Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Nürnberg vom 03.05.2018 - 6 K 1218/17 = SIS 19 13 00 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erzielte im Streitjahr (2015) Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit. Er war seit 1978 beim ...
(Arbeitgeber) als Sanitäter im Rettungsdienst
(Rettungsassistent) angestellt.
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Der Arbeitgeber betrieb in X drei
Rettungswachen. Für alle Standorte bestand eine
24-Stunden-Einsatzbereitschaft. Der Kläger begann seinen
Schichtdienst regelmäßig in der Hauptwache in der
Y-Straße. Nur in einzelnen Vertretungsfällen half er
ausnahmsweise in einer anderen Rettungswache aus.
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Die Arbeitseinteilung der
Rettungsassistenten war in Fünf-Tages-Dienstplänen
organisiert, die von der jeweiligen Wachleitung erstellt wurden.
Die Wachleitung war Teil der jeweiligen Rettungswache. Hatte der
Kläger z.B. Spätschicht, begann diese um 14:00 Uhr und
endete um 22:00 Uhr. Der Kläger musste dann um 14:00 Uhr in
Dienstkleidung im Rettungsfahrzeug sitzen und sich bei der
Rettungsleitstelle der Berufsfeuerwehr X-Stadt anmelden.
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Der Kläger stempelte seine
Arbeitszeiten nicht. Er kam ca. 15 bis 20 Minuten vor Schichtbeginn
in die Hauptwache und legte seine Dienstkleidung an.
Anschließend prüfte er, ob das Rettungsfahrzeug sauber
war und die erforderliche Ausstattung - wie Medikamente und
sonstiges (Verbrauchs-)Material - enthielt. War dies nicht der
Fall, reinigte der Kläger den Innenraum des Fahrzeugs und
ergänzte die fehlende Ausstattung. Etwaige Krankmeldungen
reichte er ebenfalls in der Hauptwache bei der dortigen Wachleitung
ein.
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Sobald von der Rettungsleitstelle
Einsatzdaten übermittelt wurden, fuhr der Kläger im
Rettungsfahrzeug von der Hauptwache zum Einsatz. Nach dem
jeweiligen Einsatz verblieb er im dortigen Stadtteil. Bei
Schichtende fuhr er das Rettungsfahrzeug nach dem letzten Einsatz
wieder zur Hauptwache.
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In seiner Einkommensteuererklärung
machte der Kläger Mehraufwendungen für Verpflegung bei
Auswärtstätigkeit als Werbungskosten geltend. Er gab an,
die Abwesenheitszeit habe an allen Arbeitstagen mehr als acht
Stunden betragen, sodass eine Verpflegungspauschale von 12 EUR pro
Tag anzusetzen sei. Bei der Ermittlung der Abwesenheitszeiten bezog
der Kläger die Fahrzeiten von jeweils einer Stunde zwischen
seiner Wohnung und der Hauptwache ein. Der Kläger war der
Auffassung, er habe im Streitjahr nicht über eine erste
Tätigkeitsstätte verfügt.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die geltend gemachten
Verpflegungsmehraufwendungen nicht.
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Während des Einspruchsverfahrens legte
der Kläger eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vor. Darin
hieß es u.a., die Einsatzdaten kämen von der
Rettungsleitstelle der Berufsfeuerwehr X-Stadt über Funk ins
Rettungsfahrzeug. In der Rettungsleitstelle führe der
Kläger keine Tätigkeiten aus. Sein Arbeitsplatz sei das
jeweilige Rettungsfahrzeug. Dieses übernehme er in der
Hauptwache und übergebe es dort bei Dienstschluss an die
nächste Schicht. Aus einer vom Kläger ebenfalls
vorgelegten Zusammenstellung seiner Einsatzzeiten ergab sich, dass
er an 22 Tagen zusammenhängend über acht Stunden
außerhalb der Hauptwache im Einsatz war.
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Der Einspruch des Klägers hatte
insoweit Erfolg, als das FA im Hinblick auf die vom Kläger
vorgelegte Zusammenstellung der Einsatzzeiten für 22 Tage eine
Verpflegungspauschale von 12 EUR pro Tag zum Werbungskostenabzug
zuließ. Den weiter gehenden Einspruch wies das FA
zurück.
