Erbbauzinsen, keine Hinzurechnung beim Gewerbeertrag: Erbbauzinsen sind nicht als dauernde Lasten nach § 8 Nr. 2 GewStG dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen (Änderung der Rechtsprechung). - Urt.; BFH 7.3.2007, I R 60/06; SIS 07 19 21
I. Gegenstand der 1990 gegründeten
Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH,
ist der Vertrieb und die Vermittlung zahntechnischer Leistungen und
Materialien. Die Klägerin erwarb ihren Betrieb im Jahr 1991
von der Stadt X. Der Erwerb umfasste das gesamte Inventar und das
Betriebsgebäude. Das bisherige Personal wurde
übernommen.
Mit notariellem Vertrag vom 24.6.1993 wurde
zu Gunsten der Klägerin ein Erbbaurecht für das
betrieblich genutzte Grundstück bestellt. Der Erbbauzins
beträgt jährlich 106.218 DM. Für das
Betriebsgebäude wurde ein gesonderter Kaufpreis gezahlt.
Anschaffungszeitpunkt war Oktober 1993. Bis zu diesem Zeitpunkt
stand die Klägerin in einem Mietverhältnis mit der Stadt
X. Dieses Mietverhältnis war von vornherein für die Zeit
bis zum beabsichtigten Erwerb bzw. bis zur Erbbaurechtsbestellung
befristet.
In den Gewerbesteuermessbescheiden für
die Streitjahre (1995 bis 1997) behandelte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Erbbauzinsen
erklärungsgemäß als dauernde Lasten i.S. des §
8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).
Gegen die nach einer
Außenprüfung geänderten Gewerbesteuermessbescheide
richtet sich die Klage, mit der die Klägerin geltend macht,
der Erbbauzins sei nicht als dauernde Last i.S. des § 8 Nr. 2
GewStG zu werten.
Dem folgte das Finanzgericht (FG) des
Landes Brandenburg und gab der Klage mit Urteil vom 27.6.2006 6 K
1728/03, veröffentlicht in EFG 2006, 1776 = SIS 06 46 04,
statt.
Das FA stützt seine Revision auf eine
Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Gemäß § 8 Nr. 2 GewStG
werden Renten und dauernde Lasten, die wirtschaftlich mit der
Gründung und dem Erwerb des Betriebes oder eines Anteils am
Betrieb zusammenhängen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder
hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns nach
§ 7 GewStG abgesetzt worden sind. Dies gilt nicht, wenn diese
Beträge beim Empfänger zur Steuer nach dem Gewerbeertrag
heranzuziehen sind.
2. Das FG hat zutreffend die Verpflichtung der
Klägerin zur Zahlung der Erbbauzinsen nicht als dauernde Last
i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG beurteilt.
a) In zivilrechtlicher Sicht ist das
Erbbaurecht - obschon nicht ausschließlich, so doch
wesentlich auch - ein befristetes Nutzungsrecht. Es umfasst zum
einen die „verdinglichte“ Befugnis des
Erbbauberechtigten, das Grundstück fortwährend in
bestimmter Weise zu nutzen, und zum anderen die damit
korrespondierende „verdinglichte“ Verpflichtung
des Grundstückseigentümers, diese Nutzung
fortwährend zu dulden. Damit steht das
Erbbaurechtsverhältnis seinem Leistungsinhalt nach einem
entgeltlichen rein schuldrechtlichen Nutzungsverhältnis wie
Miete oder Pacht nahe und wird folglich bilanzrechtlich als
schwebendes Geschäft gewertet (Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 7.4.1994 IV R 11/92, BFHE 174, 407, BStBl II 1994, 796 =
SIS 94 18 16). Laufend zu zahlende Erbbauzinsen sind
demgemäß auch keine Anschaffungskosten (BFH-Urteile vom
8.6.1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779 = SIS 94 19 07, m.w.N.; vom 27.7.1994 X R 126/93, BFHE 175, 120, BStBl II 1995,
109 = SIS 94 21 11).
