Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 02.09.2020 - 2 K
159/19 = SIS 20 17 75 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2016 zur
Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger ist
Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks (V). Er
vollendete im Oktober 2009 das 65. Lebensjahr.
|
|
|
2
|
Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 der Satzung
des V haben Mitglieder, die - wie der Kläger - bis zum
31.12.2010 in das Versorgungswerk eingetreten und bis
einschließlich 1950 geboren sind, mit Vollendung des 65.
Lebensjahres (Altersgrenze) Anspruch auf lebenslange Altersrente.
Auf Antrag dieser Mitglieder wird die Altersrente schon vor
Erreichen der Altersgrenze gewährt, jedoch frühestens vom
vollendeten 60. Lebensjahr an, wobei von den Rentenanwartschaften
Abschläge vorzunehmen sind (§ 13 Abs. 1 Sätze 4 bis
6 der Satzung). Umgekehrt wird auf Antrag der Beginn der
Rentenzahlung über die Altersgrenze hinaus aufgeschoben,
jedoch längstens für die Dauer von 36 Monaten nach
Erreichen der Altersgrenze. In diesem Fall gewährt V
Zuschläge zu der nach der regulären Altersgrenze
erworbenen Rentenanwartschaft, die sich bei einem Aufschub von 36
Monaten auf 21,5 % belaufen; das Mitglied ist berechtigt, weitere
Beiträge zu leisten (§ 13 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 der
Satzung). Der Anspruch auf Zahlung der Altersrente beginnt mit dem
Monat, in dem der Anspruch entsteht (§ 13 Abs. 7 Satz 2 der
Satzung).
|
|
|
3
|
Der Kläger beantragte bei V, den
Beginn der Rentenzahlung um den höchstmöglichen Zeitraum
von 36 Monaten hinauszuschieben. V stimmte dem zu und formulierte
dabei, „dass Ihrem Antrag, den Beginn der Rentenzahlung ...
hinauszuschieben, stattgegeben wird“.
Während des Aufschubzeitraums leistete der Kläger weitere
Beiträge an V.
|
|
|
4
|
Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid
2016 vom 21.03.2018 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) Rentenzahlungen des V in Höhe von 49.582
EUR an, von denen er einen Rentenfreibetrag von 17.499 EUR abzog.
Dieser Rentenfreibetrag war ermittelt worden, indem das FA auf den
Rentenbetrag des dem tatsächlichen Beginn der Rentenzahlungen
folgenden Jahres (2013) den für einen Rentenbeginn im Jahr
2012 geltenden gesetzlichen Besteuerungsanteil von 64 % angewendet
hatte, so dass sich ein nicht der Besteuerung unterliegender Anteil
von 36 % ergab.
|
|
|
5
|
Die Kläger begehren demgegenüber,
von einem Rentenbeginn im Jahr 2009 - und damit von einem
Besteuerungsanteil von lediglich 58 % - auszugehen. Schon damals
habe ein Anspruch auf Altersrente bestanden; nur der
tatsächliche Rentenbeginn sei hinausgeschoben worden. Nach der
Satzung des V stelle sich die Rechtslage so dar, dass der
Kläger die Rente bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres
erhalten habe, diesen Betrag aber sogleich wieder dem V zur
Erhöhung seiner Rentenansprüche zur Verfügung
gestellt habe. Damit sei der
„Rentenbeginn“ bereits mit dem Eintritt
des Anspruchs auf Rentenzahlung im Jahr 2009 eingetreten.
|
|
|
6
|
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner
klageabweisenden Entscheidung (EFG 2021, 41 = SIS 20 17 75) aus, es
sei bereits zweifelhaft, ob der Kläger im Streitjahr 2016 den
schon im Jahr 2013 festgelegten Besteuerungsanteil im Hinblick auf
eine etwaige Bindungswirkung dieser Festlegung überhaupt noch
angreifen könne. Jedenfalls sei der Rentenfreibetrag vom FA
zutreffend ermittelt worden. Rentenbeginn i.S. des § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) sei das Jahr der ersten
tatsächlichen Rentenzahlung. Schon der Gesetzeswortlaut
spreche eher für ein Abstellen auf ein tatsächliches
Ereignis als auf einen möglichen Rechtsanspruch. Auch die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen werde
erst ab der tatsächlichen Zahlung erhöht, nicht aber
durch einen bloßen Rechtsanspruch, dessen Erfüllung
zunächst hinausgeschoben werde. Zudem würde die
Auffassung der Kläger zu erhöhtem Verwaltungsaufwand
führen, da der einheitliche Rentenzahlbetrag für
steuerliche Zwecke in vier Teilansprüche zerlegt werden
müsste. Denn neben dem bereits im Jahr 2009 erdienten
Hauptteil wären die in den Jahren 2010 bis 2012 jeweils
erdienten zusätzlichen Beträge mit individuell zu
ermittelnden Rentenfreibeträgen auf der Grundlage anderer
Prozentsätze anzusetzen.
