Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 15.4.2015 2 K 3593/11 wird
als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine
Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, erbrachte
im II. Quartal 2010 (Meldezeitraum) u.a. sonstige Leistungen aus
anwaltlicher Tätigkeit an Unternehmer als
Leistungsempfänger, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet
ansässig sind. Die Klägerin nahm deshalb an, dass
gemäß § 3a Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
der Ort der Leistung nicht im Inland liege und im Wege der Umkehr
der Steuerschuldnerschaft („reverse charge“) die
Leistungsempfänger in ihrem Ansässigkeitsstaat die
Umsatzsteuer des Ansässigkeitsstaats schulden. Dementsprechend
erteilte sie Rechnungen ohne deutsche Umsatzsteuer und sah von
deren Abführung ab.
|
|
|
2
|
In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für
das II. Quartal 2010 erklärte die Klägerin insoweit zwar
gemäß § 18b Satz 1 Nr. 2 UStG
innergemeinschaftliche sonstige Leistungen, gab aber keine
Zusammenfassende Meldung i.S. des § 18a UStG ab.
|
|
|
3
|
Im Hinblick darauf erinnerte der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern - BZSt
- ) die Klägerin mit „Erinnerung“ vom 17.10.2011,
der eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, an die Abgabe
der Zusammenfassenden Meldung für das II. Quartal 2010 und
bat, diese unverzüglich zu übermitteln.
|
|
|
4
|
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen mit
Zustimmung des BZSt erhobene Sprungklage, mit der die Klägerin
geltend machte, sie dürfte als Rechtsanwaltsgesellschaft
gemäß § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b der
Abgabenordnung (AO) die Weitergabe solcher Informationen
verweigern, die ihr in ihrer anwaltlichen Eigenschaft anvertraut
oder bekannt geworden seien, was die Nennung der Identität
nebst Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) ihrer im
Ausland ansässigen Mandanten einschließe, mit seinem in
EFG 2015, 1657 = SIS 15 22 04 veröffentlichten Urteil
ab.
|
|
|
5
|
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die
von ihm vorgenommene Güterabwägung zwischen anwaltlicher
Schweigepflicht und Gleichmäßigkeit der Besteuerung
unzutreffend vorgenommen und überdies zu Unrecht angenommen,
dass eine konkludente Einwilligung der Mandanten in die Weitergabe
ihrer Daten angenommen werden könne.
|
|
|
6
|
Überdies verletze die Pflicht zur
Abgabe der Zusammenfassenden Meldung ihre Dienstleistungsfreiheit
(Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union - AEUV - ); denn die Pflicht zur
Offenbarung der USt-IdNr. könne Mandanten aus anderen
Mitgliedstaaten davon abhalten, sie zu beauftragen, wenn sie
dafür auf die Verschwiegenheitspflicht verzichten
müssten. Auch dies sei nicht gerechtfertigt.
|
|
|
7
|
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben.
|
|
|
|
8
|
Ferner werden folgende Anträge
gestellt:
|
|
|
“-
|
Die Erinnerung an die Abgabe der
[Zusammenfassenden Meldung] gemäß § 18a UStG
für den Meldezeitraum 1. April bis 30.6.2010 wird ersatzlos
aufgehoben ...
|
|
|
-
|
Es wird festgestellt, dass die
[Klägerin] von der Pflicht zur Abgabe einer [Zusammenfassenden
Meldung] entbunden ist, soweit und solange keine gesetzliche
Grundlage vorliegt, die die Verschwiegenheitsverpflichtungen der
[Klägerin] angemessen berücksichtigt.“
|
|
|
|
9
|
Das BZSt beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist zu Recht davon
ausgegangen, dass die Klägerin gemäß § 18a
Abs. 2 UStG zur Abgabe der von ihr angeforderten Zusammenfassenden
Meldung verpflichtet war. Dem stand die anwaltliche Pflicht zur
Verschwiegenheit nicht entgegen, weil die im übrigen
Gemeinschaftsgebiet ansässigen Empfänger der
Beratungsleistungen durch die Mitteilung (Verwendung) ihrer
USt-IdNr. gegenüber der Klägerin in die Weitergabe der
Daten an die Steuerbehörden eingewilligt haben.
