Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 14.11.2019 - 4 K 234/18
= SIS 20 17 10 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Nürnberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) promovierte in den
Streitjahren 2012 bis 2014 an einer im Freistaat Sachsen (S)
belegenen Universität. Zur Sicherung des Lebensunterhalts
bewilligte ihr S ein Stipendium aus Mitteln des Landes sowie des
Europäischen Sozialfonds (ESF). Rechtsgrundlage hierfür
war - neben bestimmten Regelungen der Sächsischen
Haushaltsordnung - insbesondere die „Richtlinie des
Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst
zur Förderung von aus dem Europäischen Sozialfonds
mitfinanzierten Vorhaben in den Bereichen Hochschule und Forschung
im Freistaat Sachsen“ vom 02.11.2010 (im
Weiteren RL ESF genannt, veröffentlicht im Sächsischen
Amtsblatt 2010, 1722).
|
|
|
2
|
Hiernach gewährt S für einzelne
beschäftigungspolitische Vorhaben Zuwendungen in Form von
nicht rückzahlbaren Zuschüssen (A.I.1. sowie A.V.1.a RL
ESF). Förderfähig sind u.a. Industriepromotionen. Hierbei
handelt es sich um Vorhaben, die der Qualifizierung akademischer
Nachwuchskräfte durch Forschungsarbeit im Rahmen einer
Promotion, insbesondere in naturwissenschaftlichen und technischen
Forschungsfeldern, dienen und ein gemeinsames Interesse der
beteiligten Unternehmen und sächsischen Hochschulen aufweisen
(A.II.1.a, B.I.1. RL ESF). Der von S übernommene Teil der
Förderung wird durch ein Stipendium von monatlich 800 EUR
erbracht (B.I.3. RL ESF). Mindestens in derselben Höhe haben
sich ein oder mehrere sächsische Unternehmen an der
Finanzierung des Promotionsvorhabens zu beteiligen (B.I.5. RL
ESF).
|
|
|
3
|
Dementsprechend schloss die Klägerin
zunächst mit einer in S ansässigen GmbH und der die
Promotion betreuenden Universität eine
Kooperationsvereinbarung. Hierin verpflichtete sich die GmbH,
für den Fall der Gewährung des
„ESF-Stipendiums“ dieses mit 50 % - d.h.
mit monatlich 800 EUR - zu finanzieren. Die Klägerin
verpflichtete sich zum Einsatz ihrer „vollen
Arbeitskraft“ für das
Promotionsvorhaben.
|
|
|
4
|
Im Anschluss hieran erließ die
Sächsische Aufbaubank (B) in ihrer Eigenschaft als
Landesförderinstitut von S einen Bescheid über die
Zuwendung eines Stipendiums an die Klägerin von monatlich 800
EUR für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis 30.06.2014. In den
Bestimmungen des Bescheids heißt es u.a., dass das Stipendium
für die ausschließliche Arbeit am Promotionsvorhaben
gewährt werde, die Klägerin einen monatlichen Nachweis
über die Tätigkeit für das Promotionsvorhaben zu
führen, halbjährlich Zwischenberichte vorzulegen und dem
Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst
ein Pflichtexemplar der Dissertationsschrift zur Verfügung zu
stellen habe. Zudem war die Klägerin verpflichtet, den
Zahlungseingang des Mitfinanzierungsanteils „durch den
Industriepartner“ in regelmäßigen
Abständen nachzuweisen. Ferner ist im Bescheid geregelt, dass
die Klägerin hinsichtlich der Ergebnisse ihres
Promotionsprojekts einer fünfjährigen
„Ausübungs- und Verwertungspflicht“
in S unterliege. Eine anderweitige Verwertung bedürfe der
Zustimmung von S und könne unter dem Vorbehalt einer
Rückzahlung der Zuwendung ergehen.
|
|
|
5
|
Zu späterer Zeit wurde der
Bewilligungszeitraum für das Stipendium bis zum Ende des
Streitjahres 2014 verlängert.