|
|
|
7
|
Mit ihrer Revision verfolgen die
Kläger ihr Begehren weiter. Sie halten eine Auslegung des
Begriffs „Rentenbeginn“ für
unergiebig, da dieser Begriff „außerordentlich
mehrdeutig“ sei. Auch die Berufung des FG auf
das Leistungsfähigkeitsprinzip überzeuge nicht, da die
Auffassung des FG zu dem Ergebnis führe, dass derjenige mehr
Steuern zahle, der die Rente später erhalte.
|
|
|
8
|
Das zutreffende Ergebnis folge vielmehr aus
der Entstehungsgeschichte des Alterseinkünftegesetzes
(AltEinkG) und aus verfassungsrechtlichen Erwägungen. Der
Gesetzgeber habe Bezüge aus Rentenanwartschaften, die im
Zeitpunkt des Rentenbeginns schon zu größeren Teilen
angewachsen gewesen seien, zu größeren Teilen steuerfrei
stellen wollen als Bezüge aus Rentenanwartschaften, die im
Zeitpunkt des Rentenbeginns noch in geringeren Teilen angewachsen
gewesen seien. Es sei sachwidrig, an letztlich beliebige Zeitpunkte
der Auszahlung von Renten anzuknüpfen und damit dem jeweiligen
Rentenberechtigten die Wahl seines Steuersatzes zu überlassen.
Dann würde derjenige, der eine frühzeitige Auszahlung
wähle, niedrigere Steuern zahlen als derjenige, der eine
spätere Auszahlung wähle. Dies verletze Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG). Zudem handele es sich um eine echte
Rückwirkung, da der Gesetzgeber in die schon vor dem
Inkrafttreten des AltEinkG bestehende Möglichkeit der freien
Wahl des Zeitpunkts der Rentenzahlung eingegriffen habe.
|
|
|
9
|
Der Kläger habe letztlich zwei
Rentenansprüche erworben: Die um einen Zuschlag erhöhte
Rente aus der bereits bis zur Regelaltersgrenze erworbenen
Anwartschaft habe mit der Möglichkeit, die Rente auch noch
durch während der Aufschubzeit geleistete freiwillige
Beiträge zu erhöhen, nichts zu tun. Auch ohne die
Leistung freiwilliger Beträge werde die Rente dadurch, dass
die Auszahlung verschoben werde, entsprechend erhöht. Die
Anwendung eines einheitlichen Jahrs des Rentenbeginns auf beide
Rentenbeträge führe zu einer unzulässigen doppelten
Besteuerung.
|
|
|
10
|
Die Kläger beantragen,
|
|
das angefochtene Urteil und die
Einspruchsentscheidung vom 21.10.2019 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2016 vom 21.03.2018 dahingehend zu
ändern, dass der steuerfreie Teil der Rente in Bezug auf
denjenigen Rentenbetrag, der bereits bei einem Rentenbeginn am
01.10.2009 gezahlt worden wäre, nicht 36 %, sondern 42 %
beträgt.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
1. Leibrenten, die u.a. aus den
berufsständischen Versorgungswerken erbracht werden,
gehören zu den Einkünften aus wiederkehrenden
Bezügen, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen
(§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG).
Der Anteil, der der Besteuerung unterliegt, ist nach dem
„Jahr des Rentenbeginns“ und dem
für dieses Jahr maßgebenden Prozentsatz aus der in
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG
enthaltenen Tabelle zu entnehmen. Der Unterschiedsbetrag zwischen
dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden
Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente. Dieser gilt ab
dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die
gesamte Laufzeit des Rentenbezugs (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa Sätze 4 und 5 EStG).
|
|
|
14
|
2. Entgegen der vom FG angedeuteten Auffassung
lässt sich dieser Regelungssystematik nicht entnehmen, dass
der erstmals für das dem Jahr des Rentenbeginns folgende Jahr
zu ermittelnde steuerfreie Teilbetrag der Rente für die
Folgejahre eine Bindungswirkung entfalten soll und damit ein
eventueller Fehler, der dem FA bei der Ermittlung des steuerfreien
Rententeilbetrags in dem genannten Jahr unterlaufen sein sollte,
zwingend auch in die Folgejahre zu übernehmen wäre.
|
|
|
15
|
a) Wie das FG im Ausgangspunkt noch zutreffend
erkannt hat, ist die in § 182 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung
(AO) vorgesehene Bindungswirkung auf Bescheide über die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen beschränkt.
