EUSt, Schuldner bei Steuerfreiheit: Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S. des § 3 Abs. 8 UStG 1993 ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1993 steuerbar, aber gemäß § 5 UStG 1993 steuerfrei sind. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 1.2.2008, IV A 5 - S 7114/07/0002 = SIS 08 10 30) (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 1.2.2008, IV A 6 - S 7329/08/0001, BStBl 2008 I S. 295 = SIS 08 10 19) - Urt.; BFH 21.3.2007, V R 32/05; SIS 07 24 63
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin u.a.
der SN-GmbH, der A-GmbH, die im Streitjahr 1998 umfirmierte in die
N-GmbH, und der E-GmbH - alle mit Sitz im Inland. Zum Konzern der
Klägerin gehört auch die in ... (Schweiz) ansässige
T-AG.
Die SN-GmbH beauftragte die N-GmbH, die
Betriebsabteilung „C“ in eigenem Namen, aber für
Rechnung, im Interesse und auf Risiko der SN-GmbH zu führen.
„C“ belieferte im Streitjahr ihre
„Mitglieder“ (Kunden) im Versandhandel mit
Schallplatten, CD’s, Videokassetten, Büchern und
Ähnlichem.
Dazu versandte sie an die Kunden Kataloge, aus denen
sie vierteljährlich mindestens einen Artikel per Bestellkarte
bestellen mussten. In den Katalogen trat im Streitjahr als Anbieter
den Kunden gegenüber die in Deutschland ... (Z) ansässige
N-GmbH auf. In Deutschland richteten die Kunden ihre Bestellung an
die N-GmbH. Im Katalog heißt es unter der Überschrift
„Lieferbedingungen und Versandbestellung“: „Was
Sie bestellt haben, liefern wir in Ihrem Namen und für Ihre
Rechnung durch die Deutsche Post AG direkt zu Ihnen nach
Hause.“ Auf der Beitrittserklärung zur „C“
ist als Erfüllungsort Z angegeben.
Bis April 1998 lieferte die N-GmbH die von ihren
Vorlieferanten bezogenen Waren in das Zentrallager der E-GmbH in Z
ein und von dort an die Kunden aus. Die E-GmbH konfektionierte im
Auftrag der N-GmbH die Warensendungen, d.h. sie verpackte die
Waren, erstellte die Adressaufkleber und die Rechnungen, frankierte
die Sendungen und übergab sie an die Deutsche Post
AG.
Im Rahmen einer Umstrukturierung erfolgte ab Ende
April 1998 die Versendung von Großartikeln des Programms der
„C“ (z.B. Serien-CDs, Hauptvorschlags-CDs) für
ganz Europa (Deutschland, Österreich und Niederlande) aus dem
schweizerischen X. In gleicher Weise wurden ab Oktober 1998 auch
Lieferungen auf Grund einzelner Kundenbestellungen
ausgeführt.
Die Lieferungen von X aus umfassten
ausschließlich Produkte, deren Warenwert je Einzelsendung 50
DM nicht überstieg.
Die SN-GmbH beauftragte die T-AG mit der
Ausführung der Distributionsleistungen im Zusammenhang mit den
Lieferungen von der Schweiz aus. Die T-AG ihrerseits bediente sich
hierzu der konzernunabhängigen F-AG, die in X (Schweiz) ein
Logistikzentrum errichtete.
Dazu heißt es im Tatbestand des FG-Urteils:
Durch die Einschaltung der F-AG als Subunternehmerin, die 35
Arbeitskräfte in X beschäftigte, konnte die Klägerin
die Lohnkosten senken, da vergleichbare Löhne in der Schweiz
niedriger waren als im Inland. Durch die Zentralisierung der
Musiklogistik für europäische Abnehmer (Deutschland,
Österreich, Niederlande und geplant für
Großbritannien) erschloss die Klägerin Synergieeffekte
beim Einkauf (Preisvorteile beim Einkauf von Verpackungen und
Formularen) und bei der Auslieferung. Die Deutsche Post AG
berechnete der SN-GmbH für die in der Schweiz begonnenen
Auslieferungen die gleichen Entgelte wie für inländische
Sendungen.
Die aus der Schweiz zu versendenden Waren kaufte die
N-GmbH in eigenem Namen, aber für Rechnung der SN-GmbH ein und
lagerte sie mindestens teilweise in dem Warenlager der E-GmbH in Z
ein.
