Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18.01.2022 - 8
K 100/19 = SIS 22 11 35 aufgehoben.
Der Beklagte wird unter Aufhebung der
Einspruchsentscheidung vom … sowie der Zerlegungsbescheide
für den Gewerbesteuermessbetrag … für die A-GmbH &
Co. KG vom … und vom … verpflichtet, für diesen
Gewerbesteuermessbetrag einen Zuteilungsbescheid zugunsten der
Klägerin zu erlassen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
Außergerichtliche Kosten der
Beigeladenen werden nicht erstattet.
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I. Die Beteiligten streiten um die Frage,
ob das Land Niedersachsen (Beigeladener zu 1.) an der Zerlegung
eines Gewerbesteuermessbetrags für einen Offshore-Windpark in
der Zwölf-Seemeilen-Zone vor der deutschen Nordseeküste
zu beteiligen ist.
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Stadt, die auf dem
Gebiet des Beigeladenen zu 1. liegt. Die A-GmbH & Co. KG (A-KG),
Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2., betrieb im Jahr
… (Streitjahr) innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone vor
der deutschen Nordseeküste des Beigeladenen zu 1. einen
Windpark, der ihr gesamtes Sachanlagevermögen darstellte.
Ihren Sitz hatte die A-KG im Stadtgebiet der Klägerin.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) setzte mit Bescheid vom (zuletzt) … den
Gewerbesteuermessbetrag für die A-KG auf … EUR fest.
Hinsichtlich dieses Gewerbesteuermessbetrags sah das FA die
Voraussetzungen für eine Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2
des Gewerbesteuergesetzes in der im Erhebungszeitraum …
geltenden Fassung (GewStG) als gegeben an und erließ
ebenfalls am … einen (geänderten) Zerlegungsbescheid.
Darin nahm das FA die Zerlegung nach demselben Maßstab wie
bereits im ursprünglichen Zerlegungsbescheid vom … vor.
Es berücksichtigte, dass die A-KG im Streitzeitraum keine
Arbeitslöhne gezahlt hatte und außer den
Windkraftanlagen kein weiteres Sachanlagevermögen besaß;
Letzteres hatte die A-KG mit … EUR beziffert. Für den
Sitz der A-KG berücksichtigte das FA daher einen fiktiven
Mitunternehmerlohn gemäß § 31 Abs. 5 GewStG
für die geschäftsführende persönlich haftende
Gesellschafterin (25.000 EUR). Soweit der Zerlegungsanteil an dem
Gewerbesteuermessbetrag auf die Arbeitslöhne entfiel, wies das
FA diesen in voller Höhe der Klägerin zu. Im Übrigen
wies es den auf das Sachanlagevermögen entfallenden
Zerlegungsanteil in voller Höhe dem Beigeladenen zu 1. zu.
Danach entfielen von dem Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von
… EUR auf die Klägerin ein Zerlegungsanteil in
Höhe von … EUR (30 %) und auf den Beigeladenen zu 1.
ein solcher in Höhe von … EUR (70 %).
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Mit ihrem Einspruch machte die
Klägerin geltend, dass der Gewerbesteuermessbetrag allein ihr
zuzuteilen sei. Der von der A-KG betriebene Windpark befinde sich
zwar innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone und damit auf dem
Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Es
handele sich jedoch um gemeindefreies Gebiet. Der Beigeladene zu 1.
habe in der Verordnung
über die Erhebung der Gewerbe- und der Grundsteuer in
gemeindefreien Gebieten vom … - GGrStGfGebV ND - zwar
bestimmt, dass er die auf die Betriebsstätten in
gemeindefreien Gebieten entfallende Gewerbesteuer selbst erhebe.
Diese Regelung sei jedoch rechtswidrig, da nach Art. 106 Abs. 6 des
Grundgesetzes (GG) das Aufkommen der Gewerbesteuer
ausschließlich den Gemeinden zustehe. Der Beigeladene zu 1.
hätte daher durch eine entsprechende, auf der Grundlage des
§ 4 Abs. 2 GewStG erlassene Verordnung lediglich bestimmen
dürfen, welcher Gemeinde der anteilige Gewerbesteuermessbetrag
zustehe, nicht jedoch sich selbst die Gewerbesteuer zuweisen
dürfen. Daher sei der Gewerbesteuermessbetrag in voller
Höhe ihr, der Klägerin, zuzuweisen.
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Die Beigeladene zu 2. ist ebenfalls der
Auffassung, dass der Beigeladene zu 1. durch die auf der Grundlage
von § 4 Abs. 2 GewStG erlassene Rechtsverordnung die
Gewerbesteuer sich nicht selbst hätte zuweisen dürfen. Es
hätten zwar die Voraussetzungen für eine
Gewerbesteuerzerlegung vorgelegen. Allerdings sei § 1 Abs. 1
GGrStGfGebV ND rechtswidrig und somit nicht anzuwenden. Daher sei
der Zerlegungsanteil in Höhe von 70 % für das
gemeindefreie Gebiet mangels rechtswirksamer Zuordnung weder einer
Gemeinde noch dem Beigeladenen zu 1. zuzuordnen, sodass insoweit
keine Gewerbesteuer zu erheben sei.
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Das FA wies den Einspruch mit
Einspruchsentscheidung vom … zurück. Der Beigeladene zu
1. habe von der Ermächtigung in § 4 Abs. 2 GewStG durch
Erlass der Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und der
Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten Gebrauch gemacht und nach
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 dieser Verordnung dem Beigeladenen zu 1.
unter anderem die Berechtigung zur Erhebung der Gewerbesteuer in
dem gemeinde- und kreisfreien Gebiet der niedersächsischen
Küstengewässer übertragen.
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Mit der hiergegen zum
Niedersächsischen Finanzgericht (FG) erhobenen Klage verfolgte
die Klägerin ihr Begehren weiter. Eine Zerlegung nach §
28 GewStG scheitere bereits daran, dass die A-KG keine
Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten habe. Sie
habe ihr Gewerbe nur auf dem Gebiet der Klägerin
ausgeübt. Der Windpark befinde sich nicht auf dem Gebiet einer
Gemeinde. Die Zuweisung der Befugnis zur Erhebung der Gewerbesteuer
an den Beigeladenen zu 1. durch die Verordnung über die
Erhebung der Gewerbe- und der Grundsteuer in gemeindefreien
Gebieten sei rechtswidrig. Mit Ausnahme von Stadtstaaten stehe die
Gewerbesteuer nach deutschem Verfassungsrecht den Gemeinden, nicht
den Ländern zu.
