Atypisch stiller Gesellschafter, vorgezogene Einlagen, Verlustausgleich: Auch Einlagen eines atypisch stillen Gesellschafters, die er zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos geleistet hat und die nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht wurden (sog. vorgezogene Einlagen), sind geeignet, die Verluste späterer Wirtschaftsjahre als ausgleichsfähig zu qualifizieren (Fortentwicklung der Rechtsprechung). - Urt.; BFH 20.9.2007, IV R 10/07; SIS 08 04 25
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) - Frau M. - betrieb ein Sonnenstudio, an dem der
Beigeladene (Herr B.) nach dem Gesellschaftsvertrag vom 25.10.1999
als atypisch stiller Gesellschafter zu 50 v.H. beteiligt war. Ab
1.1.2000 wurde das Unternehmen als Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (GbR) geführt; am 11.12.2001 vereinbarten die
Gesellschafter die „Rückumwandlung“ in eine stille
Gesellschaft nach Maßgabe des Vertrags vom 25.10.1999. Beide
Umstrukturierungen ließen sowohl die bisherigen
Buchwertansätze der Wirtschaftsgüter des Unternehmens als
auch die Beteiligungsverhältnisse unberührt.
Der Beigeladene erbrachte im Jahr 2001 zum
Ausgleich seines negativen Kapitalkontos eine Einlage in Höhe
von 145.158,01 EUR; sein Verlustanteil belief sich auf 81.779,60
EUR, so dass sich zum 31.12.2001 ein positives Kapitalkonto in
Höhe von 14.599,39 EUR ergab und der auf diesen Zeitpunkt nach
§ 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellte
verrechenbare Verlust - unverändert - 38.026 EUR (= 74.373 DM)
betrug.
Für das Jahr 2002 (Streitjahr) wurde
dem Beigeladenen ein Verlustanteil in Höhe von 74.479 EUR
zugerechnet. Unter Berücksichtigung seiner im Jahr 2002
erbrachten Einlagen (13.776 EUR) ging der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) mit dem im Zuge des
Einspruchsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom
20.12.2005 von ausgleichsfähigen Verlusten in Höhe von
28.375,39 EUR aus (= 14.599,39 EUR [positives Kapitalkonto zum
31.12.2001] zuzüglich 13.776 EUR [Einlagen 2002]) und
erhöhte dementsprechend den verrechenbaren Verlust zum
31.12.2002 auf 84.129,61 EUR (= 38.026 EUR [Feststellung zum
31.12.2001] zuzüglich 74.479 EUR [Verlustanteil 2002]
abzüglich 28.375,39 EUR [ausgleichsfähiger Verlustanteil
2002]).
Das - auf das Urteil des Bundesfinanzhofs
(BFH) vom 14.10.2003 VIII R 32/01 (BFHE 203, 462, BStBl II 2004,
359 = SIS 03 52 09) gestützte - weitergehende Begehren,
aufgrund der zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos im Jahr 2001
geleisteten Einlagen den gesamten Verlustanteil des Jahres 2002 als
ausgleichsfähig anzuerkennen und deshalb den verrechenbaren
Verlust auf den 31.12.2002 - wie zum Ende der Vorperiode - in
Höhe von lediglich 38.026 EUR festzustellen, lehnte das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 9.2.2006 unter Bezugnahme auf das
Nichtanwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
vom 14.4.2004 IV A 6 - S 2241 a - 10/04 (BStBl I 2004, 463 = SIS 04 17 26) ab.
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) schloss sich hierbei den Erwägungen des
BFH-Urteils in BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09 an,
nach denen Einlagen unter bestimmten Voraussetzungen für
Zwecke der Prüfung des § 15a EStG einen sog.
Korrekturposten vermitteln. Dies gelte nicht nur - wie vom BFH
entschieden - für einen Kommanditisten, sondern
gleichermaßen auch für einen atypisch stillen
Gesellschafter. Die rechnerischen Auswirkungen dieser Beurteilung
seien zwischen den Beteiligten nicht mehr umstritten (vgl. im
Einzelnen EFG 2007, 1236 = SIS 07 14 43).
Mit der vom FG zugelassenen Revision
beantragt das FA, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie
ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. a) Der erkennende Senat hat sich mit Urteil
vom 26.6.2007 IV R 28/06 (BFH/NV 2007, 1982 = SIS 07 31 18) der
Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH (Urteil in BFHE 203, 462,
BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09) angeschlossen, nach der
Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet
und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch
ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden,
(grundsätzlich) zum Ansatz eines Korrekturpostens mit der
weiteren Folge führen, dass - abweichend vom Wortlaut des
§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG - Verluste späterer
Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als
ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn hierdurch (erneut)
ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Senatsurteil in BFH/NV
2007, 1982 = SIS 07 31 18 Bezug genommen.
b) Zu Recht ist die Vorinstanz davon
ausgegangen, dass diese Grundsätze auch für das
anhängige Verfahren zum Tragen kommen, in dem - anders als in
bisher entschiedenen Fällen - nicht die Feststellung des
verrechenbaren Verlusts eines Kommanditisten, sondern diejenige
eines atypisch stillen Gesellschafters (hier: Herr B.) im Streit
ist.