|
|
|
11
|
1. Das FG hat im Ausgangspunkt zu Recht
angenommen, dass die Erinnerung des BZSt vom 17.10.2011 ein
Verwaltungsakt ist.
|
|
|
12
|
a) Verwaltungsakt ist jede Verfügung,
Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine
Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des
öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare
Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Satz 1
AO).
|
|
|
13
|
aa) Die bloße Erinnerung an die Abgabe
einer Steuererklärung ist kein Verwaltungsakt, wenn sich der
Inhalt des Schreibens darin erschöpft, an eine bereits
bestehende Erklärungspflicht zu erinnern (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.7.1997 I R 45/96, BFH/NV 1998, 14,
unter II.1., Rz 8, m.w.N., bei früherer Aufforderung; s.a.
Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler - HHSp -, § 118 AO
Rz 543 „Steuererklärung“).
|
|
|
14
|
Dagegen ist die Erinnerung ein Verwaltungsakt,
wenn sie nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt als
Maßnahme der Behörde zur Schaffung einer Rechtsgrundlage
für die Einleitung des Zwangsmittelverfahrens gemäß
§ 328 AO zu verstehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.1989 I R
101/87, BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280 = SIS 90 08 50, unter
II.1., Rz 11). Die Abgabe von (vollständigen)
Steuererklärungen darf zwar mittels Zwangsgeld durchgesetzt
werden (vgl. BFH-Beschluss vom 22.12.1993 I B 59/93, BFH/NV 1994,
447, Leitsatz, juris, Rz 10). Die abstrakte Pflicht zur Abgabe von
Steuererklärungen oder zur Beifügung bestimmter
Unterlagen ist aber nicht bereits als solche mit Zwangsmitteln
durchsetzbar; sie bedarf einer Konkretisierung und
Individualisierung durch einen Verwaltungsakt, der erst die
Grundlage für den Einsatz von Zwangsmitteln darstellen kann
(vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2011 X R 18/09, BFHE 235, 452, BStBl II
2012, 129 = SIS 11 39 69, Rz 18).
|
|
|
15
|
Ebenfalls ein Verwaltungsakt ist eine in die
Form einer Erinnerung gekleidete Aufforderung zur Abgabe einer
Steuererklärung, nachdem der Steuerpflichtige mitgeteilt
hatte, dass er nach seiner Meinung die Erklärung nicht abgeben
müsse, weil er nicht erklärungspflichtig sei (Seer in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 149 AO
Rz 13; Heuermann in HHSp, § 149 AO Rz 17; in diese Richtung
deutend auch BFH-Urteil in BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280 = SIS 90 08 50, unter I., II.1., Rz 3 und 11). Gleiches gilt, soweit er
sich auf ein Auskunftsverweigerungsrecht beruft und die
Finanzbehörde auf der Auskunft besteht (ebenso Schuster in
HHSp, § 102 AO Rz 68; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 102
AO Rz 30 i.V.m. § 101 AO Rz 15; Schindler in Beermann/Gosch,
AO § 102 Rz 29; Niewerth in Lippross/Seibel, Basiskommentar
Steuerrecht, § 102 Rz 12).
|
|
|
16
|
bb) Diese Rechtsprechung ist auf die
Erinnerung zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung zu
übertragen.
|
|
|
17
|
Die Zusammenfassende Meldung ist zwar keine
Steuererklärung (vgl. Hildesheim in Offerhaus/Söhn/Lange,
§ 18a UStG Rz 8a; Kemper, UR 2015, 373, 375; Kraeusel in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 18a Rz 313); jedoch waren
im Meldezeitraum nach § 18a Abs. 8 (seit 1.7.2010: Abs. 11)
UStG a.F. auf die Zusammenfassende Meldung ergänzend die
für Steuererklärungen geltenden Vorschriften der AO
anzuwenden.
