Gewerbesteuer, Hinzurechnung des Zinsanteils im Erbbauzins: 1. Eine Rente i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG i.d.F. vor dem JStG 2008 liegt nicht vor, wenn als Gegenleistung für die Übertragung eines Vermögensgegenstandes wiederkehrende Bezüge vereinbart werden, die nicht der Versorgung des Veräußerers dienen. - 2. Wird an einem bebauten Grundstück ein Erbbaurecht bestellt und als Gegenleistung für den Übergang des Eigentums an den Gebäuden ein über die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages verteiltes gleichbleibendes Entgelt vereinbart, werden die in den Erbbauzinsen auf die Gebäude enthaltenen Zinsanteile dem Gewinn gemäß § 8 Nr. 1 GewStG i.d.F. vor dem JStG 2008 zur Hälfte hinzugerechnet. - Urt.; BFH 18.3.2009, I R 9/08; SIS 09 21 86
I. Am 22.6.1972 schloss die Stadt G als
Erbbauverpflichtete mit S einen Erbbaurechtsvertrag über ein
Industriegrundstück von insgesamt 25.060 qm. S war seit 1964
als Einzelunternehmer tätig.
Auf dem Erbbaugrundstück waren
Bauwerke (Lagerhallen, Kran- und Gleisanlagen) vorhanden, die
gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über
das Erbbaurecht (Erbbaurechtsverordnung - ErbbauVO - ; jetzt:
Gesetz über das Erbbaurecht - Erbbaurechtsgesetz - [ErbbauRG])
als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts galten. Der
jährliche Erbbauzins sollte 200.000 DM betragen. S teilte den
Gesamtbetrag in einen Bodenanteil (40.000 DM) und in einen auf die
Bauwerke entfallenden Anteil (160.000 DM) auf. Er passivierte den
Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden anteiligen
Zahlungsverpflichtung und aktivierte gegenläufig die
erworbenen Wirtschaftsgüter. Von diesen Bilanzansätzen
nahm er in der Folgezeit Absetzungen für Abnutzung
vor.
Nach Ablauf von jeweils 10 Jahren sollte
eine Anpassung der Höhe der Erbbauzinszahlungen an den
Preisindex für die Lebenshaltungskosten erfolgen. Dies
hätte im Jahr 1982 eine Erhöhung um knapp 50 % auf
299.800 DM gerechtfertigt. Da der Bauwerksanteil (160.000 DM)
unverändert bleiben sollte, wurde jedoch nach entsprechenden
Einwendungen des S nur der Bodenanteil entsprechend der Entwicklung
der Lebenshaltungskosten um 50 % von 40.000 auf 60.000 DM
erhöht.
Im Jahr 1992 gründete S als
Alleingesellschafter die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH. Er brachte sein Einzelunternehmen zu
Buchwerten in die Klägerin ein, deren Gegenstand die
Vermietung und Verpachtung von Anlagevermögen an zwei andere
GmbH ist, die das Speditions- und Lagergeschäft
betreiben.
Am 31.5.1994 wurde der Erbbaurechtsvertrag
unter gleichzeitiger Verlängerung der Laufzeit bis ins Jahr
2044 (bis dahin: 2021) neu gefasst. Der Erbbauzins wurde in zwei
Teilbeträge aufgeteilt und wie folgt bemessen: Ein Teilbetrag
von anfänglich 4,20 DM je Quadratmeter (105.252 DM) sollte
nach Ablauf von jeweils 10 Jahren an die Entwicklung des Preisindex
für die Lebenshaltungskosten angepasst werden. Ein zweiter
Teilbetrag von 80.000 DM sollte hingegen während der Laufzeit
des Erbbaurechtsvertrages unverändert bleiben. Der zuletzt
genannte Betrag sollte auf die Bauwerke entfallen.
Nach einer Prüfung gelangte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) zu der
Auffassung, bei dem auf die Bauwerke entfallenden Anteil der
Zahlungen handele es sich um Kaufpreisraten. Aus diesen Raten sei
ein Zinsanteil herauszurechnen, der gewerbesteuerrechtlich als
Entgelt für sog. Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2008 vom
20.12.2007, BGBl I 2007, 3150 - GewStG a.F. - ) zu beurteilen und
dem Gewinn aus Gewerbebetrieb zur Hälfte hinzuzurechnen
sei.
Die gegen die entsprechend geänderten
Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1998 bis 2002
erhobene Klage war erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG)
Münster vom 9.11.2007 9 K 2275/06 G ist in EFG 2008, 399 = SIS 08 13 25 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA eine
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FA hat zu Recht den in den Erbbauzinsen enthaltenen
Zinsanteil gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zur
Hälfte dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet.
1. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F.
sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG a.F.) die
Hälfte der Entgelte für Schulden hinzuzurechnen, die
wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes
oder eines Anteils am Betrieb (Teilbetriebes) oder mit der
Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen
oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des
Betriebskapitals dienen.
2. In den Erbbauzinszahlungen der
Klägerin waren anteilige Zinszahlungen für Schulden
enthalten, die wirtschaftlich mit der Erweiterung und Verbesserung
des Betriebes zusammenhängen und zudem der nicht nur
vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals
dienten.
a) Wird ein Erbbaurecht an einem bereits
bebauten Grundstück bestellt, ist eine einheitliche als
„Erbbauzins“ bezeichnete Zahlung aufzuteilen in
ein Entgelt für die Übertragung des Eigentums an den
Bauwerken einerseits und ein Entgelt für die Nutzung des Grund
und Bodens andererseits (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
19.1.1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533 = SIS 82 14 04). Denn gemäß § 12 ErbbauRG sind Bauwerke
wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts. Der Erbbauberechtigte
wird daher mit der Erbbaurechtsbestellung zivilrechtlicher und
regelmäßig auch wirtschaftlicher Eigentümer des
Gebäudes (BFH-Urteil in BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533 =
SIS 82 14 04).
b) Dies hat zur Folge, dass die für die
Übertragung des Eigentums an den Bauwerken gezahlten laufenden
Beträge nicht als Nutzungsentgelt für das Erbbaurecht
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 7.3.2007 I R 60/06, BFHE 217, 100,
BStBl II 2007, 654 = SIS 07 19 21), sondern als Anschaffungskosten
der Gebäude zu beurteilen sind. Diese Anschaffungskosten
bemessen sich nach dem Barwert der Zahlungsverpflichtung, der
grundsätzlich unter Zugrundelegung eines Zinsfußes von
5,5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes) zu
ermitteln ist (BFH-Urteile vom 19.5.1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993,
87; vom 2.5.2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10 = SIS 02 50 10).
c) Die Klägerin ist dementsprechend
verfahren und hat den Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden
anteiligen Zahlungsverpflichtungen passiviert und die erworbenen
Bauwerke gegenläufig mit diesem Wert aktiviert.
d) Soweit der Gesamtbetrag der auf die
Bauwerke zu leistenden Zahlungen die jährliche
Barwertminderung (Tilgungsanteil) übersteigt, liegen Zinsen
vor. Diese Zinsen sind gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F.
hälftig dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen, da die
Erbbaurechtsbestellung und der damit einhergehende Erwerb der
Gebäude zu einer Erweiterung und einer Verbesserung des
bisherigen Betriebes führten. Zudem dienen die Darlehen der
nicht nur vorübergehenden Verstärkung des
Betriebskapitals.
3. Der Anwendungsbereich des § 8 Nr. 1
GewStG a.F. ist im Streitfall nicht durch § 8 Nr. 2 GewStG
a.F. ausgeschlossen.
a) Gewerbesteuerrechtlich bedeutsam ist die
Unterscheidung zwischen Kaufpreisraten und
Veräußerungsrenten für den Anwendungsbereich des
§ 8 Nr. 2 GewStG a.F. Während Renten und dauernde Lasten,
die im Zusammenhang mit der Gründung oder dem Erwerb des
Betriebes zusammenhängen, in vollem Umfang dem Gewinn aus
Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, sind Schuldzinsen
gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. nur zur Hälfte zu
berücksichtigen. Unter § 8 Nr. 2 GewStG a.F. fallen
Renten aller Art (Senatsurteil vom 22.11.1972 I R 124/70, BFHE 108,
202, BStBl II 1973, 403 = SIS 73 02 03). Nach herrschender Meinung
regelt § 8 Nr. 2 GewStG a.F. abschließend, unter welchen
Voraussetzungen Renten und dauernde Lasten dem Gewinn aus
Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind (z.B. Kratzsch in
Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 2 Rz 46, m.w.N.;
Senatsurteil in BFHE 108, 202, BStBl II 1973, 403 = SIS 73 02 03;
BFH-Urteil vom 25.11.1992 X R 21/91, BFH/NV 1993, 489 = SIS 93 16 45; Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 482;
Wüllenkemper, EFG 2008, 402; a.A. FG Köln, Urteil vom
20.4.1983 V 354/81 G, EFG 1984, 362; Glanegger/Güroff, GewStG,
6. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 1). Renten und dauernde Lasten, die
nicht mit der Übertragung des Betriebes zusammenhängen,
erhöhen danach den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht, auch wenn
im Übrigen die Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 GewStG a.F.
vorliegen.