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die
Ausgleichsfähigkeit der einem atypisch stillen Gesellschafter
zugerechneten Verluste ausschließlich nach Maßgabe der
Grundregel des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG - Verlustausgleich
aufgrund tatsächlich geleisteter Einlagen - zu bestimmen ist
und mithin für ihn der Ausnahmetatbestand der sog. erweiterten
Außenhaftung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG -
Verlustausgleich aufgrund einer im Handelsregister eingetragenen
Haftsumme (sog. überschießende Außenhaftung) -
nicht zum Tragen kommt (vgl. § 15a Abs. 5 Nr. 1 EStG; dazu
z.B. BFH-Urteil vom 14.12.1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II
1996, 226 = SIS 96 09 37).
Zwar hat der erkennende Senat (Urteil in
BFH/NV 2007, 1982 = SIS 07 31 18) - ebenso wie zuvor der VIII.
Senat (Urteil in BFHE 203, 462, BStBl II 2004, 359 = SIS 03 52 09)
- die Rechtfertigung für die Bildung des Korrekturpostens in
systematischer Hinsicht auch darin gesehen, dass eine im Jahr 01 in
das Handelsregister eingetragene Haftsummenerhöhung dem
Kommanditisten auch in den nachfolgenden Perioden (z.B. im
Wirtschaftsjahr 02) ausgleichsfähige Verluste gemäß
§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG vermittele und deshalb für den
Sachverhalt der vorgezogenen Einlage im Rahmen der Grundregel des
§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nichts anderes gelten könne.
Hieraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass ein Korrekturposten
für Einlagen eines Mitunternehmers, der von der
Inanspruchnahme eines Verlustausgleichs aufgrund erweiterter
Außenhaftung ausgeschlossen ist (hier: atypisch stiller
Gesellschafter), nicht zu berücksichtigen sei. Eine solche
Folgerung verbietet sich bereits deshalb, weil - wie im BFH-Urteil
in BFH/NV 2007, 1982 = SIS 07 31 18 ausgeführt - der
aufgezeigte systematische Zusammenhang nicht darauf zielt, den der
Ausnahmebestimmung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zugrunde
liegenden Rechtsgedanken zu verallgemeinern; vielmehr verdeutlicht
er lediglich die gesetzliche Regelungslücke des
Grundtatbestands (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG: Verlustausgleich
aufgrund tatsächlich geleisteter Einlagen), die die
Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung durch Anerkennung
eines außerbilanziellen Korrekturpostens geschlossen hat. Ein
solcher Posten ist deshalb auch dann zu bilden, wenn für einen
Mitunternehmer nur ein Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz
1 EStG in Betracht kommt (gl.A. Wacker, DB 2004, 11, 12;
Brandenberg, DB 2004, 1632, 1637; Ley, Kölner Steuerdialog -
KÖSDI - 2004, 14374, 14381).
bb) Sind somit vorgezogene Einlagen eines
stillen Gesellschafters grundsätzlich nach den für
Kommanditisten geltenden Rechtsregeln anzusetzen, so hat die
Vorinstanz zu Recht von Feststellungen dazu abgesehen, ob der
Beigeladene (Herr B.) die Einlagen zum Ausgleich seines negativen
Kapitalkontos im Jahre 2001 vor oder nach Abschluss der
Vereinbarung vom 11.12.2001 über die
„Rückumwandlung“ der GbR in eine stille
Gesellschaft erbracht hat.
Wechselt ein Komplementär während
des Wirtschaftsjahres in die Rechtsstellung eines Kommanditisten,
so ist die Verlustverwertungsbeschränkung des § 15a EStG
für das gesamte Wirtschaftsjahr und damit für den dem
Gesellschafter insgesamt zuzurechnenden Anteil am Verlust zu
beachten (BFH-Urteil vom 14.10.2003 VIII R 81/02, BFHE 203, 484,
BStBl II 2004, 118 = SIS 03 52 12). Demgemäß unterstand
auch der Beigeladene für das gesamte Wirtschaftsjahr 2001 der
Regelung des § 15a EStG mit der weiteren Folge, dass nach den
vorstehenden Darlegungen auch seine im Wirtschaftsjahr 2001
erbrachten Einlagen geeignet waren, einen Korrekturposten für
die Vermittlung ausgleichsfähiger Verluste in den folgenden
Wirtschaftsjahren (hier: Streitjahr = Wirtschaftsjahr 2002) zu
begründen. Ob Gleiches dann gilt, wenn die GbR erst im
Wirtschaftsjahr 2002 „umgewandelt“ worden und
damit § 15a EStG erst ab dieser Besteuerungsperiode (wieder)
anzuwenden gewesen wäre, bedarf für das anhängige
Verfahren keiner Entscheidung.