|
|
|
18
|
b) Ausgehend davon ist das FG zu Recht davon
ausgegangen, dass die Erinnerung des BZSt vom 17.10.2011 ein
Verwaltungsakt ist. Das Schreiben enthält neben der Erinnerung
die in die Form einer Bitte gekleidete Aufforderung, die
Zusammenfassende Meldung unverzüglich zu übermitteln.
Zudem zeigt die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung, dass
das BZSt einen Verwaltungsakt erlassen wollte.
|
|
|
19
|
2. Die Klägerin ist gemäß
§ 18a Abs. 2 UStG zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung
verpflichtet.
|
|
|
|
20
|
a) Der Unternehmer i.S. des § 2 UStG hat
nach § 18a Abs. 1 Satz 2 UStG a.F. (seit 1.7.2010: § 18a
Abs. 2 Satz 1 UStG) bis zum 10. Tag (seit 1.7.2010: 25. Tag) nach
Ablauf jedes Kalendervierteljahres (Meldezeitraum), in dem er im
übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerpflichtige sonstige
Leistungen i.S. des § 3a Abs. 2 UStG, für die der in
einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger
die Steuer dort schuldet, ausgeführt hat, dem BZSt eine
Zusammenfassende Meldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz
durch Datenfernübertragung zu übermitteln, in der er
folgende Angaben nach § 18a Abs. 4 (seit 1.7.2010: Abs. 7)
Satz 1 Nr. 3 UStG a.F. zu machen hat:
|
|
|
-
|
die USt-IdNr. jedes Leistungsempfängers,
die ihm in einem anderen Mitgliedstaat erteilt worden ist und unter
der die steuerpflichtigen sonstigen Leistungen an ihn erbracht
wurden (Buchst. a),
|
|
|
-
|
für jeden Leistungsempfänger die
Summe der Bemessungsgrundlagen der an ihn erbrachten
steuerpflichtigen sonstigen Leistungen (Buchst. b) sowie seit
1.7.2010:
|
|
|
-
|
einen Hinweis auf das Vorliegen einer im
übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführten
steuerpflichtigen sonstigen Leistung i.S. des § 3a Abs. 2
UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat
ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet
(Abs. 7 Buchst. c).
|
|
|
|
21
|
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
vor. Die Klägerin ist Unternehmerin. Sie führte im
Meldezeitraum gegen Entgelt Rechtsberatungsleistungen aus und hat
in ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Meldezeitraum
gemäß § 18b Satz 1 Nr. 2 UStG selbst eine
Bemessungsgrundlage für Umsätze i.S. des § 3a Abs. 2
UStG erklärt, die sie im Meldezeitraum (§ 18b Satz 3
UStG) an im übrigen Gemeinschaftsgebiet i.S. des § 1 Abs.
2a Satz 1 UStG ansässige Leistungsempfänger
ausgeführt hat. Weiter hat sie damit implizit angegeben, dass
der im anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger
die Steuer dort schuldet.
|
|
|
22
|
3. Die Klägerin durfte die Abgabe der
Zusammenfassenden Meldung und der darin geforderten Angaben nicht
aufgrund von § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO verweigern
(ebenso Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main
vom 14.6.2010, UR 2010, 792; Stadie, UStG, 3. Aufl., § 18a Rz
2; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18a Rz 15);
denn sie ist aufgrund der Mitteilung (Verwendung) der USt-IdNr. von
den Mandanten insoweit konkludent von ihrer Schweigepflicht
entbunden worden.
|
|
|
23
|
a) Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit
verpflichtet (§ 43a Abs. 2 Satz 1 der
Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - ) und berechtigt (§ 2 Abs.
