Anfänglicher Teilverzicht auf nachehelichen Unterhalt, Schenkungsteuer: Erhält ein Ehegatte zu Beginn der Ehe vom anderen Ehegatten als Ausgleich für einen ehevertraglich vereinbarten Teilverzicht auf nachehelichen Unterhalt einen Geldbetrag, ist dies als freigebige Zuwendung zu beurteilen. Der Teilverzicht stellt keine die Bereicherung mindernde Gegenleistung dar. - Urt.; BFH 17.10.2007, II R 53/05; SIS 08 10 85
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) schloss am 22.7.1997 mit
ihrem späteren Ehemann (E) einen notariell beurkundeten
Ehevertrag, durch den u.a. Regelungen über ihren Anspruch auf
nachehelichen Unterhalt getroffen wurden. Danach bleibt es im
Grundsatz bei der gesetzlichen Regelung dieses Anspruchs. Der
Anspruch beträgt jedoch monatlich höchstens
(wertgesichert) 10.000 DM und ermäßigt sich im Falle der
Wiederverheiratung der Klägerin nach einer Scheidung auf die
Hälfte. Außerdem waren sich die Beteiligten darüber
einig, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, im Falle
einer Ehescheidung eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Einer
in dem Ehevertrag ferner getroffenen Vereinbarung entsprechend
zahlte E im Jahr 1997 als „Gegenleistung“ für den
teilweisen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt an die
Klägerin einen mit dem Zeitpunkt der Eheschließung
fällig gewordenen Geldbetrag von 1.500.000 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) sah in dieser Zahlung eine freigebige Zuwendung
und setzte gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Einspruch
und Klage (vgl. SIS 03 43 38) blieben erfolglos. Das Finanzgericht
(FG) teilte die Ansicht des FA, dass die Voraussetzungen des §
7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
(ErbStG) erfüllt seien. Der teilweise Verzicht der
Klägerin auf nachehelichen Unterhalt betreffe eine bloße
Erwerbschance und könne daher nicht als eine die Freigebigkeit
ausschließende Gegenleistung gewertet werden. Auch der
subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung liege vor.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Ihr
teilweiser Verzicht auf nachehelichen Unterhalt stelle eine
Gegenleistung dar, deren Wert dem zugewendeten Geldbetrag
entspreche. E habe keine unentgeltliche Zuwendung vornehmen,
sondern - vergleichbar einem Versicherungsvertrag - das aufgrund
der Höhe seines Einkommens bestehende Risiko vermeiden wollen,
nach einer Ehescheidung an sie sehr hohen Unterhalt leisten zu
müssen.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen
Schenkungsteuerbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht angenommen,
dass für die Zuwendung des Betrags von 1.500.000 DM an die
Klägerin Schenkungsteuer festzusetzen war.
1. Der Schenkungsteuer unterliegt als
Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede
freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie
auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs - BGB - ).
a) Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes,
auf den kein Rechtsanspruch besteht, ist unentgeltlich, wenn er
nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb
ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers oder in rechtlichem
Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck steht (ständige
Rechtsprechung, zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
15.3.2007 II R 5/04, BStBl II 2007, 472 = SIS 07 13 13, unter II.5.
und 6.). Dabei kommen als die Unentgeltlichkeit
ausschließende und die Entgeltlichkeit begründende
rechtliche Abhängigkeit Verknüpfungen sowohl nach Art
eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung
oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht (grundlegend
BFH-Urteil vom 2.3.1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994,
366 = SIS 94 09 04; zuletzt BFH-Urteil vom 24.8.2005 II R 28/02,
BFH/NV 2006, 63 = SIS 06 02 65, ständige Rechtsprechung).
Freiwillig eingegangene Leistungspflichten schließen die
Unentgeltlichkeit nicht aus (BFH-Urteil vom 28.6.2007 II R 12/06,
BFH/NV 2007, 2014 = SIS 07 31 52).
b) Der Unentgeltlichkeit steht es auch nicht
entgegen, wenn Zuwendungen unter Ehegatten der ehelichen
Gemeinschaft dienen (BFH-Urteil in BFHE 173, 432, BStBl II 1994,
366 = SIS 94 09 04). Der Umstand, dass zivilrechtlich der Abschluss
eines Ehevertrags in der Regel keine Schenkung darstellt und
ehebedingte Zuwendungen im Verhältnis zwischen den Ehegatten
nicht als unentgeltlich angesehen werden, führt nicht zu einer
entsprechenden schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung. Das
Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht folgt dieser zivilrechtlichen
Qualifizierung nicht, sondern stellt auf die objektive
Unentgeltlichkeit ab (BFH-Urteile in BFHE 173, 432, BStBl II 1994,
366 = SIS 94 09 04, und in BFH/NV 2006, 63 = SIS 06 02 65).