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Das Finanzgericht (FG) wies die
anschließend erhobene Klage ab. Der Kläger habe in der
Hauptwache über eine erste Tätigkeitsstätte
verfügt. Er habe jedoch nicht nachgewiesen, dass er an mehr
als 22 Tagen für jeweils mehr als acht Stunden ununterbrochen
außerhalb seiner Wohnung und seiner ersten
Tätigkeitsstätte beruflich tätig gewesen
sei.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben
und den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 14.05.2016 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.08.2017 dahin zu
ändern, dass weitere Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe
von 1.572 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zutreffend entschieden,
dass der Kläger im Streitjahr in der Hauptwache seines
Arbeitgebers seine erste Tätigkeitsstätte hatte. Es hat
deshalb die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen
über die vom FA bereits anerkannten Beträge hinaus zu
Recht nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen.
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1. Wird der Arbeitnehmer außerhalb
seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich
tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist
gemäß § 9 Abs. 4a Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Abgeltung der ihm
tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten
Mehraufwendungen eine Verpflegungspauschale nach Maßgabe des
Satzes 3 anzusetzen.
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2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach
der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste
betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen
Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom
Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft
zugeordnet ist. Der durch das Gesetz zur Änderung und
Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen
Reisekostenrechts vom 20.02.2013 (BGBl I 2013, 285) neu
eingeführte und in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG definierte
Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“
tritt an die Stelle des bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffs der
„regelmäßigen
Arbeitsstätte“.
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a) Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind
räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit
des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom
Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden
verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend
standortgebunden genutzt zu werden (z.B. Senatsurteil vom
04.04.2019 - VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536 = SIS 19 09 76, Rz 13, m.w.N.).
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b) Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung
wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst-
oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese
ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer
gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf
es nicht (Senatsurteil vom 11.04.2019 - VI R 40/16, BFHE 264, 248,
BStBl II 2019, 546 = SIS 19 09 78, Rz 35).
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c) Die arbeitsrechtliche
Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für
ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden. Eine
Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu
entnehmen. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist
vielmehr durch alle nach der FGO zugelassenen Beweismittel
möglich und durch das FG im Rahmen einer umfassenden
Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So
entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass
der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers
zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder
werden soll (z.B. Senatsurteil in BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536
= SIS 19 09 76, Rz 17).
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d) Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten
Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es
aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste
Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der
Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder
ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht
mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der
Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest
in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er
arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von
ihm ausgeübten Berufsbild gehören (Senatsurteile in BFHE
264, 271, BStBl II 2019, 536 = SIS 19 09 76, Rz 18 f., und in BFHE
264, 248, BStBl II 2019, 546 = SIS 19 09 78, Rz 25 f.).
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e) Von einer dauerhaften Zuordnung ist
ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten
Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer
unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder
über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen
Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
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aa) Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des
§ 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der
Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der
maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig
bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit
der Arbeitsleistung ergibt (Senatsurteil in BFHE 264, 271, BStBl II
2019, 536 = SIS 19 09 76, Rz 21).
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bb) Die Zuordnung erfolgt gemäß
§ 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG für die Dauer des
Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der
maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des
Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll. Dies
kann insbesondere angenommen werden, wenn die Zuordnung im Rahmen
des Arbeits- oder Dienstverhältnisses unbefristet oder
(ausdrücklich) für dessen gesamte Dauer erfolgt
(Senatsurteil in BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536 = SIS 19 09 76,
Rz 22).
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3. Nach diesen Maßstäben ist das FG
zu Recht davon ausgegangen, dass die Hauptwache im Streitjahr die
erste Tätigkeitsstätte des Klägers war.
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a) Bei der Hauptwache handelte es sich um eine
ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des
Klägers. Dies steht zwischen den Beteiligten auch nicht im
Streit. Der Senat sieht deshalb insoweit von weiteren
Ausführungen ab.
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b) Entgegen der Ansicht des Klägers war
dieser der Hauptwache auch dauerhaft zugeordnet.
