PKH-Entscheidung, Gegenvorstellung, Statthaftigkeit: Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt: - Ist eine Gegenvorstellung gegen einen Beschluss über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe statthaft? - Urt.; BFH 26.9.2007, V S 10/07; SIS 08 00 21
I. Der Antragsteller war
Geschäftsführer einer Wirtschaftsberatungs GmbH. Er wurde
von dem Finanzamt (FA) durch Haftungsbescheid vom 25.6.1998
gemäß §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO) wegen
rückständiger Umsatzsteuer 1993 der GmbH sowie Zinsen zur
Umsatzsteuer 1993 in Anspruch genommen. Das FA hob den
Haftungsbescheid am 24.6.2004 auf.
Die GmbH erhob gegen den an sie gerichteten
Umsatzsteuerbescheid 1993 vom 4.6.1996 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 24.4.1998 im Mai 1998 Klage.
Durch Urteil vom 26.3.2003 gab das
Finanzgericht (FG) der Klage der GmbH (Az. 12 K 3947/98) teilweise
statt und ließ die Revision gegen sein Urteil nicht
zu.
Über zwei Jahre später, am
19.8.2005, legte der Antragsteller gegen dieses Urteil
Nichtzulassungsbeschwerde (V B 146/05) ein. Er rügte im
Wesentlichen, dass er in dem finanzgerichtlichen Verfahren 12 K
3947/98 gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) hätte beigeladen werden müssen.
Am selben Tag beantragte der Antragsteller
(persönlich), ihm Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung
der Steuerberatungsgesellschaft zu bewilligen, die die
Nichtzulassungsbeschwerde V B 146/05 für ihn eingelegt hatte.
Zur Begründung nahm er auf die beigefügte
Nichtzulassungsbeschwerde V B 146/05 Bezug. Das Verfahren wurde
unter dem Az. V S 18/05 (PKH) geführt.
Durch Beschluss vom 2.2.2007 hat der Senat
die Nichtzulassungsbeschwerde V B 146/05 als unzulässig
verworfen (vgl. BFH/NV 2007, 958 = SIS 07 62 27). Gegen diesen
Beschluss hat der Antragsteller, vertreten durch die
Steuerberatungsgesellschaft X, mit Schriftsatz vom 26.2.2007
„Gehörsrüge gemäß § 133a“
eingelegt, über die der Senat noch nicht entschieden hat (Az.
V S 11/07).
Durch weiteren Beschluss vom 2.2.2007 V S
18/05 (PKH) lehnte der Senat den Antrag des Antragstellers auf
Gewährung von PKH ab. Zur Begründung führte der
Senat aus, die beabsichtigte Rechtsverfolgung - die
Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers - biete keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 der
Zivilprozessordnung - ZPO -, § 142 FGO). Der Senat habe die
Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 2.2.2007 als
unzulässig verworfen (V B 146/05), weil der Antragsteller
nicht an dem vorinstanzlichen Verfahren beteiligt (§ 57 FGO)
und deshalb nicht beschwerdebefugt gewesen sei. Damit sei das
Beschwerdeverfahren abgeschlossen und erfolglos geblieben.
Gegen diesen Beschluss hat der
Antragsteller (persönlich) mit Schriftsatz vom 23.2.2007
„Gegenvorstellung“ eingelegt und erneut PKH beantragt
(Az. V S 10/07).
Hierzu stellt er vorab den Antrag, die
Richter A, B und C, die an dem Beschluss vom 2.2.2007 V S 18/05
(PKH) mitgewirkt haben, wegen Besorgnis der Befangenheit
gemäß § 51 FGO von der Mitwirkung
auszuschließen. Hierzu führt der Antragsteller u.a. aus,
wenn Richter einen PKH-Antrag in offensichtlich rechtswidriger
Weise, wie hier geschehen, ablehnten, so begründe dies den
Verdacht der Befangenheit, da diese vom Finanzminister angestellt
seien, also bezahlt würden.
In der Sache trägt der Antragsteller
u.a. vor, gegen den ablehnenden Beschluss über den Antrag auf
Gewährung von PKH sei die Gegenvorstellung zulässig
(Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
18.9.2001 XI S 26/01, juris = SIS 02 51 64). Hieran habe sich auch
durch die Einführung des § 133a FGO - trotz der
„etwas wirren Rechtsprechung verschiedener Senate des
BFH“ - nichts geändert.