2. Die Klägerin wurde durch die Zuwendung
des Betrags von 1.500.000 DM aus dem Vermögen des E
unentgeltlich bereichert. Sie hatte weder einen gesetzlichen
Anspruch auf die Zuwendung noch war diese synallagmatisch,
konditional oder kausal mit einer Gegenleistung der Klägerin
verknüpft.
a) Der Klägerin stand bei Zuwendung des
Geldbetrages kein gesetzlicher Leistungsanspruch zu. Insbesondere
löste der Umstand, dass die Klägerin auf einen etwaigen
Anspruch auf nachehelichen Unterhalt teilweise verzichtet hat,
keinen gesetzlichen Zahlungsanspruch aus. Auch die auf § 138
Abs. 1 BGB beruhende Wirksamkeitskontrolle von vor der Eingehung
der Ehe geschlossenen Eheverträgen führt nicht zu einem
Zahlungsanspruch des potentiell Unterhaltsberechtigten bereits bei
Beginn der Ehe, sondern nur zur Unwirksamkeit des Verzichts.
b) Der teilweise Verzicht der Klägerin
auf nachehelichen Unterhalt stellt auch keine Gegenleistung im
schenkungsteuerrechtlichen Sinn dar. Dies ergibt sich sowohl aus
§ 7 Abs. 3 ErbStG als auch aus § 4 des Bewertungsgesetzes
(BewG).
aa) Nach § 7 Abs. 3 ErbStG werden
Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können,
bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht
berücksichtigt. Diese Vorschrift ist auch anwendbar, wenn der
Bedachte als „Gegenleistung“ für eine
Zuwendung auf Ansprüche verzichtet, die ihm
möglicherweise in Zukunft gegen den Zuwendenden zustehen
werden und die bei Vollzug der freigebigen Zuwendung nicht bewertet
werden können. Dies gilt nicht nur, wenn der Erwerb nach
seinem Eintreten selbst der Schenkung- oder Erbschaftsteuer
unterliegen würde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25.1.2001 II R
22/98, BFHE 194, 440, BStBl II 2001, 456 = SIS 01 04 95), sondern
nach den BFH-Urteilen in BFH/NV 2006, 63 = SIS 06 02 65 und in
BFH/NV 2007, 2014 = SIS 07 31 52 auch dann, wenn auf die Chance
verzichtet wird, Vermögenswerte zu erlangen, die wie die
Ausgleichsforderung bei Beendigung des Güterstands der
Zugewinngemeinschaft (§ 1378 BGB) nicht zum Erwerb i.S. der
§§ 3 und 7 ErbStG gehören (§ 5 Abs. 2
ErbStG).
Der teilweise Verzicht der Klägerin auf
nachehelichen Unterhalt erfüllt die Voraussetzungen des §
7 Abs. 3 ErbStG. Bei der Zahlung des Betrags von 1.500.000 DM war
ungewiss, ob und wann die Ehe später wieder geschieden wird
und ob die Klägerin nach einer etwaigen Scheidung ohne
Berücksichtigung der ehevertraglichen Vereinbarungen nach den
gesetzlichen Vorschriften der §§ 1569 ff. BGB
nachehelichen Unterhalt in einer über den vereinbarten
Höchstbetrag hinausgehenden Höhe beanspruchen
könnte. Der Unterhaltsanspruch setzt Bedürftigkeit voraus
(§ 1577 BGB); sein Maß hängt von zahlreichen
Umständen ab (§ 1578 BGB) und kann durch die
Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (§ 1581 BGB) und
die Rangverhältnisse mehrerer Unterhaltsbedürftiger
(§ 1582 BGB) begrenzt werden. Aufgrund dieser Umstände
ist es nicht möglich, die Höhe eines etwaigen
nachehelichen Unterhaltsanspruchs bereits zu Ehebeginn hinreichend
genau zu bestimmen und so den Wert des teilweisen Verzichts auf
diesen Unterhaltsanspruch auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln.
bb) Der Berücksichtigung des teilweisen
Verzichts der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt als
Gegenleistung für die Geldzuwendung des Ehemannes steht
schenkungsteuerrechtlich auch § 4 BewG entgegen. Danach werden
Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer
aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt,
wenn die Bedingung eingetreten ist. Die Vorschrift hat als
Bewertungsregel nicht nur für die Feststellung des
steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 ErbStG) Bedeutung, sondern ist
als allgemeiner steuerrechtlicher Grundsatz schon bei der
Ermittlung der objektiven Bereicherung, d.h. schon im Rahmen des
§ 7 ErbStG zu beachten. Die Anordnung der
Nichtberücksichtigung hat neben dem aufschiebend bedingten
Erwerb der Schenkerleistung auch für den (Nicht-)Ansatz einer
erst aufschiebend bedingt zu erwerbenden Gegenleistung des
Bedachten Bedeutung (so bereits für § 6 BewG: BFH-Urteile
vom 8.2.2006 II R 38/04, BFHE 213, 102, BStBl II 2006, 475 = SIS 06 20 65; vom 17.10.2001 II R 60/99, BFHE 197, 260, BStBl II 2002, 165
= SIS 02 03 93, und vom 7.6.1989 II R 183/85, BFHE 157, 440, BStBl
II 1989, 814 = SIS 89 18 02; BFH-Beschlüsse vom 20.9.2000 II B
109/99, BFH/NV 2001, 455 = SIS 01 58 43, und vom 6.12.2000 II B
161/99, BFH/NV 2001, 781 = SIS 01 65 25).