|
|
|
6
|
In ihrer beim seinerzeit zuständigen
Wohnsitz-Finanzamt X eingereichten Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr 2012 führte die Klägerin an, sie
beziehe seit dem 01.07.2012 ein
„ESF-Stipendium“ von monatlich 800 EUR,
das nach § 3 Nr. 44 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
steuerfrei sei. Dieser Auffassung schloss sich das FA A sowohl im
ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012
als auch in den Bescheiden für die Jahre 2013 und 2014,
für die die Klägerin erstmals mit dem Kläger und
Revisionskläger zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurde,
an. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
|
|
|
7
|
Zahlungen seitens der GmbH hatte die
Klägerin für die Streitjahre nicht erklärt.
|
|
|
8
|
Erst im Februar 2016 erhielt das FA A durch
eine Kontrollmitteilung Kenntnis, dass die Klägerin nicht nur
von S, sondern auch von der GmbH Stipendienzahlungen bezogen
hatte.
|
|
|
9
|
Das inzwischen durch einen Wohnsitzwechsel
der Kläger zuständig gewordene FA Y änderte
daraufhin die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre
nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung und erfasste den
von der GmbH gezahlten Anteil des Stipendiums als Einkünfte
aus freiberuflicher Tätigkeit (2012: 4.800 EUR; 2013 und 2014:
jeweils 9.600 EUR). Es meinte, insoweit lägen die
Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44
EStG nicht vor.
|
|
|
10
|
Über die hiergegen von der
Klägerin (für 2012) bzw. von den Klägern (2013 und
2014) eingelegten Einsprüche entschied der nunmehr - infolge
eines erneuten Wechsels des Wohnsitzes - zuständig gewordene
Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) jeweils durch
Teil-Einspruchsentscheidung. Das FA wies die Einsprüche als
unbegründet zurück, soweit die Kläger auch für
die Zahlungen der GmbH eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44
EStG beanspruchten. Es sei direkt von der GmbH an die Klägerin
und damit nicht aus öffentlichen Mitteln gezahlt worden. Wegen
des seinerzeit noch anhängigen Revisionsverfahrens VI R 29/16
entschied das FA zunächst nicht über die von ihm in den
Einspruchsverfahren selbst aufgegriffene Rechtsfrage, inwieweit die
von der Klägerin geltend gemachten und bislang als
vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit berücksichtigten Aufwendungen
für die Promotion im Hinblick auf den steuerfrei belassenen
Anteil des von S gezahlten Stipendiums rückgängig zu
machen seien.
|
|
|
11
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(EFG 2021, 25 = SIS 20 17 10). Es
vertrat die Ansicht, die Zahlungen der GmbH seien steuerbare
wiederkehrende Bezüge gemäß § 22 Nr. 1 EStG.
Die Bezüge seien nicht nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei,
da die Förderungen durch die GmbH privat finanziert, d.h. die
Leistungen nicht aus öffentlichen Mitteln im Sinne der
Vorschrift gewährt worden seien. Maßgeblich sei der
Zahlungsweg. Der Finanzierungsanteil der GmbH sei nicht Gegenstand
des Zuwendungsbescheids der B gewesen. Auch im Übrigen sei die
GmbH keine begünstigte Geberin i.S. von § 3 Nr. 44
Sätze 1 und 2 EStG gewesen.
|
|
|
12
|
Die Kläger vertreten mit ihrer
Revision die Ansicht, der Finanzierungsanteil der GmbH sei bereits
nicht steuerbar. Es lägen insbesondere keine sonstigen
Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 EStG vor, da die
Klägerin keine Gegenleistung zu erbringen gehabt habe. Die
Zahlungen der GmbH seien an keine besonderen Bedingungen
geknüpft gewesen; die Klägerin sei in der Gestaltung und
Erarbeitung ihrer Promotion frei gewesen. Der Zahlungsweg von der
GmbH an die Klägerin sei zudem kein geeignetes Kriterium, die
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG auszuschließen. Zu
berücksichtigen sei, dass B als Bewilligungsstelle die
Zahlungen der GmbH kontrolliert habe. Auch widerspreche es dem Sinn
und Zweck des § 3 Nr. 44 EStG, dessen Anwendung davon
abhängig zu machen, ob die Mittel aus der Mitfinanzierung
eines Stipendiums durch einen privatwirtschaftlichen Geber direkt
an den Stipendiaten gezahlt würden oder zunächst an eine
öffentliche Stelle flössen. Das
Steuervereinfachungsgesetz (StVereinfG) vom 01.11.2011 (BGBl I
2011, 2131), durch das auf das noch in § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG
a.F. enthaltene Unmittelbarkeitskriterium verzichtet worden sei,
belege, dass es dem Gesetzgeber nicht auf den Zahlungsweg
ankomme.