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Das FG wies die Klage mit Urteil vom
18.01.2022 - 8 K 100/19 ab. Der Zerlegungsbescheid sei
rechtmäßig. Das FA habe darin zu Recht neben der
Klägerin den Beigeladenen zu 1. gemäß § 4 Abs.
2 GewStG i.V.m. § 1 GGrStGfGebV ND als Hebeberechtigten
hinsichtlich des für die A-KG festgesetzten
Gewerbesteuermessbetrags angesehen. Die Regelung in § 4 Abs. 2
GewStG, der zufolge für Betriebsstätten in gemeindefreien
Gebieten die Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimme, wer
die nach dem Gewerbesteuergesetz den Gemeinden zustehenden
Befugnisse ausübe, sei erforderlich, um anderenfalls
bestehende Besteuerungslücken zu schließen, weil die
Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten sonst nicht erhoben werden
könne. Weder § 4 Abs. 2 GewStG noch die darauf
gestützte Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und
der Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten griffen in die durch
Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte der Klägerin
ein. Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 106 Abs. 6 Satz 1
GG vor. Zwar weise diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach das
Aufkommen unter anderem der Gewerbesteuer ausdrücklich den
Gemeinden zu. Dies umfasse aber nur die grundsätzlich
anfallende Gewerbesteuer hinsichtlich ihres örtlichen,
für das Gebiet der jeweiligen Gemeinde anfallenden
Gewerbesteueraufkommens. Die durch Betriebsstätten in
gemeindefreien Gebieten des Küstengewässers
erwirtschafteten Anteile am Gewerbesteuermessbetrag fielen den
Gemeinden aber als solche bereits nicht zu. Vielmehr sei die
Ertragshoheit für die Gewerbesteuer in den gemeindefreien
Gebieten des Küstengewässers in erweiternder Auslegung
des Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG dahin zu verstehen, dass die
Berechtigung insoweit auch durch das Land ausgeübt werden
könne. Gemeinden seien eigenverantwortlich agierende und mit
eigenen Kompetenzen ausgestattete
Selbstverwaltungskörperschaften. Wesentliche Bestandteile der
kommunalen Selbstverwaltungsbefugnis seien die Gebiets-,
Organisations-, Personal-, Rechtsetzungs-, Planungs-, Haushalts-
und Finanzhoheit der Gemeinden. Diese Befugnisse übe in den
Gebieten der Küstengewässer das Land aus. Für die
Küstenländer finde daher für das Gebiet des
Küstenmeers eine funktionale Gleichstellung mit den Gemeinden
statt, die auch eine Zuweisung des örtlichen
Gewerbesteueraufkommens rechtfertige.
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9
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung materiellen Bundesrechts,
insbesondere von § 4 Abs. 2, § 28, § 29 Abs. 1 Nr. 2
GewStG sowie von Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 GG.
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10
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Niedersächsischen FG
vom 18.01.2022 - 8 K 100/19 aufzuheben und das FA unter Aufhebung
der Einspruchsentscheidung vom … sowie der
Zerlegungsbescheide für den Gewerbesteuermessbetrag …
für die A-GmbH & Co. KG vom … und vom … zu
verpflichten, für diesen Gewerbesteuermessbetrag einen
Zuteilungsbescheid zugunsten der Klägerin zu erlassen.
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11
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Der Beigeladene zu 1. hat sich den
Ausführungen des FA angeschlossen und keinen eigenen Antrag
gestellt. Die Beigeladene zu 2. hat keine Stellungnahme
abgegeben.
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13
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Am xx.xx.2022 wurde für die A-KG das
Ausscheiden ihrer Komplementärin A-GmbH und die Auflösung
der A-KG in das Handelsregister eingetragen. Die Umfirmierung der
letzten Kommanditistin der A-KG, der B-GmbH, in C-GmbH (die
Beigeladene zu 2.) wurde am yy.yy.2022 in das Handelsregister
eingetragen.
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14
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils sowie
zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die von der Klägerin in
zulässiger Weise erhobene Verpflichtungsklage (dazu unter 1.)
ist begründet, weil entgegen der Rechtsansicht des FG keine
Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrags zugunsten eines
Bundeslandes (mit Ausnahme der Stadtstaaten Hamburg und Berlin)
vorgenommen werden darf (dazu unter 2.). Das FA wird verpflichtet,
einen Zuteilungsbescheid zugunsten der Klägerin zu erlassen
(dazu unter 3.).
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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage
zulässig. Das FG hat zutreffend angenommen, dass die
Klägerin die Verpflichtung des FA zum Erlass eines
Zuteilungsbescheids zu ihren Gunsten zulässigerweise mit einer
Verpflichtungsklage verfolgen kann.
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a) Zwar handelt es sich bei der Anfechtung
eines Zerlegungsbescheids mit dem Ziel der Änderung des
Zerlegungsmaßstabs grundsätzlich um ein
Anfechtungsbegehren (§ 40 Abs. 1 Alternative 1 FGO). Anders
ist dies bei dem Begehren, (erstmalig) im Wege der
Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alternative 2 FGO) einen
Zuteilungsbescheid nach § 190 der Abgabenordnung (AO) zu
erwirken (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 08.11.2000 - I R
1/00, BFHE 194, 227, BStBl II 2001, 769 = SIS 01 05 35, unter
II.2.b [Rz 16 f.]). Zeigt das Begehren der Rechtsschutz suchenden
Gemeinde jedoch, dass sie statt der bisher vorgenommenen Zerlegung
des Gewerbesteuermessbetrags auf mehrere Steuergläubiger
dessen alleinige Zuteilung nach § 190 AO an sich selbst
erstrebt, so wird damit erkennbar eine Verpflichtung des FA
begehrt, die die Ablehnung der bisher vorgenommenen Zerlegung
mitumfasst (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, §
190 AO Rz 11; Brandis in Tipke/Kruse, § 190 AO Rz 1;
Klein/Ratschow, AO, 18. Aufl., § 190 Rz 1;
Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.10.2009 - 15 K 30359/06,
Rz 34).
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b) Dies trifft auf den Streitfall zu. Die
Klägerin hat bis zur mündlichen Verhandlung vor dem FG
zwar nur einen auf Aufhebung des Zerlegungsbescheids …
gerichteten Antrag angekündigt. Allerdings hat sie schon in
der Begründung der Klage, wie auch bereits in der
Begründung des Einspruchs, ausgeführt, dass die begehrte
Unterlassung der Zerlegung die Zuweisung des kompletten Messbetrags
an sie selbst zur Folge haben müsse.