Ebenso wenig sind sie eine als Sonderausgabe
abziehbare dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des
Einkommensteuergesetzes - EStG - (BFH-Urteil vom 24.10.1990 X R
43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175 = SIS 91 03 04). Denn eine
dauernde Last im Sinne dieser Vorschrift setzt eine wirtschaftliche
Belastung voraus. An dieser fehlt es, wenn die Aufwendungen aus
einer empfangenen Gegenleistung erbracht werden können oder
wenn die wiederkehrenden Leistungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt
nach Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sind. Leistung
und Gegenleistung, die aufgrund eines gegenseitigen Vertrages
erbracht werden, führen lediglich zu einer
Vermögensumschichtung und nicht zu einer steuerlich zu
berücksichtigenden Minderung der Leistungsfähigkeit
(BFH-Urteil in BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175 = SIS 91 03 04).
b) Der Auffassung, dass Erbbauzinsen ein
Entgelt für die Nutzung des Grundstückes sind, ist auch
für gewerbesteuerrechtliche Zwecke zu folgen
(Blümich/Hofmeister, EStG, KStG, GewStG, § 8 GewStG Rz
102; Meyer-Scharenberg in Meyer-Scharenberg/Popp/ Woring,
Gewerbesteuer-Kommentar, 2. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 29; L.
Schmidt, FR 1988, 51; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff,
GewStG, 6. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 5; Lenski/ Steinberg,
Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 2 Rz 104). Erbbauzinsen sind
daher nicht nach § 8 Nr. 2 GewStG dem Gewinn aus
Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) hinzuzurechnen.
aa) Gewerbesteuerrechtlich sollen
Finanzierungskosten, die aus Anlass der Gründung oder des
Erwerbs eines Betriebes entstehen, nicht den Gewerbeertrag mindern.
Dieses Ziel wird durch § 8 Nr. 1 GewStG für so genannte
Dauerschuldzinsen und durch § 8 Nr. 2 GewStG für Renten
und dauernde Lasten sichergestellt. Die - dort angeordneten -
Hinzurechnungen beruhen auf dem Objektsteuercharakter der
Gewerbesteuer. Das Steuerobjekt - der Gewerbebetrieb - soll mit der
ihm eigenen Ertragskraft ohne Rücksicht auf die
persönlichen Merkmale des Steuersubjekts und seiner
persönlichen Beziehung zum Steuerobjekt erfasst werden. In
§ 8 Nr. 2 GewStG wird die objektsteuerrechtlich bezweckte
Gleichstellung dadurch herbeigeführt, dass Aufwand, der einem
Unternehmen durch Übernahme von Fremdkapital bestimmter Art
als Gegenleistung für den Erwerb eines Betriebes entsteht, dem
Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet wird, und zwar so,
als wäre der Erwerb des Betriebes auf den Einsatz von
Eigenkapital zurückzuführen (BFH-Urteil vom 24.10.1990 X
R 64/89, BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358 = SIS 91 07 15). Renten
und dauernde Lasten werden den Zinsen für Dauerschulden
gleichgestellt, weil sie ähnlich wie diese Entgelte für
die Überlassung des im Gewerbebetrieb arbeitenden Kapitals
enthalten (Senatsurteil vom 28.10.1987 I R 126/83, BFHE 151, 175,
BStBl II 1988, 70 = SIS 88 02 19; BFH-Urteil in BFHE 163, 42, BStBl
II 1991, 358 = SIS 91 07 15, m.w.N.).
bb) Hiervon ausgehend fallen
Erbbauzinszahlungen nicht unter § 8 Nr. 2 GewStG. Die
Erbbauzinsen sind keine Gegenleistung für den Erwerb des
Betriebes, sondern rechtlich und wirtschaftlich ein Entgelt
für die Überlassung des Grundstücks zur Nutzung. Sie
sind daher wie Miet- und Pachtentgelte zu behandeln.
Nutzungsentgelte fallen nicht unter § 8 Nr. 2 GewStG, sondern
unter § 8 Nr. 7 GewStG. Eine Hinzurechnung der Erbbauzinsen
nach § 8 Nr. 7 GewStG scheidet jedoch aus, weil das Entgelt
für Nutzung von Grundbesitz nicht unter § 8 Nr. 7 GewStG
fällt.
Ob bei bebauten Grundstücken eine
anteilige (auf das Gebäude entfallende) Hinzurechnung des
Erbbauzinses nach § 8 Nr. 2 GewStG in Betracht kommt
(Meyer-Scharenberg in Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, a.a.O., Rz
30), kann offenbleiben, weil hier der Erbbauzins
ausschließlich für die Nutzung des Grundstücks
geleistet und das aufstehende Gebäude gesondert erworben
wurde.
Soweit der Senat demgegenüber in
früheren Entscheidungen (z.B. Senatsurteile vom 12.9.1979 I R
146/76, BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51 = SIS 80 00 33; in BFHE
151, 175, BStBl II 1988, 70 = SIS 88 02 19) die Verpflichtung zur
Zahlung von Erbbauzinsen als dauernde Last i.S. des § 8 Nr. 2
GewStG beurteilt hat, hält er an dieser Auffassung nicht mehr
fest.