Die Gegenvorstellung dürfe von ihm
persönlich erhoben werden (Hinweis auf BFH-Beschluss vom
29.11.1999 XI S 8/99, BFH/NV 2000, 1065 = SIS 00 58 01).
Die Gegenvorstellung sei auch
begründet. Der Senat habe zur Begründung der Ablehnung
der PKH im Beschluss vom 2.2.2007 V S 18/05 (PKH) auf den am selben
Tag erlassenen Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde V
B 146/05 verwiesen. Ein solcher Verweis auf die bereits ergangene
Entscheidung in der Hauptsache sei unzulässig; die
Entscheidung über einen PKH-Antrag müsse vielmehr vor der
Entscheidung der Hauptsache getroffen werden. Hiergegen habe der
Senat verstoßen. Er habe eine Willkürentscheidung
getroffen, da er durch dieses Verfahren keine, auch keine
summarische Prüfung im PKH-Verfahren vorgenommen habe.
Der Antrag auf PKH habe auch Aussicht auf
Erfolg. Entgegen der Begründung des Senats in seinem Beschluss
in BFH/NV 2007, 958 = SIS 07 62 27 sei er - der Antragsteller -
(doch) Beteiligter des Klageverfahrens 12 K 3947/98 vor dem FG
gewesen.
Daraus folge, dass die Gegenvorstellung
zulässig und begründet sei, ihr damit entsprochen werden
müsse und die PKH zu bewilligen sei.
II. Die „Gegenvorstellung“
des Antragstellers gegen den Beschluss vom 2.2.2007 V S 18/05 (PKH)
ist nach Auffassung des vorlegenden Senats und der anderen Senate
des BFH unzulässig.
1. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat
in seinem Plenumsbeschluss vom 30.4.2003 1 PBvU 1/02 (BVerfGE 107,
395 = SIS 03 28 91) geklärt, dass Rechtsbehelfe „in
der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren
Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein
müssen“.
Es hat diese Rechtsprechung auch nach
Schaffung der Anhörungsrüge durch das
Anhörungsrügengesetz (AnhRügG) vom 9.12.2004 (BGBl I
2004, 3220) aufrechterhalten und bekräftigt.
Das BVerfG hat in der Entscheidung vom
8.2.2006 2 BvR 575/05 (NJW 2006, 2907) zur Gegenvorstellung
dargelegt:
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„Gegen die fristwahrende Eigenschaft
einer ‘Gegenvorstellung’, die nach dem Wortlaut des
Gesetzes weder als Rechtsmittel noch als Anhörungsrüge
zulässig sein kann, spricht, dass die Anhörungsrüge
durch Gesetz abschließend geregelt werden sollte, so dass es
der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit widerspräche,
darüber hinaus Gegenvorstellungen als für die
Verfassungsbeschwerde fristwahrend anzuerkennen. Gerade die
Rechtssicherheit und das Postulat der Rechtsmittelklarheit standen
im Mittelpunkt der Erwägungen des Beschlusses des Plenums des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 107, 395 <416> = SIS 03 28 91).“
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Das BVerfG hat ferner jüngst
ausgeführt, es verstoße gegen die verfassungsrechtlichen
Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, wenn von der
Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb
des geschriebenen Rechts geschaffen würden, um
tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen
Rechtsschutzsystem zu schließen (vgl. BVerfG-Beschluss vom
16.1.2007 1 BvR 2803/06, unter Hinweis auf BVerfGE 107, 395, 416 =
SIS 03 28 91).
2. Die gesetzlich nicht geregelte
Gegenvorstellung - die im Beschluss in BVerfGE 107, 395 = SIS 03 28 91 ausdrücklich erwähnt wird (vgl. unter A. II. 1. a der
Gründe) - erfüllt die dargelegten Anforderungen an die
Rechtsmittelklarheit nicht. Sie ist deshalb nicht statthaft.
a) Diese Auffassung hat bereits das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Beschluss vom 11.1.2007 8 KSt
17/06 (juris) vertreten. Es hat dort u.a. ausgeführt:
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„Der Antrag ist auch nicht als
Gegenvorstellung statthaft. Er richtet sich gegen den mit
ordentlichem Rechtsbehelf nicht anfechtbaren Beschluss des Senats
und müsste, um als außerordentlicher Rechtsbehelf
zulässig sein zu können, in der geschriebenen
Rechtsordnung geregelt sein (vgl. BVerfGE 107, 395 = SIS 03 28 91).