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18
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Daraus ist im Wege der Auslegung zu folgern,
dass die Klägerin von Anfang an die Verpflichtung des FA zum
Erlass eines Zuteilungsbescheids für den
Gewerbesteuermessbetrag … an sich nebst Aufhebung der dem
entgegenstehenden Zerlegungsbescheide begehrt. Es liegt mithin ein
Verpflichtungsbegehren vor.
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2. Die Klage ist auch begründet. Das
Urteil des FG ist aufzuheben, denn das FG hat zu Unrecht
angenommen, dass die Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrags auch
zugunsten eines Bundeslandes vorgenommen werden dürfe.
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Eine Zerlegung ist nur vorzunehmen, wenn im
Erhebungszeitraum Betriebsstätten in mehreren Gemeinden
unterhalten wurden. Die A-KG hatte im streitigen Erhebungszeitraum
zwar zwei Betriebsstätten, von denen sich allerdings eine auf
einem gemeindefreien Gebiet befand (dazu unter a). Entgegen der
Auffassung des FG darf die gewerbesteuerrechtliche Ertragshoheit in
dem gemeindefreien Gebiet des Küstenmeers nicht einem
Bundesland zugeordnet werden (dazu unter b).
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a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist der
Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden
Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum
Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren
Gemeinden unterhalten worden sind.
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aa) Der Begriff der Betriebsstätte
bestimmt sich mangels eigener Definition im Gewerbesteuergesetz
auch für gewerbesteuerrechtliche Zwecke nach § 12 AO.
Danach setzt die Annahme einer Betriebsstätte eine
Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung
zur Erdoberfläche voraus, die von gewisser Dauer ist, der
Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der
Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende
Verfügungsmacht hat. Hierzu ist es grundsätzlich
erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die
ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Weiterhin muss die
Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen.
Hierzu muss dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit
fester örtlicher Bindung ausgeübt werden und sich in der
Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des
Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen
Tätigkeit ausdrücken. Im Allgemeinen ist diese
Voraussetzung nur erfüllt, wenn der Unternehmer selbst, seine
Arbeitnehmer, fremdes weisungsabhängiges Personal oder
Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung tätig
werden. Bei vollautomatisch arbeitenden Einrichtungen kann das
Tätigwerden des Unternehmens mit der Geschäftseinrichtung
ausnahmsweise ausreichen (z.B. BFH-Beschluss vom 18.02.2021 - III R
8/19, BFHE 272, 75, BStBl II 2021, 627 = SIS 21 09 89, Rz 18 ff.,
m.w.N.).
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Die Stätte der Geschäftsleitung
gehört nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO zu den Orten, die
insbesondere als Betriebsstätte anzusehen sind.
Gemäß § 10 AO ist die Geschäftsleitung der
Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.
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bb) Ausgehend von den tatsächlichen
Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und
begründeten Verfahrensrügen angegriffen wurden und die
den BFH deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO binden, ist das FG in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis
gekommen, dass sich sowohl am Sitz des Unternehmens der A-KG auf
dem Gebiet der Klägerin eine Betriebsstätte befand wie
auch am Standort des Windparks der A-KG in der
Zwölf-Seemeilen-Zone vor der deutschen und zugleich
niedersächsischen Nordseeküste.
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(1) Auf dem Gebiet der Klägerin hatte die
A-KG im Erhebungszeitraum ihre Stätte der
Geschäftsleitung, an der ihre geschäftsführende
Gesellschafterin tätig war, und damit eine
Betriebsstätte. Da darüber zwischen den Beteiligten kein
Streit besteht, sieht der Senat insoweit von weiteren
Ausführungen ab.
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(2) Auch bei der Entscheidung, dass der
Windpark der A-KG eine Betriebsstätte darstellt, ist das FG
von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die
entsprechende Würdigung ist möglich; das FG hat weder
gegen Denkgesetze verstoßen noch wesentliche Umstände
vernachlässigt, sodass der Senat an diese Würdigung
gebunden ist (z.B. BFH-Urteile vom 01.09.2022 - IV R 13/20, BFHE
277, 423, BStBl II 2024, 121 = SIS 22 18 03, Rz 37; vom 05.09.2023
- IV R 24/20, BFHE 281, 374 = SIS 23 18 02, Rz 34).
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27
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So hat das FG zu Recht im Rahmen seiner
Würdigung darauf abgestellt, dass es sich bei den
Windenergieanlagen in dem Windpark um fest mit der
Erdoberfläche verbundene, ortsfeste Einrichtungen handelt,
deren Nutzung auf Dauer angelegt ist und die unmittelbar der
Tätigkeit der A-KG dienen, Strom zu erzeugen und somit ihren
Geschäftszweck zu verwirklichen. Da von den Beteiligten auch
insoweit keine abweichenden Rechtspositionen vertreten werden,
sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab.
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cc) Anders als die
Geschäftsleitungsbetriebsstätte der A-KG, die sich im
Gemeindegebiet der Klägerin befand, befand sich der Windpark
zwar ebenfalls im Inland, sodass die dort erzielten Einkünfte
der Besteuerung in Deutschland unterliegen; der Windpark liegt aber
nicht auf dem Gebiet einer Gemeinde.
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29
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(1) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG
unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer, soweit
er im Inland betrieben wird - soweit also für den
Gewerbebetrieb im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird.
Gleichzeitig wird nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG die Summe des
Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags
eines inländischen Unternehmens gekürzt, der auf eine
nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, das
heißt, der durch die in einer ausländischen
Betriebsstätte ausgeübte oder ihr zuzurechnende
unternehmerische Betätigung erzielt wurde (vgl. BFH-Urteile
vom 21.04.1971 - I R 200/67, BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743 =
SIS 71 03 90, unter II.3. [Rz 32]; vom 12.10.2016 - I R 93/12 = SIS 17 05 90, Rz 29).
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(2) Das deutsche Küstenmeer ist dem
Inland zuzuordnen.
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31
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(a) Das Gewerbesteuergesetz selbst regelt den
Begriff des Inlands nicht. Für die Bestimmung der Reichweite
des Inlands im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG
(„Inland im engeren Sinne“) gilt, dass
die Besteuerungsbefugnis des Staates grundsätzlich an die
Zuordnung zu seinem Herrschaftsgebiet im staatsrechtlichen Sinne
gebunden ist. Es ist deshalb für die Bestimmung des Inlands
maßgeblich auf die einschlägigen staats- und
völkerrechtlichen Begriffe abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom
13.02.1974 - I R 218/71, BFHE 111, 416, unter 2. [Rz 14]; Herbst in
Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 2
Rz 99; Keß in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2
Rz 2811 f.; Tassius in GewStG - eKomm, § 2 GewStG Rz 209,
Stand: 02.01.2018).
