Gemischte Schenkung, bedingte Gegenleistung, Bewertung einer Rentenzahlungspflicht: Bei der Berechnung der Schenkungsteuer für eine gemischte Schenkung sind - a) aufschiebend bedingte Gegenleistungspflichten des Bedachten erst nach Bedingungseintritt zu berücksichtigen; - b) Verpflichtungen zu einer Rentenzahlung auf Verlangen des Steuerpflichtigen statt mit dem sich aus § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 9 zu § 14 BewG ergebenden Kapitalwert mit dem Verkehrswert anzusetzen, der dem Betrag entspricht, der auf der Grundlage der bei Rentenbeginn maßgebenden Abgekürzten Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes für die Begründung eines den getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Rentenanspruchs an ein Lebensversicherungsunternehmen zu entrichten wäre. Vereinbarte Wertsicherungsklauseln sind dabei nur zu berücksichtigen, soweit es tatsächlich zu einer Änderung der Rentenhöhe gekommen ist. - Urt.; BFH 8.2.2006, II R 38/04; SIS 06 20 65
I. Der im März 1940 geborene Vater (V)
der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin)
übertrug ihr und ihrem Bruder mit notariell beurkundetem
Vertrag vom 16.12.1998 je die Hälfte seiner
Kommanditbeteiligung an einer KG. Die Bedachten verpflichteten sich
gesamtschuldnerisch, als Gegenleistung dafür an V ab Januar
1999 eine aufgrund näherer Regelungen wertgesicherte
lebenslängliche Versorgungsrente von monatlich 45.000 DM und
nach seinem Tod an seine Ehefrau (E) eine lebenslängliche
Rente in Höhe von 70 v.H. der bis dahin geschuldeten Rente zu
zahlen. Ein eigenes Recht, die Rente zu fordern, hat E erst mit dem
Ableben des V. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt
- FA - ) sah darin eine gemischte Schenkung und legte in der
Einspruchsentscheidung der Steuerberechnung den nach § 14 Abs.
1 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. der Anlage 9 zu § 14
BewG ermittelten Kapitalwert der dem V geschuldeten Rente mit
5.932.980 DM zugrunde. Die der E aufschiebend bedingt geschuldete
Rente berücksichtigte er nicht.
Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA
durch das in EFG 2003, 939 = SIS 03 31 32 veröffentlichte
Urteil, die Schenkungsteuer unter Ansatz von Kapitalwerten der V
und E zustehenden Renten von 6.630.660 DM bzw. 3.981.088 DM,
insgesamt also 10.611.748 DM, neu zu berechnen. Zur Begründung
führte es aus, es liege eine gemischte Schenkung vor, da der
Verkehrswert der auf die Klägerin übertragenen
Kommanditbeteiligung den Wert der von ihr übernommenen
Rentenverpflichtungen erheblich übersteige und diese
Wertdifferenz den Vertragsbeteiligten auch bewusst gewesen sei. Bei
der Berechnung der Steuer sei auch der aufschiebend bedingte
Rentenanspruch der E zu berücksichtigen, da es dabei auf das
Verhältnis der Verkehrswerte der Leistungen des V und der
Klägerin ankomme. Der Kapitalwert der Renten sei wegen der
gegenüber der Allgemeinen Sterbetafel für die
Bundesrepublik Deutschland 1986/1988 gestiegenen mittleren
Lebenserwartung auf der Grundlage der zum Stichtag aktuellen
„Abgekürzten Sterbetafel“ des Statistischen
Bundesamtes für die Jahre 1995/1997 zu ermitteln. Danach habe
V bei Rentenbeginn noch eine statistische Lebenserwartung von 20
Jahren gehabt. Der Jahreswert der Rente von 540.000 DM sei
demgemäß mit dem in den Ländererlassen vom
12.10.1994 (BStBl I 1994, 775 = SIS 94 23 06) in Tabelle 2 für
eine unverzinsliche Kapitalforderung/-schuld, die in gleichen
Jahresraten getilgt wird, bei einer Laufzeit von 20 Jahren
vorgesehenen Vervielfältiger von 12,279 zu multiplizieren, so
dass der Kapitalwert der Rente des V 6.630.660 DM betrage. Eine
entsprechende Berechnung für den Rentenanspruch der E ab dem
nach der Statistik zu erwartenden Todesjahr des V ergebe einen
Kapitalwert von 3.981.088 DM.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung der §§ 6 und 14 BewG und des in § 11 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) bestimmten
Stichtagsprinzips. Die aufschiebend bedingte Rentenverpflichtung
schmälere die Bereicherung der Klägerin zunächst
nicht und sei daher bei der Berechnung der Schenkungsteuer (noch)
nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin müsse sich
zudem an der im Schenkungsvertrag vereinbarten Methode zur
Bestimmung des Kapitalwertes der Renten (Berechnung nach Anlage 9
zu § 14 BewG) festhalten lassen. Jedenfalls könne zur
Berücksichtigung der gestiegenen mittleren Lebenserwartung
nicht die o.a. Tabelle 2 angewendet werden.
