Vorweggenommene Hof-Erbfolge, Schuldübernahme als Anschaffungskosten einer Privatwohnung: Anschaffungskosten einer Wohnung durch Übernahme von Verbindlichkeiten im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge liegen auch dann vor, wenn die im Privatvermögen gehaltene Wohnung zu einem Hof i.S. der HöfeO gehört. - Urt.; BFH 6.9.2006, IX R 25/06; SIS 07 00 14
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Landwirt. Seine Mutter übergab ihm im
Streitjahr 2000 ihren zu diesem Zeitpunkt bereits vom Kläger
bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb sowie die
mit einem Zweifamilienhaus bebaute Hofstelle. Das Wohnhaus
gehört seit dessen Entnahme zum Privatvermögen. Darin
nutzen die Mutter des Klägers und der Kläger mit seiner
Familie je eine Wohnung. Der Übergabevertrag verpflichtete den
Kläger, die auf dem Betrieb und dem Wohnhaus lastenden
Verbindlichkeiten zu übernehmen. Der Kläger hatte danach
drei im Übergangszeitpunkt mit insgesamt 120.037 DM noch
valutierte Darlehen zu übernehmen, wovon auf die vom
Kläger genutzte Wohnung 20.354 DM entfielen. Ferner hatte der
Kläger seinen beiden Schwestern Ausgleich zu leisten.
Der Kläger beantragte für seine
Wohnung ab dem Streitjahr 2000 Eigenheimzulage, die ihm der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) indes
nicht gewährte. Der Kläger habe die Wohnung nämlich
unentgeltlich erworben. Neben dem Hof gehöre auch das Wohnhaus
- obzwar Privatvermögen - zum Hofesvermögen nach der
Höfeordnung (HöfeO). Es nehme deshalb an der
Sonderrechtsnachfolge nach der HöfeO teil. Die
übernommenen Verbindlichkeiten beträfen insgesamt
Hofesvermögen. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen (BMF) vom 13.1.1993 (BStBl I 1993, 80 = SIS 93 02 05)
finde hinsichtlich der Wohnung des Betriebsinhabers ein
unentgeltlicher Erwerb statt. Weder Abfindungszahlungen noch
übernommene Verbindlichkeiten führten insoweit zu
Anschaffungskosten.
Die Klage mit dem Begehren des
Klägers, ihm aufgrund seiner Anschaffungskosten in Höhe
der auf die selbstgenutzte Wohnung entfallenden und
übernommenen Verbindlichkeiten Eigenheimzulage zu
gewähren, hatte Erfolg (vgl. SIS 06 29 04). Das Finanzgericht
(FG) gewährte dem Kläger Eigenheimzulage und Kinderzulage
für zwei Kinder aufgrund einer Bemessungsgrundlage von 20.354
DM.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
die es auf Verletzung von § 2 Satz 1 i.V.m. § 8 Satz 1
des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) stützt. Der Hof sei
kraft höferechtlicher Erbfolge einschließlich des
Hofesvermögens, zu dem auch die selbstgenutzte Wohnung
gehöre, unentgeltlich übergegangen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Zutreffend hat die Vorentscheidung den
Anspruch des Klägers auf Eigenheimzulage bejaht.
1. Nach § 1, § 2 Abs. 1 EigZulG hat
ein Steuerpflichtiger Anspruch auf Eigenheimzulage für die
entgeltliche Anschaffung einer Wohnung (vgl. zum Begriff der
Anschaffungskosten § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches).
Übernimmt der Erwerber im Rahmen einer vorweggenommenen
Erbfolge Verbindlichkeiten des Veräußerers, so liegen in
steuerrechtlicher Beurteilung grundsätzlich Anschaffungskosten
des Wirtschaftsguts vor, und zwar unabhängig davon, ob das
Wirtschaftsgut unentgeltlich übertragen wird (Bundesfinanzhof
- BFH -, Beschluss vom 5.7.1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II
1990, 847 = SIS 90 21 04, unter C. II. 3. b). Dem Erwerber
entstehen durch die Begleichung der Verbindlichkeit Aufwendungen,
die er auf sich nimmt, um Eigentümer der Wohnung zu werden
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 7.7.2005 IX R
77/03, BFH/NV 2006, 31 = SIS 06 02 38, und vom 24.3.1993 X R 25/91,
BFHE 171, 202, BStBl II 1993, 704 = SIS 93 15 08).
Nach diesen Maßstäben hat der
Kläger die von ihm und seiner Familie genutzte Wohnung
entgeltlich angeschafft; denn er hat nach den Feststellungen des
FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, insoweit
Verbindlichkeiten in Höhe von 20.354 DM übernommen.
Über die Zuordnung dieser Verbindlichkeiten zur
selbstgenutzten Wohnung des Klägers herrscht zwischen den
Beteiligten kein Streit; sie beruht auf einer tatsächlichen
Verständigung vor dem FG.
2. Für dieses Ergebnis ist unerheblich,
ob die Wohnung, um die es hier geht, Hofesvermögen ist. Denn
für die steuerrechtliche Beurteilung kommt es allein darauf
an, dass die Wohnung - was unter den Beteiligten unstreitig ist -
zum Privatvermögen gehört. Die zivilrechtliche und nur
partiell bundesrechtliche (vgl. Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Nr. 1, Art.
125 des Grundgesetzes) Qualifizierung des Vorgangs nach der
HöfeO ist hier nicht maßgeblich (vgl. zum
Verhältnis des Steuerrechts zum Zivilrecht
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.12.1991 2 BvR 72/90, FR
1992, 270 = SIS 92 03 11).
Zwar mag es sein, dass die Wohnung als
Hofbestandteil nach §§ 1, 2 HöfeO (neugefasst durch
Bekanntmachung vom 26.7.1976, BGBl I 1933, zuletzt geändert
durch Art. 7 Abs. 13 des Gesetzes vom 27.6.2000, BGBl I, 897)
i.V.m. Art. 64 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen
Gesetzbuch gemäß § 17 Abs. 1, § 16 Abs. 1,
§ 4 HöfeO nur zusammen mit dem Hof auf einen Hoferben
übertragen werden kann. Es mag auch sein, dass der
Hofübergabevertrag im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge
einer Verfügung von Todes wegen nahe steht (vgl. dazu
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.6.1962 V ZR 90/61, NJW 1962, 1615),
weil nach § 17 Abs. 2 HöfeO der Erbfall hinsichtlich des
Hofs mit dem Zeitpunkt seiner Übertragung an einen
hoferbenberechtigten Abkömmling zugunsten der anderen
Abkömmlinge als eingetreten gilt. Diese Fiktion hat aber, wie
sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt, nur für die
rechtlichen Verpflichtungen des Hoferben gegenüber den aus dem
Erbfall Anspruchsberechtigten Bedeutung (vgl. zum Zweck BFH-Urteil
vom 17.5.1966 III 122/63, BFHE 86, 384, BStBl III 1966, 477 = SIS 66 03 00). Sie ändert an der steuerrechtlichen Beurteilung des
Rechtsverhältnisses des Erwerbers gegenüber dem
Veräußerer nichts.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom FA
zitierten BMF-Schreiben vom 11.1.1993 (BStBl I 1993, 62 = SIS 93 02 06), auf das das zur vorweggenommenen Erbfolge ergangene
BMF-Schreiben in BStBl I 1993, 80 = SIS 93 02 05 in seiner Tz. 44
verweist; denn dieses verhält sich in Tz. 89 nur zu den
Ausgleichszahlungen, nicht aber zu übernommenen
Verbindlichkeiten.