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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine AG, begehrt die Änderung von
Lohnsteuerfestsetzungen für die Zeiträume Februar 2003
bis Dezember 2006.
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In den Jahren 2003 bis 2007 zahlte sich der
für die Lohnabrechnungen und den gesamten Personalbereich
zuständige Mitarbeiter L höhere als ihm vertraglich
zustehende Gehälter aus. L arbeitete als
Personalsachbearbeiter überwiegend allein und
eigenverantwortlich. Gegenstand seiner Tätigkeit waren u.a.
die Erfassung von Personalstammdaten, die Lohn- und
Gehaltsabrechnung sowie die Auszahlung der Löhne und
Gehälter.
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Die Überzahlungen betrugen
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2003
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16.417 EUR
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2004
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39.000 EUR
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2005
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42.000 EUR
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2006
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76.298 EUR
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Summe
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173.715 EUR
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Die Lohnsteuer-Anmeldungen für die
betreffenden Zeiträume wiesen entsprechend höhere
Lohnsteuerbeträge aus, als dies bei ordnungsgemäßer
Gehaltszahlung der Fall gewesen wäre.
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Für den Zeitraum Januar 2002 bis
Dezember 2004 fand bei der Klägerin eine
Lohnsteuer-Außenprüfung statt. Im Anschluss hieran wurde
mit Bescheid vom 10.10.2005 der Vorbehalt der Nachprüfung
für die Lohnsteuerfestsetzungen vom 1.1.2002 bis zum
31.12.2004 aufgehoben.
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Die überhöhten Gehaltszahlungen
wurden während einer Sonderuntersuchung durch einen
Wirtschaftsprüfer im Juni 2007 bekannt.
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Am 21.9.2007 beantragte die Klägerin
die Änderung der Lohnsteuerfestsetzungen für die
Zeiträume Februar 2003 bis Dezember 2006 in Höhe von
4.848 EUR (2003), 11.992,24 EUR (2004), 12.600,47 EUR (2005) und
25.904,66 EUR (2006), insgesamt 55.345,37 EUR.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) lehnte den Änderungsantrag mit
Verfügungen vom 1. Oktober und vom 27.11.2007 ab und wies den
Einspruch hiergegen mit Einspruchsentscheidung vom 31.3.2008 als
unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
den in EFG 2011, 1926 = SIS 11 25 48 veröffentlichten
Gründen in Bezug auf die Lohnsteuer-Anmeldungen der Jahre 2005
und 2006 statt. Im Übrigen wies es die Klage wegen Ablaufs der
Festsetzungsfrist ab.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt, das Urteil des FG des
Saarlandes vom 21.6.2011 1 K 1196/08 hinsichtlich der Streitjahre
2005 und 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet; sie war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht entschieden,
dass die Überzahlungen nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn
des L gehörten und die entsprechenden Lohnsteuerfestsetzungen
insoweit nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)
geändert werden konnten, als sie noch unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung standen.
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1. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m.
§ 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung alle Vorteile,
die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder
privaten Dienst gewährt werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift
ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung
besteht oder nicht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
5.7.1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545 = SIS 96 19 38). Unerheblich ist auch, ob Zahlungen des Arbeitgebers an den
Arbeitnehmer bei diesem verbleiben können (BFH-Urteil vom
22.5.2002 VIII R 74/99, BFH/NV 2002, 1430 = SIS 02 97 85). Zum
Arbeitslohn gehören daher auch versehentliche
Überweisungen des Arbeitgebers, die dieser zurückfordern
kann. Die Rückzahlung ist in diesem Fall erst im Zeitpunkt des
tatsächlichen Abflusses einkünftemindernd zu
berücksichtigen (BFH-Urteil vom 4.5.2006 VI R 17/03, BFHE 213,
383, BStBl II 2006, 830 = SIS 06 31 50).
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2. Aus den angeführten
Rechtsgrundsätzen ergibt sich, dass die vorliegenden
Überzahlungen nicht als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen sind. Es fehlt bereits an dem Merkmal
der „Gewährung“ von Vorteilen. Im
Streitfall wurden L die über die vertraglich vereinbarten
Beträge überwiesenen Zahlungen nicht
„gewährt“; vielmehr hat er sich die
entsprechenden Beträge eigenmächtig unter
Überschreitung seiner Befugnisse zugeteilt.
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3. Eine geänderte Festsetzung war
ungeachtet der sich aus § 41c Abs. 3 EStG ergebenden
Rechtsfolgen möglich. Zwar ist nach § 41c Abs. 3 Satz 1
EStG die Änderung des Lohnsteuerabzugs nur bis zur
Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung
zulässig. Nach der Übermittlung der
Lohnsteuerbescheinigung kann der Arbeitnehmer eine Berichtigung der
Lohnsteuerbescheinigung nicht mehr verlangen, denn diese ist ein
Beweispapier über den Lohnsteuerabzug, so wie er
tatsächlich stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteile vom 13.12.2007
VI R 57/04, BFHE 220, 124, BStBl II 2008, 434 = SIS 08 14 84; vom
30.10.2008 VI R 10/05, BFHE 223, 202, BStBl II 2009, 354 = SIS 09 00 50). Indes ist der tatsächliche Lohnsteuerabzug im
Zusammenhang mit einer Lohnsteuer-Anmeldung oder einem an deren
Stelle tretenden Festsetzungsbescheid nicht von Bedeutung. Denn bei
der darin festgesetzten, mit der Zahlung des Arbeitslohns
entstehenden Entrichtungssteuerschuld des Arbeitgebers handelt es
sich um einen gesetzlich bestimmten „Sollbetrag“
und nicht um einen durch den tatsächlichen Lohnsteuerabzug
bestimmten „Istbetrag“ (BFH-Urteil in BFHE 223,
202, BStBl II 2009, 354 = SIS 09 00 50, m.w.N.).
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4. Nach den angeführten
Rechtsgrundsätzen war eine Änderung der
Lohnsteuer-Anmeldungen nach Maßgabe der allgemeinen
Korrekturvorschriften möglich. Eine Änderung war danach
insbesondere zulässig, solange der Vorbehalt der
Nachprüfung (§ 168 Satz 1 AO) noch bestand. Da dies
hinsichtlich der Lohnsteuer-Anmeldungen der Jahre 2005 und 2006 der
Fall war, hat das FG die Lohnsteuer-Anmeldungen dieser Jahre zu
Recht geändert.
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