Witwenversorgung, Rückdeckung, Aktivierung: Der Anspruch aus der Rückdeckung einer Zusage auf Witwenversorgung ist - mit dem vom Versicherer nachgewiesenen Deckungskapital - zu aktivieren (Anschluss an die Senatsurteile vom 25.2.2004 I R 54/02, BFHE 205 S. 434, BStBl 2004 II S. 654 = SIS 04 22 18, sowie I R 8/03, BFH/NV 2004, 1234 = SIS 04 32 54). - Urt.; BFH 9.8.2006, I R 11/06; SIS 06 37 75
I. Streitig ist die Frage, ob der Anspruch
auf Rückdeckung einer Zusage auf Witwenversorgung zu
aktivieren oder jedenfalls bei der Bewertung der zugrunde liegenden
Pensionsrückstellung mindernd zu berücksichtigen
ist.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ermittelt ihren
Gewinn zum 30. September des jeweiligen Kalenderjahres. Ab 1964
hatte sie ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer G eine
Pensionszusage erteilt, die auch eine
Hinterbliebenen-(Witwen-)rente für dessen Ehefrau (E) vorsah.
Danach sollte G ab Vollendung seines 65. Lebensjahres oder bei
vorherigem Bezug von Altersruhegeld aus der gesetzlichen
Rentenversicherung bzw. bei vorherigem Ausscheiden infolge
Berufsunfähigkeit ein lebenslängliches Ruhegeld in
Höhe von 160 v.H. der aktiven Bezüge einer bestimmten
Beschäftigungsgruppe der brancheneinschlägigen Industrie
erhalten. E wurde für den Fall des Fortbestehens der Ehe zum
Zeitpunkt des Versterbens des G eine lebenslängliche
Hinterbliebenenrente in Höhe von 100 v.H. der nämlichen
Bemessungsgrundlage zugesagt.
Zur Rückdeckung dieser
Rentenverpflichtung schloss die Klägerin im Jahre 1982 eine
Lebensversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung
einschließlich Witwenrente auf das Leben des G ab. Als
Rentenbeginn war der 1.9.2000 vereinbart. Bei vorzeitigem Ableben
der E sollte sich der jährliche Beitrag
ermäßigen.
Die Klägerin aktivierte den Anspruch
aus dieser Rückdeckungsversicherung (ohne
Berücksichtigung der Anwartschaft auf die
Hinterbliebenenrente) zum 30.9.1997 mit 423.958 DM, zum 30.9.1998
mit 475.789 DM und zum 30.9.1999 mit 533.676 DM. Die
Rückstellung für die Pensionsverpflichtung zugunsten G
passivierte die Klägerin jeweils unter Berücksichtigung
der Verpflichtung zur Zahlung der Hinterbliebenenrente. Im Januar
2004 teilte der Versicherer das von ihm ermittelte Deckungskapital
(Deckungsrückstellung) der Rückdeckungsversicherung
(ohne/mit Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente) zum 30.9.1997 mit
216 766/287.461 EUR, zum 30.9.1998 mit 243 267/321.101 EUR und zum
30.9.1999 mit 272 864/358.191 EUR mit.
Nach einer Betriebsprüfung für
die Streitjahre vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) die Auffassung, dass die Klägerin auch den
auf die Hinterbliebenenrente entfallenden Rückdeckungsanspruch
zu aktivieren habe. Die somit insgesamt anzusetzenden Werte des
Rückdeckungsanspruchs setzte er (mit geringfügigen
Abweichungen von der Berechnung des Versicherers) zum 30.9.1997 mit
562.226 DM, zum 30.9.1998 mit 628.020 DM und zum 30.9.1999 mit
700.560 DM an. Auf dieser Grundlage erließ er geänderte
Bescheide.
Insoweit blieb die Klage ohne Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) Köln entschied mit Urteil vom 16.11.2005 13
K 3009/04 (EFG 2006, 590 = SIS 06 18 86), das FA habe zu Recht die
auf die Hinterbliebenenrente entfallende Rückdeckung
gewinnerhöhend berücksichtigt. Es sei ein entsprechender
Anspruch zu aktivieren; jedenfalls aber sei die Rückdeckung
bei der Bewertung der Pensionsrückstellung (mindernd) zu
berücksichtigen.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung insbesondere des § 5 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Satz
2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) und des § 6a EStG, jeweils
i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG).
Sie beantragt die Aufhebung der
Vorentscheidung und (ihrem Klageantrag entsprechend) die
Änderung der streitbefangenen Bescheide dahin, dass das
Einkommen der Klägerin für 1997 um 189.517 DM, für
1998 um 13.969 DM und für 1999 um 14.654 DM vermindert wird.