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32
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(b) Völkerrechtlich ist
grundsätzlich anerkannt, dass sich die Souveränität
eines Küstenstaates auch auf das Gebiet eines an der
Küste entlangführenden Streifens erstreckt, das
sogenannte Küstenmeer. Daran anschließend folgen weitere
Zonen (zum Beispiel die sogenannte ausschließliche
Wirtschaftszone und der Festlandsockel), in denen dem
Küstenstaat nur eingeschränkte
Souveränitätsrechte zustehen (dazu BFH-Urteil vom
05.10.1977 - I R 250/75, BFHE 123, 341, BStBl II 1978, 50 = SIS 78 00 29, unter 1. [Rz 13 f.]; zum Ganzen Ehlers, Verwaltungsarchiv
2013, 406 ff.; Khan in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK,
Staatsgebiet und Grenzen Rz 208 f.).
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33
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Das Völkervertragsrecht enthält mit
dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom
10.12.1982 - SeeRÜbk - (BGBl II 1994, 1799) Regelungen
über die Rechte der Staaten im Hinblick auf das
Küstenmeer, die sich daran anschließende
ausschließliche Wirtschaftszone sowie den Festlandsockel.
Nach Art. 2 Abs. 1 SeeRÜbk erstreckt sich die
Souveränität eines Küstenstaates jenseits seines
Landgebiets unter anderem auf einen angrenzenden Meeresstreifen,
der als Küstenmeer bezeichnet wird. Jeder Staat hat das Recht,
die Breite seines Küstenmeers bis zu einer Grenze festzulegen,
die höchstens Zwölf Seemeilen von den in
Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen festgelegten
Basislinien entfernt sein darf (Art. 3 SeeRÜbk).
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34
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Der Küstenstaat besitzt über das
Küstenmeer völkerrechtlich Souveränität und
damit die volle Gebietshoheit (Oberverwaltungsgericht für das
Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.03.2012 - 5 K 6/10, Rz
104, 108; Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom
14.09.2020 - LVerfG 3/19, Rz 80; Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 30.06.2020 - 1 BvR
1679/17, 1 BvR 2190/17, BVerfGE 155, 238, Rz 3, 93; Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 03.11.2020 - 9 A 12.19,
BVerwGE 170, 33, Rz 48; so auch Khan in: Kahl/Waldhoff/Walter
(Hg.), BK, Staatsgebiet und Grenzen Rz 208 f.;
Behrendt/Wischott/Krüger, BB 2012, 1827; Waldhoff/Engler, FR
2012, 254, 255).
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35
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Deutschland hat das
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen innerstaatlich
durch das Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen vom 02.09.1994
(BGBl II 1994, 1798) umgesetzt. In einer Proklamation vom
19.10.1994 (BGBl I 1994, 3428) hat die Bundesregierung von dem in
Art. 3 SeeRÜbk vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht, das
deutsche Küstenmeer an der Nord- und Ostsee zu bestimmen.
Für die Nordsee wurde hierdurch die seewärtige Abgrenzung
des deutschen Küstenmeers auf zwölf Seemeilen
festgelegt.
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36
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Der auf dem Gebiet des deutschen
Küstenmeers der Nordsee belegene Windpark der A-KG gehört
deshalb zum Inland im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Er
befindet sich aber auf gemeindefreiem Gebiet, da der streitige Teil
des Küstenmeers dem Beigeladenen zu 1., nicht aber einer
Gemeinde zugerechnet wird. Im streitigen Erhebungszeitraum hat die
A-KG danach zwar zwei inländische Betriebsstätten
unterhalten, nur eine davon aber auf dem Gebiet einer Gemeinde.
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37
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b) Das Urteil des FG ist aufzuheben, da das FG
zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Zerlegung eines
Gewerbesteuermessbetrags auch zugunsten eines Bundeslandes
vorgenommen werden dürfe. Letzteres ergibt sich insbesondere
nicht aus § 4 Abs. 2 GewStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1
GGrStGfGebV ND. Diese Norm erlaubt eine Übertragung der
Ertragshoheit nur auf eine Gemeinde. Dies ergibt sich zwar nicht
bereits durch Auslegung der Norm anhand ihres Wortlauts, der
Systematik, ihres Zwecks oder der Entstehungsgeschichte des §
4 Abs. 2 GewStG (dazu unter bb), aber aus einer
verfassungskonformen Auslegung (dazu unter cc). Die hiergegen
gerichteten Einwände greifen nicht durch (dazu unter dd).
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND, der die Ertragshoheit
für die Gewerbesteuer in dem gemeinde- und kreisfreien Gebiet
der niedersächsischen Küstengewässer dem
Beigeladenen zu 1. überträgt, ist im Streitfall nicht
anzuwenden (dazu unter ee).
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38
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Nach § 4 Abs. 1 GewStG unterliegen die
stehenden Gewerbebetriebe der Gewerbesteuer in der Gemeinde, in der
eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes
unterhalten wird (Satz 1). Befinden sich Betriebsstätten
desselben Gewerbebetriebs in mehreren Gemeinden oder erstreckt sich
eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden, so wird die
Gewerbesteuer in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags
erhoben, der auf sie entfällt (Satz 2). Für
Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten bestimmt nach
§ 4 Abs. 2 GewStG die Landesregierung durch Rechtsverordnung,
wer die nach diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse
ausübt.
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39
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aa) Die Auslegung und Anwendung des § 4
Abs. 2 GewStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND durch das FG ist für den
BFH als Revisionsgericht vollständig revisibel.
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40
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Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO kann die
Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene
Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Auf die
Verletzung von Landesrecht durch ein Urteil des FG kann die
Revision nur gestützt werden, soweit im Landesrecht die Regeln
über die Revision für anwendbar erklärt werden
(§ 118 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO); daran
fehlt es im Streitfall.
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41
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Landesrecht wird nicht dadurch zu Bundesrecht,
dass eine von einem Bundesland erlassene Rechtsverordnung auf eine
bundesgesetzliche Rechtsgrundlage gestützt wird (vgl.
BFH-Urteil vom 19.04.2012 - III R 85/11 = SIS 12 21 39, Rz 19). Der
BFH als Revisionsgericht ist an den von dem FG festgestellten
Inhalt des Landesrechts zwar wie an tatsächliche
Feststellungen gebunden (z.B. BFH-Urteile vom 11.05.1983 - III R
112-113/79, BFHE 139, 88, BStBl II 1983, 657 = SIS 83 20 32, unter
I.2.a [Rz 9]; vom 10.07.2002 - X R 89/98, BFHE 199, 441, BStBl II
2003, 72 = SIS 03 01 36, unter II.3.b [Rz 25]); gleichwohl obliegt
dem BFH die Prüfung, ob das FG das irrevisible Landesrecht
zutreffend unter übergeordnetes Bundesrecht subsumiert hat und
ob das Landesrecht mit übergeordnetem Bundesrecht
übereinstimmt (BFH-Urteil vom 08.03.1995 - II R 58/93, BFHE
177, 288, BStBl II 1995, 438 = SIS 95 13 32, unter II.3. [Rz
22]).