Die Durchführung einer solchen gesonderten Feststellung setzt
gemäß § 179 Abs. 1 AO jedoch eine
ausdrückliche gesetzliche Anordnung entweder in der AO oder in
einem anderen Steuergesetz voraus. Daran fehlt es für die
Höhe des steuerfreien Rententeilbetrags. Damit gilt aber der
Grundsatz des § 157 Abs. 2 AO, wonach die
Besteuerungsgrundlagen einen mit Rechtsbehelfen nicht
selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids darstellen,
soweit sie nicht gesondert festgestellt werden. Aus dieser
fehlenden selbständigen Anfechtbarkeit folgt zugleich ihre
fehlende Bindungswirkung für künftige
Veranlagungszeiträume.
|
|
|
16
|
b) Was das FG mit einer „materiellen
Bindungswirkung“ meint und aus welcher
Norm eine solche nach der Auffassung der Vorinstanz folgen sollte,
bleibt unklar. Jedenfalls müsste eine derartige materielle
Bindungswirkung der Ermittlung des steuerfreien Rententeilbetrags
für Folgejahre im Hinblick auf die damit eintretende
Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten auf eine klare
gesetzliche Anordnung gestützt werden können (vgl. zu
§ 20 Abs. 4 Satz 1 des Umwandlungsteuergesetzes 1995 Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 08.06.2011 - I R 79/10, BFHE 234,
101, BStBl II 2012, 421 = SIS 11 37 17, Rz 15, m.w.N.). Daran fehlt
es in den dargestellten Regelungen des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Dass der Rentenfreibetrag
grundsätzlich „für die gesamte Laufzeit des
Rentenbezugs“ gilt, bedeutet nicht die
Anordnung einer (rechtsschutzverkürzenden) Bindungswirkung,
sondern verdeutlicht lediglich das gesetzliche
Regelungskonzept.
|
|
|
17
|
3. Das FG hat jedenfalls im Ergebnis
zutreffend erkannt, dass als „Jahr des
Rentenbeginns“ in Bezug auf die
Altersrente des Klägers der Veranlagungszeitraum 2012
anzusehen ist, der Besteuerungsanteil somit 64 % beträgt und
sich der steuerfreie Teil der Rente auf 36 % des im Jahr 2013
bezogenen Rentenbetrags beläuft.
|
|
|
18
|
a) Schon nach der Rechtslage vor Inkrafttreten
des AltEinkG war die Höhe der - damals für die
Rentenbesteuerung maßgebenden - Ertragsanteile vom
„Beginn der Rente“ abhängig
und in einer Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 3
EStG a.F. geregelt. Hierzu hat der BFH entschieden, dass als
„Beginn der Rente“ der Zeitpunkt
des Entstehens des Rentenanspruchs - also die Erfüllung seiner
Voraussetzungen - anzusehen ist (BFH-Urteile vom 06.04.1976 - VIII
R 184/72, BFHE 118, 467, BStBl II 1976, 452 = SIS 76 02 44, m.w.N.;
vom 30.09.1980 - VIII R 13/79, BFHE 132, 26, BStBl II 1981, 155 =
SIS 81 09 01, und vom 14.11.2001 - X R 90/98, BFHE 197, 187, BStBl
II 2002, 191 = SIS 02 04 95, unter II.1.b).
|
|
|
19
|
Zu der ab 2005 geltenden - auch im Streitfall
anzuwendenden - Rechtslage hat der Senat ausgeführt, die
bisherige Rechtsprechung zum Begriff „Beginn der
Rente“ bleibe auch für den ab 2005 im
Gesetz verwendeten Begriff „Jahr des
Rentenbeginns“ maßgeblich, da sich
an ihren Grundlagen durch den Systemwechsel nichts geändert
habe und für die Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils der
Rente weiterhin das Jahr des Rentenbeginns entscheidend sei
(BFH-Urteil vom 09.12.2015 - X R 30/14, BFHE 252, 134, BStBl II
2016, 624 = SIS 16 02 81, Rz 20).
