Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 09.10.2018 - 13 K
1792/17 G = SIS 19 02 78
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war in den 1990 er Jahren als Broker in den USA
tätig. Im Jahr 2002 gründete er die G Inc. (G), eine
US-amerikanische Kapitalgesellschaft, deren
(geschäftsführender) Vorstandsvorsitzender er seit 2006
war und die in den Streitjahren 2009 bis 2011 über ein
Büro in A-Stadt verfügte.
|
|
|
2
|
Im Jahr 2007 fragte der US-amerikanische
Rechtsanwalt ... (D) den ihm aufgrund der früheren
Brokertätigkeit bekannten Kläger, ob er ein
US-amerikanisches Unternehmen bei dessen Börsengang begleiten
wolle. Im Sommer 2008 machte D den Kläger auf die N Inc. (N)
aufmerksam und übersandte englischsprachiges Werbematerial
über dieses Unternehmen. Am 21.10.2008 schlossen G und N einen
Beratungsvertrag („Consulting
Agreement“) ab. Danach sollte die G die
Börsenzulassung der N im Freiverkehr an der Frankfurter
Börse gegen ein Honorar von 50.000 EUR und die Erlaubnis,
Aktien der N zu verkaufen, vorbereiten und
unterstützen.
|
|
|
3
|
Am 01.08.2009 vereinbarte die N als
Darlehensgeberin mit dem Kläger sowie der F als
Darlehensnehmer einen Kreditvertrag („Revolving Credit and
Security Agreement“) mit einer Kreditlinie von
1 Mio. EUR, die später in einer undatierten Zusatzvereinbarung
auf 4 Mio. EUR erhöht wurde.
|
|
|
4
|
In den Streitjahren 2010 und 2011 vertrieb
der Kläger über G außerbörslich Aktien der N.
Hierzu führte er in dem Büro der G in A-Stadt mit
potentiellen Anlegern Beratungsgespräche. Darin bezeichnete
der Kläger die N als werthaltiges Pharmaunternehmen, das bei
der Entwicklung von Nanosystemen mit großen Konzernen
kooperiere. Gemeinsam mit seiner Assistentin erstellte er
deutschsprachige Werbebroschüren und schaltete
Anlagevermittler in den Vertrieb der Aktien ein. Tatsächlich
verfügte die N aber weder über einen Forschungsbereich
noch über einen operativen Geschäftsbetrieb, sondern war
eine „Briefkastenfirma“, deren Aktien
von Anfang an keinen Wert besaßen.
|
|
|
5
|
Spätestens ab dem Frühjahr 2009
arbeitete der Kläger mit ... (K) zusammen. Dieser stellte als
faktischer Geschäftsführer der B GmbH (B) ein
Treuhandkonto bei der Landesbank R zur Verfügung, auf welchem
die Gelder der Kapitalanleger aus den Verkäufen von Aktien der
N eingesammelt und verwaltet werden sollten. Über das
Treuhandkonto waren K und seine Mutter verfügungsberechtigt.
Während in den Anlegerzeichnungsverträgen aus dem Jahr
2008 als einzige Zahlungsmöglichkeit nur ein Konto der N in
den USA angegeben war, konnten die potentiellen Anleger ab April
2009 das Geld auf das inländische Treuhandkonto bei der
Landesbank R einzahlen. Insgesamt zeichneten Kapitalanleger
außerbörslich Aktien der N für einen Kaufpreis in
Höhe von 1.965.028 EUR. Von den auf dem Treuhandkonto der B
eingegangenen Geldern ließ K dem Kläger oder ihm
wirtschaftlich zuzurechnenden Gesellschaften auf dessen Weisung hin
Geldbeträge in Höhe von insgesamt 1.555.933,73 EUR
zukommen. Dies geschah teilweise entgegen der Treuhandabrede
bereits vor Ausgabe der Aktien an die Anleger.
|
|
|
6
|
Am 15.10.2010 erfolgte der Börsengang
der N. Es wurden 10 Mio. Aktien mit einem Nominalwert von 1,36
US-Dollar je Aktie ausgegeben. Im Dezember 2010 buchte K 10 Mio.
Anteile an der N auf ein Depot der B bei der Landesbank R ein.
Sodann nahm er die Übertragung der Aktien in die
Wertpapierdepots derjenigen Anleger vor, die bereits vor dem
Börsengang Zeichnungsverträge geschlossen hatten.
|
|
|
7
|
Nach anfänglichem Anstieg fiel der
Kurs der Aktie; im Februar 2012 wurde der Handel bei einem Kurs von
0,16 EUR ausgesetzt.
|
|
|
8
|
Am 12.09.2011 wurde gegen den Kläger
ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Die Steuerfahndung war der
Auffassung, die geschäftlichen Aktivitäten im
Zusammenhang mit dem Verkauf der Aktien der N hätten eine
gewerbliche Tätigkeit des Klägers i.S. von § 15 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) begründet. Ihm seien
Einkünfte in Höhe von insgesamt 1.762.819 EUR (2009:
820.997,92 EUR; 2010: 506.000 EUR; 2011: 427.371,76 EUR)
zuzurechnen. Dem folgend setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) mit Bescheiden jeweils vom 03.12.2014 den
Gewerbesteuermessbetrag auf 27.874 EUR (2009), 16.852 EUR (2010)
und 14.098 EUR (2011) fest.
|
|
|
9
|
Während des hiergegen gerichteten
Einspruchsverfahrens wurde der Kläger - ebenso wie K - mit
Urteil des Landgerichts (LG) vom 30.05.2016 wegen Betrugs zu einer
Freiheitsstrafe verurteilt.
|
|
|
10
|
Nach Zurückweisung der Einsprüche
erhob der Kläger Klage, mit welcher er im Kern geltend machte,
die betreffenden Einkünfte seien nicht ihm, sondern der G
zuzurechnen. Er habe die Aktien nicht als Privatperson verkauft,
sondern lediglich als Geschäftsführer der G gehandelt.
Dies ergebe sich nicht nur aus dem Strafurteil, sondern folge auch
aus dem zwischen der G und der N abgeschlossenen Beratungsvertrag.