Während des Revisionsverfahrens
erließ das FG den geänderten Schenkungsteuerbescheid vom
6.1.2006, mit dem es die Steuer trotz geringfügig abweichender
Besteuerungsgrundlagen in unveränderter Höhe festsetzte
und die Steuerfestsetzung im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof
(BFH) anhängige Revisionsverfahren II R 61/99 zur Prüfung
der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG in vollem Umfang
für vorläufig erklärte.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zur
Aufhebung der Vorentscheidung. Da während des
Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid ergangen ist, ist
das Urteil des FG gegenstandslos geworden (BFH-Urteil vom
10.11.2004 XI R 30/04, BFHE 208, 194, BStBl II 2005, 274 = SIS 05 13 14, m.w.N.).
Die Vorentscheidung kann auch aus
materiell-rechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Das FG hat
zu Unrecht angenommen, dass bei der Berechnung der Steuer der
aufschiebend bedingte Rentenanspruch der E zu berücksichtigen
sei, und ferner den für die Rentenzahlungspflicht
gegenüber V anzusetzenden Verkehrswert unzutreffend ermittelt.
Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Da der Verkehrswert des auf die
Klägerin übertragenen Kommanditanteils unabhängig
von der Berechnungsmethode erheblich höher als der
Verkehrswert der von ihr gegenüber V und E übernommenen
Verpflichtungen zu Rentenzahlungen ist, wie den Vertragsbeteiligten
auch bewusst war, und daher kein entgeltliches
Austauschverhältnis mit wertmäßig in etwa
ausgewogenen Gegenleistungen vorliegt, haben die Beteiligten und
das FG zutreffend das Vorliegen einer gemischten Schenkung
angenommen.
2. Bei der gemischten Schenkung unterliegt der
Schenkungsteuer nur der (unselbständige) freigebige Teil der
Zuwendung. Dieser Teil ist die Bereicherung i.S. von § 10 Abs.
1 Satz 1 ErbStG und bestimmt sich nach dem Verhältnis des
Verkehrswerts der Bereicherung des Bedachten zum Verkehrswert der
Leistung des Schenkers (BFH-Urteile vom 14.7.1982 II R 125/79, BFHE
136, 303, BStBl II 1982, 714 = SIS 82 19 02; vom 12.4.1989 II R
37/87, BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524 = SIS 89 12 15; vom
23.10.2002 II R 71/00, BFHE 200, 402, BStBl II 2003, 162 = SIS 03 09 02; vom 24.11.2005 II R 11/04, BFH/NV 2006, 744 = SIS 06 15 25).
Die Gegenleistungen des Bedachten sind danach entsprechend ihrem
Anteil am Verkehrswert der Leistung des Schenkers von deren
Steuerwert abzuziehen (BFH-Urteile vom 17.10.2001 II R 72/99, BFHE
196, 296, BStBl II 2002, 25 = SIS 02 02 24; in BFH/NV 2006, 744 =
SIS 06 15 25).
Unter einer aufschiebenden Bedingung (§
158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ) stehende
Gegenleistungspflichten des Bedachten sind bei dieser Berechnung
nur zu berücksichtigen, soweit sie bei der Steuerfestsetzung
oder während eines dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens
bereits infolge Bedingungseintritts entstanden sind. Dies ergibt
sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wonach als Schenkung unter
Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden gilt, soweit der
Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird,
sowie aus § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 und
§ 5 Abs. 2 BewG. Bei §§ 5 ff. BewG handelt es sich
nicht nur um Vorschriften zur Ermittlung des Steuerwerts eines
Gegenstandes. Sie enthalten vielmehr auch Regelungen mit lediglich
stichtagsdurchbrechender Wirkung, die darauf abzielen, Ereignisse
erst dann zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich
eingetreten sind. Dies berührt nicht die Frage der Ermittlung
des „Wie“ der Bewertung, d.h. des hier zugrunde
zu legenden Verkehrswerts der Beschenktenleistung, sondern
beschränkt nur das „Was“ der Bewertung,
d.h. den zu bewertenden Gegenstand. Danach ist der gemeine Wert der
tatsächlichen und nicht der auf einen bestimmten Stichtag
prognostizierten Belastung steuerrechtlich maßgebend.