|
|
|
13
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
|
|
für das Streitjahr 2012 das
angefochtene Urteil sowie die Teil-Einspruchsentscheidung vom
22.01.2018 und den Einkommensteuerbescheid vom 23.08.2016
aufzuheben.
|
|
|
14
|
Beide Kläger beantragen
sinngemäß,
|
|
für die Streitjahre 2013 und 2014 das
angefochtene Urteil sowie die Teil-Einspruchsentscheidung vom
22.01.2018 und die Einkommensteuerbescheide vom 23.08.2016
aufzuheben.
|
|
|
15
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
16
|
Das FA ordnet die von der GmbH bezogenen
Zahlungen als wiederkehrende Bezüge gemäß § 22
Nr. 1 Satz 1 EStG ein. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der Klägerin sei hierdurch erhöht worden. Eine
Gegenleistung des Zahlungsempfängers sei tatbestandlich nicht
erforderlich. Die Steuerbarkeit sei nicht nach § 22 Nr. 1 Satz
2 Halbsatz 1 EStG ausgeschlossen, da für die GmbH kein
steuerrechtliches Abzugsverbot für die Zahlungen bestanden
habe. Auch die Existenz des § 3 Nr. 44 EStG belege, dass
Stipendien zumindest steuerbar seien.
|
|
|
17
|
Die Voraussetzungen für eine
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG lägen nicht vor.
Satz 1 der Vorschrift sei nicht einschlägig, da der von der
GmbH erbrachte Teil des Stipendiums nicht aus öffentlichen
Mitteln stamme. Auch der Wortlaut des § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG
sei nicht erfüllt, da dieser Teil des Stipendiums nicht durch
einen in der Norm genannten Förderer gegeben worden sei. Eine
analoge Anwendung der Vorschrift sei nicht möglich. Hiergegen
spreche bereits der Zahlungsweg. Der vorliegende Sachverhalt
könne nicht mit denen verglichen werden, die im
Stipendienprogramm-Gesetz (StipG) geregelt seien. Dies sei bereits
deshalb ausgeschlossen, da die GmbH - anders als private
Mittelgeber im Sinne des StipG - umfangreiche
Einflussmöglichkeiten sowohl bei der Auswahl des Stipendiaten
als auch bei den Modalitäten der Bewilligung der
Förderung gehabt habe.
|
|
|
18
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
|
|
|
19
|
Das FG hat rechtsfehlerhaft nicht
gewürdigt, ob die Zahlungen aus dem
„ESF-Stipendium“ überhaupt
als steuerbare sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1
EStG einzuordnen sind (dazu unten 1.). Diese Frage kann nicht
offenbleiben, da die Zahlungen - wären sie steuerbar - nicht
nach § 3 Nr. 44 EStG steuerbefreit wären; der prozessuale
Erfolg der Kläger hängt somit davon ab, ob die Leistungen
aus dem Stipendium einen Einkünftetatbestand erfüllen
(unten 2.).
|
|
|
20
|
1. Die Vorinstanz ist ohne Würdigung der
zwischen der Klägerin, von S und der GmbH bestehenden
Bestimmungen zum „ESF-Stipendium“
und ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass die
von der GmbH bezogenen Zahlungen von monatlich 800 EUR als
steuerbare wiederkehrende Bezüge gemäß § 22
Nr. 1 EStG zu qualifizieren sind. Dieser entscheidungserhebliche
Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils.