Den Antrag der Klägerin auf Herabsetzung des Einkommens 1997
versteht der Senat dahin, dass sie mit der Revision lediglich noch
eine Einkommensminderung um 138.268 DM (562.226 DM ./. 423.958 DM)
begehrt, nachdem die Vorinstanz ihrem ursprünglichen
zusätzlichen Begehren, in der Bilanz zum 30.9.1997 eine
Darlehensverbindlichkeit in Höhe von 51.269 DM zu
berücksichtigen, bereits entsprochen hat.
Das FA beantragt die Zurückweisung der
Revision.
Während des Revisionsverfahrens hat
das FA im Hinblick auf die vom FG zum 30.9.1997
berücksichtigte Verbindlichkeit der Klägerin aus dem
Darlehen am 8.5.2006 (betreffend Körperschaftsteuer 1997) und
27.3.2006 (betreffend Körperschaftsteuer 1998 und 1999)
geänderte Bescheide erlassen (vgl. die - unbestrittenen -
Erläuterungen des FA in den geänderten
Bescheiden).
II. Das angefochtene Urteil des FG ist aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle der
ursprünglich angefochtenen Bescheide vom 13.1.2003 sind
während des Revisionsverfahrens Änderungsbescheide des FA
getreten. Da dem FG-Urteil insoweit nicht mehr existierende
Bescheide zugrunde liegen, kann es keinen Bestand haben (vgl.
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3.8.2005 I R 94/03, BFHE
210, 398, BStBl II 2006, 20 = SIS 05 45 92; vom 28.8.2003 IV R
20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10 = SIS 03 42 92).
Die Änderungsbescheide wurden jeweils
gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. Einer
Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht,
da die Sache spruchreif ist. Das FA hat durch die
Änderungsbescheide lediglich dem Antrag der Klägerin
wegen einer anderweitigen Streitfrage nach Maßgabe seines
insoweitigen Unterliegens vor dem FG entsprochen. Der
tatsächliche Streitstoff hat sich dadurch nicht verändert
und ein neuer Sachverhalt hat sich nicht ergeben. Der Senat kann
deswegen auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen, die
unbeschadet des Wegfalls des erstinstanzlichen Urteils
fortbestehen, aufgrund seiner Befugnis aus §§ 121 und 100
FGO in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO).
III. Hinsichtlich der in der Revision noch
streitigen Frage der Aktivierung der Ansprüche der
Klägerin auf Rückdeckung ihrer Zusage auf
Witwenversorgung ist die Klage unbegründet und war daher
zurückzuweisen. In der Sache und im Ergebnis zu Recht hat das
FG diese Ansprüche gewinnerhöhend
berücksichtigt.
1. Nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5
Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin das Betriebsvermögen
anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist.
Die „handelsrechtlichen“ GoB ergeben sich
vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften
der §§ 238 ff. HGB.
2. Die Rückdeckung einer
Pensionsverpflichtung des Arbeitgebers dient dazu, die
Erfüllbarkeit der gegebenen Pensionszusage bei Erreichen des
Pensionsalters sowie bei vorzeitigen Versorgungsfällen wie
Invalidität oder Tod des Aktiven sicherzustellen. Ein dahin
gehender Anspruch auf Rückdeckung (Erstattung) zu leistender
Renten ist als Forderung (§ 194 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs - BGB - ) gegen den Versicherer zu bilanzieren (§
246 Abs. 1 HGB) und unter den sonstigen
Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens i.S. des
§ 266 Abs. 2 B II 4 HGB auszuweisen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Entscheidungen
vom 25.2.2004 I R 54/02 (BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654 = SIS 04 22 18) und vom 25.2.2004 I R 8/03 (BFH/NV 2004, 1234 = SIS 04 32 54).
3. Allerdings sind
„Gewinne“ gemäß § 252 Abs. 1 Nr.
4 zweiter Halbsatz HGB bilanziell nur zu berücksichtigen, wenn
sie am Abschlussstichtag realisiert sind; dies betrifft auch
Forderungen. Eine Forderung ist daher nur zu aktivieren, wenn sie
entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für ihre
Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen
Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der
künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen
kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 8.11.2000
I R 10/98, BFHE 193, 406, BStBl II 2001, 349 = SIS 01 06 54,
m.w.N.; vom 12.5.1993 XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, 786
= SIS 93 19 17; Schreiber in Blümich, § 5 EStG Rz. 481).