Die N-GmbH erstellte für den jeweiligen Monat
einen Aktionsplan über die von X aus geeigneten
Auslieferungen, worauf die E-GmbH den Auftrag zur Übersendung
der Titel nach X erhielt.
Daraufhin entnahm die E-GmbH die umzulagernden Waren
ihrem Zentrallager, stellte nach Titel geordnete Warensendungen
zusammen und übergab sie dem Frachtführer. Die F-AG
quittierte auf dem Lieferschein den Empfang der Ware, nahm sie
entgegen und lagerte sie in X ein.
An Hand der ihr übermittelten Auslieferungsdaten
stellte die F-AG die Sendungen zusammen. Die von der T-AG
gedruckten Rechnungen dienten zugleich als
Versandanschriftenaufkleber und trugen den Vermerk:
„eingeliefert durch C“. Die Waren holte die Deutsche
Post AG vom Logistikzentrum X ab und verbrachte die Sendungen in
ihr Frachtzentrum ... (Deutschland) zur Auslieferung an die
Kunden.
In den nicht auf amtlichem Vordruck gefertigten
schriftlichen Anträgen „auf Freischreibung der
Sendungen“ an das deutsche Zollamt Y (Zollamt) trat als
Erklärender die SN-GmbH auf. Die Antragsschreiben enthielten
unter der Angabe des jeweiligen Inhaltes und der Anzahl der
Warensendungen den Hinweis: „Die Sendungen gehen an diverse
Empfänger in Deutschland. Die Einfuhr erfolgt im Namen der
Empfänger. Der Wert pro Sendung liegt unter 50
DM.“
Die Antragsschreiben erhielten den Stempelvermerk des
deutschen Zolls über eine Einfuhrabgabenbefreiung nach Art. 27
der Verordnung 918/83/EWG des Rates über das gemeinschaftliche
System der Zollbefreiungen (ZollbefreiungsVO). Zugleich behandelte
das Zollamt die Warenverbringung ins Inland als nach § 1 Abs.
1 der Einfuhrumsatzsteuerbefreiungs-Verordnung (EUStBV) von der
Einfuhrumsatzsteuer befreite Einfuhr.
Der Inhalt dieser Antragsschreiben der SN-GmbH
entsprach einem zwischen der Deutschen Post AG und dem Zollamt
abgestimmten Text. Die Deutsche Post AG hatte mit Schreiben vom
14.4.1998 einen Vorschlag zum Inhalt des den Warensendungen
beizufügenden formlosen schriftlichen Antrags auf
„Freischreibung der Sendungen“ unterbreitet, dem das
Zollamt mit Schreiben vom 22.4.1998 zugestimmt
hatte.
Im Anschluss an
eine Außenprüfung vertrat das Finanzamt O (FA O) die
Auffassung, der Ort der Lieferungen aus
der Schweiz an die Kunden liege nicht gemäß § 3
Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) in der Schweiz,
sondern nach § 3 Abs. 8 UStG 1993 im Inland.
Dementsprechend
erfasste das FA O diese Lieferungen im Bescheid vom 1.3.2000 als
zusätzliche steuerbare und steuerpflichtige Umsätze mit
dem Regelsteuersatz von 16 % und erhöhte die Umsatzsteuer
deswegen von 67.934.322 EUR auf 72.892.119,46 EUR.
Gegen diesen
Bescheid erhob die Klägerin am 3.4.2000 Sprungklage gegen das
FA O, der das FA O rechtzeitig
zustimmte.
Den angegriffenen Bescheid änderte das
inzwischen zuständige Finanzamt P (FA P) mit
Änderungsbescheid vom 8.1.2003 auf 73.357.171,12
EUR. Diese Änderung ist hier nicht
streitig.
Das Finanzgericht (FG) wies die Sprungklage ab und
führte im Rubrum das FA P als Beklagten auf. Das Urteil ist in
EFG 2005, 1479 = SIS 05 28 46 veröffentlicht.
Das FG vertrat die Auffassung, die Lieferungen der
Klägerin an die Kunden vom Lager in X seien gemäß
§ 3 Abs. 8 UStG 1993 im Inland erfolgt.
Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 8 UStG 1993
seien erfüllt, weil die Klägerin Schuldner der
Einfuhrumsatzsteuer und Lieferer sei. Vorliegend seien die
Einfuhren zwar gemäß § 1 Abs. 1 der EUStBV i.V.m.
Art. 27, 28 der ZollbefreiungsVO befreit, weil ihr Warenwert 50 DM
nicht überschreite. Der Begriff des Schuldners der
Einfuhrumsatzsteuer setze aber nicht voraus, dass für den
konkreten Liefervorgang Einfuhrumsatzsteuer angefallen
sei.
Zollschuldner sei nach Art. 201 Abs. 3 Satz 1 des
Zollkodexes (ZK) der Anmelder der Ware. Zwar habe die SN-GmbH die
Waren im Namen ihrer Kunden angemeldet. Da sie aber insoweit ohne
Vertretungsmacht gehandelt habe, gelte die Anmeldung
gemäß Art. 5 Abs. 4 2. Unterabsatz ZK als im eigenen
Namen der SN-GmbH abgegeben. Die SN-GmbH sei nicht
bevollmächtigt gewesen, die Waren im Namen der Kunden
einzuführen. Denn die Lieferbedingungen bei
Versandbestellungen seien aufgrund des Gesetzes zur Regelung
des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) nicht Vertragsbestandteil des Kaufvertrages
zwischen der N-GmbH und den Kunden geworden. Es habe auch keine
Anscheins- oder Duldungsvollmacht vorgelegen.
Ferner habe nicht die Deutsche Post AG, sondern die
SN-GmbH für die Empfänger eine Anmeldung abgegeben. Somit
komme es nicht auf die gesetzliche Vertretungsmacht der Deutschen
Post AG aus § 5 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG),
im Namen der Empfänger die Waren anzumelden,
an.
Die Empfänger seien nicht deswegen
Zollschuldner, weil sie mittels Postpaket aus der Schweiz beliefert
worden seien. Zwar gelte gemäß Art. 237 Abs. 2 1. Alt.
der Zollkodexdurchführungsverordnung (ZKDVO) der
Empfänger unter anderem von Postpaketen als Anmelder, deren
Warenwert - wie im Streitfall die Sendungen mit Musik-CDs,
-kassetten und Videokassetten - 50 DM nicht überschritten.
Allerdings sei die Anwendung dieser Bestimmung hier nach Art. 238
2. Spiegelstrich ZKDVO ausgeschlossen, weil die Sendungen Teil
einer regelmäßigen Serie „gleichartiger
Vorgänge“ seien.
Mit der Revision rügt die Klägerin
Verletzung des § 3 Abs. 8 UStG 1993.
Zur Begründung trägt sie vor, diese
Vorschrift sei nicht anwendbar, da sie einen Schuldner der
Einfuhrumsatzsteuer voraussetze. Diesen gebe es nicht, wenn die
Einfuhren - wie hier - umsatzsteuerbefreit seien. Dies folge
bereits aus dem Wortlaut. Die lediglich sinngemäße
Anwendung der Vorschriften über das Zollrecht gemäß
§ 21 Abs. 2 UStG 1993 führe dazu, dass die Bestimmung des
Art. 201 ZK nur auf die steuerpflichtige Einfuhr Anwendung finde
(Zimmermann in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, E §
21 Rz 168). Denn nach der Systematik des UStG 1993 sei nur
derjenige Steuerschuldner i.S. des § 13 Abs. 3 UStG 1993, der
einen steuerbaren Tatbestand verwirkliche, ohne dass zugleich die
Voraussetzungen einer Steuerbefreiung erfüllt
seien.
Ferner ergebe sich dieses Ergebnis auch aus einer
richtlinienkonformen Auslegung des Art. 8 Abs. 2 der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach
der Systematik der Richtlinie 77/388/EWG sei eine Person nur
für einen steuerpflichtigen Vorgang, nicht aber auch für
einen nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG
steuerfreien Umsatz „Steuerpflichtiger“.
Die Klägerin meint, selbst wenn entgegen ihrer
Auffassung § 3 Abs. 8 UStG 1993 hier anwendbar sei,
seien die Warenempfänger die
Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Die Deutsche Post AG habe im
vorliegenden Fall aufgrund gesetzlicher Vertretungsmacht (§ 5
Abs. 2 ZollVG) und im Übrigen durch die Lieferbedingungen
bevollmächtigt für die Kunden als Warenempfänger
mündliche Zollanmeldungen abgegeben. Die Antragsschreiben der
SN-GmbH seien nicht auf dem sog. Einheitspapier (Art. 62 ZK i.V.m.
