Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 4.11.2015 7 K
7351/13 = SIS 16 10 62 aufgehoben und der Umsatzsteuerbescheid 2007
vom 14.8.2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15.5.2013
und der Einspruchsentscheidung vom 9.9.2013 dahingehend
geändert, dass die Umsatzsteuer um 143.697,57 EUR gemindert
auf ... festgesetzt wird.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Die A-KG (KG) war Eigentümer eines
mit einem Gewerbegebäude bebauten Grundstücks
(Grundstück), das zum Teil vermietet war und im Übrigen
leer stand. Die KG beabsichtigte, das Grundstück zu
veräußern. Der Kaufinteressent wollte das Objekt nur
unter der Bedingung erwerben, dass ein bestimmter Anteil der
Leerstandsfläche zusätzlich für einen Zeitraum von
fünf Jahren vermietet wurde. Die KG und die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine
Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH, vereinbarten daher am
19.2.2007, dass die Klägerin „unmittelbar gegenüber
dem Käufer des Grundstücks“ Mieterverpflichtungen
gemäß dem Entwurf eines Mietvertrages übernehmen
sollte. Für die Übernahme dieser Mieterverpflichtung
sollte die Klägerin von der KG eine einmalige Vergütung
in Höhe von 900.000 EUR erhalten. Der Betrag war nach Eingang
des Grundstückskaufpreises bei der KG zu zahlen. Die KG und
Klägerin schlossen noch am selben Tag den Mietvertrag ab. Das
Mietverhältnis sollte am 1.4.2007 beginnen und fünf Jahre
dauern. Die Monatsmiete betrug 15.000 EUR zuzüglich
Umsatzsteuer. Unter Berücksichtigung von Betriebs- und
Nebenkostenvorauszahlungen belief sich der monatliche
Gesamtmietzins auf 23.737,53 EUR (darin enthalten Umsatzsteuer in
Höhe von 3.790,03 EUR).
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Die KG veräußerte das
Grundstück mit notariellem Vertrag vom 19.2.2007 an den
Erwerber. Der Erwerber trat in das zwischen der Klägerin und
der KG begründete Mietverhältnis ein. Die Klägerin
erhielt im Streitjahr 2007 von der KG die vereinbarte
Vergütung von 900.000 EUR und legte den Betrag als Festgeld
bei einer Bank an, die die vertraglich vorgesehene Bürgschaft
zugunsten des Vermieters ausreichte.
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Im Anschluss an eine
Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ), davon aus, dass die Klägerin aufgrund
der Vereinbarung vom 19.2.2007 eine steuerbare und steuerpflichtige
Leistung erbracht habe. Das FA erhöhte die zum Regelsteuersatz
steuerpflichtigen Umsätze um das sich aus der Gegenleistung
von 900.000 EUR errechnete Entgelt von 756.303 EUR und die
Umsatzsteuer um 143.697,57 EUR.
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Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG)
hatten keinen Erfolg. Nach dem in EFG 2016, 1112 = SIS 16 10 62
veröffentlichten Urteil des FG erbrachte die Klägerin
eine steuerbare Leistung. Die KG habe durch die Bereitschaft der
Klägerin, den Mietvertrag gemäß den Vorgaben der KG
abzuschließen, einen Vorteil mit wirtschaftlichem Gehalt
erlangt, da der Erwerber des Grundstücks ein Interesse an
einer möglichst hohen Vermietungsquote geäußert
hatte. Der Mietvertrag mit der Klägerin sollte die geforderte
Vermietungsquote herstellen, ohne dass ein Interesse an der
Vermietung bestimmter Gebäudeteile bestanden habe. Unter
Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG
des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG) habe die KG nicht dafür gezahlt, dass die
Klägerin mit ihr für die Laufzeit des Mietvertrages ein
Mietverhältnis unterhielt, sondern dafür, dass die
Klägerin sich bereit erklärte, ein solches
Mietverhältnis über die vereinbarte Laufzeit unter
Stellung einer Mietsicherheit mit dem Erwerber durchzuführen,
obwohl die Klägerin an der Anmietung von Fläche nicht
interessiert gewesen sei. Dadurch sei der KG ein verbrauchbarer
Vorteil zugeflossen, da sie nunmehr den Kaufvertrag mit dem
Erwerber abschließen konnte. Die Leistung der Klägerin
sei auch nicht gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. g des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei. Die dort vorgesehene
Steuerfreiheit für die Übernahme von Verbindlichkeiten,
von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die
Vermittlung dieser Umsätze erfasse nicht die Eingehung
gegenseitiger Verträge. Die Leistung habe auch nicht den
Charakter eines Finanzgeschäfts, da das Eingehen eines
Mietvertrags kein banktypisches Geschäft sei und sich nicht im
Hin- und Herbewegen von Kapital erschöpfe.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
ihrer Revision, die sie auf Verletzung materiellen Rechts
stützt. Sie habe bereits keine Leistung ausgeführt, die
über die Zahlung des Mietzinses hinausgehe. Sie habe
insbesondere keine Werbeleistung als Prestigemieter erbracht. Ein
Vorteil habe sich im Streitfall nur aus der Zahlung der Miete
ergeben. Selbst wenn eine Leistung vorläge, sei diese
zumindest steuerfrei. Dem stehe die Rechtsprechung zur
Übernahme bestehender Verträge nicht entgegen. Mit der
Mietzahlung habe sie eine Geldverbindlichkeit
übernommen.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den
Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 14.8.2012 in Gestalt des
Änderungsbescheides vom 15.5.2013 und der
Einspruchsentscheidung vom 9.9.2013 dahingehend zu ändern,
dass die Umsatzsteuer um 143.697,57 EUR gemindert auf ...
festgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Die Leistung der Klägerin sei
steuerbar und nicht steuerfrei.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage
stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Der Senat hat bereits Zweifel, ob die durch die
Klägerin erbrachte Leistung überhaupt steuerbar ist. Sie
ist jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
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1. Die Übernahme von Verbindlichkeiten,
von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die
Vermittlung dieser Umsätze ist steuerfrei (§ 4 Nr. 8
Buchst. g UStG).
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a) § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG erfasst nach
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) z.B. die entgeltliche
Übernahme einer Ausbietungsgarantie (Urteil vom 22.10.1992 V R
53/89, BFHE 169, 551, BStBl II 1993, 318 = SIS 93 04 35, Leitsatz).
Steuerfrei ist auch der steuerbare Verzicht auf eine Mietgarantie,
wenn die Einräumung der Mietgarantie nach § 4 Nr. 8
Buchst. g UStG steuerfrei ist oder - bei Entgeltlichkeit -
steuerfrei wäre (BFH-Urteil vom 15.4.2015 V R 46/13, BFHE 250,
253, BStBl II 2015, 947 = SIS 15 18 88, Leitsatz 2).
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b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit
auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates
vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) (zuvor: Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie
77/388/EWG). Steuerfrei ist danach die Vermittlung und
Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen
Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von
Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber. Diese Steuerfreiheit
bezieht sich auf Finanzdienstleistungen (EuGH-Urteil Velvet & Steel
Immobilien vom 19.4.2007 C-455/05, EU:C:2007:232, Rz 21 zu Art. 13
Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Hierzu
gehört nicht die Übernahme der Verpflichtung, eine
Immobilie zu renovieren, da es sich der Art nach nicht um ein
Finanzgeschäft handelt (EuGH-Urteil Velvet & Steel Immobilien,
EU:C:2007:232, Rz 23). Der EuGH hat dies insbesondere damit
begründet, dass die Befreiung von Finanzgeschäften
bezwecke, Schwierigkeiten zu beseitigen, die mit der Bestimmung der
Bemessungsgrundlage verbunden sind (EuGH-Urteil Velvet & Steel
Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 24). Der Begriff der
„Übernahme von Verbindlichkeiten“ i.S. von
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
schließt somit andere als Geldverbindlichkeiten, wie die
Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, von der Steuerfreiheit
aus (EuGH-Urteil Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz
26).
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Zudem ist Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der
Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und definiert die danach
steuerfreien Umsätze durch die Art der erbrachten
Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger
der Leistung (EuGH-Urteil Swiss Re vom 22.10.2009 C-242/08,
EU:C:2009:647, Rz 44). Dabei ist die entgeltliche Übertragung
eines Bestands von Lebensrückversicherungsverträgen eine
einheitliche Leistung, die nicht künstlich in zwei Leistungen,
die Übernahme von Verbindlichkeiten i.S. von Art. 13 Teil B
Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG und einen Umsatz im
Geschäft mit Forderungen i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr.
3 der Richtlinie 77/388/EWG, aufgespalten werden kann (EuGH-Urteil
Swiss Re, EU:C:2009:647, Rz 52).