Da der Anspruch der Klägerin auf
nachehelichen Unterhalt durch die Scheidung aufschiebend bedingt
ist, kann ihr teilweiser Verzicht darauf nicht als die
Freigebigkeit ganz oder teilweise ausschließende
Gegenleistung beurteilt werden.
c) Mit einem Versicherungsvertrag sind die in
dem Ehevertrag getroffenen Regelungen über den nachehelichen
Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht vergleichbar. Für
eine Versicherung ist kennzeichnend, dass ein den Einzelnen
betreffendes Risiko, durch den Eintritt eines ungewissen
Ereignisses Verluste oder Schäden zu erleiden, auf einen
größeren Kreis von Personen verteilt wird (vgl.
BFH-Urteil vom 29.11.2006 II R 78/04, BFH/NV 2007, 513 = SIS 07 07 47). An einer solchen Risikoverteilung fehlt es im Streitfall.
3. Die Zuwendung des Geldbetrags an die
Klägerin erfüllt auch den subjektiven Tatbestand des
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
a) Dieser Tatbestand erfordert, dass der
Zuwendende mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit oder Willen zur
Freigebigkeit handelt (BFH-Urteil vom 20.12.2000 II R 42/99, BFHE
194, 435, BStBl II 2001, 454 = SIS 01 09 48). Dieser Wille wird
aufgrund der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den
Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen bestimmt
(BFH-Urteile vom 10.9.1986 II R 81/84, BFHE 148, 69, BStBl II 1987,
80 = SIS 87 05 04; in BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454 = SIS 01 09 48, und in BFH/NV 2006, 63 = SIS 06 02 65). Er ist gegeben, wenn
der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der
Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch
dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen,
konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung zu
erhalten, und auch nicht annimmt, dass seine Leistung in einem
rechtlichen Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck steht
(BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 63 = SIS 06 02 65, und in BStBl II
2007, 472 = SIS 07 13 13, unter II.8., m.w.N.).
Der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1
Nr. 1 ErbStG ist nicht erfüllt, wenn der Zuwendende - wenn
auch irrtümlich - annimmt, zu seiner Leistung rechtlich
verpflichtet zu sein oder dafür eine Gegenleistung zu
erhalten, oder einen rechtlichen Zusammenhang seiner Leistung mit
einem Gemeinschaftszweck als gegeben ansieht. Allerdings
schließt nicht jeder Irrtum des Zuwendenden in einer solchen
Beurteilung den subjektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung
aus. Bei der „(Un-)Entgeltlichkeit“ handelt es
sich um einen komplexen normativen
(„wertausfüllungsbedürftigen“)
Begriff, dessen exakter Sinngehalt sich nur durch rechtliche
Wertungen und Subsumtionen erschließt. Für die
zutreffende - irrtumsausschließende - Vorstellung des
Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit genügt
es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt
„nach Laienart“ zutreffend erfasst; eine exakte
juristische Subsumtion ist nicht erforderlich (BFH-Urteile in BFHE
148, 69, BStBl II 1987, 80 = SIS 87 05 04, und in BFH/NV 2006, 63 =
SIS 06 02 65). Ein Irrtum des Zuwendenden kann danach nur dann
beachtlich sein, wenn er aufgrund eines realen Bezugs nach den
objektivierenden Maßstäben des Verkehrsüblichen im
Zeitpunkt der Zuwendung beurteilt als vertretbar erscheint
(BFH-Urteil in BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454 = SIS 01 09 48,
unter II.1.c bb, unter Hinweis auf Schulze-Osterloh, Steuer und
Wirtschaft 1977, 122, 133 f.).
b) E hat danach den subjektiven Tatbestand des
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Er kannte alle
Umstände, die zur Beurteilung der Geldzahlung als freigebige
Zuwendung führen. Er wusste, dass er kraft Gesetzes weder zum
Abschluss des Ehevertrags noch zur Zusage des Geldbetrags
verpflichtet war. Sollte er angenommen haben, dass der von der
Klägerin erklärte Teilverzicht auf nachehelichen
Unterhalt als eine deren Bereicherung ausschließende
Gegenleistung zu werten sei und deshalb keine freigebige Zuwendung
vorliege, würde es sich lediglich um einen unbeachtlichen
Subsumtionsirrtum handeln. Ein solcher Irrtum hätte nach den
objektivierenden Maßstäben des Verkehrsüblichen im
Zeitpunkt der Zuwendung beurteilt keinen realen Bezug.