|
|
|
20
|
In rechtlicher Übereinstimmung damit -
allerdings terminologisch leicht abweichend - sieht die
Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
19.08.2013, BStBl I 2013, 1087 = SIS 13 22 88, Rz 220) als
„Rentenbeginn“ denjenigen
Zeitpunkt an, „ab dem die Rente (ggf. nach
rückwirkender Zubilligung) tatsächlich bewilligt wird
(siehe Rentenbescheid)“. Dem hat sich die
- soweit ersichtlich - einhellige Literaturauffassung angeschlossen
(Nacke in Brandis/Heuermann, § 22 EStG Rz 116; Fischer in
Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 22 Rz 39;
Neudenberger/Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG,
§ 22 Rz B 197; Stöcker in Bordewin/Brandt, § 22 Nr.
1 EStG Rz 176; BeckOK EStG/Hütte, 12. Ed. [01.03.2022], EStG
§ 22 Rz 353; Mues in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 22 Rz 116).
|
|
|
21
|
Das FG hat demgegenüber eine Formulierung
aus Rz 21 des bereits zitierten Senatsurteils in BFHE 252, 134,
BStBl II 2016, 624 = SIS 16 02 81 herangezogen und ausgeführt,
der Rentenbeginn liege in dem Jahr, in dem der Kläger die
Leistungen tatsächlich erhalten habe. Diese Formulierung war
jedoch ausschließlich auf den - hier nicht gegebenen -
Sonderfall bezogen, dass sich der Rechtsgrund einer ausgezahlten
Sozialleistung nachträglich geändert hatte und daher die
Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch anzuwenden war. Auch dort hat der Senat als
„Jahr des Rentenbeginns“ das Jahr
angenommen, in dem bei rückblickender, objektiv zutreffender
Betrachtung der Rentenanspruch rechtlich entstanden war, obschon er
zunächst in Gestalt einer anderweitigen Sozialleistung
ausgezahlt worden war.
|
|
|
22
|
Damit war auch in der genannten Entscheidung
für den Senat nicht etwa die erste tatsächliche Zahlung
(also der Zufluss), sondern eine rechtliche Betrachtung der
Anspruchsvoraussetzungen maßgebend (so ausdrücklich
bereits das insoweit grundlegende BFH-Urteil in BFHE 118, 467,
BStBl II 1976, 452 = SIS 76 02 44; kritisch zum vorinstanzlichen
Urteil auch Schüler-Täsch in Herrmann/Heuer/Raupach,
§ 22 EStG Rz 169).
|
|
|
23
|
b) Nach diesen Grundsätzen ist in
Fällen, in denen der Beginn des Renteneintritts auf Antrag des
Rentenberechtigten zur Erlangung eines höheren Rentenanspruchs
über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus aufgeschoben
wird, zur Bestimmung des „Jahres des
Rentenbeginns“ der Zeitpunkt
maßgeblich, den der Rentenberechtigte in Übereinstimmung
mit den entsprechenden Rechtsgrundlagen des für ihn geltenden
Versorgungssystems als Beginn der aufgeschobenen Altersrente
bestimmt.
|
|
|
24
|
c) Auf dieser Grundlage ist für den
Streitfall - in Übereinstimmung mit dem vom FG auf Basis
seiner abweichenden Definition gefundenen Ergebnis - von einem
Rentenbeginn zum 01.10.2012 auszugehen.
|
|
|
25
|
aa) Erst zu diesem Zeitpunkt war nach der vom
Kläger gegenüber V abgegebenen Erklärung und der
Satzung des V der Anspruch auf aufgeschobene Altersrente - der
wesentlich höher ist als der Anspruch auf Regelaltersrente und
daher mit diesem nicht identisch ist - entstanden. Auch V selbst
hat bei Bescheidung des Antrags des Klägers formuliert, der
„Beginn der Rentenzahlung“ werde
hinausgeschoben.