Art. 205 ZKDVO) erfolgt und hätten nicht den Anforderungen des
vereinfachten Verfahrens gemäß Art. 76 ZK entsprochen.
Die im Ergebnis unstreitige Überführung in den
zollrechtlich freien Verkehr habe damit nur durch mündliche
Zollanmeldungen i.S. des Art. 225 ZKDVO erfolgen können. Da
Vertreter der SN-GmbH nicht anwesend gewesen seien, sei für
die mündliche Anmeldung als Anmelder nur die Deutsche Post AG
in Betracht gekommen. Der Ausschlusstatbestand des Art. 225 Buchst.
b 2. Spiegelstrich ZKDVO liege nicht vor, da die Warensendungen
nicht Teil einer regelmäßigen Serie gleichartiger
Sendungen seien. Diese Vorschrift greife nur ein, wenn mehrere
zusammenhängende Lieferungen an eine Person gingen. Im
Übrigen sei durch die Annahme der Anmeldung durch die
Zollbehörden, die eine Entscheidung gemäß Art. 6 ZK
sei, verbindlich festgestellt, dass die Voraussetzungen des Art.
225 ZKDVO gegeben seien.
Selbst wenn keine mündlichen Zollanmeldungen
vorlägen, seien die Kunden aufgrund der Sonderregelung des
Art. 237 ZKDVO für den Postverkehr Zollanmelder. Der
Ausschluss durch Art. 238 2. Spiegelstrich ZKDVO greife nicht, da
die Sendungen - wie im Rahmen von Art. 225 Buchst. b 2.
Spiegelstrich ZKDVO dargelegt - nicht Teil einer
regelmäßigen Serie gleichartiger Sendungen seien. Ferner
sei das Schreiben des Zollamtes vom 22.4.1998 als Entscheidung
gemäß Art. 6 ZK zu werten; damit sei verbindlich
festgestellt, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss
nach Art. 238 ZKDVO nicht vorlägen.
Die Klägerin stellt den Antrag, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer für das Jahr 1998 auf
67.934.322 EUR festzusetzen.
Das FA P beantragt, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Lieferungen der
Klägerin aus der Schweiz unterliegen im Inland der
Umsatzsteuer.
1. Durch den Änderungsbescheid vom
8.1.2003 trat ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel gemäß
§ 68 Satz 1 FGO ein, so dass anstelle des FA O nunmehr das FA
P der Beklagte wurde (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 9.11.2004 V S 21/04, BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101 =
SIS 05 02 15) und damit Revisionsbeklagter ist (§ 122 Abs. 1
FGO).
2. Der Klägerin sind die Umsätze
ihrer Organgesellschaften nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1993
zuzurechnen. Die Lieferungen aus der Schweiz an die Kunden der
„C“ unterliegen der Umsatzsteuer.
Entgeltliche Umsätze eines Unternehmers
im Rahmen seines Unternehmens sind gemäß § 1 Abs. 1
Nr. 1 UStG 1993 umsatzsteuerbar, wenn der Ort der Lieferung - wie
hier - im Inland liegt.
a) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den
Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer
beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die
Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder
Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten
beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG 1993). Versenden liegt vor,
wenn jemand die Beförderung durch einen selbstständigen
Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs.
6 Satz 3 UStG 1993). Ob hier die SN-GmbH oder die N-GmbH die
Deutsche Post AG mit der Beförderung der Gegenstände an
die Kunden beauftragte, kann offenbleiben, da beide
Organgesellschaften der Klägerin sind. Die Versendung beginnt
mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten (§
3 Abs. 6 Satz 4 UStG 1993). Hier begann die Versendung unstreitig
mit der Abholung der Gegenstände durch die Deutsche Post AG
vom Logistikzentrum in X, also in der Schweiz.
b) Abweichend von § 3 Abs. 6 UStG 1993
bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1993,
wenn der Gegenstand bei Beförderung oder Versendung aus einem
Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein
Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.
Die Lieferungen der Klägerin erfolgten
aus der Schweiz, einem Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 3
UStG 1993), und gelangten bei der Versendung in das Inland (§
1 Abs. 2 Satz 1 UStG 1993).
Die Klägerin war auch „Schuldner
der Einfuhrumsatzsteuer“.
aa) Der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer
bestimmt sich nach § 13 Abs. 3 UStG 1993 i.V.m. § 21 Abs.