1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte - BORA - ). Nach
§ 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO können deshalb u.a.
Rechtsanwälte die Auskunft über das verweigern, was ihnen
in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist.
|
|
|
24
|
aa) Die Vorschrift dient dem Schutz des
besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und
Mandanten (BFH-Beschluss vom 2.2.1989 IV B 114/88, BFH/NV 1989,
761, unter II.1., Rz 16). Der Schutz der Vertrauensbeziehung
zwischen Anwalt und Mandant (s. dazu Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20.5.2010 2 BvR 1413/09,
NJW 2010, 2937 = SIS 10 43 01, Rz 6) liegt darüber hinaus auch
im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten
Rechtspflege (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29.1.2015 2 BvR 497/12 u.a.
= SIS 15 13 89, Anwaltsblatt 2015, 440, Rz 18).
|
|
|
25
|
bb) § 102 AO gilt für eigene und
fremde Steuersachen des Berufsträgers (BFH-Beschluss vom
11.12.1957 II 100/53 U, BFHE 66, 225, BStBl III 1958, 86 = SIS 58 00 50; BFH-Urteil vom 28.10.2009 VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl
II 2010, 455 = SIS 10 02 72). Geschützt sind nur
mandatsbezogene Geheimnisse, die einem Berufsträger oder einem
seiner Mitarbeiter bei Ausübung oder Anbahnung eines Mandats
bekannt geworden sind (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2006 VII R 46/05,
BFHE 216, 22, BStBl II 2007, 365 = SIS 07 07 68, unter II.1.c, Rz
21). Dies umfasst sowohl die Identität des Mandanten als auch
die Tatsache seiner Beratung (vgl. BFH-Urteile vom 14.5.2002 IX R
31/00, BFHE 198, 319, BStBl II 2002, 712 = SIS 02 84 97, unter
II.1.a bb, Rz 14; vom 8.4.2008 VIII R 61/06, BFHE 220, 313, BStBl
II 2009, 579 = SIS 08 24 21, unter II.4., Rz 17; BFH-Beschluss vom
24.8.2006 I S 4/06, BFH/NV 2006, 2034 = SIS 06 41 30, unter II.5.,
Rz 13). Jedoch gilt das Verweigerungsrecht nicht für
Mandanten, die auf eine Geheimhaltung ihrer Identität
verzichtet haben (BFH-Urteile in BFHE 220, 313, BStBl II 2009, 579
= SIS 08 24 21, unter II.4., Rz 17; in BFHE 227, 338, BStBl II
2010, 455 = SIS 10 02 72, Rz 46; BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 2034
= SIS 06 41 30, unter II.5., Rz 13).
|
|
|
26
|
cc) Die Rechte des Mandanten beschränken
sich darauf, den Berufsträger von dessen
Verschwiegenheitspflicht entbinden zu können oder nicht; macht
der Berufsträger freiwillig Angaben, sind diese verwertbar
(vgl. BFH-Beschluss vom 1.2.2001 XI B 11/00, BFH/NV 2001, 811 = SIS 01 65 53, unter II.3., Rz 12; in BFHE 198, 319, BStBl II 2002, 712
= SIS 02 84 97, unter II.1.d, Rz 20).
|
|
|
27
|
b) Das Auskunftsverweigerungsrecht ist jedoch
nicht schrankenlos.
|
|
|
28
|
aa) Die in § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO
genannten Personen dürfen die Auskunft nicht verweigern, wenn
sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind
(§ 102 Abs. 3 Satz 1 AO), was auch stillschweigend geschehen
kann (vgl. BFH-Urteil vom 26.2.2004 IV R 50/01, BFHE 205, 234,
BStBl II 2004, 502 = SIS 04 14 36, unter II.2.b bb (3) und (4), Rz
21 ff. sowie 24; Zuck in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches
Berufsrecht, § 2 BORA Rz 41; Urteil des Bundesgerichtshofs -
BGH - vom 11.1.2016 AnwZ (Brfg) 42/14, DStR 2016, 1839, Rz 31 ff.).
