Gegenvorstellung, Statthaftigkeit: Der Senat nimmt seine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Frage der Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung gegen einen Beschluss über einen Antrag auf PKH (Beschluss vom 26.9.2007 V S 10/07, BFHE 219 S. 27, BStBl 2008 II S. 60 = SIS 08 00 21) zurück. - Urt.; BFH 1.7.2009, V S 10/07; SIS 09 27 04
I. Der Senat hatte durch Beschluss vom
2.2.2007 V S 18/05 (PKH) den Antrag des Antragstellers auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine
Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt. Gegen diesen Beschluss hatte
der Antragsteller (persönlich) mit Schriftsatz vom 23.2.2007
„Gegenvorstellung“ eingelegt und erneut PKH beantragt
(Az. V S 10/07).
Daraufhin hat der Senat mit Beschluss vom
26.9.2007 V S 10/07 (BFHE 219, 27, BStBl II 2008, 60 = SIS 08 00 21) gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe
des Bundes (RsprEinhG) dem Gemeinsamen Senat der obersten
Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) folgende Frage zur
Entscheidung vorgelegt: „Ist eine Gegenvorstellung gegen
einen Beschluss über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe
statthaft?“ Das Verfahren wird beim GmS-OGB unter dem
Aktenzeichen GmS-OGB 3/07 geführt.
Der Senat hat in dem Vorlegungsbeschluss in
BFHE 219, 27, BStBl II 2008, 60 = SIS 08 00 21, auf den wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird, die Auffassung vertreten, die
„Gegenvorstellung“ des Antragstellers sei
unzulässig, weil die gesetzlich nicht geregelte
Gegenvorstellung die Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit
nicht erfülle, wonach Rechtsbehelfe „in der
geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen
für die Bürger erkennbar sein müssen“ (Hinweis
u.a. auf den Plenumsbeschluss des Bundesverfassungsgerichts -
BVerfG - vom 30.4.2003 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395 = SIS 03 28 91).
Daraus folge, dass eine Gegenvorstellung
generell und damit auch gegen einen Beschluss über einen
Antrag auf PKH nicht statthaft sei. Denn die Frage, ob ein
Rechtsbehelf (hier die Gegenvorstellung) den verfassungsrechtlichen
Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genüge und
deshalb nicht statthaft sei, dürfe nicht davon abhängen,
ob die angegriffene Entscheidung in materielle Rechtskraft erwachse
oder (wie hier die ablehnende Entscheidung über einen
PKH-Antrag) nicht.
II. Die Auffassung, dass eine Gegenvorstellung
(auch) gegen einen nicht in materielle Rechtskraft erwachsenden
ablehnenden Beschluss über einen Antrag auf PKH nicht
statthaft sei, vermag der Senat nach dem seinem Vorlegungsbeschluss
nachfolgenden Beschluss des BVerfG vom 25.11.2008 1 BvR 848/07 (NJW
2009, 829 = SIS 09 05 40) nicht aufrechtzuerhalten.
1. a) Das BVerfG hat in diesem Beschluss in
NJW 2009, 829 = SIS 09 05 40 u.a. ausgeführt (unter B.I.1.b bb
(1) (a) der Gründe),
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aus den Erwägungen des Plenums in seinem
Beschluss vom 30.4.2003 (BVerfGE 107, 395 = SIS 03 28 91) lasse
sich „nicht herleiten, dass eine Gegenvorstellung gegen
gerichtliche Entscheidungen von Verfassungs wegen unzulässig
(sei)“ (Rz 34),
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dass „die Gegenvorstellung den
rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht
genügt“ (Rz 36) und
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soweit die Rechtsprechung der Fachgerichte die
Gegenvorstellung als statthaft behandele, (führe) dies nicht
zu einer Beeinträchtigung der Interessen der Rechtsuchenden,
vielmehr (werde) im Gegenteil der Schutz ihrer Rechte erweitert,
„wenn das Fachgericht nach der maßgebenden gesetzlichen
Regelung zu einer Abänderung seiner vorangegangenen
Entscheidung befugt (sei) und ihm die Gegenvorstellung Anlass zu
einer dahingehenden Prüfung (gebe)“ (Rz 36).
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b) Das BVerfG hat in seinem Beschluss in NJW
2009, 829 = SIS 09 05 40 ferner betont (unter B.I.1.b bb (2) der
Gründe = Rz 39), dass
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„die Gerichte bei der sachlichen
Entscheidung über eine Gegenvorstellung von der Beachtung der
einschlägigen gesetzlichen Regelungen namentlich des
Verfahrensrechts nicht befreit“ sind,
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„die Lösung des hier zu Tage
tretenden Konflikts zwischen materieller Gerechtigkeit und
Rechtssicherheit in erster Linie dem Gesetzgeber übertragen
ist“ und
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„insoweit sich die Gerichte mithin nicht
von der maßgeblichen gesetzlichen Regelung lösen
(können)“, was „insbesondere für gerichtliche
Entscheidungen (gelte), die ungeachtet etwaiger Rechtsfehler nach
dem jeweiligen Verfahrensrecht in Rechtskraft erwachsen und deshalb
weder mit ordentlichen Rechtsbehelfen angegriffen noch vom
erkennenden Gericht selbst abgeändert werden
können“.
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2. Die Ausführungen des BVerfG in NJW
2009, 829 = SIS 09 05 40 unter B.I.1.b bb (2) der Gründe (Rz
39) dürften dahingehend zu verstehen sein, dass es
ausgeschlossen ist, gesetzlich geregelte Bindungen des Gerichts an
seine eigenen Entscheidungen, wie sie sich insbesondere aus der
Rechtskraft der Entscheidung auch zu Gunsten des anderen
Verfahrensbeteiligten ergeben, ohne gegenläufige gesetzliche
Grundlage mit Hilfe einer Gegenvorstellung zu übergehen
(ebenso Neumann, jurisPR-BVerwG 9/2009 Rz 4, unter D.).
Anderes dürfte dagegen gelten - so
versteht der Senat die Ausführungen des BVerfG in NJW 2009,
829 = SIS 09 05 40 unter B.I.1.b bb (1) (a) der Gründe (Rz 36)
-, wenn das Fachgericht nach der maßgebenden gesetzlichen
Regelung zu einer Abänderung seiner vorangegangenen
Entscheidung befugt ist und ihm die Gegenvorstellung Anlass zu
einer dahingehenden Prüfung gibt.
3. Deshalb gibt der Senat seine im
Vorlegungsbeschluss vertretene Ansicht auf, die Frage der
Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung dürfe nicht davon
abhängen, ob die angegriffene Entscheidung in materielle
Rechtskraft erwachse oder nicht (wie hier die ablehnende
Entscheidung über einen PKH-Antrag).
Damit entfällt die Grundlage für die
Anrufung des GmS-OGB. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur
Stellungnahme.
III. Eine Rücknahme der Anrufung ist
zulässig (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 29.8.1978
VII R 17/77, BFHE 125, 364, BStBl II 1978, 604 = SIS 78 03 34;
Kissel, Festschrift 75 Jahre RFH-BFH, S. 591, 602; Pietzner in
Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Anh § 11 RsprEinhG Rz
24).
Das gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2
RsprEinhG ausgesetzte Verfahren V S 10/07 wird fortgesetzt.