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42
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Für den Streitfall bedeutet das, dass die
Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND, einer durch den
Beigeladenen zu 1. erlassenen, auf § 4 Abs. 2 GewStG
gestützten Rechtsverordnung, die dem Beigeladenen zu 1. unter
anderem die Erhebung der Gewerbesteuer in dem gemeinde- und
kreisfreien Gebiet der dem Landesgebiet vorgelagerten
Küstengewässer überträgt, zwar Teil des -
grundsätzlich nicht revisiblen - Landesrechts ist. Die
Vereinbarkeit dieser Regelung mit Bundesrecht, insbesondere mit
§ 4 Abs. 2 GewStG sowie mit Bundesverfassungsrecht,
insbesondere Art. 28, 106 GG, ist durch den BFH jedoch
vollständig zu überprüfen.
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43
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bb) Eine Auslegung des § 4 Abs. 2 GewStG
aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck
sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte
kommt hinsichtlich der Frage, ob die Norm in gemeindefreien
Gebieten nur eine Übertragung der Ertragshoheit für die
Gewerbesteuer auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n) ermöglicht,
zu keinem eindeutigen Ergebnis.
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44
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(1) Maßgebend für die Auslegung von
Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte
Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift
und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der
Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die
anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der
Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den
Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander
nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen.
Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen.
Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er
gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen
des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang
mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen
Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom
Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich das
Gericht nicht entgegenstellen darf. Seine Aufgabe beschränkt
sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den
konkreten Fall - auch unter gewandelten Bedingungen -
möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen. In keinem
Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der
Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen
oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar
eine eigene treten lassen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 28.11.2023 - 2
BvL 8/13, BVerfGE 168, 1 = SIS 24 01 44, Rz 118, m.w.N.).
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45
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(2) Durch Auslegung von § 4 Abs. 2 GewStG
nach Wortlaut, Systematik, seinem Sinn und Zweck oder aus den
Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte ergibt sich nicht
eindeutig, dass eine Übertragung der Ertragshoheit in
gemeindefreien Gebieten nur auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n),
nicht aber auf ein Bundesland möglich ist.
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(a) Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 GewStG
ist hinsichtlich der Frage, ob die Norm in gemeindefreien Gebieten
nur eine Übertragung der Ertragshoheit auf eine (oder mehrere)
Gemeinde(n) oder auch auf ein Bundesland ermöglicht,
offen.
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47
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Nach § 4 Abs. 2 GewStG bestimmt die
Landesregierung durch Rechtsverordnung für
Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten, wer die nach
diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt.
Eine weitere Konkretisierung, wen die Landesregierung damit zur
Ausübung der Befugnisse bestimmen darf - Gemeinden oder (auch)
ein Bundesland -, enthält die Regelung nicht. Dafür, dass
der Empfänger der durch die Landesregierung ausgesprochenen
Befugnis auch die Eigenschaft einer Gemeinde erfüllen muss,
könnte allerdings die für die gesamte Norm des § 4
GewStG gewählte Überschrift „Hebeberechtigte
Gemeinde“ sprechen.
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48
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(b) Auch die systematische Auslegung kommt zu
keinem eindeutigen Ergebnis. Das Gewerbesteuergesetz spricht zwar
insbesondere im Zusammenhang mit der gewerbesteuerrechtlichen
Ertragshoheit regelmäßig von der
„Gemeinde“ (z.B. in § 1, § 4
Abs. 1, § 16 Abs. 4, §§ 28 ff. GewStG). Daraus
ergibt sich aber nicht zwingend, dass auch § 4 Abs. 2 GewStG
die Landesregierung nur dazu ermächtigt, für
gemeindefreie Gebiete Befugnisse auf eine (oder mehrere)
Gemeinde(n) zu übertragen. Systematisch ebenso denkbar ist es,
dass derjenige, den die Landesregierung nach § 4 Abs. 2 GewStG
zur Ausübung der „den Gemeinden zustehenden
Befugnisse“ bestimmt (zum Beispiel ein
Bundesland), damit im Sinne der gewerbesteuerrechtlichen Regelungen
als Gemeinde gilt.
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(c) Ebenso wenig führt die teleologische
Auslegung zu einem eindeutigen Ergebnis. § 4 Abs. 2 GewStG
soll die gewerbesteuerrechtliche Freistellung von Betrieben
beziehungsweise Betriebsstätten verhindern, die sich in
gemeindefreien Gebieten angesiedelt haben (z.B.
Brandis/Heuermann/Gosch, § 4 GewStG Rz 15; Sarrazin in
Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 4 Rz 18; Specker in
Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 4 Rz 3; Saathoff
in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., §
4 Rz 13; BeckOK GewStG/Kleinmanns, 12. Ed. 01.12.2024, GewStG
§ 4 Rz 105: Keine Entstehung von Gewerbesteueroasen). Deshalb
ermächtigt die Norm die Landesregierung, durch
Rechtsverordnung zu bestimmen, wer berechtigt ist, in
gemeindefreien Gebieten die Gewerbesteuer zu erheben. Diesem Zweck
kann sowohl eine Ermächtigung von Gemeinden als auch die eines
Bundeslandes dienen.
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50
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(d) Zuletzt lässt sich auch der
Entstehungsgeschichte der Norm nicht eindeutig entnehmen, ob §
4 Abs. 2 GewStG nur die Ermächtigung von Gemeinden
ermöglichen soll.