Dem Berufsträger steht dann kein Auskunftsverweigerungsrecht
zu (vgl. BFH-Beschluss vom 4.8.1993 II B 25/93, BFH/NV 1994, 640,
unter II.1., Rz 9). Er macht sich dann auch nicht nach § 203
Abs. 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbar (vgl. BFH-Urteil
in BFHE 205, 234, BStBl II 2004, 502 = SIS 04 14 36, unter II.2.b
bb (3) und (4), Rz 21 ff. sowie 24).
|
|
|
29
|
bb) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur
Verschwiegenheit liegt außerdem nicht vor, soweit Gesetz und
Recht eine Ausnahme fordern oder zulassen (§ 2 Abs. 3 BORA
a.F., jetzt § 2 Abs. 2 BORA; vgl. dazu Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 13.12.2011 8 C 24/10,
BVerwGE 141, 262, DStR 2012, 1474).
|
|
|
30
|
c) Im Streitfall kann offen bleiben, ob die in
§ 18a UStG unter den dort genannten Voraussetzungen allgemein
für sämtliche Unternehmen gesetzlich normierte Pflicht
zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung nicht ohnehin die
anwaltliche Schweigepflicht zulässigerweise einschränkt
(vgl. dazu BVerwG-Urteil in BVerwGE 141, 262, DStR 2012, 1474, Rz
25 f., 30 ff.). Ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet
ansässiger Unternehmer als Leistungsempfänger willigt
jedenfalls mit der Mitteilung (Verwendung) der USt-IdNr.
gegenüber dem leistenden Unternehmer (hier: der Klägerin)
in die Offenbarung der USt-IdNr. in einer Zusammenfassenden Meldung
ein. Dies ergibt sich aus dem EU-weit harmonisierten - und daher
auch ausländischen Unternehmern als Leistungsempfängern
bekannten - System der Besteuerung innergemeinschaftlicher
Dienstleistungen (vgl. dazu z.B. Nieskens, UR 2009, 253, 255 ff.;
Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 1536 ff., 14.10):
|
|
|
31
|
aa) Liegt eine meldepflichtige
innergemeinschaftliche Dienstleistung vor, verlagern Art. 44 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), § 3a Abs. 2 UStG
den Ort der Leistung in den Mitgliedstaat, in dem der
Leistungsempfänger ansässig ist. Dies hat Auswirkungen
auf die Umsatzsteuerschuld des Leistungsempfängers; denn
dieser wird durch Art. 196 MwStSystRL und dem dazu ergangenen
nationalen Recht des Ansässigkeitsstaats (in der
Bundesrepublik Deutschland - Deutschland - im umgekehrten Fall
durch § 13b Abs. 1 UStG) Steuerschuldner. Deshalb muss der
Leistungsempfänger als Unternehmer den Umsatz nach Art. 250
MwStSystRL und dem dazu ergangenen nationalen Recht des
Ansässigkeitsstaats (in Deutschland im umgekehrten Fall durch
§ 18 Abs. 1 und 3 UStG) in seiner Umsatzsteuererklärung
angeben und damit die Mandatierung seiner zuständigen
Steuerbehörde offenbaren. Soweit ein Mitgliedstaat (wie z.B.
