Angehörige, Darlehensverträge, Gestaltungsmissbrauch: Es steht auch Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO ist aber gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem angestrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. - Urt.; BFH 29.8.2007, IX R 17/07; SIS 08 08 57
I. Die Klägerinnen,
Revisionsklägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen)
bilden als Schwestern nach der Übertragung mehrerer fremd
vermieteter Grundstücke durch ihre Eltern im Jahr 1995 eine
Grundstücksgemeinschaft, die u.a. die beiden streitbefangenen
Grundstücke S und B hielt.
Zum Erwerb des Grundstücks S hatte der
Vater der Klägerinnen bei der Anschaffung u.a. ein Darlehen
von 90.000 DM bei seiner Mutter aufgenommen, das mit 10 % p.a. zu
verzinsen und beidseitig uneingeschränkt kündbar war.
Tilgungsleistungen, eine Rückzahlungsverpflichtung oder die
Leistung einer Sicherheit waren nicht vereinbart.
Die Anschaffungskosten für das
Grundstück B hatte der Vater u.a. durch ein Bankdarlehen
finanziert, das er im Jahr 1993 durch Darlehensverträge mit
der Klägerin zu 1 - K 1 - und deren Ehemann (35.000 DM) und
der Klägerin zu 2 - K 2 - (37.783 DM) ersetzte, wonach die vor
der schriftlichen Niederlegung der Darlehensbedingungen zur
Verfügung gestellten Gelder mit 8,75 % verzinst werden sollten
und innerhalb einer Frist von drei Monaten für beide Parteien
kündbar waren. Sicherheiten und Tilgungsleistungen waren nicht
vereinbart.
Im Jahr 1994 übertrug die Mutter des
Vaters der Klägerinnen ihre ihm gegenüber bestehende
Darlehensforderung in Höhe von 90.000 DM jeweils hälftig
auf die Klägerinnen.
Die Eltern übertrugen im Jahr 1995 den
Klägerinnen jeweils zur Hälfte das Eigentum an den
Grundstücken S und B, wobei hinsichtlich der auf den
übertragenen Grundstücken lastenden Kreditverpflichtungen
grundsätzlich eine Übernahme durch die Klägerinnen
vorgesehen war. Abweichend hiervon sollte K 2 die (im Jahre 1994
entstandene) Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 1
in Höhe von 45.000 DM übernehmen und K 1 die
Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 2 in gleicher
Höhe. Hinsichtlich des Grundstücks B sollte K 2 die
Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 1 und ihrem
Ehemann in Höhe von 35.000 DM übernehmen und K 1 die
Darlehensverbindlichkeit des Vaters gegenüber K 2 in Höhe
von 37.783 DM. In der Folge zahlten die Klägerinnen
gegenseitig Schuldzinsen, die sie im Rahmen der streitigen
Feststellungserklärungen für 1997 bis 2001 als
Sonderwerbungskosten abzogen. Gleichzeitig erklärten sie
Einnahmen aus Kapitalvermögen, die wegen der
Sparerfreibeträge nur teilweise versteuert wurden.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) lehnte den Ansatz der
Schuldzinsen im Feststellungsbescheid für das Jahr 2000 als
Werbungskosten ab und änderte entsprechend die unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheide
der Vorjahre (1997 bis 1999), weil die kreuzweise Übernahme
der Verbindlichkeiten des Vaters einen Gestaltungsmissbrauch
darstelle; ebenso lehnte das FA eine Berücksichtigung der
Schuldzinsen im Feststellungsbescheid für das Jahr 2001
ab.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat
das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2007, 918 = SIS 07 18 18,
veröffentlichten Urteil die Zinsaufwendungen aus den
wechselseitigen Darlehen hinsichtlich des Grundstücks B
anerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hinsichtlich
der wechselseitigen Zinsaufwendungen betreffend das Grundstück
S habe das FA zu Recht einen Gestaltungsmissbrauch
angenommen.
Gegen das Urteil des FG haben sowohl die
Klägerinnen als auch das FA Revision eingelegt; sie rügen
die Verletzung materiellen Rechts (§ 42 der Abgabenordnung -
AO -, §§ 9, 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG -
).
Das FA wendet sich gegen die
steuerrechtliche Anerkennung der wechselseitigen Darlehen
betreffend das Grundstück B. Im Übrigen seien selbst bei
einer Berücksichtigung dieser wechselseitigen Darlehen die
Guthabenzinsen als Sondereinnahmen bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung (§ 20 Abs. 3 EStG) zu
erfassen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen insoweit
sinngemäß, die Revision des FA
zurückzuweisen.
Sie wenden sich mit ihrer Revision gegen
die Klageabweisung bezüglich der Zinsaufwendungen im
Zusammenhang mit dem Grundstück S. Der wirtschaftliche Grund
für die Gestaltung liege darin, dass der Vater der
Klägerinnen mit dem Verlust der Übertragung des Eigentums
an dem Haus auch von den Schulden habe entlastet werden sollen. Ein
rechtsgültig zustande gekommenes Rechtsgeschäft
könne nicht lediglich infolge des Austausches von
Gläubigern oder Schuldnern zu einer missbräuchlichen
Gestaltung i.S. von § 42 AO führen.
