung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 167, 507, BStBl II
1992, 733 = SIS 92 16 34) war jedoch weder im vorinstanzlichen
Verfahren noch im Revisionsverfahren zu entscheiden. Dies
ungeachtet dessen, dass arbeitsrechtliche Ansprüche des
Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Lohnsteuerbescheinigung nicht
über das hinausgehen, wozu der Arbeitgeber im Rahmen des
Lohnsteuerabzugsverfahrens verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 2002, 340 = SIS 02 53 32, unter 2.). Weil die
Lohnsteuerbescheinigung - wie bereits unter II. 2. ausgeführt
- bei der Veranlagung nicht bindet, wird in dem vorliegenden
Rechtsstreit auch nicht mittelbar über die Auslegung der
zwischen den Beteiligten streitigen Nettolohnvereinbarung
entschieden.