2 UStG 1993 nach den Vorschriften über die Zölle.
Gemäß Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK ist der Anmelder der
Waren der Zollschuldner.
Zwar beantragte die SN-GmbH die Anmeldung im
Namen der Empfänger beim Zollamt. Allerdings fehlte ihr die
Vertretungsmacht, so dass sie nach Art. 5 Abs. 4 2. Unterabsatz 2.
Alt. ZK als im eigenen Namen und für eigene Rechnung handelnd
galt.
Art. 5 ZK regelt die Stellvertretung
gegenüber den Zollbehörden wie folgt:
„(1) Unter den Voraussetzungen des
Artikels 64 Absatz 2 und vorbehaltlich der im Rahmen des Artikels
243 Absatz 2 Buchstabe b) erlassenen Vorschriften kann sich
jedermann gegenüber den Zollbehörden bei der Vornahme der
das Zollrecht betreffenden Verfahrenshandlungen vertreten
lassen.
Die Vertretung kann sein
-
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direkt, wenn der Vertreter im Namen und
für Rechnung eines anderen handelt;
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indirekt, wenn der Vertreter im Namen, aber
für Rechnung eines anderen handelt.
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Die Mitgliedstaaten können das Recht,
Zollanmeldungen in ihrem Gebiet
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in direkter Vertretung oder
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-
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in indirekter Vertretung
|
abzugeben, in der Weise beschränken,
dass der Vertreter ein Zollagent sein muss, der dort
rechtmäßig seinen Beruf ausübt.
(3) Abgesehen von den Fällen nach
Artikel 64 Absatz 2 Buchstabe b) und Absatz 3 muss der Vertreter in
der Gemeinschaft ansässig sein.
(4) Der Vertreter muss erklären,
für die vertretene Person zu handeln; er muss ferner angeben,
ob es sich um eine direkte oder indirekte Vertretung handelt, und
Vertretungsmacht besitzen.
Personen, die nicht erklären, im Namen
oder für Rechnung eines anderen zu handeln, oder die
erklären, im Namen oder für Rechnung eines anderen zu
handeln, aber keine Vertretungsmacht besitzen, gelten als in
eigenem Namen und für eigene Rechnung handelnd.
...“
(1) Die Vertretungsmacht ergibt sich nicht aus
der Vereinbarung in den Versandbedingungen der N-GmbH, wonach die
Versendung der Waren im Namen und für Rechnung der Kunden
erfolgte.
Nach § 3 AGBG werden Bestimmungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen,
insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des
Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des
Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Bestandteil
des Vertrages. Die Ungewöhnlichkeit einer Klausel bestimmt
sich nach den Umständen des Vertragsabschlusses, dem
Gesamtbild des Vertrages sowie den Erwartungen, die der redliche
Verkehr typischerweise an den Vertragsinhalt knüpft. Eine
Klausel wird nicht Vertragsbestandteil, wenn sie von diesen
Erwartungen deutlich abweicht und der Vertragspartner mit ihr den
Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht
(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.6.2002 VII ZR 272/01,
Baurecht - BauR - 2002, 1544, 1546, NJW Rechtsprechungs-Report
Zivilrecht - NJW-RR - 2002, 1312, m.w.N.).
Das FG hat den Streitfall aufgrund des
festgestellten Sachverhalts dahingehend gewürdigt, dass die
betreffende Klausel „nicht ansatzweise kenntlich
mache“, mit ihr solle „das Risiko einer
Schuldnerschaft für eventuell bei der Belieferung aus der
Schweiz anfallende“ Einfuhrumsatzsteuer „auf den
Warenempfänger überwälzt werden“. Diese
Würdigung ist aufgrund der festgestellten Tatsachen
möglich. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch
gegen Erfahrungssätze und bindet daher den Senat (§ 118
Abs. 2 FGO).
Deshalb brauchten die Kunden mit einer
Klausel, die die N-GmbH bevollmächtigte, im Namen der Kunden
Waren anzumelden, nicht zu rechnen. Eine derartige Klausel wurde
somit nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil.