b) Das Verhältnis von § 8 Nr. 1
GewStG a.F. zu § 8 Nr. 2 GewStG a.F. bedarf im Streitfall
keiner Entscheidung, da die auf die Gebäude entfallenden
Zahlungen Kaufpreisraten und keine Zeitrenten sind.
aa) Grundsätzlich sind laufende
Zahlungen, die für die Übereignung eines oder mehrerer
Wirtschaftsgüter zu erbringen sind und bei denen sich Leistung
und Gegenleistung nach der Vorstellung der Vertragsparteien
gleichwertig gegenüber stehen, als ratenweise erbrachte
Kaufpreiszahlungen anzusehen (BFH-Urteil vom 29.10.1974 VIII R
131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173 = SIS 75 00 99). Der
Veräußerer realisiert, wenn es sich um ein betriebliches
Wirtschaftsgut handelt, mit dem Übergang des wirtschaftlichen
Eigentums auf den Käufer einen
Veräußerungsgewinn/-verlust in Höhe des Barwerts
der Kaufpreisforderung abzüglich des Buchwerts und der
Veräußerungskosten. Das mit der Stundung des Kaufpreises
regelmäßig vorliegende Darlehen zur Finanzierung des
Kaufpreises ist demgegenüber als schwebendes Geschäft zu
behandeln, sodass die Zinserträge erst in den folgenden Jahren
realisiert werden (vgl. Schmidt/ Glanegger, EStG, 28. Aufl., §
6 Rz 398).
bb) Von einer Rente ist bei der Vereinbarung
wiederkehrender Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung
von Vermögensgegenständen nur auszugehen, wenn die
Leistungen der Versorgung des Bezugsberechtigten dienen sollen
(vgl. BFH-Urteil vom 31.8.1994 X R 44/93, BFHE 176, 19, BStBl II
1996, 676 = SIS 95 06 02). Dies gilt nicht nur, wenn dem
Übertragenden eine Rente auf Lebenszeit, sondern auch begrenzt
auf einen bestimmten Zeitraum zugesagt wird.
Die Rechtsprechung, die dem
Veräußerer im Rahmen der Betriebsveräußerung
bei wagnisbehafteten wiederkehrenden Bezügen ein Wahlrecht
zwischen Sofortversteuerung und Zuflussversteuerung des
Veräußerungsgewinns gewährt (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 1993, 87, m.w.N.), lässt sich jedenfalls im Streitfall
nicht zugunsten einer Einordnung als Rente i.S. von § 8 Nr. 2
GewStG a.F. dienstbar machen. Denn wagnisbehaftet sind
wiederkehrende Bezüge nur, wenn sie mit Risiken verbunden
sind, die über die zeitlich gestreckte Umschichtung und die
damit verbundene Gefahr einer Geldentwertung hinausgehen
(BFH-Urteil in BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173 = SIS 75 00 99).
Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn sie lebenslang zu
zahlen sind oder bei fester Laufzeit von mehr als 10 Jahren
primär der Versorgung oder bei besonders langer Zeit
mindestens auch der Versorgung des Berechtigten dienen (BFH-Urteile
vom 30.1.1974 IV R 80/70, BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452 = SIS 74 02 53; vom 26.7.1984 IV R 137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984,
829 = SIS 84 21 07; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 29.3.2007 XI
B 56/06, BFH/NV 2007, 1306 = SIS 07 20 08; vom 12.5.1999 IV B
52/98, BFH/NV 1999, 1330 = SIS 99 51 33; Schmidt/ Wacker, a.a.O.,
§ 16 Rz 222, m.w.N.).
cc) Da im Streitfall die Erbbauzinszahlungen
weder eine Gegenleistung für die Übertragung eines
Betriebes darstellen noch der Versorgung der
Erbbaurechtsbestellerin dienen, liegt eine Rente i.S. des § 8
Nr. 2 GewStG a.F. nicht vor. Ob bei einem nach Zeit und Höhe
bestimmten Kapitalbetrag als Gegenleistung für die
Übertragung eines (Teil-)Betriebes angesichts des Beschlusses
des Großen Senats des BFH vom 19.7.1993 GrS 2/92 (BFHE 172,
66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33) überhaupt noch von
einer Zeitrente auszugehen ist oder ob auch in diesem Fall nunmehr
Kaufpreisraten anzunehmen sind (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., §
16 Rz 225 a.E.; Richter/Richter, DB 1995, 1098), kann im Streitfall
offenbleiben.
4. Die Sache ist spruchreif. Die Höhe des
in den Erbbauzinszahlungen enthaltenen Zinsanteils ist zwischen den
Beteiligten nicht im Streit. Die Vorentscheidung war daher
aufzuheben und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.