|
|
|
21
|
Zu den - vorliegend allein in Betracht zu
ziehenden - sonstigen Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 Satz
1 Nr. 7 EStG zählen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1
Halbsatz 1 EStG Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen;
nach Satz 3 Buchst. b der Vorschrift gehören hierzu auch
Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als
wiederkehrende Bezüge gewährt werden.
|
|
|
22
|
a) Der erkennende Senat hat in seiner
Entscheidung vom 08.07.2020 - X R 6/19 (BFHE 269, 556, BStBl II
2021, 557 = SIS 20 19 66) den Zufluss von Stipendien nicht von
vornherein vom Einkünftetatbestand des § 22 Nr. 1 EStG
ausgenommen und dies damit begründet, dass die finanzielle
Unterstützung des Stipendiaten dessen wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit erhöht (Rz 27). Aus den
differenzierenden Regelungen in § 22 Nr. 1 Satz 2 und der
hiermit korrelierenden Vorschrift des § 12 Nr. 2 EStG hat der
Senat allerdings abgeleitet, dass ein Stipendiat jedenfalls dann
keine steuerbaren Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 bzw.
Satz 3 Buchst. b EStG erzielt, wenn er hierfür keine wie auch
immer geartete wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat.
Allein das durch das Stipendium geförderte Vorhaben stellt
keine solche Gegenleistung dar, da es nicht deshalb
durchgeführt wird, um Einnahmen in Form von
Stipendienzahlungen zu erzielen (dort ausführlich Rz 28 ff.,
36).
|
|
|
23
|
b) An diesen Rechtsgrundsätzen hält
der Senat auch unter Berücksichtigung der vom FA mit der
Revisionserwiderung vorgebrachten Erwägungen fest.
|
|
|
24
|
aa) Das FA führt zunächst an, dass
die von der GmbH bezogenen Zahlungen bereits deshalb steuerbar sein
müssten, da dieser hierfür ein Betriebsausgabenabzug
zugestanden habe. Das in § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG
verankerte Prinzip einer korrespondierenden steuerrechtlichen
Behandlung der Bezüge auf Geber- und Empfängerseite
wäre gestört, würde man eine Steuerbarkeit
ausschließen.
|
|
|
25
|
(1) Dieser Einwand greift nicht durch. Das FA
merkt zwar zutreffend an, dass der Vorschrift des § 22 Nr. 1
Satz 2 Halbsatz 1 EStG ein Korrespondenzprinzip zugrunde liegt,
wonach eine Besteuerung wiederkehrender Bezüge nicht
gerechtfertigt ist, wenn dem Geber wegen eines ihn treffenden
Abzugsverbots nach § 12 Nr. 2 EStG eine steuerliche Entlastung
versagt bleibt (BT-Drucks. 16/10189, S. 51; Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 04.04.1989 - X R 14/85, BFHE 157, 88,
BStBl II 1989, 779 = SIS 89 19 05, unter 1.b; vom 25.10.1994 - VIII
R 79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121 = SIS 95 01 01, unter
II.1.c dd, sowie in BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557 = SIS 20 19 66, Rz 29, m.w.N.). Dieses Abzugsverbot findet bei
körperschaftsteuerpflichtigen Subjekten keine Anwendung
(Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.11.1983 - GrS
2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160 = SIS 84 05 10, unter
C.I.2.b aa; Brandis/Heuermann/Pfirrmann, § 10 KStG Rz 13).
Entsprechende Aufwendungen können jedoch unter den
Voraussetzungen des § 10 Nr. 1 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vom
körperschaftsteuerlichen Abzug ausgeschlossen sein.
|
|
|
26
|
(2) Das Korrespondenzprinzip verlangt
allerdings nicht, dass im konkreten Einzelfall festgestellt wird,
ob ein Abzug und eine Versteuerung auf Geber- und
Empfängerseite sichergestellt ist. Insbesondere hängt die
Anwendung jenes Prinzips nicht von der Rechtsform des Mittelgebers
und dem für ihn geltenden Besteuerungsregime ab. Entscheidend
ist allein, ob die wiederkehrenden Bezüge freiwillig oder
aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht
gewährt werden, was dann der Fall ist, wenn der Empfänger
keine wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat (BFH-Urteile
vom 28.07.1983 - IV R 174/80, BFHE 139, 367, BStBl II 1984, 97 =
SIS 84 02 38, unter II.2.a, sowie in BFHE 269, 556, BStBl II 2021,
557 = SIS 20 19 66, Rz 30), sodass die Zahlung beim Geber -
unterläge er dem Einkommensteuerregime - vom Abzugsverbot des
§ 12 Nr. 2 EStG erfasst wäre.
