Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Bremen vom 25.03.2021 - 2 K 179/20 (3) = SIS 21 10 32 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten über die
Kostenerstattung nach § 77 des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
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Mit Bescheid vom 14.05.2019 setzte die
Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) gegenüber
der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin)
Hinterziehungszinsen in Höhe von 2.163 EUR fest. Dieser
Festsetzung lag eine zu Unrecht erfolgte Kindergeldzahlung in
Höhe von 16.800 EUR zugrunde.
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Auf den am 18.06.2019 eingelegten Einspruch
der Klägerin hob die Familienkasse den Bescheid vom 14.05.2019
mit Abhilfeentscheidung vom 16.09.2020 auf. Zugleich entschied sie,
dass die im Einspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht zu
erstatten seien. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG sei
eine Kostenerstattung ausschließlich in Einspruchsverfahren
vorgesehen, die sich gegen die Aufhebung oder Ablehnung einer
Kindergeldfestsetzung durch die Familienkasse gerichtet
hätten.
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Den gegen die Kostenentscheidung
eingelegten Einspruch vom 21.09.2020 wies die Familienkasse mit
Einspruchsentscheidung vom 22.10.2020 als unbegründet
zurück.
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Die anschließend erhobene Klage hatte
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, § 77
Abs. 1 Satz 1 EStG sei auf den vorliegenden Fall analog
anzuwenden.
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Mit der Revision rügt die
Familienkasse die unzutreffende Auslegung des § 77 Abs. 1 Satz
1 EStG und damit die Verletzung von Bundesrecht.
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Die Familienkasse beantragt,
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das Urteil des FG Bremen vom 25.03.2021 - 2
K 179/20 (3) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet und
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Vorentscheidung verletzt
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht
davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung nach
§ 77 Abs. 1 Satz 1 EStG (analog) besteht.
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1. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die
Familienkasse dem Einspruchsführer die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen
zu erstatten, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung
erfolgreich ist.
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a) § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG ist seinem
Wortlaut nach nicht anwendbar, da es an einem erfolgreichen
Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung fehlt.
„Erfolgreich“ i.S. des § 77 Abs. 1 Satz 1
EStG ist ein Einspruch nur dann, wenn die Familienkasse zugunsten
des Einspruchsführers tatsächlich über den
Streitgegenstand entscheidet (Senatsbeschluss vom 09.12.2010 - III
B 115/09, BFH/NV 2011, 434 = SIS 11 04 93; FG Düsseldorf,
Urteil vom 07.08.2003 - 18 K 1088/03 Kg, EFG 2003, 1802 = SIS 03 51 30). Es muss daher grundsätzlich ein erfolgreicher Einspruch
in einem das Kindergeld betreffenden Festsetzungsverfahren nach
§§ 70, 72 EStG vorliegen. Dementsprechend ist § 77
EStG beispielsweise bei Billigkeitsentscheidungen in
Kindergeldsachen nicht anwendbar (Senatsbeschluss in BFH/NV 2011,
434 = SIS 11 04 93). Ebenso wird bei der Frage, ob
Hinterziehungszinsen nach § 235 der Abgabenordnung (AO)
festzusetzen sind, nicht über einen Streitgegenstand nach dem
X. Abschnitt des EStG entschieden. Die Festsetzung von
Hinterziehungszinsen nach § 235 AO erfordert das Vorliegen
einer vollendeten Steuerhinterziehung (§§ 370, 373 AO).
Nach § 370 Abs. 4
Satz 2 Halbsatz 1 AO werden zwar auch Steuervergütungen und
damit das Kindergeld erfasst, welches gemäß § 31
Satz 3 EStG als Steuervergütung gezahlt wird. Für die
Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist aber allein
maßgebend, ob der subjektive und objektive Tatbestand der
Strafrechtsnorm sowie Rechtswidrigkeit und Schuld zu bejahen
sind.
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b) Als Ausnahme vom Grundsatz der
Kostenfreiheit des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens
kann die Kostenerstattungspflicht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG
für die hier vorliegende Konstellation auch nicht extensiv
(analog) ausgelegt werden. Es fehlt an einer für einen
Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Gesetzeslücke.
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aa) Eine solche Lücke liegt vor, wenn
eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h.
ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung
nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf
bestimmte Tatbestände widerspricht. Hiervon zu unterscheiden
ist der sog. rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich
eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch
verbesserungsbedürftig, aber doch nicht - gemessen an der dem
Gesetz immanenten Teleologie - als planwidrig unvollständig
und ergänzungsbedürftig erweist (vgl. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.01.1974 - IV R 76/70, BFHE 111,
329, BStBl II 1974, 295 = SIS 74 01 58, und vom 26.06.2002 - IV R
39/01, BFHE 199, 374, BStBl II 2002, 697 = SIS 02 93 27;
BFH-Beschluss vom 28.05.1993 - VIII B 11/92, BFHE 171, 300, BStBl
II 1993, 665 = SIS 93 16 32, m.w.N.). Ob eine Regelungslücke
anzunehmen ist, ist unter Heranziehung des Gleichheitsgrundsatzes
zu ermitteln, wobei für den danach erforderlichen Vergleich
auf die Wertungen des Gesetzes, insbesondere die
Entstehungsgeschichte des Gesetzes zurückzugreifen ist
(BFH-Urteil vom 12.10.1999 - VIII R 21/97, BFHE 190, 343, BStBl II
2000, 220 = SIS 00 03 70, m.w.N.).
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bb) Ob im Streitfall eine Gesetzeslücke
vorliegt, kann offenbleiben. Jedenfalls lässt sich keine
planwidrige Lücke feststellen.
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Bis zum 31.12.1995 galt hinsichtlich der
Kostenerstattung für Widerspruchsverfahren gegen
Entscheidungen der Kindergeldkasse § 63 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB X). § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt,
dass - soweit der Widerspruch erfolgreich ist - der
Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen
Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben
hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen zu erstatten hat. In §
63 Abs. 2 SGB X heißt es, dass die Gebühren und Auslagen
eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im
Vorverfahren erstattungsfähig sind, wenn die Zuziehung eines
Bevollmächtigten notwendig war. Der Anwendungsbereich dieser
Vorschrift ist zwar auf das Widerspruchsverfahren (vgl.
§§ 83 ff. des Sozialgerichtsgesetzes) beschränkt,
nicht aber auf bestimmte Verfahrensgegenstände. Er erfasste
daher auch Rechtsbehelfe im Zusammenhang mit der Abzweigung des
Kindergelds nach § 48 Abs. 1 des Ersten Buches
Sozialgesetzbuch, einer dem § 74 Abs. 1 EStG entsprechenden
Regelung (Senatsurteil vom 26.06.2014 - III R 39/12, BFHE 246, 410,
BStBl II 2015, 148 = SIS 14 28 03). Mit der Neuregelung der
einkommensteuerrechtlichen Kindergeldvorschriften durch das
Jahressteuergesetz 1996 wurde § 77 EStG in das EStG
aufgenommen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 77 EStG
war beabsichtigt, eine dem § 63 SGB X entsprechende Vorschrift
zu schaffen (BT-Drucks. 13/1558, S. 162).
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Gleichwohl regelt das Gesetz die
Erstattungspflicht nicht allgemein für Einspruchsverfahren in
Kindergeldangelegenheiten, sondern setzt einen erfolgreichen
Einspruch gegen eine Kindergeldfestsetzung voraus (Senatsurteil in
BFHE 246, 410, BStBl II 2015, 148 = SIS 14 28 03). Insoweit kann
die Kostenerstattungspflicht bei Kindergeldsachen
grundsätzlich auch nicht extensiv ausgelegt werden
(Senatsbeschluss in BFH/NV 2011, 434 = SIS 11 04 93).
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Aus der Gesetzesbegründung wird vielmehr
erkennbar, dass der Gesetzgeber nicht in sämtlichen das
Kindergeld auch nur am Rande betreffenden Verfahren eine
Kostenerstattungspflicht regeln wollte. Vielmehr wollte er in
erster Linie eine Gleichstellung bei den bisher im SGB X
verankerten Kostenerstattungsfällen erreichen, soweit es um
erfolgreiche Einsprüche gegen Kindergeldfestsetzungen geht.
Geht es hingegen nicht um Fragen der Leistungsgewährung im
weitesten Sinne, war eine Gleichstellung auch im Hinblick auf die
vor 1996 getroffenen Regelungen im Sozialrecht nicht erforderlich.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kostenerstattung im sog.