Deutschland mit § 18 Abs. 3 UStG) eine
Umsatzsteuer-Jahreserklärung vorsieht, muss auch diese die
Umsätze enthalten (Art. 261 MwStSystRL). Die Offenbarung der
Mandatierung wird außerdem zur Geltendmachung des
Vorsteuerabzugs erforderlich sein, auch wenn es nicht einer
ordnungsgemäßen Rechnung bedarf (vgl. u.a. Urteile des
Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - Bockemühl
vom 1.4.2004 C-90/02, EU:C:2004:206, BFH/NV 2004, Beilage 3, 220 =
SIS 04 21 50; Fatorie vom 6.2.2014
C-424/12, EU:C:2014:50, HFR 2014, 383 = SIS 14 04 45, Rz 33;
Farkas vom 26.4.2017 C-564/15, EU:C:2017:302, UR 2017, 438 = SIS 17 08 36, Rz 45).
|
|
|
32
|
bb) Bei den Leistungsempfängern, um die
es bei den hier streitigen Umsätzen geht, handelt es sich nach
§ 3a Abs. 2 UStG, Art. 44, Art. 43 Nr. 1 und 2 MwStSystRL im
Regelfall um Unternehmer, die die Leistung für ihr Unternehmen
beziehen und mit dem innergemeinschaftlichen Waren- und
Dienstleistungsverkehr vertraut sind (§ 27a Abs. 1 Satz 1
UStG). Soweit ein Unternehmer Leistungen ausschließlich
für seinen privaten Bereich empfängt, gilt er in diesem
Zusammenhang als nicht steuerpflichtig (vgl. nunmehr Art. 19
Unterabs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des
Rates vom 15.3.2011 zur Festlegung von
Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über
das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Amtsblatt der
Europäischen Union - ABlEU - Nr. L 77, S. 1 - MwSt-DVO - ).
Dem Nachweis der Unternehmereigenschaft und des Leistungsbezugs
für das Unternehmen dient die Mitteilung (Verwendung) der
USt-IdNr. (vgl. den 18. und 19. Erwägungsgrund der MwSt-DVO,
sowie Art. 18 und 19 MwSt-DVO i.d.F. ab 1.7.2011, sowie Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen vom 4.9.2009, BStBl I 2009,
1005 = SIS 09 28 61, Rz 15 und 146).
|
|
|
33
|
cc) Außerdem ist dem
Leistungsempfänger aufgrund von Art. 262 Buchst. c, Art. 264
Abs. 1 MwStSystRL bekannt, dass der leistende Unternehmer aufgrund
des Umsatzes in seinem Ansässigkeitsstaat eine
Zusammenfassende Meldung mit den unter II.2.a genannten Angaben
abgeben muss.
|
|
|
|
34
|
d) Aufgrund dieses aufeinander abgestimmten
Systems für sonstige Leistungen, die unter die allgemeine
Ortsregelung des § 3a Abs. 1 und 2 UStG fallen, liegt in der
Mitteilung (Verwendung) der USt-IdNr. die konkludente Mitteilung,
dass
|
|
|
-
|
der Leistungsempfänger ein Unternehmer
(oder eine ausschließlich nichtunternehmerisch tätige
juristische Person, der eine USt-IdNr. zugeteilt worden ist)
ist;
|
|
|
-
|
die Leistung nicht ausschließlich
für den privaten Bereich bezogen worden ist;
|
|
|
-
|
der Ort der Leistung in dem Staat liegt,
dessen USt-IdNr. verwendet worden ist;
|
|
|
-
|
der Leistungsempfänger dort zum
Steuerschuldner wird;
|
|
|
-
|
der leistende Unternehmer die Leistung mit dem
Hinweis „Steuerschuldnerschaft des
Leistungsempfängers“ (ohne Ausweis von deutscher
Umsatzsteuer) abrechnen soll;
|
|
|
-
|
der Leistungsempfänger die Umsätze
in seiner Steuererklärung angeben muss und
|
|
|
-
|
der Leistungsempfänger damit
einverstanden ist, dass der Leistende eine Zusammenfassende Meldung
mit den erforderlichen Angaben abgibt.