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Die historische Auslegung des § 4 Abs. 2
Satz 1 GewStG zeigt, dass das Gewerbesteuergesetz bereits in seiner
Fassung vom 01.12.1936 (RGBl I 1936, 979) in § 4 Abs. 2 eine
Regelung enthielt, wonach die oberste Landesbehörde die
näheren Bestimmungen über die Erhebung der Steuer zu
treffen hatte, wenn sich die Betriebsstätte in einem
sogenannten Gutsbezirk befand. § 12 der Ersten Verordnung zur
Durchführung des Gewerbesteuergesetzes vom 26.02.1937 (RGBl I
1937, 257) wies für Betriebsstätten auf gemeindefreien
Grundstücken in gleicher Weise die Regelung für die
Erhebung der Gewerbesteuer der obersten Landesbehörde zu. Die
Regelung verwies auf § 12 Abs. 2 der damals geltenden
Deutschen Gemeindeordnung. Dort war bestimmt, dass jedes
Grundstück zu einer Gemeinde gehören solle. Aus
besonderen Gründen könnten Grundstücke
außerhalb einer Gemeinde verbleiben; für solche
Fälle wurden Gutsbezirke und gemeindefreie Grundstücke
benannt. Hintergrund war die Erkenntnis, dass trotz des Bestrebens,
das ganze Staatsgebiet Gemeinden zuzuweisen, einige
Grundstücke verblieben waren, die zu keiner Gemeinde
gehörten (s. zur geschichtlichen Entwicklung der Norm,
insbesondere auch wegen der - hier nicht betroffenen - Einbeziehung
der ausschließlichen Wirtschaftszone sowie des
Festlandsockels in die Besteuerungsbefugnis: Markus/Maurer, NVwZ
Extra 10/2012, 1, 7 f., sowie Becker, BB 2014, 2270, 2272 f.).
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52
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Mit der Einfügung der Regelung über
die Zugehörigkeit des Deutschland zustehenden Anteils am
Festlandsockel sowie an der ausschließlichen Wirtschaftszone
zum Inland in § 2 Abs. 7 Nr. 1 und 2 GewStG sowie der
Einfügung von § 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG zur
Zuordnung des Anteils an dem Festlandsockel und der
ausschließlichen Wirtschaftszone zu dem gemeindefreien Gebiet
ab dem Erhebungszeitraum 2015 (§ 36 GewStG i.d.F. des Gesetzes
zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens
zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom
25.07.2014, BGBl I 2014, 1266) verfolgte der Gesetzgeber
ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs das Ziel, die
Gebiete des Festlandsockels und der ausschließlichen
Wirtschaftszone - im Wege einer Klarstellung - den gemeindefreien
Gebieten gleichzustellen, die ursprünglich nur Staatsgebiete
umfassten. Zum Verständnis der Regelung des § 4 Abs. 2
GewStG führte der Gesetzesentwurf aus, dass dadurch die
Landesregierung bestimme, wer die nach dem Gewerbesteuergesetz den
Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübe (BT-Drucks. 18/1529,
S. 71). Eine nähere Eingrenzung der Personen, die dafür
in Betracht kommen, enthält der Gesetzesentwurf indes
nicht.
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53
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cc) Die verfassungskonforme Auslegung des
§ 4 Abs. 2 GewStG führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die
Ertragshoheit für die Gewerbesteuer eines Gewerbebetriebs mit
einer Betriebsstätte im Küstenmeer insoweit nicht einem
Bundesland zugeordnet werden darf, sondern nur einer (oder
mehreren) Gemeinde(n).
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54
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(1) Das Gebot verfassungskonformer
Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen
Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu
einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige
vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm
ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten
Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu
vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der
verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt
einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung der
Verfassungswidrigkeit gefundene Interpretation muss daher eine nach
anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung
sein. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das
gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder
verfälscht wird. Ein Normverständnis, das im Widerspruch
zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers
steht, kann auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung nicht
begründet werden (z.B. BVerfG-Beschluss vom 28.11.2023 - 2 BvL
8/13, BVerfGE 168, 1 = SIS 24 01 44, Rz 193 f., m.w.N.).
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55
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(2) Ob eine Übertragung der Ertragshoheit
für die Gewerbesteuer aus einer Betriebsstätte in einem
gemeindefreien Gebiet auf ein Bundesland
verfassungsgemäß ist, ist umstritten.
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56
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Teilweise wird die
Verfassungsmäßigkeit einer solchen Übertragung auf
ein Bundesland bejaht. Die Regelung sei zwar rechtstechnisch
verfehlt, verfassungsrechtlich dennoch hinnehmbar. Da den Gemeinden
keine Gewerbesteuergarantie im engeren Sinne durch Art. 106 Abs. 6,
Art. 28 Abs. 2 GG gegeben werde, sei es nicht zu beanstanden, wenn
ihnen der Gewerbeertrag aus gemeindefreien Gebieten nicht
zugeordnet werde (Waldhoff/Engler, FR 2012, 254, 261). Deutschland
sei darin frei, dieses funktional begrenzte Recht den
Bundesländern oder Gemeinden zuzuweisen (Waffenschmidt, FR
2013, 268, 271; ebenso Specker in Glanegger/Güroff, GewStG,
11. Aufl., § 4 Rz 3).
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57
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Ein anderer Teil der Literatur verneint die
Zulässigkeit einer Übertragung der Ertragshoheit auf ein
Bundesland im Wesentlichen mit dem Verweis auf die in Art. 106 Abs.
6 GG festgeschriebene alleinige Ertragshoheit der Gemeinden
für die Gewerbesteuer (Markus/Maurer, NVwZ Extra 10/2012, 1, 7
ff.; Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2.
Aufl., § 4 Rz 13; Sarrazin in Lenski/Steinberg,
Gewerbesteuergesetz, § 4 Rz 18; kritisch auch
Brandis/Heuermann/Gosch, § 4 GewStG Rz 15a). Art. 106 Abs. 6
GG weise das Gewerbesteueraufkommen den Gemeinden in ihrer
Gesamtheit zu; hierfür bedürfe es keiner Verwurzelung in
einem Gemeindegebiet (BeckOK GewStG/Kleinmanns, 12. Ed. 01.12.2024,
GewStG § 4 Rz 25). Der einfache Gesetzgeber dürfe die
verfassungsrechtlich vorgegebene Verteilung der Finanzhoheit nicht
verändern (Becker, BB 2014, 2270, 2274).
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58
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(3) Nach Ansicht des Senats darf die
Ertragshoheit für die Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten
nur den Gemeinden übertragen werden.
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59
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(a) Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 GG
steht das Aufkommen (unter anderem) aus der Gewerbesteuer den
Gemeinden zu. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das
Aufkommen (unter anderem) der Gewerbesteuer dem Land zu (Satz 3).
Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen
der Gewerbesteuer beteiligt werden (Satz 4); das Nähere
über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung
des Bundesrates bedarf (Satz 5).
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60
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Diese Regelung ist Teil der in Art. 104a ff.
GG niedergelegten Finanzverfassung des Grundgesetzes. Diese bildet
eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung und ist auf
Formenklarheit und Formenbindung angelegt. Diese Prinzipien
erschöpfen sich nicht in einer lediglich formalen Bedeutung.