(2) Anmelder der Waren waren die Kunden auch
nicht aufgrund einer gesetzlichen Vertretung durch die Deutsche
Post AG.
Nach § 5 Abs. 2 ZollVG hat die Deutsche
Post AG zwar die gesetzliche Vertretungsmacht, Zollanmeldungen im
Namen des Empfängers für Waren, die durch sie
befördert werden, abzugeben. Vorliegend trat aber nicht die
Deutsche Post AG, sondern nach dem vom FG festgestellten
Sachverhalt, der nicht durch Verfahrensrügen angegriffen wurde
und an den der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO
gebunden ist, die SN-GmbH als angebliche Vertreterin auf, welche
die Anmeldungen schriftlich abgab.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat
die Annahme der Anmeldungen nicht zur Folge, dass das Zollamt das
Vorliegen von mündlichen Anmeldungen durch die Deutsche Post
AG ähnlich wie durch Verwaltungsakt
„feststellte“. Die Annahme ist zwar eine
„Entscheidung“ nach Art. 6 ZK, die wirksam
bleibt, solange sie nicht zurückgenommen oder widerrufen (Art.
8, 9 ZK) wird. Das Zollamt trifft sie nach der Prüfung, ob
Nichtannahmegründe vorliegen (Witte/Henke, Zollkodex, 4.
Aufl., Art. 63 Rz 3, m.w.N.). Ob die Anmeldung mündlich oder
schriftlich erfolgte, ist aber nicht Gegenstand der Annahme der
Anmeldung.
(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin
führen auch die Sonderregelungen im Postverkehr nach Art. 237,
238 ZKDVO zu keinem anderen Ergebnis. Die Vorschriften lauteten im
Streitjahr:
„Artikel 237
(1) Im Postverkehr gelten folgende Waren
als angemeldet
A. zur Überführung in den
zollrechtlich freien Verkehr
a) im Zeitpunkt des
Beförderns:
-
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Postkarten und Briefe, ausschließlich
mit persönlichen Mitteilungen,
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-
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Blindenpost,
|
-
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nichteinfuhrabgabenpflichtige Drucksachen
und
|
-
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andere Postsendungen (Briefe und Postpakete),
die im Sinne der Durchführungsvorschriften zu Artikel 38
Absatz 4 des Zollkodex von der Verpflichtung des Beförderns
freigestellt sind;
|
…
(2) Als Anmelder und gegebenenfalls als
Zollschuldner gilt in den Fällen von Absatz 1 Buchstabe A der
Empfänger, in den Fällen von Buchstabe B der Versender.
Die Zollbehörden können vorsehen, dass die Postverwaltung
als Anmelder und gegebenenfalls auch als Zollschuldner
gilt.
(3) Im Sinne von Absatz 1 gelten
abgabenfreie Waren als nach Maßgabe von Artikel 63 des
Zollkodex gestellt, die Zollanmeldung als angenommen sowie die
Waren als überlassen:
a) bei der Einfuhr, wenn die Waren dem
Empfänger ausgehändigt werden,
…
Artikel 238
Artikel 237 gilt nicht
-
|
für Postsendungen (Briefe und
Postpakete), die zu kommerziellen Zwecken bestimmte Waren
enthalten, deren Gesamtwert die in den geltenden
Gemeinschaftsvorschriften vorgesehene statistische Wertschwelle
überschreitet; die Zollbehörden können höhere
Wertgrenzen vorsehen;
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für Postsendungen (Briefe und
Postpakete), die zu kommerziellen Zwecken bestimmte Waren
enthalten, die Teil einer regelmäßigen Serie
gleichartiger Vorgänge sind;
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wenn eine Zollanmeldung schriftlich,
mündlich oder unter Einsatz der Datenverarbeitung abgegeben
wird;
|
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für Postsendungen (Briefe oder
Postpakete) im Sinne des Artikels 235.“
|
Die streitigen Warensendungen der
Klägerin galten nicht - wie die Klägerin meint -
gemäß Art. 237 Abs. 2 ZKDVO durch die
Warenempfänger als angemeldet.
Zwar handelt es sich um Waren, für die
diese Sonderregelung gilt; denn bei den streitigen Sendungen
handelt es sich um Postpakete, die von der Pflicht zur
Beförderung ausgenommen waren i.S. des Art. 237 Abs. 1 A a 4.
Spiegelstrich ZKDVO.