|
|
|
|
35
|
Diese Erklärungen gibt der
Leistungsempfänger in Kenntnis des Umstands ab, dass der
Mitgliedstaat, in dem die Zusammenfassende Meldung abgegeben wird,
diese Daten dem Mitgliedstaat, dessen USt-IdNr. der
Leistungsempfänger angegeben hat, übermittelt und diese
dort der Geheimhaltung unterliegen (vgl. 2. Erwägungsgrund der
Verordnung (EG) Nr. 143/2008 des Rates vom 12.2.2008 zur
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 hinsichtlich der
Einführung von Verwaltungsvereinbarungen und des
Informationsaustauschs im Hinblick auf die Regelungen
bezüglich des Ortes der Dienstleistung, die Sonderregelungen
und die Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer, ABlEU Nr. L 44,
S. 1 - VO Nr. 143/2008 -, sowie Art. 22, 24 und 41 Abs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7.10.2003 über die
Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der
Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92,
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 264, S. 1 - VO
Nr. 1798/2003 -, in Gestalt der VO Nr. 143/2008; seit 1.1.2012
Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7.10.2010 über die
Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die
Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABlEU Nr.
L 268, S. 1). Damit hat der Leistungsempfänger i.S. von §
102 Abs. 3 Satz 1 AO auf die Wahrung der Verschwiegenheitspflicht
verzichtet.
|
|
|
36
|
e) Die Behauptung der Klägerin, der
Leistungsempfänger könne nicht überblicken, dass die
USt-IdNr. an Dritte für Zwecke der Besteuerung und zur
Sicherung des Steueraufkommens innerhalb der Europäischen
Union (EU) weitergegeben werde, trifft danach nicht zu. Das
Gegenteil ist der Fall.
|
|
|
37
|
f) Die Erhebung von Umsatzsteuer auf
Dienstleistungen von Rechtsanwälten ist im Übrigen mit
Unionsrecht vereinbar und verstößt nicht gegen die
Charta der Grundrechte der EU (vgl. EuGH-Urteil Ordre des barreaux
francophones und germanophone u.a. vom 28.7.2016 C-543/14,
EU:C:2016:605, UR 2016, 634 = SIS 16 17 44).
|
|
|
38
|
4. Die Einwendungen der Klägerin
führen zu keiner anderen Beurteilung.
|
|
|
39
|
a) Soweit die Klägerin darauf hinweist,
dass sich USt-IdNrn. inzwischen auf Briefpapier oder Internetseiten
befinden, liegt hierin keine „Mitteilung“ in dem
genannten Sinne. Die Vermutungsregelungen setzen - wie Art. 19
MwSt-DVO zeigt - an der Mitteilung an, nicht an der Existenz einer
USt-IdNr.
|
|
|
40
|
b) Der Einwand der Klägerin, eine einmal
erteilte Einwilligung könne widerrufen werden, bleibt schon
deshalb erfolglos, weil ein derartiger Widerruf im Streitfall nicht
festgestellt worden ist.
|
|
|
41
|
5. Art. 56 AEUV ist entgegen der Ansicht der
Klägerin durch Art. 262 Buchst. c, Art. 264 MwStSystRL, §
18a Abs. 2, 4 und 7 UStG sowie Art. 22 ff. der VO Nr. 1798/2003
nicht verletzt.
|
|
|
42
|
a) Nach Art. 56 Abs. 1 AEUV sind
Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb
der EU für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem
anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers
ansässig sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen
(insbesondere Art. 62, 51 bis 54 AEUV) verboten.
|
|
|
43
|
Jedoch hat der EuGH in ständiger
Rechtsprechung anerkannt, dass die Notwendigkeit, die Wirksamkeit
der Steueraufsicht zu wahren, ein im Allgemeininteresse liegendes
Ziel ist, das eine Beschränkung der Grundfreiheiten
rechtfertigen kann (vgl. z.B. EuGH-Urteile Centro di Musicologia
Walter Stauffer vom 14.9.2006 C-386/04, EU:C:2006:568, BFH/NV 2007,
Beilage 1, 55 = SIS 06 39 05, Rz 47; New Valmar vom 21.6.2016
C-15/15, EU:C:2016:464, Europäische Zeitschrift für
Wirtschaftsrecht 2016, 717, Rz 51).