|
|
|
27
|
bb) Auch die Existenz der
Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 44 EStG zwingt nicht
dazu, den Zufluss von Stipendien stets zumindest als steuerbar zu
qualifizieren. Der Katalog der Befreiungstatbestände des
§ 3 EStG erklärt zum Teil Einnahmen für steuerfrei,
die bereits nicht steuerbar sind (BFH-Urteil in BFHE 175, 439,
BStBl II 1995, 121 = SIS 95 01 01, unter II.1.c ff). Insbesondere
der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG wird außerhalb
einer Einkünftezuordnung gemäß §§ 18, 19
EStG lediglich deklaratorische Bedeutung beigemessen (Senatsurteil
in BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557 = SIS 20 19 66, Rz 25;
Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 3 Nr. 44 EStG
Rz 1; vgl. auch Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und
Spendenrecht, 5. Aufl., Rz 9.61).
|
|
|
28
|
cc) Seine Aussage, die konstitutive Wirkung
des § 3 Nr. 44 EStG werde durch die Änderung jener
Vorschrift durch das StVereinfG 2011 unterstrichen, wird vom FA
nicht konkretisiert; sie kann vom Senat auch nicht nachvollzogen
werden. Der mit dem StVereinfG 2011 umgesetzte Verzicht auf das
zuvor tatbestandlich nach Satz 1 der Vorschrift geltende
Erfordernis einer Unmittelbarkeit der Zahlung des begünstigten
Stipendiengebers an den Stipendiaten hatte ausschließlich
verwaltungspraktische Erwägungen (vgl. BT-Drucks. 17/5125, S.
35). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hierdurch die
Vorschrift auch für die Einkünfte i.S. von § 22 Nr.
1 EStG als konstitutiv habe ausgestalten wollen, bestehen
nicht.
|
|
|
29
|
c) Das FG, das die oben dargelegten
Rechtsgrundsätze nicht erwogen hat und in Bezug auf die
Senatsentscheidung in BFHE 269, 556, BStBl II 2021, 557 = SIS 20 19 66 auch noch nicht erwägen konnte, wird unter
Berücksichtigung der nachfolgenden Hinweise zu würdigen
haben, ob den Zahlungen eine wirtschaftliche Gegenleistung der
Klägerin gegenüberstand.
|
|
|
30
|
aa) Der vorliegende Streit betrifft im Kern
zwar nur die einkommensteuerrechtliche Beurteilung der von der GmbH
zugeflossenen Leistungen. Hinsichtlich der von S gewährten
Zuwendungen (ebenfalls 800 EUR/Monat) gehen die Beteiligten
hingegen übereinstimmend nicht von einer
Einkommensteuerpflicht aus.
|
|
|
31
|
Dennoch ist für die Frage, ob die
Zahlungen der GmbH dem Einkünftetatbestand des § 22 Nr. 1
EStG unterfallen, eine einheitliche Betrachtung des aus
öffentlichen und privaten Mitteln erbrachten
Finanzierungsanteils geboten. Beide Anteile sind unabdingbar
miteinander verwoben, der Bezug des einen Förderungsanteils
wäre ohne den jeweils anderen nicht möglich gewesen.
|
|
|
32
|
(1) Die Zuwendungen von S aus
öffentlichen Mitteln wurden als
„Anteilsfinanzierung“
gewährt (A.V.1.c RL ESF). Deren Bewilligung hing davon ab,
dass sich ein sächsisches Unternehmen mindestens in Höhe
des aus öffentlichen Mitteln gespeisten Anteils an der
Finanzierung des Industriepromotionsvorhabens beteiligt (B.I.5. RL
ESF). Aus diesem Grund musste die Klägerin bereits mit ihrem
Antrag auf Bewilligung des Stipendiums den Entwurf einer
Kooperationsvereinbarung mit der GmbH und der Universität
vorlegen (B.I.8. RL ESF). Sie war zudem gegenüber S bzw. B
verpflichtet, regelmäßig die Zahlungen der GmbH
nachzuweisen (Ziff. 5.20. der Bestimmungen des Zuwendungsbescheids
von S).