Von der Pflicht zur Beförderung
gemäß Art. 38 Abs. 1 ZK ausgenommen waren im Streitjahr
nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa der
Zollverordnung (ZollV) im Postverkehr zur Überführung in
den freien Verkehr Sendungen mit Waren, die nicht mehr als 50 DM
wert waren; ausgenommen waren Sendungen, die Alkohol, alkoholische
Getränke, Tabakwaren, Röstkaffee oder löslichen
Kaffee enthielten.
Die streitigen Sendungen der Klägerin
erfüllen diese Voraussetzungen.
Allerdings greift Art. 237 nicht ein, wenn -
wie hier - eine schriftliche Anmeldung erfolgte (Art. 238 3.
Spiegelstrich ZKDVO).
Das Schreiben des Zollamtes vom 22.4.1998
steht dem - ungeachtet seiner Rechtsnatur - nicht entgegen. Denn
diese Bestätigung enthält nicht die Aussage, dass die
Sendungen mit geringem Wert trotz der schriftlichen Anmeldung im
Rahmen des Postverkehrs gemäß Art. 237 ZKDVO angemeldet
werden können.
bb) Unerheblich ist, ob die Einfuhren durch
die Klägerin einfuhrumsatzsteuerfrei waren.
Denn Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S.
des § 3 Abs. 8 UStG 1993 ist auch derjenige, dessen
Umsätze zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1993
steuerbar, aber gemäß § 5 UStG 1993 steuerfrei
sind.
Dies ergibt sich aus der gebotenen
richtlinienkonformen Auslegung des § 3 Abs. 8 UStG 1993. Diese
Vorschrift hat ihre gemeinschaftsrechtliche Grundlage in Art. 8
Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, die im Streitjahr folgende
Fassung hatte:
|
„Liegt der Ort, von dem aus der
Gegenstand versandt oder befördert wird, in einem
Drittlandsgebiet, so gelten abweichend von Absatz 1 Buchstabe a)
der Ort der Lieferung, die durch den Importeur im Sinne des
Artikels 21 Ziffer 2 bewirkt wird, sowie der Ort etwaiger
nachfolgender Lieferungen als in dem Mitgliedstaat gelegen, in den
die Gegenstände eingeführt werden.“
|
Nach Art. 21 der Richtlinie 77/388/EWG der im
Streitjahr geltenden Fassung „schuldet die
Mehrwertsteuer
...
2.
|
bei der Einfuhr die Person oder Personen,
die vom Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bezeichnet
oder anerkannt wird oder werden.“
|
Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
verwendet den Begriff „Importeur“, obwohl in
Art. 21 der Richtlinie 77/388/EWG
„Steuerschuldner“ benutzt wird. Dies bedeutet,
dass lediglich für die Bestimmung der Person auf Art. 21 der
Richtlinie 77/388/EWG verwiesen wird, das tatsächliche
Entstehen der Einfuhrumsatzsteuer aber nicht Voraussetzung für
Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ist. An dieser Auslegung
des Gemeinschaftsrechts bestehen nach Auffassung des Senats keine
„vernünftigen Zweifel“, die zu einer
Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
führten.
3. Selbst wenn der Auffassung der
Klägerin zu folgen und § 3 Abs. 8 UStG 1993 mit der
Verlegung des Leistungsortes ins Inland nicht anwendbar wäre,
läge die Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung i.S.
von § 42 der Abgabenordnung (AO) nahe. Diese Vorschrift ist im
Umsatzsteuerrecht anwendbar (BFH-Urteil vom 9.11.2006 V R 43/04,
BFH/NV 2007, 308 = SIS 07 00 38, unter II.3.a aa und bb).
Zweifelhaft ist, ob die vom FG allein festgestellten
Synergieeffekte und die Senkung der Lohnkosten als
außersteuerliche Gründe ausreichen. Denn es ist nicht
einleuchtend, weshalb die Klägerin in Anbetracht dieser
Vorteile nicht auch Warensendungen über 50 DM von X aus
versandte. Vielmehr liegt es nahe, dass sich die Klägerin
aufgrund der für Sendungen bis 50 DM im Streitjahr geltenden
Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer (§ 5 Abs. 2 UStG 1993
i.V.m. § 1 Abs. 1 EUStBV i.V.m. Art. 27, 28 ZollbefreiungsVO)
für den Warenweg über die Schweiz entschied.