Soweit er selbst von der B Zahlungen erhalten habe, seien diese auf
der Grundlage eines Darlehens zwischen der N und ihm erbracht
worden. Im Übrigen sei der zu ermittelnde Gewinn noch um
Rückstellungen zu mindern. Im Hinblick auf die im Dezember
2011 und damit noch vor dem letzten Bilanzstichtag erfolgten
Durchsuchungsmaßnahmen habe er u.a. mit
Schadensersatzansprüchen rechnen müssen.
|
|
|
11
|
Mit in EFG 2019, 437 = SIS 19 02 78 veröffentlichtem Urteil hob
das Finanzgericht (FG) den Bescheid über den
Gewerbesteuermessbetrag für 2009 auf, da ein Gewinn aus
Gewerbebetrieb aus den hier maßgeblichen
Geschäftsvorfällen erst in den Folgejahren (2010 und
2011) realisiert worden sei; die Klage betreffend die Streitjahre
2010 und 2011 wies es hingegen ab.
|
|
|
12
|
Zur Begründung führte das FG im
Wesentlichen aus, nach den - von ihm in Bezug genommenen -
Feststellungen des LG im Strafurteil habe der Kläger einen
Gewerbebetrieb unterhalten. Er habe selbst oder durch für ihn
tätige Personen außerbörslich Aktien der N zum Kauf
angeboten. Der Kläger habe Unternehmerinitiative entfaltet
sowie Unternehmerrisiko getragen, da der Einsatz des für die
Erstellung von Werbebroschüren etc. eingesetzten Kapitals auch
hätte erfolglos bleiben können.
|
|
|
13
|
Die aus den Aktienverkäufen erzielten
Einkünfte seien ausschließlich dem Kläger
persönlich und nicht, auch nicht teilweise, der G zuzurechnen.
Für die Frage der persönlichen Zurechnung von
Einkünften komme es auf die Dispositionsbefugnis für die
Leistungserstellung an. Im Außenverhältnis zu den
Erwerbern der Aktien sei zwar allein die G in Erscheinung getreten.
Im Innenverhältnis habe aber der Kläger die
Dispositionsbefugnis behalten.
|
|
|
14
|
Dem stehe der zwischen der G und der N
geschlossene Beratervertrag nicht entgegen. Die Zwischenschaltung
der G als einer Unternehmensberatungs- und Beteiligungsgesellschaft
habe allein dazu gedient, die
„Investmentgeschichte“ für die
Anleger glaubhaft erscheinen zu lassen. Dadurch, dass die G nach
dem Beratervertrag - ohne Verpflichtung zu einer Zahlung entweder
an die N oder die Anteilseigner der N - berechtigt gewesen sei,
Aktien der N bereits im Vorfeld des Börsengangs zu verkaufen,
sei dem beratenden Unternehmen gestattet worden, sich den
wirtschaftlichen Wert des an die Börse zu bringenden
Unternehmens unentgeltlich anzueignen. Eine solche Vereinbarung sei
im Geschäftsleben völlig unüblich und nur vor dem
Hintergrund zu erklären, dass die Vertragsparteien ohnehin
gewusst hätten, dass es sich bei der N um eine nicht
existierende bzw. nicht operativ tätige Firma gehandelt habe.
Anders als das LG im Strafurteil kam das FG daher zu dem Ergebnis,
dass der Beratervertrag jedenfalls insoweit nur zum Schein
abgeschlossen worden sei, und sah diese Auffassung durch die
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur verschleierten
Marktteilnahme bestätigt (Senatsurteil vom 03.07.1991 - X R
163-164/87, BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802 = SIS 91 18 12).
|
|
|
15
|
Im Streitfall liege auch keine
Mitunternehmerschaft vor, da K nicht gemeinschaftlich mit dem
Kläger Einkünfte aus dem Aktienhandel erzielt habe. Die
Tätigkeit des K habe sich darauf beschränkt, das
Treuhandkonto bereitzustellen und die Anweisungen des Klägers
bezüglich der Verwendung der Anlegergelder sowie der
Einbuchung der Aktien in die Depots zu befolgen. Die
aufwandswirksame Bildung einer Rückstellung für drohende
Schadensersatzleistungen zum 31.12.2011 komme ebenfalls nicht in
Betracht.
|
|
|
16
|
Mit seiner Revision macht der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensfehler
geltend.
|
|
|
17
|
Er habe in den Streitjahren keinen
Gewerbebetrieb unterhalten. Für das vom FG angenommene
Unternehmerrisiko durch Tragung eines Verlustrisikos fehle es an
ausreichenden Feststellungen. Das FG habe nicht festgestellt, dass
er überhaupt eigenes Kapital eingesetzt habe. Angesichts der
zentralen Stellung der G liege es vielmehr sogar nahe, dass die
Aufwendungen für die Erstellung von Werbebroschüren etc.
von der G getragen worden seien.
|
|
|
18
|
Selbst wenn Einkünfte aus
Gewerbebetrieb bejaht würden, könnten diese nicht dem
Kläger zugerechnet werden. Das vom FG für die Zurechnung
der Einkünfte herangezogene BFH-Urteil vom 18.03.2004 - III R
25/02 (BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787 = SIS 04 22 19) sei im
Streitfall nicht einschlägig. Es sei zum gewerblichen
Grundstückshandel ergangen. Der BFH habe in jenem Verfahren
die Aktivitäten dem dortigen Kläger zugerechnet, weil die
Zwischenschaltung der GmbH nach Würdigung der
Gesamtumstände einen Gestaltungsmissbrauch i.S. von § 42
der Abgabenordnung (AO) dargestellt habe. Ein solcher liege hier
nicht vor und sei vom FG auch nicht angenommen worden.
|
|
|
19
|
In dem Urteil in BFHE 205, 470, BStBl II
2004, 787 = SIS 04 22 19 stelle der BFH zudem klar, dass ein
unmittelbarer Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft
grundsätzlich ausscheide. Lediglich die §§ 41, 42 AO
gestatteten ausnahmsweise eine Zurechnungsverschiebung.
Darüber hinaus könne die Abschirmwirkung der
Kapitalgesellschaft nicht mit Hilfe der für die subjektive
Zurechnung von Einkünften bei Einschaltung Dritter geltenden
Grundsätze überwunden werden. Die vom FG betonte
Dispositionsbefugnis des Klägers im Innenverhältnis
rechtfertige daher keine abweichende Einkünftezurechnung.