Die Klägerinnen beantragen, das Urteil
des FG aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die
Feststellungsbescheide für die Jahre 1997 bis 1999 vom
6.6.2002, den Feststellungsbescheid für das Jahr 2000 vom
7.3.2002 und den Feststellungsbescheid für das Jahr 2001 vom
10.3.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.3.2003 dahin
zu ändern, dass die Zinsaufwendungen der Klägerinnen aus
den wechselseitigen Darlehen betreffend das Grundstück S
anerkannt werden.
Das FA beantragt sinngemäß, die
Revision der Klägerinnen zurückzuweisen.
II. Die Revisionen des FA und der
Klägerinnen sind unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
Zu Recht hat das FG einen Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO lediglich in
der wechselseitigen Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten
des Vaters gegenüber den Klägerinnen hinsichtlich des
Grundstücks S, nicht aber hinsichtlich des Grundstücks B
bejaht und den Ansatz der entsprechenden Zinsen als Sondereinnahmen
bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
verneint.
1. a) Es steht auch Angehörigen frei,
ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich
möglichst günstig zu gestalten (ständige
Rechtsprechung; vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
17.12.2003 IX R 91/00, BFH/NV 2004, 1272 = SIS 04 32 90; IX R
105/00, BFH/NV 2004, 1273 = SIS 04 32 91, jeweils m.w.N.). Ein
Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42 AO ist aber gegeben, wenn
eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem
erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll
und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche
Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige
Rechtsprechung; z.B. BFH-Urteil vom 17.12.2003 IX R 56/03, BFHE
205, 70, BStBl II 2004, 648 = SIS 04 13 99, m.w.N.). Die
Rechtsprechung hat es insbesondere als rechtsmissbräuchlich
beurteilt, wenn die Beteiligten durch zivilrechtlich mögliche
Gestaltungen zwar wechselseitige Zahlungsverpflichtungen
begründen, damit aber ihre jeweilige Position weder
tatsächlich noch wirtschaftlich verändern (so BFH-Urteil
in BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648 = SIS 04 13 99, unter II. 1.
c).
b) Einen Gestaltungsmissbrauch
ausschließende nichtsteuerliche Gründe hat das FG
hinsichtlich der wechselseitigen Übernahme der
Darlehensverbindlichkeiten bezüglich des Grundstücks B
zutreffend aus der Einbindung des Ehemanns der Klägerin zu 1
abgeleitet. Der Ehemann hatte ein beachtliches wirtschaftliches
Interesse daran, als Mitglied der Gläubigergemeinschaft mit
seiner Ehefrau nicht einen dritten Schuldner zu verlieren. Die
Klägerin zu 2 als Schuldnerin bedeutete für ihn
gegenüber einer alleinigen Schuldnerschaft der Klägerin
zu 1 als Ehefrau, mit der er eine Wirtschaftsgemeinschaft bildet,
ein Mehr an schuldender Liquidität. Diese Wertung kommt auch
in der Regelung des § 415 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs zum Ausdruck.
Wenn sich aber die Klägerin zu 2 der
Klägerin zu 1 und ihrem Ehemann als Schuldnerin zur
Verfügung stellte, dann musste auch die Klägerin zu 1 im
Gegenzug Gleiches gegenüber der Klägerin zu 2 tun.
c) Ein beachtlicher außensteuerlicher
Grund fehlt aber bei dem das Grundstück S betreffenden
Darlehen. Zwecksetzung der die streitigen Darlehen betreffenden
Vertragsbeziehungen zwischen den Klägerinnen und ihrem Vater
war es, mit der Grundstücksübertragung den Vater auch von
der Darlehensschuld zu befreien. Dem diente die wechselseitige
Darlehensgewährung der Klägerinnen jedoch nicht. Vielmehr
erforderte die bezweckte Freistellung des Vaters lediglich, dass
die Klägerinnen ihre Darlehensforderungen ihm gegenüber
aufgaben, d.h. den jeweiligen Erlass der Darlehensschulden des
Vaters durch die Töchter.
Die Begründung einer Schuld
gegenüber der jeweiligen Schwester diente demgegenüber
alleine der Aufrechterhaltung des Schuldzinsenabzugs. Das FG hat zu
Recht keine relevanten außersteuerlichen Gründe für
die wechselseitige Übernahme der Darlehensschulden gesehen.
Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen der
Klägerinnen, die Gestaltung sei aus angeblichen
Pietätsgründen gegenüber der Großmutter
gewählt worden; das von dieser verfolgte Ziel einer
gleichmäßigen Zuwendung an die Klägerinnen war
unabhängig vom Fortbestand der Forderungen erreicht.
Für den Abschluss der gegenläufigen,
sich wirtschaftlich neutralisierenden Geschäfte sind damit
ausschließlich steuerliche Gründe ersichtlich. Der
jeweilige Steueranspruch gegenüber den Klägerinnen
entstand mithin gemäß § 42 AO so, wie er bei einer
den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen
Gestaltung entstanden wäre. In diesem Fall wären die auf
dem Grundvermögen insoweit ruhenden Verbindlichkeiten des
Vaters den Klägerinnen gegenüber in Höhe von jeweils
45.000 DM erloschen, so dass die angesetzten Zinsaufwendungen der
Besteuerung nicht zugrunde zu legen waren.
2. Die Schuldzinsen aus dem Darlehen
hinsichtlich des Grundstücks B sind auch nicht durch dessen
Vermietung veranlasst, sondern durch die Kapitalüberlassung
zur Nutzung.
Zutreffend hat das FG entschieden, dass allein
der Gläubigerwechsel nicht zu einer Umqualifizierung der
Einkünfte führt.