Sie sind selbst Teil der funktionsgerechten Ordnung eines politisch
sensiblen Sachbereichs und verwirklichen damit ein Stück
Gemeinwohlgerechtigkeit. Zugleich fördern und entlasten sie
den politischen Prozess, indem sie ihm einen festen Rahmen
vorgeben. Für Analogieschlüsse, die notwendig zu einer
Erweiterung oder Aufweichung dieses Rahmens führen
würden, ist in diesem Bereich kein Raum.
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61
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Der strikten Beachtung der
finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund
und Ländern kommt eine überragende Bedeutung für die
Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zu. Weder der Bund
noch die Länder können über ihre im Grundgesetz
festgelegten Kompetenzen verfügen; einfachgesetzliche
Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern wären
auch nicht mit Zustimmung der Beteiligten zulässig. Bei der
Ertragsverteilung der Steuern handelt es sich gemeinsam mit der
Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen um eine
zentrale Frage der politischen Machtverteilung in Deutschland.
Unsicherheiten in der Ertragszuordnung würden in diesem
Kontext zu erheblichen Verwerfungen im Bereich der
Befriedungsfunktion der Finanzverfassung führen.
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62
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Über ihre Ordnungsfunktion hinaus
entfaltet die Finanzverfassung eine Schutz- und
Begrenzungsfunktion, die es dem einfachen Gesetzgeber untersagt,
die ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten. Diese
Schutzwirkung entfaltet die Finanzverfassung auch im
Verhältnis zum Bürger, der darauf vertrauen darf, nur in
dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen belastet zu
werden (BVerfG-Beschluss vom 13.04.2017 - 2 BvL 6/13, BVerfGE 145,
171 = SIS 17 10 01, Rz 58 ff.; vgl. auch BVerfG-Urteil vom
28.03.2002 - 2 BvG 1/01, 2 BvG 2/02, BVerfGE 105, 185, Rz 41
ff.).
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63
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Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze
beanspruchen nach Ansicht des Senats gleichermaßen Geltung
für die Abgrenzung der finanzverfassungsrechtlichen
Zuständigkeitsbereiche von Ländern und Gemeinden. Auch
die Regelungen über die Ertragshoheit in Art. 106 GG sind
deshalb zwingend und erlauben über die grundgesetzlich
vorgesehenen - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen in Art.
91a, 91b, 91c, 91e, 104b, 104c, 104d, 120, 120a, 143h GG hinaus
keine Abweichungen (Heun in Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 106 Rz 11;
Kment in Jarass/Pieroth,
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 18.
Aufl., Art. 106 Rz 4).
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64
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(b) Danach ist allein die Auslegung des §
4 Abs. 2 GewStG mit Art. 106 Abs. 6 GG vereinbar, dass die
Landesregierung durch Rechtsverordnung die Befugnis zur Erhebung
der Gewerbesteuer nur auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n), nicht
aber auch auf ein Bundesland übertragen darf.
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dd) Die hiergegen gerichteten Einwände
greifen nicht durch.
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66
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(1) Wie oben bereits dargelegt, ist Art. 106
Abs. 6 GG Teil der in Art. 104a ff. GG niedergelegten
grundgesetzlichen Finanzverfassung, die eine in sich geschlossene
Rahmen- und Verfahrensordnung bildet und keinen Raum für
Analogieschlüsse lässt. Danach steht das Aufkommen aus
der Gewerbesteuer den Gemeinden (Satz 1) und nur in dem Fall einem
Land zu, wenn in diesem Land keine Gemeinden bestehen (Satz 3).
Eine Regelung, der zufolge einem Land auch das Aufkommen der
Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten zusteht, enthält Art.
106 GG nicht. Vielmehr bestimmt Art. 106 Abs. 6 GG eindeutig, dass
das Aufkommen der Gewerbesteuer
„generell“ den Gemeinden zusteht - und
nur ausnahmsweise dann dem Land, wenn in diesem keine Gemeinden
bestehen. Entgegen der Auffassung des FA bestimmt Art. 106 Abs. 6
Satz 1 GG damit, dass das Aufkommen der Gewerbesteuer insoweit
„allgemein den Gemeinden in ihrer
Gesamtheit“ zusteht, und nicht nur der
einzelnen Gemeinde bezogen auf ihr Gemeindegebiet.
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67
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(2) Nicht gefolgt werden kann auch dem Einwand
des FA, die ausschließliche Zuordnung der Ertragshoheit
für die Gewerbesteuer an die Gemeinden erfahre bereits in Art.
106 Abs. 6 Satz 3 und 4 GG Einschränkungen, die die Zuordnung
zu einem Bundesland auch im Streitfall rechtfertigten.
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Die Übertragung der Ertragshoheit
für (unter anderem) die Gewerbesteuer auf die Länder wird
in Art. 106 Abs. 6 Satz 3 GG unter der Voraussetzung bestimmt, dass
in diesem Land keine Gemeinden bestehen. Gemeint sind hierbei die
Stadtstaaten Berlin und Hamburg, denen es an einer weiteren
Untergliederung auf Gemeinden fehlt und die deshalb diese Ebene
ersetzen (vgl. BT-Drucks. II/2908). Für eine erweiternde
Anwendung dieser speziellen Ausnahmeregelung auf andere
Bundesländer besteht, wie oben dargelegt, angesichts der
abschließenden Regelung der finanzverfassungsrechtlichen
Zuständigkeitsbereiche keine Rechtsgrundlage.
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Vergleichbares gilt für Art. 106 Abs. 6
Satz 4 und 5 GG. Danach können Bund und Länder im Wege
eines zustimmungspflichtigen Bundesgesetzes durch eine Umlage zwar
an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Bei einer
solchen Umlage handelt es sich um Lasten, die einer
Gebietskörperschaft zur Finanzierung einer anderen
Gebietskörperschaft höherer Ordnung auferlegt werden. Die
Gewerbesteuerumlage begründet jedoch keine eigene
Ertragskompetenz von Bund und Ländern, sondern belässt
die Ertragshoheit bei den Gemeinden und gibt Bund und Ländern
nur einen Anspruch gegen die Gemeinden (BVerwG-Urteil vom
29.09.1982 - 8 C 48.82, BStBl II 1984, 236 [Rz 37] = SIS 84 11 16;
so auch Heun in Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 106 Rz 40; Drüen
in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 282; Siekmann/Hey
in Sachs, Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 106 Rz 45). Auch aus dieser
Regelung ergibt sich danach nicht, dass die Ertragshoheit für
die Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten innerhalb eines Landes
diesem Land übertragen werden könnte. Soweit das FA
meint, es bestehe hinsichtlich Offshore-Anlagen eine unbewusste
Regelungslücke des Grundgesetzes, da es bei Inkrafttreten des
Art. 106 GG derartige Anlagen noch nicht gegeben habe, kann sich
der Senat dem schon im Ausgangspunkt nicht anschließen. Denn
gemeindefreie Gebiete, zu denen auch der hier streitige Teil des
niedersächsischen Küstengewässers zählt, gab es
schon vor Inkrafttreten des Art. 106 GG.