Soweit das FG seine Entscheidung ergänzend mit der
Rechtsprechung zur verschleierten Marktteilnahme begründe, sei
der dort entschiedene Fall mit der vorliegenden Konstellation nicht
vergleichbar.
|
|
|
20
|
Hilfsweise rügt der Kläger eine
Verletzung von § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Selbst wenn die
Gewinne aus dem Aktienhandel nicht der G zuzurechnen wären,
hätten die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide rechtlich
keinen Bestand. In diesem Fall wäre nicht allein der
Kläger, sondern eine aus ihm und K bestehende
Mitunternehmerschaft Gewerbetreibende und damit Schuldnerin der
Gewerbesteuer gewesen.
|
|
|
21
|
Der Kläger beantragt,
|
|
das angefochtene Urteil, soweit darin die
Klage abgewiesen wurde, die Einspruchsentscheidung vom 23.06.2017
und die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2010 und
2011, jeweils vom 03.12.2014, aufzuheben.
|
|
|
22
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
23
|
Es hält die erstinstanzliche
Entscheidung und die darin gegebene Begründung für
zutreffend.
|
|
|
24
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
|
|
|
25
|
Das angegriffene Urteil des FG ist
rechtsfehlerhaft, da es für die Frage der Zurechnung von
Einkünften bzw. eines der Gewerbesteuer unterliegenden
Gewerbebetriebs im Verhältnis zwischen dem Kläger und der
G von unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist (unten
1.). Dieser Rechtsfehler ist entscheidungserheblich und führt
zur Aufhebung des FG-Urteils. Bei Anwendung der zutreffenden
Rechtsgrundsätze in Bezug auf die Zurechnung von
Einkünften zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren
(Allein-)Gesellschafter trägt die Begründung des FG nicht
seine Entscheidung, der Gewerbebetrieb sei nicht der G, sondern dem
Kläger persönlich zuzurechnen (unten 2.). Da das FG keine ausreichenden
Feststellungen getroffen hat, die dem Senat eine
abschließende Beurteilung erlauben, ob dem Kläger aus
dem Verkauf der Aktien nicht ggf. doch ein eigenständiger
Gewerbebetrieb zuzurechnen wäre, geht die Sache an das FG
zurück. Eine Zurückverweisung ist auch nicht deshalb
entbehrlich, weil die Klage aus anderen Gründen Erfolg
hätte (unten 3.). Auf die zwischen den Beteiligten streitig
gebliebene Zulässigkeit der Bildung einer gewinnmindernden
Rückstellung auf den 31.12.2011 wegen etwaiger
Schadensersatzverpflichtungen des Klägers kommt es nach
alledem ebenso wenig an wie auf die gerügten Verfahrensfehler
(unten 4.).
|
|
|
26
|
1. Das FG ist für die Frage der Zurechnung eines
Einkünftetatbestands bzw. eines der Gewerbesteuer
unterliegenden Gewerbebetriebs im Verhältnis zwischen einer
Kapitalgesellschaft und deren (Allein-)Gesellschafter von
unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen.
|
|
|
27
|
a) Nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung richtet sich die persönliche Zurechnung von
Einkünften danach, welche Person sie i.S. von § 2 Abs. 1
Satz 1 EStG „erzielt“ hat. Dies
ist diejenige Person, die die Leistung bewirkt, durch die der
Tatbestand der Einkünfteerzielung gemäß
§§ 13 ff. EStG verwirklicht wird. Einkünfte sind
steuerrechtlich nicht zwangsläufig derjenigen Person
zuzurechnen, die im Außenverhältnis diejenigen
Rechtsgeschäfte abschließt, an die die Besteuerung
anknüpft. Entscheidend ist vielmehr, auf wessen Rechnung und
Gefahr die Tatbestandsverwirklichung erfolgt.
|
|
|
28
|
Speziell bei betrieblichen Einkunftsarten sind
die Einkünfte dem Unternehmer zuzurechnen, d.h. demjenigen,
der Unternehmerinitiative entfaltet und das Unternehmerrisiko
trägt. Das ist derjenige, nach dessen Willen und auf dessen
Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird,
dass sich der Erfolg oder Misserfolg in seinem Vermögen
unmittelbar niederschlägt. Dieselben Erwägungen gelten
für die Gewerbesteuer, da Steuerschuldner derjenige
Unternehmer ist, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben
wird (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2019 - X R 21-22/17, BFH/NV 2020,
177 = SIS 20 00 40, Rz 25 f.).
|
|
|
29
|
b) Eine Kapitalgesellschaft ist nicht nur
zivilrechtlich, sondern auch steuerrechtlich ein selbständiges
Steuersubjekt (vgl. § 1 des Körperschaftsteuergesetzes),
das die von ihr aus der Beteiligung erzielten Einkünfte
unabhängig vom Gesellschafter zu versteuern hat (sog.
Trennungsprinzip). Der Anteilseigner hat unmittelbar keinen Gewinn
aus der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft zu versteuern. Seine
Beteiligung erlangt steuerrechtlich erst Bedeutung, wenn die
Kapitalgesellschaft an ihn Ausschüttungen vornimmt, die der
Gesellschafter dann im Regelfall als Einkünfte aus
Kapitalvermögen zu versteuern hat. Ein Durchgriff durch die
Gesellschaft kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht (vgl.
BFH-Urteil vom 27.03.2007 - VIII R 64/05, BFHE 217, 497, BStBl II
2007, 639 = SIS 07 23 57, unter III.3.a).
|
|
|
30
|
c) Hieraus wird gefolgert, dass ein Durchgriff
durch die Kapitalgesellschaft nur zulässig sei, soweit das
Steuerrecht ausdrückliche Ausnahmeregelungen zur
Verfügung stelle, u.a. in den Fällen des
Scheingeschäfts (§ 41 AO) und des Missbrauchs von
rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO). Diese
Regelungen enthielten bindende gesetzliche Vorgaben für die
Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen zivil- und
steuerrechtlich grundsätzlich wirksame Gestaltungen für
die Besteuerung ausnahmsweise negiert werden dürften. Die
Zurechnung von Einkünften auf die hinter einer Domizil- oder
Basisgesellschaft stehenden Personen betreffe zum einen
Sachverhalte, in denen ausländische, nicht nach deutschem
Recht körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften
vorlägen, zum anderen rechtsmissbräuchlich
eingeschaltete, insbesondere funktionslose deutsche
Kapitalgesellschaften (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 470, BStBl II
2004, 787 = SIS 04 22 19, unter II.3.).
|
|
|
31
|
d) Für den Bereich des gewerblichen
Grundstückshandels hat der BFH ebenfalls entschieden, dass ein
unmittelbarer Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft
steuerrechtlich grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 205, 470, BStBl II 2004, 787 = SIS 04 22 19,
unter II.3.).
|
|
|
32
|
aa) Die Rechtsprechung betrifft insoweit
Fälle, in denen eine Einkunftsquelle auf einen anderen - dem
Übertragenden regelmäßig nahe stehenden -
Rechtsträger übertragen wurde. Trotz zivilrechtlicher
Wirksamkeit der Übertragung können die Einkünfte
unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin dem übertragenden
Steuerpflichtigen zuzurechnen sein, insbesondere dann, wenn sich
die Übertragung als Missbrauch rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO erweist. Die
höchstrichterliche Rechtsprechung hat bei einer
Zwischenschaltung Dritter in Grundstücksaktivitäten eines
Steuerpflichtigen Fallgruppen aufgezeigt, in denen ein Missbrauch
rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nahe liegt.