Diese Voraussetzungen liegen bei dem vorliegend streitigen Anspruch
der Klägerin auf Rückdeckung der von ihr zugesagten
Witwenversorgung vor. Dieser Anspruch gegen den Versicherer war an
den maßgebenden Bilanzstichtagen rechtlich bereits
entstanden, insbesondere war er entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht i.S. des § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend
bedingt, was seiner Aktivierbarkeit entgegenstehen könnte
(vgl. dazu etwa BFH-Urteil vom 26.4.1995 I R 92/94, BFHE 177, 444,
BStBl II 1995, 594 = SIS 95 16 18).
Zwar konnte eine Verpflichtung des
Versicherers zum Eintritt in die Verpflichtung der Klägerin
zur Leistung einer Witwenrente erst mit dem Tode des G wirksam
entstehen, wenn zudem dessen Ehefrau E diesen Zeitpunkt erlebt und
zudem die Ehe noch besteht. Die Entstehung dieser
Eintrittsverpflichtung war daher in der Tat (doppelt) aufschiebend
bedingt; vor Eintritt der Bedingungen bestand lediglich ein
entsprechendes Anwartschaftsrecht der Klägerin als Minus
gegenüber dem Vollrecht (vgl. Heinrichs in Palandt,
Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 65. Aufl., § 158 Rn.
1a). Streitbefangen ist aber nicht dieses Anwartschaftsrecht der
Klägerin, sondern ihr umfassender Rückdeckungsanpruch
gegen den Versicherer im Hinblick auf die eingegangene
Pensionsverpflichtung dem Grunde nach. Dieser Anspruch ist auf
„Abdeckung“ des versicherten Risikos durch
Gewährung von Versicherungsschutz im Falle des Eintritts des
Versorgungsfalles gerichtet (BFH-Urteil vom 28.6.2001 IV R 41/00,
BFHE 196, 94, BStBl II 2002, 724 = SIS 01 13 89) und wird als
Gegenstand des gegenseitigen Versicherungsverhältnisses gegen
Leistung laufender Beiträge und deren Verzinsung
„erworben“. Er setzt nicht den Eintritt des
versicherten Risikos (Versorgungsfall) voraus, sondern besteht
unabhängig davon, ob ein solches tatsächlich eintreten
wird.
Der bezeichnete Rückdeckungsanspruch
stellt nach der Verkehrsanschauung auch einen Vorteil dar, der -
wie die Kalkulation der hierfür zu entrichtenden Beiträge
erweist - einer Bewertung zugänglich und somit als
Wirtschaftsgut zu aktivieren ist (BFH-Urteile in BFHE 196, 94,
BStBl II 2002, 724 = SIS 01 13 89; in BFHE 205, 434, BStBl II 2004,
654 = SIS 04 22 18; in BFH/NV 2004, 1234 = SIS 04 32 54). Dies gilt
auch für Ansprüche auf Rückdeckung von
Versorgungszusagen zugunsten möglicher Hinterbliebener des
Pensionsberechtigten wie im Streitfall, wenn sie in das
Versicherungsverhältnis einbezogen sind und ebenfalls durch
entsprechende Beitragsleistungen entgolten werden.
4. Auch hinsichtlich der Zusage einer
Witwenversorgung ist ein Rückdeckungsanspruch mit seinen
Anschaffungskosten anzusetzen, die in den hierfür bis zum
jeweiligen Bilanzstichtag unmittelbar aufgewendeten Sparanteilen
der Versicherungsprämien (Sparbeiträgen) bestehen; dazu
kommt deren rechnungsmäßige Verzinsung. Beide
Bestandteile ergeben das geschäftsplanmäßige
Deckungskapital des Versicherers (vgl. Senatsurteile in BFHE 205,
434, BStBl II 2004, 654 = SIS 04 22 18; in BFH/NV 2004, 1234 = SIS 04 32 54). Auch insoweit ist der Rückdeckungsanspruch weder
mit der entsprechenden Pensionsverpflichtung zu saldieren (§
246 Abs. 2 HGB), noch auf einen geminderten Teilwert abzuschreiben
oder im Wege einer kompensatorischen Bewertung auf den Wert der
Pensionsverpflichtung zu begrenzen (Senatsentscheidungen in BFHE
205, 434, BStBl II 2004, 654 = SIS 04 22 18, und in BFH/NV 2004,
1234 = SIS 04 32 54).
5. Somit war die Klage, soweit sie sich noch
gegen die im Revisionsverfahren geänderten
Körperschaftsteuerbescheide richtet, abzuweisen.