isolierten Vorverfahren im Rahmen der AO grundsätzlich in
verfassungsrechtlich zulässiger Weise (BFH-Beschluss vom
23.07.1996 - VII B 42/96, BFHE 180, 529, BStBl II 1996, 501 = SIS 96 20 90, m.w.N.) nicht vorgesehen ist, entspricht die
Nichteinbeziehung von Einspruchsverfahren gegen
Billigkeitsentscheidungen oder Hinterziehungszinsen auch dem
Gleichheitsgrundsatz. In diesen Verfahren liegt der Schwerpunkt
nicht auf der Feststellung eines Kindergeldanspruchs, sondern auf
der Prüfung von Billigkeitserwägungen (unbillige Erhebung
oder Einziehung, §§ 163, 227 AO) und der Feststellung, ob
eine Steuerhinterziehung (hinterzogene Steuern, § 235 AO)
vorliegt. Die entsprechend zu prüfenden Voraussetzungen
unterscheiden sich aber in keiner Weise von Verfahren nach der AO,
denen eine Steuerfestsetzung zugrunde liegt. Auch im Hinblick auf
die Rechtsnatur der Kindergeldregelungen sind keine Gründe
ersichtlich, die es gebieten, die Ausnahmeregelung des § 77
EStG entgegen dem Wortlaut auf Verfahren auszudehnen, die
vergleichbaren Verwaltungsverfahren im Steuerrecht entsprechen.
Eine unterschiedliche Behandlung der Kostenerstattungspflicht, je
nachdem ob es um die Frage geht, ob eine Steuer oder eine
Steuervergütung (§ 31 Satz 3 EStG) hinterzogen worden
ist, ist zudem sachlich nicht zu rechtfertigen. Vor diesem
Hintergrund kann jedenfalls nicht mit der gebotenen Gewissheit
festgestellt werden, dass es der Gesetzgeber planwidrig unterlassen
hat, die Kostenerstattungspflicht auch auf Fälle auszudehnen,
die mit der Kindergeldfestsetzung an sich nichts zu tun haben. Ein
Versehen des Gesetzgebers ist nicht erkennbar. Eine analoge
Anwendung des § 77 EStG auf das erfolgreiche
Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen
scheidet daher aus.
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cc) Soweit die Rechtsprechung der FG und des
BFH die Ausnahmevorschrift des § 77 EStG erweiternd (analog)
ausgelegt hat, umfasst dies grundsätzlich nur - mit dem
Streitfall nicht vergleichbare - Fälle, in denen der
Verfahrensgegenstand mit einer (erfolgreichen)
Kindergeldfestsetzung zusammenhing (BFH-Urteil vom 23.07.2002 -
VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25 = SIS 03 06 41; Hessisches FG vom
18.03.2015 - 12 K 1651/11, EFG 2015, 1616 = SIS 15 20 08,
rechtskräftig: Festsetzungs-, Ablehnungs-,
Aufhebungsbescheide; BFH-Urteil vom 18.11.2015 - XI R 24-25/14,
BFH/NV 2016, 418 = SIS 16 02 66; ebenso Sächsisches FG vom
10.12.2008 - 5 K 2065/06, juris = SIS 09 04 18, rechtskräftig:
Rückforderungsbescheide: Senatsurteil in BFHE 246, 410, BStBl
II 2015, 148 = SIS 14 28 03; BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 418 = SIS 16 02 66; (erfolgreiche) Untätigkeitseinsprüche, mit dem
Ziel einer Kindergeldfestsetzung: FG München, Urteil vom
25.10.2017 - 7 K 2111/17, juris = SIS 17 25 37; FG Düsseldorf,
Urteil vom 08.06.2011 - 7 K 3951/10 Kg, juris = SIS 13 00 49; FG
Köln, Urteil vom 21.11.2012 - 14 K 1020/12, EFG 2013, 713 =
SIS 13 03 81; vgl. Senatsurteil vom 18.12.2019 - III R 46/17,
BFH/NV 2020, 690 = SIS 20 04 18; Abzweigungsbescheide nach §
74 EStG: Senatsurteil in BFHE 246, 410, BStBl II 2015, 148 = SIS 14 28 03; BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 418 = SIS 16 02 66).
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Die ausnahmsweise angenommene analoge
Anwendung des § 77 EStG bei der Anfechtung eines
Abrechnungsbescheids nach § 218 AO hat der BFH damit
begründet, dass die Auswirkungen einer Abzweigungsentscheidung
der Familienkasse (§ 74 Abs. 1 EStG) und eines
Abrechnungsbescheids wegen des Erstattungsanspruchs eines
Trägers von Sozialleistungen (§ 74 Abs. 2 EStG) sich
gleichen, da in beiden Fällen das zugunsten des
Kindergeldberechtigten festgesetzte Kindergeld nicht an diesen,
sondern an einen Dritten ausgezahlt wird (Senatsurteil vom
23.06.2015 - III R 31/14, BFHE 250, 28, BStBl II 2016, 26 = SIS 15 20 53, Rz 19).
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2. Da das FG seiner Entscheidung eine
abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, war das Urteil
aufzuheben. Der Klägerin steht eine Kostenerstattung nicht zu,
weshalb die Klage als unbegründet abzuweisen ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf
§§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.
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