Sämtliche Fallgruppen sind dadurch gekennzeichnet, dass durch
eine - wirtschaftlich sinnlose - Zwischenschaltung steuerpflichtige
Einkünfte aus einem gewerblichen Grundstückshandel
vermieden werden, d.h. die Gewinne aus der Wertschöpfung des
Grundbesitzes in der nicht steuerbaren Vermögenssphäre
des Steuerpflichtigen vereinnahmt werden sollen (vgl. Senatsurteil
in BFH/NV 2020, 177 = SIS 20 00 40, Rz 27, 32).
|
|
|
33
|
Die Zwischenschaltung einer
Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsanteile der
Veräußerer und/oder diesem nahe stehende Personen
halten, kann daher einen Missbrauch rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten begründen. Wird eine nahe
stehende natürliche Person in die
Grundstücksaktivitäten des Steuerpflichtigen einbezogen,
sollen - wenn für die Gestaltung keine außersteuerlichen
Gründe erkennbar sind - die Veräußerungen durch
diese nahe stehende Person dem Steuerpflichtigen über §
42 AO zugerechnet werden können, wenn aufgrund einer
Würdigung des Gesamtbilds der Verhältnisse der
Steuerpflichtige „das Geschehen beherrscht und
steuert“ bzw. die Zwischenschaltung
wirtschaftlich sinnlos ist. Anderes gilt, wenn die
zwischengeschaltete Gesellschaft nicht funktionslos ist, sondern
selbst eine wesentliche - wertschöpfende - Tätigkeit
ausübt.
|
|
|
34
|
bb) Im Ergebnis gleich, allerdings dogmatisch
abweichend, hat der erkennende Senat ebenfalls entschieden, dass
bei der Zwischenschaltung einer nahe stehenden Person, die keinen
eigenen unternehmerischen Erfolgsbeitrag beisteuert, sondern der
lediglich eine bereits ausgehandelte
(„unterschriftsreife“)
Geschäftschance übertragen wird, dem Übertragenden
auch ohne Rückgriff auf § 42 AO die Einkünfte
zugerechnet werden können. Begründet wurde dieser
„Durchgriff“ damit, dass der
Steuerpflichtige kraft „mittelbarer
Tatherrschaft“ wesentliche Teile des
steuerbaren Handlungstatbestands selbst verwirkliche und ihm
deshalb auch der steuerliche Handlungserfolg zuzurechnen sei (vgl.
Senatsurteile in BFH/NV 2020, 177 = SIS 20 00 40, Rz 33 bis 36, und
vom 15.03.2005 - X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817 = SIS 05 29 91, unter B.II.2.d bis f).
|
|
|
35
|
cc) Aus der vorstehenden BFH-Rechtsprechung
ergibt sich für die Frage der persönlichen
Einkünftezurechnung im Verhältnis von Kapitalgesellschaft
und (Allein-)Gesellschafter, dass ein Durchgriff durch die
Kapitalgesellschaft grundsätzlich unzulässig ist und
letztlich nur unter den Voraussetzungen einer gesetzlichen
Ausnahmevorschrift, insbesondere bei Vorliegen eines
Scheingeschäfts (§ 41 AO) oder eines
Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO), und in den aufgeführten
Fallgruppen in Betracht kommt.
|
|
|
36
|
e) Hiervon abweichend ist das FG in dem
angefochtenen Urteil lediglich von den allgemeinen Grundsätzen
für die Bestimmung der persönlichen Zurechnung von
Einkünften ausgegangen. Es sei auf den Inhaber der
Dispositionsmöglichkeit über die Leistungserstellung
abzustellen, so dass auch die Einschaltung Dritter in die
Leistungsbeziehung die Zurechnung dann nicht ausschließe,
wenn der Steuerpflichtige die Dispositionsmöglichkeit behalte;
entscheidend sei das Innenverhältnis. Damit hat es die von der
Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze zur
Zurechnung der Einkünfte im Verhältnis zwischen einer
Kapitalgesellschaft und deren (Allein-)Gesellschafter verkannt.
|
|
|
37
|
aa) Sofern sich das FG auf die Kommentierung
von Musil in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 2 EStG Rz 130 beruft,
kann diese die Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht stützen,
da sich die Ausführungen nicht zu der Frage der
Einkünftezurechnung im besonderen Verhältnis zwischen
Kapitalgesellschaft und (Allein-)Gesellschafter verhalten.
|
|
|
38
|
bb) Auch hat sich das FG für seine
Ansicht auf das Senatsurteil in BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802 =
SIS 91 18 12 berufen. Die jenem Verfahren zugrundeliegenden
Gegebenheiten sind jedoch mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht
vergleichbar.
|
|
|
39
|
(1) Der Senat hatte die Beteiligung des
dortigen Klägers, der als angestellter Leiter der
Wertpapierabteilung einer Bank unter deren Namen Geschäfte auf
eigene Rechnung vornahm, am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
bejaht. Zwar habe - so der Senat - der Kläger seine
Tätigkeit im Geheimen entfaltet, er müsse sich jedoch das
durch ihn veranlasste und gesteuerte Tätigwerden der Bank
gegenüber den Partnern der Bankgeschäfte (andere Banken,
Bankkunden) zurechnen lassen, da er insoweit als „Herr des
Geschehens“ gehandelt habe. Die
Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr könne bei
kriminellen Tätigkeiten, die auf Verschleierung angelegt
seien, nicht zu eng gesehen werden. Wer die Erkennbarkeit der
eigenen Marktteilnahme erfolgreich verschleiere, sei nicht
besserzustellen als derjenige, der offen tätig werde.
|
|
|
40
|
(2) Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen,
dass diese Erwägungen, die allein das Merkmal der Teilnahme am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr betreffen, auf die Frage der
Einkünftezurechnung im Falle der Verschleierung eigener
krimineller Tätigkeit übertragbar sind und seine
Rechtsauffassung in Bezug auf die Zurechnung eines
Einkünftetatbestands im Verhältnis zwischen einer
Kapitalgesellschaft und deren (Allein-)Gesellschafter stützen.