|
|
|
33
|
(2) Auf der anderen Seite stand die
Zahlungspflicht der GmbH unter dem Vorbehalt der Gewährung des
„ESF-Stipendiums“ durch S. Die
Verknüpfung beider Finanzierungsanteile ergibt sich ferner aus
Ziff. 5.1. des Zuwendungsbescheids, wonach die
Kooperationsvereinbarung Bestandteil jenes Bescheids wurde und
schließlich aus den Schlussbestimmungen der
Kooperationsvereinbarung, in denen es u.a. heißt, die
Bestimmungen des Zuwendungsgebers (= S) gingen den Regelungen der
Kooperationsvereinbarung „in jedem
Falle“ vor.
|
|
|
34
|
bb) Nach Maßgabe der Bestimmungen des
Zuwendungsbescheids und der Inhalte der Kooperationsvereinbarung
zwischen der Klägerin und der GmbH wird das FG zu beurteilen
haben, ob die Stipendienzahlungen gegenleistungsfrei zugeflossen
sind.
|
|
|
35
|
Zwar wird die Pflicht der Klägerin, ihre
Arbeitskraft der Promotion zu widmen (vgl. A.III.2. RL ESF; Ziff.
5.26. des Zuwendungsbescheids, sowie Kooperationsvereinbarung
„Durchführung“) nicht als
Gegenleistung im wirtschaftlichen Sinn, sondern als eine lediglich
Selbstverständliches wiedergebende Erwartungshaltung der
Mittelgeber anzusehen sein. Nichts anderes dürfte für die
im Zuwendungsbescheid der B geregelten Berichts-, Mitteilungs- und
Veröffentlichungspflichten (dort Ziff. 5.18.-20.) sowie
für die Pflicht zur Ablieferung eines Pflichtexemplars der
Dissertationsschrift (Ziff. 5.21.) gelten.
|
|
|
36
|
Allerdings kann die bei Stipendien jedenfalls
nicht allgemeinübliche Pflicht, die aus dem geförderten
Vorhaben gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse innerhalb einer
bestimmten Bindungsfrist ausschließlich im Geber-Bundesland
(S) beruflich zu verwerten (Ziff. 5.23.-24. des
Zuwendungsbescheids), jedenfalls nicht ohne Weiteres als
bloße Erwartungshaltung eingestuft werden. Insofern bedarf es
einer näheren - dem FG als Tatsacheninstanz obliegenden -
Würdigung, ob in dieser Verpflichtung eine konkretisierbare
wirtschaftliche Gegenleistung der Klägerin oder nur eine
abstrakte beschäftigungspolitische Zielsetzung von S zu sehen
ist.
|
|
|
37
|
2. Im Streitfall kann nicht offenbleiben, ob
die streitigen Zahlungen der GmbH steuerbar sind. Wäre dies
der Fall, unterlägen sie auch der Besteuerung, da eine
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG - dem vorliegend einzig
in Betracht zu ziehenden Tatbestand - nicht eingriffe.
|
|
|
38
|
a) Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 44 Satz 1
EStG und unter den weiteren Voraussetzungen des Satzes 3 der
Vorschrift Stipendien, die aus öffentlichen Mitteln oder von
zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen
die Bundesrepublik Deutschland angehört, zur Förderung
der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder
künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt
werden. Das Gleiche gilt gemäß § 3 Nr. 44 Satz 2
EStG für Stipendien, die zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken
von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder
von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder
Vermögensmasse i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gegeben
werden.