Die Anwendung des § 6 Abs. 2 BewG ist bei
der Ermittlung des Verkehrswerts der Beschenktenleistung nicht
ausgeschlossen (so im Ergebnis BFH-Urteile vom 7.6.1989 II R
183/85, BFHE 157, 440, BStBl II 1989, 814 = SIS 89 18 02, und vom
17.10.2001 II R 60/99, BFHE 197, 260, BStBl II 2002, 165 = SIS 02 03 93; BFH-Beschlüsse vom 20.9.2000 II B 109/99, BFH/NV 2001,
455 = SIS 01 58 43, und vom 6.12.2000 II B 161/99, BFH/NV 2001, 781
= SIS 01 65 25). Kann der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung
nicht mehr bei der Steuerfestsetzung oder in einem
Rechtsbehelfsverfahren berücksichtigt werden, ist die
Steuerfestsetzung nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 i.V.m.
§ 5 Abs. 2 BewG zu berichtigen. Bei dem Bedingungseintritt
handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S. von §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - (BFH-Urteil
in BFHE 157, 440, BStBl II 1989, 814 = SIS 89 18 02; Halaczinsky in
Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, § 6 Anm. 5
i.V.m. § 5 Anm. 4).
Soweit sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 196,
296, BStBl II 2002, 25 = SIS 02 02 24 etwas anderes ergeben sollte,
hält der Senat daran nicht mehr fest.
Da die Nichtberücksichtigung aufschiebend
bedingter Verpflichtungen vor Bedingungseintritt auf
eigenständigen Regelungen des Bewertungs- und
Schenkungsteuerrechts beruht, kann die Rechtsprechung des BFH
(Urteil vom 2.5.2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10 = SIS 02 50 10,
unter 3. b, m.w.N.), wonach es für die Bestimmung der auch
ertragsteuerrechtlich maßgebenden Anschaffungskosten i.S. des
§ 255 des Handelsgesetzbuches (HGB) unerheblich ist, ob der
Erwerber eines Vermögensgegenstandes als Gegenleistung dem
Veräußerer und einer dritten Person eine Rente zusagt,
die sich nach dem Tod des Veräußerers
ermäßigt, oder ob der ermäßigte Anspruch der
dritten Person erst mit dem Tod des Veräußerers
entsteht, nicht für die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung
der gemischten Schenkung übernommen werden.
3. Das FA kann bei der Festsetzung der
Schenkungsteuer für eine gemischte Schenkung aus Gründen
der Verwaltungsvereinfachung eine Rentenverpflichtung des Bedachten
mit dem sich aus § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. der Anlage 9 zu
§ 14 BewG ergebenden Kapitalwert ansetzen, wenn nicht der
Steuerpflichtige den Ansatz des Verkehrswerts verlangt. Der
Verkehrswert entspricht dem Betrag, der auf der Grundlage der bei
Rentenbeginn maßgebenden (Abgekürzten) Sterbetafel des
Statistischen Bundesamtes für die Begründung eines den
getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Rentenanspruchs zugunsten
des Schenkers oder der vertraglich bestimmten Person an ein
Lebensversicherungsunternehmen entrichtet werden müsste.
Vereinbarte Wertsicherungsklauseln sind dabei nur zu
berücksichtigen, soweit Änderungen der Rentenhöhe
bis zur Steuerfestsetzung oder während eines
Rechtsbehelfsverfahrens eingetreten sind (§ 12 Abs. 1 ErbStG
i.V.m. §§ 6 und 5 Abs. 2 BewG). Spätere
Änderungen der Rentenhöhe führen nach § 6 Abs.
2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
1977 zu einer entsprechenden Berichtigung des
Schenkungsteuerbescheids.
4. Die nicht spruchreife Sache geht zur
Feststellung des Verkehrswerts der Rentenverpflichtung
gegenüber V an das FG zurück. Das FG wird dazu ggf. ein
Sachverständigengutachten einzuholen haben. Der Rentenanspruch
der E kann erst nach dem Ableben von V berücksichtigt
werden.