Zunächst besteht ein entscheidender Unterschied zum
vorliegenden Streitfall darin, dass der Steuerpflichtige in dem
Senatsurteil in BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802 = SIS 91 18 12
nicht als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft,
sondern als Angestellter der Bank gehandelt hat. Des Weiteren hat
der Angestellte Geschäfte unter fremden Namen für eigene
Rechnung als „Herr des
Geschehens“ getätigt, während
der Kläger des vorliegenden Verfahrens im fremden Namen als
Geschäftsführer der G aufgetreten ist und dadurch
grundsätzlich G wirksam als Vertragspartner verpflichten
konnte. Damit kommt - gerade im Hinblick auf die Abschirmwirkung
bei Kapitalgesellschaften - G als Zurechnungssubjekt der
Einkünfte ohne Weiteres in Betracht. Schließlich finden
sich in dem Senatsurteil in BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802 = SIS 91 18 12 keinerlei Aussagen zur Möglichkeit eines Durchgriffs
bei Kapitalgesellschaften.
|
|
|
41
|
2. Der Rechtsfehler ist auch
entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das
FG bei Anwendung der zutreffenden Rechtsgrundsätze nicht dem
Kläger, sondern der G die Einkünfte zugerechnet
hätte. Denn die vom FG gegebene Begründung trägt
nicht seine Entscheidung, von einem Gewerbebetrieb des Klägers
auszugehen.
|
|
|
42
|
a) Diese Wertung folgt allerdings nicht
bereits daraus, dass das FG in Bezug auf das Merkmal der
Selbständigkeit - allerdings ohne ausreichende
tatsächliche Grundlage - ein Unternehmerrisiko des
Klägers in Form eines Verlustrisikos bejaht hat.
|
|
|
43
|
Insoweit hat der Kläger zwar zu Recht
eingewandt, dass das FG für seine Annahme, ein Verlustrisiko
habe in Bezug auf das vom Kläger eingesetzte Kapital
bestanden, keine Feststellungen - beispielsweise der
Kostenübernahme für die Erstellung von
Werbebroschüren - getroffen hat. Das Unternehmerrisiko setzt
aber nicht stets ein Verlust- oder zumindest Haftungsrisiko voraus
(vgl. Senatsurteil vom 22.02.2012 - X R 14/10, BFHE 236, 464, BStBl
II 2012, 511 = SIS 12 09 93, Rz 55). Vielmehr hat die
Rechtsprechung dem Vergütungsrisiko besonderes Gewicht
beigemessen (vgl. Senatsurteil vom 02.12.1998 - X R 83/96, BFHE
188, 101, BStBl II 1999, 534 = SIS 99 09 24, unter B.III.3.a; vgl.
Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl., § 15 Rz 18).
|
|
|
44
|
Vorliegend könnte daher - wäre der
finanzgerichtlichen Wertung einer eigenen gewerblichen
Tätigkeit des Klägers ansonsten zu folgen - aus anderen
Feststellungen im angefochtenen Urteil im Rahmen einer
Gesamtwürdigung auf ein Unternehmerrisiko geschlossen werden.
Denn unabhängig von einem etwaigen Verlustrisiko trug der
Kläger - die Wertung des FG hier als zutreffend unterstellt -
im Rahmen seines betrügerischen Verhaltens ein
„Vergütungsrisiko“
dergestalt, dass die Erzielung seiner Einnahmen - und damit der
Erfolg seines Handelns - davon abhing, Anteile der N an Anleger zu
verkaufen, um nachfolgend über den K auf die auf das
Treuhandkonto überwiesenen Gelder zugreifen zu
können.
|
|
|
45
|
b) Die Begründung des FG rechtfertigt
allerdings nicht seine Entscheidung, die Einkünfte aus dem
Aktienverkauf seien nicht im Rahmen der Tätigkeit der G,
sondern vom Kläger persönlich erzielt worden. Das FG hat
seine Wertung, die Einkünfte aus den Aktienverkäufen dem
Kläger zuzurechnen, mit einer im Innenverhältnis
gegenüber der G bestehenden Dispositionsbefugnis des
Klägers begründet, was unter Berücksichtigung der
oben dargelegten Rechtsgrundsätze unzureichend ist.
|
|
|
46
|
aa) Im Außenverhältnis, vor allem
gegenüber den Erwerbern der Aktien, ist - wie das FG selbst
ausführt - allein die G aufgetreten. Der Kläger hat -
nach den Feststellungen des FG - als Geschäftsführer der
G und nicht im eigenen Namen gehandelt. Aus den
Anlegerverträgen wurde nur die G berechtigt und
verpflichtet.
|
|
|
47
|
Diese - anfechtbaren - Verträge waren
zivilrechtlich wirksam und nicht etwa nach § 134 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs nichtig, weil die Anleger Opfer eines
Betrugs (vgl. § 263 des Strafgesetzbuchs) geworden sind.
Richtet sich das gesetzliche Verbot - wie hier - nur gegen eine
Partei, kann regelmäßig angenommen werden, das
verbotswidrige Handeln solle Wirkungen entfalten. Verletzt nur eine
der Vertragsparteien durch den Abschluss eines Vertrages ein
gesetzliches Verbot, ist der Vertrag in der Regel gültig (vgl.
Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22.07.2021 - IX ZR 26/20,
DStR 2021, 2309 = SIS 21 16 73, Rz 15).
|
|
|
48
|
bb) Nichts anderes ergibt sich aus den
Ausführungen des FG, bei dem Beratungsvertrag zwischen der G
und der N handele es sich teilweise um ein
„Scheingeschäft“. Die den
Beratungsvertrag betreffenden finanzgerichtlichen Erwägungen
sind nicht eindeutig, möglicherweise sogar
widersprüchlich, und beinhalten vor allem keine
abschließende Würdigung im Hinblick auf die Folge der
Annahme eines
„Scheingeschäfts“.
|
|
|
49
|
(1) Nach Auffassung des FG im angegriffenen
Urteil (S. 20 des Urteilsabdrucks) sollte die G durch den
Beratungsvertrag rechtlich dazu legitimiert worden sein, Aktien der
N bereits im Vorfeld des Börsengangs verkaufen zu dürfen.