|
|
|
39
|
b) Bei einer hinsichtlich der Steuerbefreiung
gebotenen differenzierenden Betrachtung der beiden
Finanzierungsanteile des
„ESF-Stipendiums“ (dazu unten aa)
lägen in Bezug auf die Zahlungen der GmbH weder die
Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG (unten bb) noch
diejenigen des Satzes 2 der Vorschrift (unten cc) vor. Da auch eine
analoge Anwendung der beiden Vorschriften nicht in Betracht kommt
(unten dd), muss der Senat nicht entscheiden, ob die besonderen
Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44
Satz 3 Buchst. a und b EStG erfüllt wären (unten ee).
|
|
|
40
|
aa) Wird ein hinsichtlich seines Rechtsgrunds
einheitliches Stipendium - wie im Streitfall - von mehreren Gebern
gewährt bzw. gegeben, ist im Einklang mit der Vorinstanz
insoweit differenzierend zu beurteilen, ob die Voraussetzungen
für eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 44 EStG
vorliegen. Hiergegen ließe sich zwar der Wortlaut der
Sätze 1 und 2 anführen, in denen es jeweils
„Stipendien, die ...“ und nicht
„Stipendien, soweit sie ...“
heißt. Eine derart strenge Wortlautbetrachtung könnte
allerdings zu dem sinn- und zweckwidrigen Ergebnis führen,
dass bspw. ein Stipendium, das sich weit überwiegend aus
öffentlichen und nur in geringem Umfang aus nicht
öffentlichen Mitteln speist, in Gänze steuerpflichtig
wäre, da in diesem Fall weder die Voraussetzungen des Satzes 1
der Vorschrift noch diejenigen des Satzes 2 erfüllt
wären.
|
|
|
41
|
bb) Das FG hat zutreffend entschieden, dass
hinsichtlich der von der GmbH an die Klägerin erbrachten
Zahlungen aus dem
„ESF-Stipendium“ eine
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG ausgeschlossen
wäre, da das Stipendium insoweit nicht aus öffentlichen
Mitteln im Sinne der Vorschrift gewährt worden ist.
|
|
|
42
|
(1) Öffentliche Mittel sind solche, die
aus einem öffentlichen Haushalt stammen, d.h.
haushaltsmäßig als Ausgaben festgelegt und verausgabt
werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 05.11.2014 - VIII R 29/11, BFHE
249, 1, BStBl II 2017, 432 = SIS 15 11 09, Rz 24, zum insoweit
gleichlautenden Tatbestandsmerkmal in § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG;
HHR/Bergkemper, § 3 Nr. 44 EStG Rz 2 sowie § 3 Nr. 11 Rz
5). Dies bedeutet, dass die Gelder von einem
öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen erhoben wurden, für
die Verausgabung haushaltsrechtliche Grundsätze gelten und die
Verwendung einer gesetzlich geregelten Kontrolle unterliegt
(Tormöhlen in Korn, § 3 Nr. 44 EStG Rz 2). Unter diesen
Voraussetzungen steht einer Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn
die Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse,
sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden (BFH-Urteil in
BFHE 249, 1, BStBl II 2017, 432 = SIS 15 11 09, Rz 25, m.w.N.).
|
|
|
43
|
(2) Diesen Anforderungen genügen die
Zahlungen der GmbH an die Klägerin nicht. Die verausgabten
Mittel stammten aus dem Unternehmensvermögen der GmbH. Sie
unterlagen keiner öffentlich-rechtlichen Haushaltsbindung. Der
GmbH stand es zudem offen, einen höheren Finanzierungsanteil
als den monatlichen Mindestbetrag von 800 EUR zu übernehmen
(vgl. B.I.5. RL ESF „... mindestens
...“).
|
|
|
44
|
(3) Die von der GmbH erbrachte Finanzierung
ist auch nicht deshalb den öffentlichen Mitteln
gleichzusetzen, da die Kooperationsvereinbarung zwischen der
Klägerin und der GmbH Bestandteil des Zuwendungsbescheids war
und die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung der GmbH einer
öffentlichen Kontrolle unterlag. Beides diente nur der
Umsetzung des geteilt finanzierten
„ESF-Stipendiums“, konnte aber
nichts an dem fehlenden öffentlich-rechtlichen Charakter der
von der GmbH aufgebrachten Mittel ändern. Gleiches gilt
für den von den Klägern angeführten Umstand, dass es
nur S bzw. B zustand, die Bewilligung des (gesamten) Stipendiums zu
widerrufen.