cc) Anderes ergibt sich nicht daraus, dass
eine GbR nicht formwechselnd in eine stille Gesellschaft
umgewandelt werden kann und es mithin - ebenso wie beim umgekehrten
Vorgang (Umstrukturierung einer stillen Gesellschaft in eine GbR) -
der Auflösung und Neugründung bedarf (Baumbach/Hopt, HGB,
32. Aufl., Einleitung vor § 105 Rz 27). Trotz fehlender
zivilrechtlicher Identität ist zu beachten, dass
einkommensteuerrechtlich die verschiedenen Rechtsformen einer
Mitunternehmerschaft weitgehend gleich zu behandeln sind und
deshalb auch der bloße Wechsel der Rechtsform einer
durchgängig bestehenden Mitunternehmerschaft weder zu einer
Betriebsveräußerung oder -aufgabe noch zu einer
Betriebsgründung führt (sog. einkommensteuerrechtlicher
Formwechsel; BFH-Urteil vom 28.11.1989 VIII R 40/84, BFHE 159, 410,
BStBl II 1990, 561 = SIS 90 10 21; Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl.,
§ 16 Rz 422; zu den umstrittenen Wahlrechten nach § 24
UmwStG siehe Widmann in Widmann/ Mayer, Umwandlungsrecht, § 24
UmwStG Rz 117.1, m.w.N.). Hierauf aufbauend sind auch die
Beteiligten des anhängigen Verfahrens zutreffend davon
ausgegangen, dass weder die Gründung der GbR im Jahre 2000
noch deren „Rückumwandlung“ in eine stille
Gesellschaft im Jahre 2001 die Fortführung der bisherigen
Buchwertansätze in Frage stellte. Folge hiervon ist des
Weiteren, dass auch die vom Beigeladenen vor Gründung der
stillen Gesellschaft im Jahre 2001 - und damit in das
Gesamthandsvermögen der GbR - erbrachten Einlagen nicht im
Rahmen einer für die GbR vorzunehmenden Schlussbesteuerung
(vgl. hierzu allgemein Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15a Rz 243),
sondern vielmehr - nach vollzogenem Rechtsformwechsel - bei der
Prüfung der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG
sowohl zum 31.12.2001 als auch zum Ende der folgenden
Wirtschaftsjahre zu berücksichtigen sind. Der Senat kann somit
offenlassen, ob die nämliche rechtliche Würdigung (kein
Ansatz eines Betriebsaufgabe- oder Veräußerungsgewinns
aufgrund der Umstrukturierung) sich bereits daraus ergibt, dass dem
bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheid 2001 lediglich
ein laufender Verlust zugrunde liegt, dieser Bescheid
Bindungswirkung für die Feststellung des verrechenbaren
Verlusts zum 31.12.2001 (dazu BFH-Urteil vom 22.6.2006 IV R 31,
32/05, BFHE 214, 239 = SIS 06 40 91) und damit mittelbar
gemäß § 15a Abs. 4 Sätze 2 und 4 EStG auch
für dessen Feststellung zum 31.12.2002 entfaltet (vgl. zur
grundsätzlichen Beschränkung der Bindungswirkung von
Gewinnfeststellungsbescheiden auf das nämliche Wirtschaftsjahr
BFH-Urteile vom 22.7.1975 VIII R 64/70, BFHE 116, 455, BStBl II
1975, 866 = SIS 75 05 04, und vom 14.5.2002 VIII R 8/01, BFHE 199,
198, BStBl II 2002, 532 = SIS 02 09 57).
2. Die Sache ist spruchreif. Zwischen den
Beteiligten ist nicht mehr streitig, dass nach den vorstehenden
Rechtsgrundsätzen für den Beigeladenen zum 31.12.2001 ein
Korrekturposten in Höhe von 48.779,02 EUR anzusetzen ist und
somit der ihm für das Jahr 2002 (Streitjahr) zugerechnete
Verlustanteil (74.479 EUR) - unter Berücksichtigung seines
positiven Kapitals zum 1.1.2002 (14.599,39 EUR) sowie der im
Wirtschaftsjahr 2002 geleisteten Einlagen (13.776 EUR) - insgesamt
ausgleichsfähig ist. Das FG hat demnach zu Recht der Klage in
vollem Umfang stattgegeben.