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2. Im Streitfall hat die Klägerin eine
steuerfreie Leistung erbracht. Verpflichtet sich der Unternehmer
gegen Entgelt, als Mieter ein Mietverhältnis einzugehen, ist
die Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
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a) Gegenstand der von der Klägerin
aufgrund des Vertrages vom 19.2.2007 erbrachten Leistung ist es,
ein Mietverhältnis als Mieter einzugehen. Die Klägerin
wurde hierdurch gemäß § 535 Abs. 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs als Mieter verpflichtet, dem
Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Mit ihrer Leistung
gegen Entgelt, einen Mietvertrag als Mieter abzuschließen,
hat die Klägerin somit i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG
eine Verbindlichkeit begründet und entsprechend der
EuGH-Rechtsprechung (Urteil Velvet & Steel Immobilien,
EU:C:2007:232, Rz 26) eine Geldverbindlichkeit übernommen. Sie
unterscheidet sich von den durch ihre Erfüllung
begründeten Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag.
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b) Da sich die Steuerfreiheit bei
richtlinienkonformer Auslegung nach Art der erbrachten
Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger
der Leistung definiert (EuGH-Urteil Swiss Re, EU:C:2009:647, Rz
44), kommt es nicht darauf an, ob der Leistende eine bereits
bestehende Verbindlichkeit übernimmt oder erstmals eine
Verbindlichkeit begründet. Eine Einschränkung dergestalt,
dass es sich um die Leistung an eine Person handeln muss, zu deren
Lasten bereits eine Verpflichtung besteht, ist auch bei enger
Auslegung des Befreiungstatbestands nicht erforderlich und
würde zu einem Verstoß gegen das
Neutralitätsprinzip führen. Danach müssen die
Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein, das Organisationsmodell zu
wählen, das ihnen am besten zusagt, ohne Gefahr zu laufen,
dass ihre Umsätze von der Steuerbefreiung nach der Richtlinie
ausgeschlossen werden (EuGH-Urteile GfBk vom 7.3.2013 C-275/11,
EU:C:2013:141, Leitsatz 3, sowie Rz 30 und 31, sowie Abbey National
vom 22.2.2001 C-408/98, EU:C:2001:110, sowie Ludwig vom 21.6.2007
C-453/05, EU:C:2007:369, Rz 35; vgl. auch BFH-Urteil vom 22.6.2016
V R 46/15, BFHE 254, 272 = SIS 16 17 69, unter II.2.b bb (4)).
Somit ist nicht danach zu differenzieren, ob die Klägerin die
Verpflichtungen aus einem bereits zuvor abgeschlossenen Mietvertrag
von einem Mieter übernimmt oder sich selbst unmittelbar zum
Eingehen eines Mietverhältnisses verpflichtet. Die Leistung
der Klägerin ist daher ebenso steuerfrei, wie wenn der
Grundstückseigentümer den Mietvertrag zunächst mit
einem Dritten geschlossen hätte und sich die Klägerin zur
Vertragsübernahme gegen Entgelt verpflichtet hätte.
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c) Zudem sprechen auch die Schwierigkeiten bei
der Bestimmung der Bemessungsgrundlage (vgl. EuGH-Urteil Velvet &
Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 24) für eine
Steuerfreiheit. Denn im Streitfall hat die Klägerin für
die Verpflichtung zur Eingehung eines Mietverhältnisses eine
Zahlung in Höhe der von ihr aus dem Mietverhältnis
insgesamt geschuldeten Nettomieten erhalten. Bei wirtschaftlicher
Betrachtung liegt ihr Vorteil mithin darin, dass sie Mieten
über eine Laufzeit von fünf Jahren zu zahlen hat,
während sie die Gesamtsumme dieser Nettomieten bereits beim
Vertragsschluss erhalten hat. Damit erlangt sie nur einen
Zinsvorteil aus ihrer Leistung. Es würde daher nicht zu einer
zutreffenden Besteuerung führen, die von ihr im Streitjahr
vereinnahmte Zahlung entsprechend § 10 Abs. 1 UStG in voller
Höhe als Gegenleistung bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer
zu behandeln.
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3. Danach ist das Urteil des FG aufzuheben und
der Klage stattzugeben. Das FG hat bei seiner Entscheidung nicht
hinreichend berücksichtigt, dass das von ihm angenommene
„Hin- und Herbewegen von Kapital“ durchaus den
Charakter eines „Finanzgeschäfts“
(EuGH-Urteil Velvet & Steel Immobilien, EU:C:2007:232, Rz 24)
hatte. Zudem hat das FG nicht erkannt, dass Gegenstand der von der
Klägerin erbrachten Leistung nicht das bloße
„Eingehen eines Mietvertrages“ durch Abschluss
eines Mietvertrages war, sondern die hiervon gesondert eingegangene
Verpflichtung, sich als Mieter zu Geldzahlungen zu
verpflichten.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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