|
|
|
44
|
b) Selbst wenn eine Prüfung des §
18a Abs. 2 UStG anhand von Art. 56 AEUV vorzunehmen wäre (vgl.
aber EuGH-Urteile DaimlerChrysler vom 13.12.2001 C-324/99,
EU:C:2001:682, NVwZ 2002, 582, Rz 32; RegioPost vom 17.11.2015
C-115/14, EU:C:2015:760, NVwZ 2016, 212), wäre ein gedachter
Eingriff gerechtfertigt. Dies belegen die Begründungen der
Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12.2.2008 zur Änderung der
Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung
(ABlEU Nr. L 44, S. 11 - Richtlinie 2008/8/EG - ) und der VO Nr.
1798/2003:
|
|
|
45
|
aa) Nach dem 9. Erwägungsgrund der
Richtlinie 2008/8/EG dient die Zusammenfassende Meldung der
korrekten Anwendung der Richtlinie 2008/8/EG. Steuerhinterziehung
und Steuerumgehung über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg
führen nach dem 1. Erwägungsgrund der VO Nr. 1798/2003 zu
Einnahmeverlusten, verletzen das Prinzip der Steuergerechtigkeit
und beeinträchtigen das Funktionieren des Binnenmarkts. Der
Verordnungsgeber war deshalb der Meinung, für ein
reibungsloses Funktionieren des Mehrwertsteuersystems sei die
elektronische Speicherung und Übertragung von bestimmten Daten
zum Zweck der Kontrolle der Mehrwertsteuer erforderlich (4.
Erwägungsgrund der VO Nr. 1798/2003).
|
|
|
46
|
bb) Die Mechanismen der VO Nr. 1798/2003
für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sind, da sie dazu
dienen, in allen Mitgliedstaaten Betrug und Hinterziehung im
Bereich der Mehrwertsteuer zu bekämpfen, außerdem dazu
geeignet, die Zurverfügungstellung der Mehrwertsteuermittel
für den Unionshaushalt unmittelbar und nachhaltig zu
beeinflussen (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom
15.11.2011 C-539/09, EU:C:2011:733, HFR 2012, 102 = SIS 11 39 87,
Rz 77 ff.).
|
|
|
47
|
cc) Anhaltspunkte, die diese
Einschätzungen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit des
Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystems - MIAS - (und damit
einer Zusammenfassenden Meldung) als unzutreffend erscheinen
lassen, sind nicht ersichtlich.
|
|
|
48
|
dd) Die Verpflichtung zur Abgabe einer
Zusammenfassenden Meldung ist auch, wovon das FG in anderem
Zusammenhang ebenso ausgegangen ist, angemessen, da sich die mit
der Zusammenfassenden Meldung geforderten Angaben auf den zu einer
wirksamen Überprüfung im Rahmen des MIAS erforderlichen
Mindestinhalt zur Identität des Leistungsempfängers und
zum Umfang der Leistung beschränken. Sie beziehen sich
insbesondere nicht auf den Inhalt der von der Klägerin
erbrachten Beratungsleistungen (vgl. zu dieser Unterscheidung Seer
in Tipke/Kruse, a.a.O., § 102 AO Rz 16).
|
|
|
49
|
6. Auf die von der Klägerin aufgeworfenen
verfassungsrechtlichen Fragen zu Zulässigkeit und Grenzen
eines von ihr angenommenen Eingriffs in ihr
Auskunftsverweigerungsrecht kommt es danach nicht an, weil - wie
dargelegt - ein solches Recht aufgrund der Zustimmung ihrer
Mandanten zur Meldung in der Zusammenfassenden Meldung nicht
besteht.
|
|
|
50
|
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|
|
|
|
|
|
|