Danach scheint das FG diesen Vertrag bezüglich des Vertriebs-
bzw. Verkaufsrechts als wirksam anzusehen. Dafür spricht auch
der Folgesatz im Urteil, wonach dessen Abschluss im Hinblick auf
die interne Dispositionsherrschaft des Klägers nichts an der
vorgenommenen Einkünftezurechnung ändere. Trotzdem kommt
das FG nachfolgend zu der Einschätzung, dass der betreffende
Vertrag „jedenfalls insoweit“ -
diese Aussage bezieht sich vermutlich auf das im Beratungsvertrag
enthaltene Vertriebs- bzw. Verkaufsrecht - nur zum Schein
abgeschlossen worden sei. Im Übrigen lässt es offen, ob
auch der Vertragsteil, nach welchem die Börsenzulassung
vorbereitet und begleitet werden sollte, unwirksam sei.
|
|
|
50
|
(2) Soweit das FG von einem
Scheingeschäft ausgeht, hätte es erläutern
müssen, was Folge dieser Annahme ist. Wird nämlich durch
ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt,
ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung
maßgebend (vgl. § 41 Abs. 2 Satz 2 AO). Das FG hat sich
aber nicht dazu geäußert, welche Abreden zwischen
welchen Personen und mit welchem Inhalt tatsächlich bzw. mit
größter Wahrscheinlichkeit bestanden haben und welche
Wertungen sich daraus ergeben.
|
|
|
51
|
(3) Das FG hat seine Annahme eines
Scheingeschäfts zwar damit begründet, ein
Beratungsvertrag, in welchem dem beratenden Unternehmen gestattet
werde, sich den wirtschaftlichen Wert des an die Börse zu
bringenden Unternehmens unentgeltlich anzueignen, sei im
Geschäftsleben völlig unüblich und nur vor dem
Hintergrund zu erklären, dass die Vertragsparteien ohnehin
gewusst hätten, dass es sich bei der N um eine nicht
existierende oder operativ tätige Firma gehandelt habe. Eine
ausreichende Begründung dafür, wie nunmehr nach den
Gesamtumständen dem Kläger die Einkünfte zugerechnet
werden könnten, hat das FG allerdings nicht gegeben.
|
|
|
52
|
Insoweit wäre aber beim Kläger -
nicht anders als bei der G - gleichfalls die Frage der
Unwirksamkeit einer mit dem Kläger getroffenen - lediglich
nicht verlautbarten - Abrede zu beantworten gewesen, da es im
Geschäftsleben in gleicher Weise unüblich wäre, dass
die N dem - nach Ansicht des FG die Dispositionen beherrschenden -
Kläger persönlich erlaubt haben sollte, auf den
wirtschaftlichen Wert des an die Börse zu bringenden
Unternehmens ohne Entgelt zuzugreifen. Das FG hat - mit anderen
Worten - zwar dem Beratervertrag bezüglich der Berechtigung
der G zum Aktienhandel mit der Bewertung als Scheingeschäft
die Wirksamkeit abgesprochen, aber selbst keine Wertung
vorgenommen, welches Rechtsgeschäft verdeckt gelten sollte. Es
hat in diesem Zusammenhang damit keine Erklärung dafür
gegeben, auf welcher Grundlage der Kläger selbst den Handel
mit Aktien hätte betreiben und die Anlegergelder vereinnahmen
dürfen.
|
|
|
53
|
(4) Darüber hinaus hat das FG mit der
Anlegung seines Maßstabs - dem Vergleich mit den
Verhältnissen im üblichen Geschäftsleben - den
Streitfall jedenfalls im Ergebnis so bewertet, als ob die N keine
Briefkastenfirma gewesen wäre und die hinter der N stehenden
Personen nicht in betrügerischer Absicht gehandelt
hätten. Konsequenterweise hätte dann die N - wovon das FG
auch auszugehen scheint - einen Anspruch auf Auskehrung der
Anlegergelder an sich gehabt. In diesem Fall würden die von
der G bzw. dem Kläger veranlassten Überweisungen der -
der N zustehenden - Fremdgelder vom Treuhandkonto auf eigene Konten
bzw. an eigene Gesellschaften möglicherweise nicht zu
Betriebseinnahmen im Rahmen der Einkünfteerzielung
führen, sondern wären eventuell außerhalb des
Tatbestands der Einkünfteerzielung durch privat veranlasste
Straftaten erlangt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH
und des BGH führen Geldbeträge, derer der
Steuerpflichtige sich im Rahmen einer Untreue bemächtigt,
nicht zu steuerbaren Einkünften, da dieser Zufluss nicht mit
der Einkünfteerzielung im Zusammenhang steht (vgl. BFH-Urteil
vom 16.12.2014 - VIII R 19/12, BFHE 249, 74, BStBl II 2015, 643 =
SIS 15 12 94, Rz 28).
|
|
|
54
|
c) Nach dem Vorstehenden müssten
grundsätzlich der G die aus den Aktienverkäufen
resultierenden Einkünfte zuzurechnen sein, sofern nicht ihre
Zwischenschaltung als Missbrauch rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO anzusehen
wäre. Einen derartigen - oder anderen möglichen - Grund
für einen Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft hat das FG
nicht - auch nicht sinngemäß - aufgezeigt.
|
|
|
55
|
aa) Insbesondere hat das FG nicht angenommen,
dass es sich bei der G um eine nicht nach deutschem Recht
körperschaftsteuerpflichtige und ggf. aus diesem Grunde
zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft handeln würde.
Vielmehr war die G in den Streitjahren - dies ist zwischen den
Beteiligten unstreitig - unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig. Ihre Geschäftsleistung
befand sich in der Bundesrepublik Deutschland, da die G nach den
Feststellungen des FG im maßgeblichen Zeitraum in A-Stadt
über ein Büro verfügte, in dem die laufende
Geschäftsführung durch den Kläger stattfand (vgl. zu
diesem Umstand FG Münster, Urteil vom 17.06.2016 - 9 K 593/13
K,G,F, juris = SIS 16 26 65, Rz 100 ff.).
|
|
|
56
|
bb) Ebenso wenig hat das FG festgestellt, dass
die G funktionslos gewesen wäre. Im angefochtenen Urteil wird
zwar vorrangig die Bedeutung der G betont, durch ihre
„Fassade“ die betrügerischen
Aktienverkäufe zu ermöglichen. Ihre Aufgabe sei es
gewesen, die
„Investmentgeschichte“ glaubhaft
erscheinen zu lassen. Das FG nimmt in diesem Zusammenhang aber
Bezug auf die Feststellungen des LG im Strafurteil, nach welchen es
sich bei der G um eine Unternehmensberatungs- und
Beteiligungsgesellschaft gehandelt habe, die andere Unternehmen bei
einem Börsengang habe begleiten und unterstützen sollen.
Die Formulierungen des FG sind an dieser Stelle aber ungenau. Durch
die Bezugnahme ist nämlich auch festgestellt, dass die im Jahr
2002 gegründete G nicht nur eine formal existierende
Gesellschaft mit dem genannten Unternehmensgegenstand war, sondern
auch tatsächlich mehrere Börsengänge begleitet bzw.