Das ist jedoch nicht der Fall.“
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b) Die Ansicht des Senats wird auch von Teilen
der Literatur vertreten (vgl. Ruban in Gräber,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 115 Rz 29; Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 115 bis 134 FGO Rz
57 ff.; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, Vor § 115 FGO Rz 43; Rüsken in
Beermann/Gosch, AO, FGO, § 133a FGO Rz 82).
c) Nach Ansicht des Senats ist eine
Gegenvorstellung generell und damit auch gegen einen Beschluss
über einen Antrag auf PKH - wie vorliegend - nicht
statthaft.
Soweit in der Literatur (einschränkend)
ausgeführt wird, Gegenvorstellungen kämen
„allenfalls“ noch bei gerichtlichen
Entscheidungen in Betracht, die nicht in materielle Rechtskraft
erwachsen und vom Gericht von Amts wegen oder auf Antrag
abgeändert werden könnten, wie z.B. der Beschluss
über einen Antrag auf PKH (vgl. Ruban, a.a.O., Vor § 115
Rz. 29, m.w.N.), folgt der Senat dem nicht. Er ist der Ansicht,
dass die Frage, ob ein Rechtsbehelf (hier die Gegenvorstellung) den
verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit
nicht genügt und deshalb nicht statthaft ist, nicht davon
abhängen darf, ob die angegriffene Entscheidung in materielle
Rechtskraft erwächst oder nicht (wie hier die Entscheidung
über einen PKH-Antrag).
Dies schließt freilich nicht aus, eine
„Gegenvorstellung“ gegen einen PKH versagenden
Beschluss ggf. als erneuten Antrag auf PKH zu werten (vgl. zur
Umdeutung eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einen
erneuten PKH-Antrag: BFH-Beschluss vom 26.3.1998 XI S 32/97, BFH/NV
1998, 1252; zur Auslegung eines Antrags auf „erneute
Behandlung“ in einen erneuten PKH-Antrag: BFH-Beschluss
vom 18.3.2003 I K 1-3/03, BFH/NV 2003, 1191 = SIS 03 37 26).
d) Auf Anfrage des vorlegenden Senats
gemäß § 11 Abs. 3 und 4 FGO haben die anderen
Senate des BFH sich seiner Rechtsauffassung angeschlossen, dass
eine Gegenvorstellung gegen einen Beschluss über einen Antrag
auf PKH nicht statthaft ist.
III. Der Senat holt zu der von ihm vertretenen
Rechtsauffassung eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats der
obersten Gerichtshöfe des Bundes ein.
Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung
der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten
Gerichtshöfe des Bundes - RsprEinhG - (BGBl I 1968, 661)
entscheidet der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des
Bundes, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der
Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des
Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
abweichen will.
Der Senat hält diese Voraussetzungen des
§ 2 Abs. 1 RsprEinhG für gegeben; denn im Anschluss an
die Entscheidung in BVerfGE 107, 395 = SIS 03 28 91 sind
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der Bundesgerichtshof (Entscheidung vom
23.5.2007 XII ZB 92/06, NSW UrkErsVO § 6, BGH-Intern),
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das Bundessozialgericht (vgl. Entscheidungen
vom 28. Juli
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2005 B 13 RJ 178/05 B, NJW 2006, 860; vom
28.9.2006 B 3 P 1/06, SozR 4-1500, § 178a Nr. 5; vom 8.11.2006
B 2 U 5/06 C, SozR 4-1500, § 178a Nr. 6, UV-Recht Aktuell
2007, 521; vom 10.11.2006 B 9a SB 61/06 B, RegNr. 27700,
BSG-Intern),
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das Bundesarbeitsgericht (Entscheidung vom
18.7.2006
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1 ABR 36/05, AP Nr. 19 zu § 2 TVG)
und
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das BVerwG (vgl. Entscheidung vom 9.1.2007 10
B 74/06
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(10 B 68/06), nicht veröffentlicht)
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von einer Statthaftigkeit der Gegenvorstellung
bei nicht vom AnhRügG erfassten Verletzungen von
Verfahrensgrundrechten oder Verletzungen des Willkürverbots
ausgegangen und haben dementsprechend die jeweilige
Gegenvorstellung entweder der Sache nach beschieden oder aber aus
anderen Gründen als unzulässig verworfen.
IV. Das Verfahren vor dem vorlegenden Senat V
S 10/07 wird ausgesetzt (§ 11 Abs. 2 Satz 2 RsprEinhG).