|
|
|
45
|
(4) Die Einschätzung der Kläger, der
Gesetzgeber habe mit dem Verzicht auf das
Unmittelbarkeitserfordernis in § 3 Nr. 44 Satz 1 EStG
(StVereinfG 2011) deutlich machen wollen, dass der Zahlungsweg
für die Steuerbefreiung grundsätzlich nicht mehr
entscheidend sei, teilt der Senat nicht. Durch die gesetzliche
Anpassung sollte lediglich sichergestellt werden, dass auch
Förderungen, die den Stipendiaten über einen Dritten
(eine Zahlstelle) - d.h. nur mittelbar aus öffentlichen
Mitteln - erreichen, steuerlich begünstigt sind (vgl. hierzu
BT-Drucks. 17/5125, S. 35, sowie Hüttemann, a.a.O., Rz 9.70).
Der Gesetzesbegründung kann dagegen nicht entnommen werden,
dass auch Zahlungen, die - wie im Streitfall - nicht aus
öffentlichen, sondern aus privaten Mitteln herrühren,
steuerbefreit werden sollten. Dies stünde zudem in einem
unauflöslichen Widerspruch zum Gesetzeswortlaut.
|
|
|
46
|
cc) Auch die Voraussetzungen des § 3 Nr.
44 Satz 2 EStG sind nicht erfüllt. Die GmbH ist kein
tatbestandlich begünstigter Stipendiengeber. Sie ist weder
eine Einrichtung, die von einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts errichtet oder verwaltet ist, noch hat das
FG festgestellt, dass die GmbH die Voraussetzungen für eine
Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG
erfüllt.
|
|
|
47
|
dd) Eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 44
Satz 1 bzw. Satz 2 EStG auf die vorliegende Konstellation kommt
nicht in Betracht. Es fehlt an einer hierfür erforderlichen
planwidrigen Regelungslücke (vgl. hierzu Senatsurteil vom
28.10.2020 - X R 29/18, BFHE 271, 370, BStBl II 2021, 675 = SIS 21 07 66, Rz 33 f., m.w.N.). Für den Senat sind keine
Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme erlaubten, der
Gesetzgeber habe auch die Finanzierung von Stipendien durch nicht
öffentlich-rechtlich gebundene bzw. kontrollierte oder
nicht-altruistisch tätige Geber steuerlich begünstigen
wollen.
|
|
|
48
|
Der sowohl im erstinstanzlichen als auch im
Revisionsverfahren von den Beteiligten gezogene Vergleich zum sog.
Deutschlandstipendium verfängt nicht. Jenes Stipendium setzt
sich zwar auch aus öffentlichen und - von den Hochschulen
eingeworbenen - privaten Fördermitteln zusammen (vgl. §
11 Abs. 1 StipG). In Gänze
„gegeben“ i.S. von § 3 Nr.
44 Satz 2 EStG werden diese Mittel aber von der jeweiligen
Hochschule (§ 2 Abs. 4 StipG). Diese Art der Stipendienvergabe
ist mit den Abläufen und Zahlungsströmen des im
Streitfall zu beurteilenden
„ESF-Stipendiums“ nicht
vergleichbar.
|
|
|
49
|
ee) Da es in Bezug auf die Zahlungen der GmbH
- wären sie steuerbar - bereits an den Grundvoraussetzungen
für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 Satz 1 bzw. 2
EStG fehlt, kann der Senat offenlassen, ob die zusätzlichen
Voraussetzungen nach Satz 3 der Vorschrift im Streitfall
erfüllt wären. Insbesondere muss nicht erwogen werden, ob
die Klägerin im Zusammenhang mit dem
„ESF-Stipendium“ aus den oben
genannten Gründen zu einer bestimmten wissenschaftlichen
Gegenleistung verpflichtet war (§ 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b
EStG).
|
|
|
50
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
|