Unternehmensberatungsmandate übernommen hatte. Sie war daher
nicht allein zum Zweck des hier in Rede stehenden Anlegerbetrugs
gegründet worden. Vielmehr hatte sie mit Blick auf ihre
bisherige Tätigkeit am Markt eine eigenständige Funktion
und erzielte eigene Einkünfte.
|
|
|
57
|
cc) Auch ansonsten ist weder vom FG dargelegt
noch anderweitig ersichtlich, dass eine missbräuchlich
rechtliche Gestaltung i.S. von § 42 AO zur Steuerminderung
gewählt worden wäre. Auch ist nicht erkennbar, dass die
Voraussetzungen einer anderen anerkannten Fallgruppe des
Durchgriffs durch eine Kapitalgesellschaft im Streitfall
erfüllt wären.
|
|
|
58
|
d) Für eine auf einer
Gesamtwürdigung aller Umstände beruhenden Annahme, dass -
abweichend von der vorstehend dargelegten
Berechtigung/Verpflichtung der G aus den Anlegerverträgen -
der Kläger auf eigene Rechnung gehandelt habe, hat das FG im
angegriffenen Urteil keine ausreichenden Feststellungen
getroffen.
|
|
|
59
|
aa) Soweit das FG den widerrechtlichen Zugriff
des Klägers auf die auf dem Treuhandkonto eingesammelten
Anlegergelder und die Unterwerfung des K unter dessen Weisungen
betont, hat es nicht festgestellt, zwischen welchen Personen die
Vereinbarung betreffend das Treuhandkonto bei der Landesbank R
geschlossen worden ist und welchen näheren Inhalt dieser
Vertrag hat.
|
|
|
60
|
bb) Diesbezüglich enthält das
Strafurteil, auf das das FG im angefochtenen Urteil bezüglich
der Treuhandabrede ohnehin nicht Bezug nimmt, ebenfalls keine
ausdrücklichen Feststellungen, auch wenn die darin
geschilderte Abwicklung der Aktienverkäufe über ein
Treuhandkonto (Verwahrung der Gelder der Kapitalanleger bis zur
Einbuchung der Aktien in die Wertpapierdepots der Anleger; S. 17
des Strafurteils) für einen Treuhandvertrag zwischen der G und
der B spricht. Diesen Sachverhalt als zutreffend unterstellt,
wäre die G als Treugeberin und damit gemäß §
39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO als wirtschaftliche Eigentümerin des
Treuguts anzusehen. Im Hinblick darauf und mangels gegenteiliger
Erkenntnisse wäre es naheliegend, dass der Kläger nicht
als unberechtigte Privatperson, sondern im Rahmen der
Treuhandabrede als Geschäftsführer der G gehandelt und in
dieser Eigenschaft auch die Überweisungen an sich bzw. seine
Gesellschaften veranlasst hat. Infolgedessen wäre ggf. zu
erwägen, ob die Überweisungen eine Mittelverwendung
darstellten und als verdeckte Gewinnausschüttungen der G an
den Kläger zu werten wären.
|
|
|
61
|
3. Die Sache ist nicht spruchreif.
|
|
|
62
|
a) Das FG hat keine ausreichenden
Feststellungen getroffen, die dem Senat eine abschließende
Beurteilung erlaubten, ob dem Kläger trotz der vorstehenden
Erwägungen nicht doch aus dem Verkauf der Aktien ein
eigenständiger Gewerbebetrieb zuzurechnen ist. Zwar besteht
auf der Basis der finanzgerichtlichen Feststellungen derzeit keine
Veranlassung für eine vom Zivilrecht abweichende
steuerrechtliche Zurechnung der in Rede stehenden Einkünfte
aus den Aktienverkäufen an den Kläger. Allerdings
erscheinen dem Senat die Umstände noch nicht vollständig
vom FG aufgeklärt, die eine abschließende Wertung auch
darüber zuließen, dass keiner der - nach den oben unter
1. dargelegten Rechtsgrundsätzen - gesetzlichen Fälle
eines ausnahmsweise möglichen Durchgriffs durch die
Kapitalgesellschaft (§§ 41, 42 AO) vorliegt.
|
|
|
63
|
So ist - wie oben ausgeführt - nicht
durch Feststellungen erhärtet, dass die Treuhandvereinbarung
tatsächlich zwischen der G und der B geschlossen wurde.
Wäre demgegenüber der Kläger persönlich als
Treugeber in Erscheinung getreten, ist jedenfalls nicht
auszuschließen, dass dies - ggf. in Verbindung mit weiteren
dem Strafurteil oder den sonstigen Akten entnehmbaren
Umständen - als Beleg für eine Einkünftezurechnung
beim Kläger gewertet werden könnte. Entsprechendes gilt
bezüglich der nicht vollständigen Würdigung des
Beratungsvertrages, bei deren Nachholung ggf. auch weitere
Umstände zu berücksichtigen sind.
|
|
|
64
|
Deshalb geht die Sache an das FG
zurück.
|
|
|
65
|
b) Eine Zurückverweisung ist auch nicht
deshalb entbehrlich, weil die Klage aus anderen Gründen Erfolg
hätte. Dies wäre der Fall gewesen, wenn die
Aktienverkäufe im Rahmen einer zwischen dem Kläger und K
bestehenden gewerblichen Mitunternehmerschaft i.S. von § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfolgt wären, da insoweit die
Mitunternehmerschaft gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG gewerbesteuerpflichtig gewesen
wäre. In diesem Zusammenhang hat das FG jedoch zutreffend die
Voraussetzungen einer zwischen dem Kläger und dem K
bestehenden Mitunternehmerschaft verneint.
|
|
|
66
|
aa) Voraussetzung für eine
Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass mindestens
zwei Beteiligte Mitunternehmerinitiative entfalten können und
Mitunternehmerrisiko tragen. Mitunternehmerinitiative bedeutet
dabei Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen zumindest in dem
Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines
Kommanditisten nach den Regelungen des Handelsgesetzbuchs.
Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine
dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder
Misserfolg des Unternehmens (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2019 - IV R
54/16, BFHE 266, 250 = SIS 20 01 64, Rz 42).
|
|
|
67
|
bb) Nach Maßgabe dessen ist die
finanzgerichtliche Würdigung, dass vorliegend jedenfalls keine
Mitunternehmerschaft zwischen dem Kläger und K bestanden habe,
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
|
|
|
68
|
(1) Gegenstand der vom FG angenommenen
gewerblichen Tätigkeit des Klägers war der Handel mit
Aktien. Das operative Geschäft in Form der Durchführung
von Verkaufsgesprächen wurde ausschließlich vom
Kläger geführt. K stellte lediglich ein Treuhandkonto zur
Verfügung; er nahm die Einbuchung der Aktien auf die Depots
der Anleger vor und folgte im Übrigen den Anweisungen des
Klägers im Hinblick auf die Verwendung der auf dem
Treuhandkonto eingegangenen Gelder. Ausgehend von diesen
Urteilsfeststellungen, die vom Kläger nicht angegriffen wurden
und daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat
bindend sind, hat das FG rechtsfehlerfrei eine mitunternehmerische
Beteiligung des K an dem Aktienhandel verneint. Denn K hat keine
Mitunternehmerinitiative entfaltet. Es ist nicht ersichtlich, dass
er auf das betriebliche Geschehen - hier auf die unternehmerische
Tätigkeit des Aktienhandels über Stimm-, Kontroll- oder
Widerspruchsrechte - hätte Einfluss nehmen können.
Vielmehr wurde der Geschehensablauf vollständig vom
Kläger kontrolliert. Gegen eine mitunternehmerische
Beteiligung des K spricht auch die festgestellte
Weisungsgebundenheit, die einer Mitunternehmerschaft fremd ist.
|
|
|
69
|
(2) Entgegen der - zumindest hilfsweise
vorgetragenen - Ansicht des Klägers, ihre Einkünfte
entstammten derselben Einkunftsquelle, nämlich dem
Treuhandkonto, ist die Einkunftsquelle nicht nach dem
Zahlungsfluss, sondern danach zu bestimmen, aus welcher
Tätigkeit die Einkünfte erzielt werden. So kann K das bei
ihm verbliebene Geld sowohl - wovon das FG in revisionsrechtlich
unbedenklicher Weise im Ergebnis ausgegangen ist - für die
Leistung externer Dienste als auch als Anteil im Rahmen einer
Mitunternehmerschaft erhalten haben.
|
|
|
70
|
(3) Auch wenn der Kläger und K nach den
Feststellungen des LG strafrechtlich als Mittäter gehandelt
haben, sagt dies lediglich aus, dass die beiden im Hinblick auf
eine Straftat arbeitsteilig gehandelt und einen gemeinsamen Tatplan
verfolgt haben. Die Voraussetzungen der Mittäterschaft sind
nicht deckungsgleich mit denen einer steuerrechtlichen
Mitunternehmerschaft.
|
|
|
71
|
4. Auf die zwischen den Beteiligten streitig
gebliebene Zulässigkeit der Bildung einer gewinnmindernden
Rückstellung auf den 31.12.2011 wegen etwaiger
Schadensersatzverpflichtungen des Klägers kommt es nach
alledem beim derzeitigen Stand des Verfahrens ebenso wenig an wie
auf die gerügten Verfahrensfehler.
|
|
|
72
|
5. Zur Förderung des weiteren Verfahrens,
in welchem eine Gesamtwürdigung aller bekannten Umstände
vorzunehmen ist, weist der Senat allerdings ohne Bindungswirkung
gemäß § 126 Abs. 5 FGO auf Folgendes hin:
|
|
|
73
|
Nach den Feststellungen im Strafurteil erhielt
die N von den Anlegern noch vor dem Börsengang insgesamt
66.000 EUR (vgl. S. 21 des Strafurteils), von der B 87.544,42 EUR
auf ihr Konto bei der US-Bank überwiesen. Umgekehrt stellte N
der G durch mehrere Überweisungen auf deren Konto bei der
Sparkasse C insgesamt 57.589,14 EUR zur Verfügung. Hinzu kamen
Überweisungen von D bzw. von dessen Kanzlei auf das vorstehend
genannte Konto der G in Höhe von insgesamt 50.273,72 EUR. Das
LG kennzeichnete die Gesamtumstände dahingehend, dass
„im gesamten Tatzeitraum damit der N lediglich 45.681,56
EUR verblieben“ seien (vgl. S. 71 f. des
Strafurteils).
|
|
|
74
|
Die vorstehenden und weitere Umstände
könnten den Schluss rechtfertigen, dass die
(außerbörslichen) Verkäufe von N-Aktien durch die G
im Vorfeld des Börsengangs mit Wissen und Wollen der N
erfolgten. So flossen auf ihr Konto bei der US-Bank erhebliche
Geldbeträge, wobei die N im Saldo 45.681,56 EUR für ihre
(wertlosen) Aktien selbst vereinnahmte. An der Erfüllung der
von der G abgeschlossenen Zeichnungsverträge war die N
beteiligt, da sie - nach der Handelbarmachung als kanadische Aktien
(vgl. S. 14 des Strafurteils) - 10 Mio. Anteile ihrer Aktien der B
zur Verfügung stellte. Dies tat sie, obwohl sie nur einen
(vergleichsweise) geringen Teil der Gelder aus dem Verkauf ihrer
Aktien erhalten hatte. Dies könnte dafür sprechen, dass
von Beginn an eine entsprechende Abrede bestand.
|
|
|
75
|
Auf eine Vereinbarung über eine derartige
Aufteilung der Gelder aus dem Verkauf der Aktien könnte auch
hindeuten, dass 57.589,14 EUR von der N auf das Konto der G bei der
Sparkasse C zurücküberwiesen wurden. Dieser
Rückfluss kann nicht ohne Weiteres mit dem Honoraranspruch der
G aus dem Beratervertrag (lediglich 50.000 EUR), dessen Wirksamkeit
das FG offengelassen hat, erklärt werden, erst recht nicht im
Falle der Einbeziehung der Überweisungen des D bzw. von dessen
Kanzlei. Schließlich ist weder festgestellt noch ersichtlich,
dass N bei der G oder dem Kläger eine Weiterleitung von
Geldern aus den Aktienverkäufen mit der Begründung
beansprucht hätte, diese stünden ihr zu.
|
|
|
76
|
Angesichts dessen und der Tatsache, dass die
Aktien der N wertlos waren, griffe das vom FG herangezogene - im
Allgemeinen zutreffende - Argument hier nicht durch, dass es im
Geschäftsleben völlig unüblich sei, dass dem
beratenden Unternehmen auf diese Weise gestattet werde, sich den
wirtschaftlichen Wert des an die Börse zu bringenden
Unternehmens unentgeltlich zu eigen zu machen, und der Vertrag
daher nur zum Schein abgeschlossen worden sei.
|
|
|
77
|
Im Übrigen könnten auch die
Zahlungsströme als Hinweis darauf gewertet werden, dass die N
bzw. der D allein die G als Vertragspartnerin behandelt haben.
|
|
|
78
|
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
|