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aa) Nach den nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger seit Beginn seiner
Tätigkeit als Rettungsassistent nach den von seinem
Arbeitgeber aufgestellten Dienstplänen seine Tätigkeit
grundsätzlich in der Hauptwache zu beginnen. Damit hatte der
Arbeitgeber den Kläger kraft seines Direktionsrechts der
Hauptwache i.S. von § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG zugeordnet. Diese
Zuordnung galt im Streitjahr fort. Der Kläger musste auch im
Streitjahr nach den sich aus den Dienstplänen ergebenden
Weisungen seines Arbeitgebers seinen Dienst in aller Regel in der
Hauptwache beginnen. Einer besonderen einkommensteuerrechtlichen
Festlegung einer ersten Tätigkeitsstätte i.S. von §
9 Abs. 4 EStG bedurfte es daneben nicht. Vielmehr nimmt das neue -
zum 01.01.2014 in Kraft getretene - steuerliche Reisekostenrecht
die vorgefundenen arbeits- und dienstrechtlichen Festlegungen des
Arbeitgebers auf.
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bb) Die Zuordnung des Klägers zur
Hauptwache erfolgte auch unbefristet. Denn sie war nach den
Feststellungen der Vorinstanz weder kalendermäßig
bestimmt noch ergab sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der
Arbeitsleistung des Klägers eine Befristung. Vielmehr begann
der Kläger nach den nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) in der Hauptwache über viele Jahre
hinweg seine berufliche Tätigkeit. Die Möglichkeit des
Arbeitgebers, den Kläger auch an einer anderen Rettungswache
als Rettungsassistenten einzusetzen, führt als solche noch
nicht zu einer lediglich befristeten Zuordnung (Senatsurteil in
BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546 = SIS 19 09 78, Rz 34).
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c) Schließlich wurde der Kläger in
der Hauptwache auch in einem noch hinreichenden Umfang tätig.
Er hatte als Rettungsassistent nach den bindenden Feststellungen
des FG auch in der Hauptwache arbeitstäglich Tätigkeiten
auszuführen, die ebenso zum Berufsbild eines
Rettungsassistenten gehören wie die Versorgung der Patienten
vor Ort. Das Anlegen der Berufskleidung sowie die Abgabe der
Krankmeldungen reichten allerdings nicht aus, um eine hinreichende
Berufstätigkeit des Klägers an der Hauptwache anzunehmen.
Der Kläger hatte in der Hauptwache darüber hinaus aber
auch das von ihm dort zu übernehmende Rettungsfahrzeug in
Bezug auf Sauberkeit und ordnungsgemäße Bestückung
mit Medikamenten und sonstigem auf einem Rettungsfahrzeug
benötigten (Verbrauchs-)Material zu überprüfen. Er
musste im Bedarfsfall den Innenraum des Fahrzeugs reinigen und -
soweit erforderlich - fehlende Medikamente und fehlendes sonstiges
(Verbrauchs-)Material ergänzen. Diese in der Hauptwache
ausgeführten Tätigkeiten waren vom Kläger
arbeitsvertraglich geschuldet und gehörten zu dem Berufsbild
der von ihm ausgeübten Berufstätigkeit als
Rettungsassistent. Für das Vorliegen einer ersten
Tätigkeitsstätte ist es - wie oben dargelegt - nicht
erforderlich, dass sich dort auch der qualitative Schwerpunkt der
Tätigkeit befindet, die der Arbeitnehmer nach seinem
Berufsbild für den Arbeitgeber ausübt oder ausüben
soll.
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4. Ein Ansatz der begehrten Mehraufwendungen
für Verpflegung kommt daher nicht in Betracht. Der Kläger
war nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2
FGO) an den noch geltend gemachten Tagen nicht - wie in § 9
Abs. 4a Sätze 2 und 3 Nr. 3 EStG vorausgesetzt - mehr als acht
Stunden von seiner Wohnung und der Hauptwache als erster
Tätigkeitsstätte abwesend. Eine Abwesenheit von mehr als
acht Stunden nur von der Wohnung reicht nach dem Gesetzeswortlaut
nicht aus.
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5. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob
der Bezirk seiner Rettungswache ein weiträumiges
Tätigkeitsgebiet i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3
EStG ist, stellt sich im Streitfall damit nicht. Denn einer Antwort
auf diese Frage bedarf es nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1
EStG nur, wenn der Steuerpflichtige - anders als der Kläger im
Streitfall - über keine erste Tätigkeitsstätte
verfügt.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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