|
|
|
26
|
bb) Anders als die Kläger meinen,
lässt sich der Satzung des V nicht entnehmen, dass die
Altersrente auch im Fall des Aufschubs ihres Bezugs schon mit
Vollendung des 65. Lebensjahres des Rentenberechtigten zu laufen
beginnt, aber sogleich als für zusätzliche
Beitragszahlungen verwendet gilt. Im Gegenteil formuliert § 13
Abs. 1 Satz 7 der Satzung eindeutig, dass auf Antrag „der
Beginn der Rentenzahlung“ über die
Altersgrenze hinaus aufgeschoben wird. Dabei handelt es sich nicht
lediglich um eine Fälligkeitsregelung, sondern um eine
Bestimmung, die die Entstehung des Anspruchs betrifft. Damit ist
der satzungsrechtliche Begriff des „Beginns der
Rentenzahlung“ als
„Rentenbeginn“ i.S. des § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG anzusehen. Die
Satzung enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine
Rente schon vor dem „Beginn der
Rentenzahlung“ anfangen soll zu laufen,
sie aber zugleich als zusätzliche Beitragszahlung verwendet
wird. Eine solche Auslegung wäre zudem unvereinbar damit, dass
der Kläger bereits durch eigene Einzahlungen den nach der
Satzung des V höchstzulässigen Jahresbeitrag geleistet
hat und ihm die Leistung weiterer Beiträge daher
satzungsmäßig gar nicht mehr möglich gewesen
wäre.
|
|
|
27
|
cc) Im Gegensatz zur Auffassung der
Kläger bezieht der Kläger auch nicht zwei Renten, die zu
jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen begonnen
hätten. Vielmehr handelt es sich um eine einheitliche Rente,
in deren Bemessung sowohl die - um einen Zuschlag erhöhten -
bis zum Erreichen der Regelaltersgrenzen erworbenen Anwartschaften
eingehen als auch die durch freiwillige Beiträge nach
Erreichen der Regelaltersgrenze erlangten weiteren Anwartschaften.
Die Satzung des V enthält keine Bestimmung, aus der man eine
Grundlage für die von den Klägern vertretene Aufspaltung
in zwei Renten ableiten könnte. Auch die Kläger haben auf
Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keine derartige
Satzungsregelung benennen können.
|
|
|
28
|
d) Die von den Klägern - allerdings ohne
Anführung verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung oder
einschlägiger Literatur - angestellten verfassungsrechtlichen
Erwägungen können der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg
verhelfen.
|
|
|
29
|
aa) Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
|
|
|
30
|
(1) Der Senat hat bereits mehrfach - auch
bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) -
entschieden, dass im Rahmen der gesetzlichen Übergangsregelung
für die Umstellung von der Ertragsanteilsbesteuerung auf die
nachgelagerte Besteuerung der Altersbezüge aus der
Basisversorgung auch gröbere Typisierungen und
Generalisierungen zulässig sind (Senatsurteil vom 19.05.2021 -
X R 33/19, BFHE 273, 266 = SIS 21 08 95, Rz 17 f., mit zahlreichen
Nachweisen auch auf die Rechtsprechung des BVerfG). Diese
verfassungsrechtlich zulässigen Typisierungen umfassen auch
den Umstand, dass der Gesetzgeber den steuerfreien Rententeilbetrag
vom Zeitpunkt des jeweiligen Jahres des Rentenbeginns abhängig
machen durfte. Insoweit hat er zudem lediglich die schon vor dem
Inkrafttreten des AltEinkG bestehende Typisierung fortgeführt
(zum Typisierungsgedanken bei dem im Rahmen der früheren
Ertragsanteilsbesteuerung verwendeten Begriff „Beginn der
Rente“ schon BFH-Urteil in BFHE 132, 26,
BStBl II 1981, 155 = SIS 81 09 01).
|
|
|
31
|
Zudem hat der BFH entschieden, dass Art. 3
Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt wird, dass bei einer
Rentennachzahlung - unabhängig vom Zeitpunkt des Zuflusses des
Nachzahlungsbetrags und dem erstmaligen Einsetzen laufender
Zahlungen - auf den Zeitpunkt des Entstehens des Rentenanspruchs
abgestellt wird, weil Fälle rechtzeitiger und verspäteter
Antragstellung voneinander verschieden sind und daher auch zu
verschiedenen steuerlichen Folgen führen können
(BFH-Urteil in BFHE 118, 467, BStBl II 1976, 452 = SIS 76 02 44).