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(3) Da die Zuordnung der Ertragshoheit
für die Gewerbesteuer an die Gemeinden durch die
Finanzverfassung in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG ohne Schranken und
Vorbehalte erfolgt, kommt es auch nicht darauf an, ob eine Gemeinde
im konkreten Fall Leistungen der Infrastruktur für eine auf
ihrem Gemeindegebiet belegene Betriebsstätte erbracht hat.
Auch die Übernahme von Aufgaben einer Gemeinde durch einen
Dritten eröffnet nicht die Befugnis, von der
finanzverfassungsrechtlich vorgegebenen Zuordnung der Ertragshoheit
für die Gewerbesteuer abzuweichen. Es besteht insoweit keine
Disponibilität durch den einfachen Gesetzgeber.
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71
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(4) Die mit der Regelung des
Zerlegungsmaßstabs in § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG durch den
einfachen Gesetzgeber beabsichtigte Stärkung von Gemeinden am
Sitz von Windkraftanlagen kann schließlich für die
Bestimmung der Reichweite des finanzverfassungsrechtlichen Schutzes
der kommunalen Ertragshoheit durch Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG
bereits aus Gründen der Normenhierarchie keine Rolle
spielen.
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72
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(5) § 4 Abs. 2 GewStG ist danach schon im
Hinblick auf Art. 106 Abs. 6 GG dahin auszulegen, dass die
Landesregierung für Betriebsstätten in gemeindefreien
Gebieten nur einer (oder mehreren) Gemeinde(n), nicht aber auch
einem Land, „die nach diesem Gesetz … zustehenden
Befugnisse“ übertragen darf. Dahinstehen
kann daher, ob sich dieses Ergebnis, wie die Klägerin meint,
auch aus Art. 28 Abs. 2 GG ergibt.
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73
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ee) Ermächtigt § 4 Abs. 2 GewStG die
Landesregierung nur zur Übertragung auf Gemeinden,
verstößt § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND, der die
danach allein den Gemeinden zustehenden Befugnisse gleichwohl dem
Beigeladenen zu 1. überträgt, gegen Bundesrecht, da es
sich nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage hält. Der
Norm kann im Streitfall schon deshalb keine Rechtswirkung zukommen.
Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob § 4 Abs.
2 GewStG gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, kommt
es daher nicht mehr an.
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74
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Der Senat verkennt nicht, dass der
Verordnungsgeber mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND eine
einfache und praktikable Regelung schaffen wollte. Im Hinblick auf
das im Gewerbesteuerrecht unter anderem zu berücksichtigende
Äquivalenzprinzip stellt sich nun die für ein
großes Flächenland schwierige Frage, welche
(Küsten-)Gemeinde(n) das Gewerbesteueraufkommen für die
betreffenden Gebiete zum Ausgleich der damit verbundenen Lasten
erhalten soll(en). Es erscheint gegebenenfalls nicht sachgerecht,
der Gemeinde, in der sich die
Geschäftsleitungsbetriebsstätte befindet, den gesamten
Gewerbesteuermessbetrag zuzuweisen. Dieses nachvollziehbare
Regelungsziel muss allerdings auf einem verfassungsrechtlich
zulässigen Weg verfolgt werden.
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75
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3. Der Senat entscheidet in der Sache selbst
und gibt der Klage statt, da Spruchreife besteht (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 FGO). Die durch das FG getroffenen Feststellungen
reichen aus, um über das Klagebegehren zu entscheiden. Die
Zerlegungsbescheide sind aufzuheben (dazu unter a); das FA wird
verpflichtet, zugunsten der Klägerin einen Zuteilungsbescheid
zu erlassen (dazu unter b).
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76
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a) Die Voraussetzungen für eine Zerlegung
liegen nicht vor.
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77
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Die A-KG hat zwar einen Gewerbebetrieb im
Inland mit zwei Betriebsstätten unterhalten. Diese
Betriebsstätten sind jedoch nicht mehreren Gemeinden
zuzuordnen, wie die Rechtsgrundlage für eine Zerlegung in
§ 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG dies voraussetzt. Der Sitz der
Geschäftsleitung der A-KG befand sich im Streitzeitraum auf
dem Gebiet der Klägerin; der Windpark befindet sich indes im
deutschen Küstenmeer der Nordsee, einem gemeindefreien Gebiet.
Von der Möglichkeit, einer Gemeinde nach § 4 Abs. 2
GewStG die Befugnis zur Erhebung der auf dieses Gebiet bezogenen
Gewerbesteuer zu übertragen, hat der Beigeladene zu 1. nicht
in rechtswirksamer Weise Gebrauch gemacht. Damit fehlt es an einer
wirksamen Übertragung der Hebeberechtigung für die
Gewerbesteuer für das gemeindefreie Gebiet. Die Klägerin
ist mithin die einzige Gemeinde in Deutschland, in der sich im
Streitjahr eine Betriebsstätte der A-KG befand. Sie ist
deshalb allein hebeberechtigt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1
GewStG. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 2. gilt dies
auch für den bislang dem Beigeladenen zu 1. zugeteilten Anteil
am Gewerbesteuermessbetrag, sodass die Klägerin auch
diesbezüglich zur Erhebung der Gewerbesteuer berechtigt
ist.
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78
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b) Nach § 101 Satz 1 FGO ist das FA
danach zum Erlass des von der Klägerin begehrten
Zuteilungsbescheids zu verpflichten.
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79
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Ein Zuteilungsverfahren ist nach § 190
Satz 1 AO durchzuführen, wenn ein Steuermessbetrag in voller
Höhe einem Steuerberechtigten zuzuteilen ist, aber Streit
darüber besteht, welchem Steuerberechtigten er zusteht. Die
Finanzbehörde entscheidet dann auf Antrag eines Beteiligten
durch Zuteilungsbescheid. Im Streitfall steht der
Gewerbesteuermessbetrag … der A-KG allein der Klägerin
zu.
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80
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4. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das
unterlegene FA nach § 135 Abs. 2 FGO zu tragen. Etwaige
außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht aus
Billigkeitsgründen zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO). Die
Beigeladenen haben keine Sachanträge gestellt oder das
Verfahren anderweitig wesentlich gefördert.
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