Dies gilt auch im vorliegenden Zusammenhang, da Fälle der
Inanspruchnahme der Altersrente mit Erreichen der Regelaltersgrenze
(im Fall des Klägers noch die Vollendung des 65. Lebensjahres)
nicht identisch sind mit Fällen, in denen der Beginn der
Rentenzahlung um drei Jahre hinausgeschoben wird. Die Abstellung
auf das Jahr des jeweiligen Rentenbeginns beruht daher auf einem
sachlichen Grund und nimmt die Unterschiede der verwirklichten
Sachverhalte - die hier zudem vom Willen des Steuerpflichtigen
abhängig und daher von ihm beeinflussbar sind - auf.
|
|
|
32
|
Darüber hinaus hat das FG zutreffend
darauf hingewiesen, dass der vom Gesetzgeber - in
verfassungsrechtlich zulässiger Weise - mit der Typisierung
verfolgte Vereinfachungseffekt verloren ginge, wenn entsprechend
dem Begehren der Kläger unterschiedliche Besteuerungsanteile
und Rentenfreibeträge für die bis 2009 und die jeweils in
den Jahren 2010 bis 2012 erdienten Rententeilbeträge
anzusetzen wären.
|
|
|
33
|
Im Übrigen wirkt die gesetzliche
Typisierung sowohl zugunsten als auch zulasten des
Steuerpflichtigen, ist also in ihren Ergebnissen neutral. Denn auch
bei einem vorzeitigen Renteneintritt wird auf das Jahr abgestellt,
in dem die entsprechenden Voraussetzungen für die bezogene
vorgezogene Altersrente - einschließlich der dafür
erforderlichen Antragstellung - erfüllt sind. Da diese Renten
bereits zu einem früheren Zeitpunkt beginnen, ist im Rahmen
der gesetzlichen Übergangsregelung auch der für dieses
frühe Renteneintrittsjahr festgelegte - geringere -
Besteuerungsanteil anzusetzen.
|
|
|
34
|
(2) Das von den Klägern bemühte
Leistungsfähigkeitsprinzip wird nicht dadurch verletzt, dass
die Kläger für die hier gewählte Gestaltung - die zu
einem weitaus höheren Rentenzahlbetrag als im Fall der
Inanspruchnahme der Regelaltersrente geführt hat - eine
höhere Steuer zahlen müssen als bei Inanspruchnahme der
Regelaltersrente. Maßgeblich ist vielmehr, dass sie mit all
denjenigen Steuerpflichtigen gleichbehandelt werden, die im Jahr
2012 erstmals eine Rente in Höhe der dem Kläger
zugeflossenen Beträge beziehen.
|
|
|
35
|
(3) Soweit die Kläger - ohne nähere
Darlegungen - vortragen, es komme durch den späteren
Rentenbeginn und den daraus resultierenden erhöhten
Besteuerungsanteil zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG
verstoßenden doppelten Besteuerung, ist darauf hinzuweisen,
dass das FA bereits während des Einspruchsverfahrens
(Schreiben vom 26.07.2019) eine Berechnung zur Prüfung der
doppelten Besteuerung vorgenommen hat. Aus dieser ergibt sich, dass
die voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse
nicht nur die aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge
an V, sondern sogar die an V geleisteten Gesamtbeiträge
übersteigen. Konkrete rechtliche oder tatsächliche
Einwendungen hiergegen haben die Kläger nicht erhoben.
|
|
|
36
|
bb) Die von den Klägern gesehene echte
Rückwirkung liegt ebenfalls nicht vor. Es trifft nicht zu,
dass der Gesetzgeber rückwirkend in die nach der Satzung des V
schon vor 2005 bestehende Möglichkeit der freien Wahl des
Zeitpunkts des Rentenbeginns eingegriffen hat. Denn die Mitglieder
des V sind - wie auch der Kläger - auch ab 2005 frei darin,
den Zeitpunkt ihres Rentenbeginns in den hierfür durch die
Satzung des V gezogenen Grenzen zu wählen und neben der
Regelaltersrente auch von den Möglichkeiten der vorgezogenen
oder aufgeschobenen Altersrente Gebrauch zu machen.
|
|
|
37
|
Das BVerfG und der erkennende Senat haben
bereits entschieden, dass die zum 01.01.2005 vorgenommenen
Rechtsänderungen - auch soweit sie zu einer höheren
Einkommensteuer als nach der zuvor geltenden Rechtslage führen
- nicht gegen das Rückwirkungsverbot oder den Grundsatz des
Vertrauensschutzes verstoßen (vgl. nur Senatsurteil in BFHE
273, 266 = SIS 21 08 95, Rz 32, mit Nachweisen auf die
Rechtsprechung des BVerfG und des Senats).
|
|
|
38
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|